Rio+20: Demonstration für ökologische und soziale Gerechtigkeit

von Andreas Behn

(Rio de Janeiro, 21. Juni 2012, npl).- Anlässlich des globalen Aktionstages am 20. Juni rief der Peoples‘ Summit zu einer großen Demonstration im Zentrum von Rio de Janeiro auf. Gut 20.000 Menschen versammelten sich am Nachmittag an der Candelária-Kirche und zogen über die Avenida Rio Branco zum Platz Cinelândia, der schon zur Zeit der Militärdiktatur Schauplatz der großen Demonstrationen gewesen war. Trotz des Nieselregens war die Stimmung ausgelassen, die Redebeiträge kämpferisch. Das Motto: „Für soziale und ökologische Gerechtigkeit. Gegen die Vermarktung des Lebens und für die Verteidigung der öffentlichen Güter.“

Der Demozug war gespickt mit Transparenten und wehenden roten Fahnen. Die Slogans forderten ein Ende der Macht der Banken und eine Wirtschaft, die den Menschen und nicht dem Kapital dient. Im Block der Landlosenbewegung stand die Forderung nach Agrarreform und die Kritik an der ‚Grünen Wirtschaft‘ im Mittelpunkt. Gentechnik und Konzerne wie Monsanto oder Bayer wurden für mangelnde Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft verantwortlich gemacht.

Abholzung und Atomkraft angeprangert

Auch mit Präsidentin Dilma Rousseff gingen die Demonstrant*innen hart ins Gericht. Eine große Statue zeigte sie als Yankee, Plakate forderten sie auf, ihr halbseidenes Veto gegen das neue Waldgesetz nochmal zu überdenken und den “Freibrief für Abholzung“ zu verhindern. „Sofortiger Baustopp für Angra 3“, den dritten Meiler des Kernkraftwerks bei Angra dos Reis, forderten Aktivist*innen der kleinen brasilianischen Antiatombewegung.

Die ganze Vielzahl von Themen, die seit dem 15. Juni auf dem Peoples‘ Summit parallel zur Konferenz Rio+20 diskutiert werden, waren auf der Demonstration präsent. Die Einigung auf eine nahezu aussagelose Abschlusserklärung der UN-Konferenz am Dienstag war das meist kommentierte Thema am Rande des Zuges: „Was für ganz Brasilien ein Scheitern ist, stellt Dilma als Erfolg dar,“ beschwert sich der Greenpeace-Aktivist Paolo Adário, der mit hundert Kollegen aus vielen Ländern für die Kampagne „Null-Abholzung“ im Amazonas demonstrierte. Die Argentinierin Esther Carillo zeigte sich weniger verärgert. „Ich habe keinerlei Erwartungen an die offizielle Konferenz gehabt. Deswegen engagiere ich mich auf dem Peoples‘ Summit, wo wir ernsthaft über die Ursachen der Umweltprobleme diskutieren und andere, zukunftsweisende Lösungswege vorschlagen.“

Breites Spektrum sozialer Bewegungen

Die Schwarzenbewegung, Frauen, die lokalen Stadtbewegung, aber auch Indígenas waren sehr präsent. Soziale Bewegungen wie Hausbesetzer*innen, Müllsammler*innen oder Studierende waren ebenso dabei wie die NGOs Attac, SOS Klima oder WWF. Aber auch Parteien und Gewerkschaften nutzten die Bühne, sich als Sprecher der Zivilgesellschaft in Sachen Umweltschutz und Nachhaltigkeit darzustellen.

Die Demonstration spiegelte wie der Peoples‘ Summit den überraschend breiten Konsens der Bewegungen und Organisationen in Bezug auf die Themen der Rio+20 wider. Es geht nicht um die Frage, ob die UN-Konferenz mehr oder weniger konkrete Beschlüsse fasst, sondern um die Überzeugung, dass dort schlicht die falschen Mittel und Maßnahmen zur Lösung der Krisen diskutiert werden. So wird die ‚Grüne Wirtschaft‘ rundweg abgelehnt, da sie auf einer Privatisierung von Natur und Gemeingütern basiert. Dem Postulat des Freihandels wird effektive Regulierung gegenüber gesetzt. Statt industrieller Landwirtschaft mit Agrosprit und Gentechnik wird für ökologische oder familiäre Landwirtschaft plädiert. Auch das Wachstumspostulat wird in Frage gestellt, in der Überzeugung, dass andere Konsummuster und eine gerechte Wohlstandsverteilung der einzige Weg zur Nachhaltigkeit sind.

Schon früh am Morgen hatte die erste Demonstration dieses Aktionstages stattgefunden. In der von Räumung bedrohten Favela Vila Autódromo, nur 800 Meter vom offiziellen Konferenzgelände entfernt, hatten sich rund 1.500 Aktivist*innen zu einer Kundgebung versammelt. An die Absprache mit der Polizei, nicht Richtung Konferenzzentrum zu marschieren, hielt sich nur eine Gruppe Indígenas nicht. Sie stellten sich den schwerbewaffneten Polizisten und Militärs entgegen, um den soeben ankommenden Staatsoberhäuptern eine Petition zu übergeben. Nach Vermittlung eines brasilianischen Ministers wurde einer kleinen Delegation der Indígenas erlaubt, bis zum Konferenzort zu laufen. Den Beginn der eigentlichen Konferenz Rio+20 haben sie bestimmt nicht gestört, ebenso wenig wie die 30 akkreditierten Aktivist*innen, die im Gebäude selbstgemalte Plakate hochhielten, um eine Revision des oberflächlichen Abschlussdokuments zu fordern.

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