Poonal Nr. 296

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 296 vom 3. Juli 1997

Inhalt


MEXIKO

NICARAGUA

ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA

GUATEMALA

KOLUMBIEN

PERU

CHILE

KUBA/DOMINIKANISCHE REPUBLIK

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

ECUADOR

PUERTO RICO

PARAGUAY

HONDURAS


MEXIKO

Die spannendsten Wahlen sei langem

(Mexiko-Stadt, 1. Juli 1997, Poonal).- Am kommenden Sonntag finden in Mexiko Wahlen statt, die die politische Landschaft zum ersten Mal seit fast 70 Jahren entscheidend verändern können. Die Chancen, die faktisch seit 1928 bestehende Alleinherrschaft der regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) zu brechen, waren für die Opposition selten so günstig. Gleichzeitig machen viele Ungewißheiten die Wahlen zu den spannendsten der jüngeren mexikanischen Geschichte. Ganz sicher ist nur, daß der Präsident auch nach dem 6. Juli 1997 noch Ernesto Zedillo heißt. Sein Amt steht erst im Jahr 2000 zur Wahl. Doch unter Umständen wird sich Zedillo in der zweiten Hälfte seiner Regierungsperiode mit einer Oppositionsmehrheit im Abgeordnetenhausauseinandersetzen müssen. Dort werden alle 500 Mandate – 300 nach dem Direktwahlrecht und 200 nach dem Verhältniswahlrecht – neu vergeben. Aufgrund einiger Sonderbestimmungen könnten etwas mehr als 42 Prozent der Stimmen bei ausreichend vielen Direktmandaten für eine hauchdünne absolute Mehrheit ausreichen. Die PRI, die bisher stets über erdrückende Mehrheiten im Parlament verfügte, klammert sich an diese Hoffnung. Sie baut darauf, daß sie landesweit etwa gleichmäßig stark vertreten ist. Die rechte Partei des Nationalen Fortschritts (PAN) und die linke Partei der Demokratischen Revolution (PRD) dagegen haben einige Hochburgen, gleichzeitig aber auch sehr viele Wahldistrikte, wo sie kaum vertreten sind oder sich voraussichtlich auf dem zweiten und dritten Platz hinter der PRI abwechseln. Dennoch wird nach den letzten Umfrageergebnissen damit gerechnet, daß keine der drei großen Parteien eine absolute Mehrheit erreichen wird. Eher wird davon ausgegangen, daß die PRI landesweit nur knapp vor der PAN und mit etwas größerem Abstand vor der PRD auf dem ersten Platz landet. Damit wäre die Regierungsmehrheit im Abgeordnetenhaus verloren. Im Senat, wo nur ein Drittel der 96 Mitglieder ausgetauscht wird, ist die PRI-Herrschaft dagegen noch nicht gefährdet.

Während für die Zusammensetzung des Parlamentes die große Zahl der bis kurz vor dem Urnengang unentschlossenen Wähler noch Überraschungen bringen kann, ist die erstmalige Direktwahl des Regenten von Mexiko-Stadt nach allgemeiner Einschätzung so gut wie entschieden. Der PRD-Kandidat Cuauhtémoc Cárdenas liegt nach einem souverän geführten Wahlkampf in allen Umfragen weit vorn. Er kann sich allerdings keiner Mehrheit in der Stadtversammlung sicher sein. Die politische Macht des neuen „Bürgermeisters“ der größten Stadt der Welt ist beschränkt, symbolisch würde es viel bedeuten wenn die Hauptstadt in die Hände der Opposition fiele. Bisher ernannte der mexikanische Präsident den Stadtregenten. Sollte Cárdenas wie vorausgesagt gewinnen und eine gute Figur im Amt abgeben, so hätte er damit eine solide Ausgangsbasis, im Jahr 2000 zum dritten Mal zu den Präsidentschaftswahlen anzutreten. Schon jetzt wird darüber spekuliert. Andererseits scheint die in Mexiko gängige Einschätzung durchaus zutreffend, der Wahlsieg in der Metropole sei vergleichbar damit, bei der Tombola einen Tiger als Hauptgewinn zu bekommen. Es gibt genug Chancen, die zahlreichen Probleme von Mexiko-Stadt nicht in den Griff zu bekommen.

Weniger spektakulär werden am 6. Juli die gleichzeitig stattfindenden Gouverneurs-, Parlaments- und Kommunalwahlen in zehn Bundesstaaten sein. Mittelfristig werden sie aber auch von erheblicher Bedeutung sein. Selbst wenn es der Opposition nicht gelingen sollte, Gouverneursposten zu erringen, so wird sie im Vergleich zur Vergangenheit auf jeden Fall wesentlich mehr Abgeordnete in den Bundesstaaten stellen und zahlreiche Landkreise regieren. Das Vertrauen in faire Wahlen ist größer als bei früheren Gelegenheiten, wo Manipulationen zur Tagesordnung gehörten. Eine neu zusammengesetzte und formell erstmals von der Regierung unabhängige oberste Wahlbehörde und die Erfahrungen bei Bundesstaatswahlen in den vergangenen Monaten haben dazu beigetragen. Andererseits läßt die Militarisierung vieler Regionen, besonders der Bundesstaaten Guerrero und Chiapas nach Ansicht vieler nationaler Beobachter Zweifel an den notwendigen Voraussetzungen für freie Wahlen aufkommen. Ebenso stießen die kurz vor der Wahl durchgeführten Rundreisen des Präsidenten durch mehrere Bundesstaaten, die mit Landübergaben und zahlreichen Geldzusagen verbunden waren, auf Kritik der Opposition. Trotzdem spricht vieles dafür, daß sich Mexiko am Sonntag nach der Entscheidung von 52 Millionen Wählern und Wählerinnen einen weiteren Schritt vom System der Staatspartei PRI entfernt haben wird.

Kleinbäuer*innen fordern Taten statt leerer Versprechungen

(Chiapas, 1. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Die mexikanische Regierung will 180 Millionen Pesos (etwa 20 Millionen Dollar) investieren, um etwas gegen die Armut im Bundesstaat Chiapas zu tun. Dies hat Präsident Ernesto Zedillo auf einer Rundreise durch Chiapas erklärt. Er sagte auch, seine Regierung sei immer für den Dialog, ohne jedoch weiter auf die suspendierten Gespräche mit der zapatistischen Guerilla einzugehen. Der Präsident besuchte einige hochgelegene Orte des Bundesstaates, in denen die Armut besonders groß ist. Das angekündigte Geld soll über einen Wirtschaftsentwicklungsfonds investiert werden. Es ist unter anderem für das Bildungswesen und Krankenhäuser vorgesehen. Viele halten die Summe für nicht ausreichend, um die Probleme der Bevölkerung in Chiapas zu lösen. Ein Vertreter der kleinen Kaffeeproduzent*innen sagte dem Präsidenten, die Leute seien nicht mehr bereit, leere Versprechungen zu akzeptieren, sie wollten endlich Taten sehen. „Am Ende sind wir Armen ärmer und die Reichen reicher“, erklärte er.

NICARAGUA

Fernando Cardenal wieder in Jesuitenorden aufgenommen

(Managua, 27. Juni 1996, alc-Poonal).- Der Priester und frühere nicaraguanische Erziehungsminister Fernando Cardenal ist wieder in den Jesuitenorden aufgenommen worden. Im Oktober 1984 wurde Cardenal ausgeschlossen, weil er sich der Anordnung des Papstes widersetzt hatte, daß kein Priester einen Regierungsposten übernehmen dürfe. Bei seinem erneuten Ordenseintritt nach einer Probezeit in El Salvador kommentierte der Ex-Minister, sein Schritt bedeute nicht, daß er damit der Option für die Armen eine Absage erteile. Allerdings „gibt es heute keinen Grund, daß ein Priester in der Politik Nicaraguas aktiv ist“, erklärte der 63jährige Fernando Cardenal. Unter keinen Umständen werde er die Arbeit in einer Partei oder in einem öffentlichen Amt akzeptieren. Der Bruder des Dichters und Priesters Ernesto Cardenal versicherte aber auch, er bereue seine Beteiligung in der Sandinistischen Befreiungsfront seit 1973 nicht. Er sei zufrieden über seinen Beitrag zur Veränderung des Landes. Heute mache der bewaffnete Kampf [in Nicaragua] jedoch keinen Sinn, weder ethisch noch moralisch. Während der 13 Jahre, die Cardenal aus dem Orden ausgeschlossen war, lebte er weiterhin – mit allen Pflichten, aber ohne Rechte – in der Jesuitengemeinde von Managua. Der Vorsitzende des Jesuitenordens, Peter Hans Kolvenbach, erklärte, im Fall von Cardenas habe es eine Verweigerung aus Gewissensgründen gegeben, er akzeptiere nun das Wiedereintrittsgesuch. Er wies darauf hin, daß es sich in der 450jährigen Geschichte des Jesuitenordens um einen Präzedenzfall handelt.

ARGENTINIEN

Neuer Justizminister

(Bünos Aires, 27. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Präsident Carlos Menem ernannte den bisherigen Botschafter in den USA, Raul Granillo Ocampo, zum neuen Justizminister. Dessen Vorgänger Elias Jassan war wegen seiner guten Beziehungen zu dem Unternehmer Alfredo Yabrán zunehmend unter Druck geraten und hatte seinen Rücktritt eingereicht. Yabrán gilt als der Hauptverdächtige bei der Suche nach den Auftraggebern für den Mord an dem Fotojournalisten José Luis Cabezas. Dies hinderte Menem nicht daran, den Unternehmer im Regierungspalast zu empfangen. Er verteidigte sich gegen zahlreiche Kritik, auch aus der eigenen Partei, mit dem Hinweis, Yabrán könne nicht schuldig gesprochen werden, bevor es ein Urteil gebe. Ein US-Bericht verneine zudem seine Verbindungen zum Drogengeschäft. Das mögliche Wissen von Cabezas um Yabráns Beteiligung am Drogenhandel war in den vergangenen Wochen als ein Motiv für den Mord an dem Journalisten genannt worden.

Wertezerfall: Nationaluni will Frauen zum Studium zulassen

(Córdoba, Juni 1997, fempress-Poonal).- Der Rat der Nationaluniversität von Córdoba hat einstimmig beschlossen, ab 1998 Studentinnen am traditionellen Monserrat-Kolleg zuzulassen. Seit der Kolleg-Gründung 1687 hatten konservative Studenten, Dozenten und Eltern die Aufnahme von Frauen verhindert und so für eine einmalige Situation an einer Nationaluniversität gesorgt. Vor drei Jahren waren erstmals Dozentinnen in den Lehrkörper des Kollegs aufgenommen worden. In Argentinien sorgte die Neuigkeit landesweit für Ausehen.

LATEINAMERIKA

fempress im Internet

(Santiago de Chile, Juni 1997, fempress-Poonal).- Seit 15 Jahren ist die Zeitschrift „mujer/fempress“ Monat für Monat erschienen, um Frauenorganisationen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen, Journalistinnen und allgemein Personen zu informieren, die für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Lateinamerika arbeiten. Seit fünf Jahren produziert „fempress“ auch einen Radiodienst, der von über 400 Programmen in der Region genutzt wird. Jetzt hat die „fempress“ auch eine homepage im Internet. Unter der Adresse „http://www.fempress.cl“ sind nicht nur die Monatsausgaben und Sondernummern abrufbar, sondern auch eine Artikelbank mit 600 Beiträgen zu verschiedenen Frauenthemen. Für Organisationen und Institutionen gibt es die Möglichkeiten, ihre Veranstaltungen und Kampagnen anzukündigen.

GUATEMALA

Rätselraten um neue bewaffnete Gruppe

(Guatemala-Stadt, 1. Juli 1997, pulsar-Poonal).- Eine Gruppe, die unter dem Namen „Comando Fuerza Guerillera 97“ (Kommando Guerillastreitkraft 97) bekannt ist, greift ehemalige Guerillakämpfer*innen und aus dem mexikanischen Exil zurückkehrende Campesinos an. Die Attacken haben in der nordwestlichen Provinz Quiche in der Region des Ixil-Dreieckes stattgefunden. Bisher ist nicht bekannt, wieviele Familien zu den Angriffszielen der Bewegung gehörten. Sie tauchte im Juni das erste Mal auf und verletzte bei einem Attentat einen Bürgermeister. Der Nationale Friedensfonds stoppte die Nahrungsmittelhilfe und sonstige Unterstützung für die betroffene Region, nachdem das Kommando damit drohte, die Hubschrauber der Institution abzuschießen. Sowohl die Ex-Guerilla der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) wie auch die guatemaltekische Bundesarmee wollen keine Informationen über die Aktivitäten der Gruppe haben, die sich als aufständische Bewegung bezeichnet. Alle im Land arbeitenden Menschenrechtsgruppen stimmen mit der Regierung darin überein, daß es sich um gewöhnliche Kriminelle handelt. Das Operationsgebiet der Gruppe, das Ixil-Dreieck war während des bewaffneten internen Konfliktes eine der umkämpftesten Zonen.

Kein Geld – Wahrheitskommission kann noch nicht arbeiten

(Guatemala-Stadt, 24. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Der Arbeitsbeginn der Kommission für geschichtliche Aufklärung – kurz Wahrheitskommission genannt – ist zum zweiten Mal verschoben worden. Laut Christian Tomuschat, dem Vorsitzenden der Kommission, stehen bisher weniger als 1 Prozent des geplanten Jahresetats von gut 7,7 Millionen Dollar zur Verfügung. Die guatemaltekische Regierung bewilligte Anfang Juni 833.000 Dollar und von den USA werden in diesen Tagen 1 Millione Dollar erwartet. Bislang sind jedoch lediglich 75.000 Dollar von der kanadischen Botschaft eingetroffen. Tomuschat erklärte: „Jeder hat seine Verwaltungsprozeduren, das nimmt viel Zeit in Anspruch. Zuviel, meiner Meinung nach.“ Der neue Start für die Kommission, die die während des dreieinhalb Jahrzehnte währenden internen bewaffneten Konfliktes begangenen Verbrechen untersuchen soll, ist nun für die letzte Juliwoche vorgesehen.

Machtkampf im Oppositionsbündnis FDNG

(Guatemala-Stadt, 25. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Die Ehe der Revolutionären Partei (PR) mit zahlreichen Volksorganisationen, die 1995 zur Gründung des Demokratischen Bündnis Neues Guatemala (FDNG) führte, läuft derzeit auf eine Scheidung hinaus. Den Streit hat der FDNG-Generalsekretär Rafael Arriaga Martinez ausgelöst. Arriaga führte die in weiten Kreisen diskreditierte PR an, als diese ihre Parteistruktur dem FDNG überließ, um dem Bündnis die Teilnahme an den allgemeinen Wahlen im November 1995 zuermöglichen. Jetzt hat er erklärt bis 1998 an der Spitze des FDNG bleiben zu wollen, obwohl sich eine wachsende Zahl von Parteimitgliedern für seinen Rücktritt ausspricht. Wichtige Parteifiguren wie die Abgeordneten Rosalina Tuyuc und Antonio Mobil haben bereits einen Gegenkandidaten gekürt. Byron Morales, Vorsitzender der Gewerkschaftseinheit der Arbeiter*innen Guatemalas (UNSITRAGUA) sei der Mann, der die Partei in die Zukunft führen könne, erklärten sie auf einer Pressekonferenz. „Für uns ist Byron Morales ein junger Mann mit großem Talent, der fähig ist, die Partei zu leiten, wenn die Mitglieder ihn wählen“, so Tuyuc. Die überraschende Präsentation dieser Alternative hat jedoch nicht nur Zustimmung gefunden. So spricht Nineth Montenegro, ebenfalls Parlamentsabgeordnete, von einer einseitigen Entscheidung einer Gruppe von Abgeordneten. „Ein Konsenskandidat sollte gesucht werden“, meint sie. Am 13. Juli wird es auf der ersten Generalversammlung der FDNG seit ihrer Gründung zu einer Entscheidung kommen.

Dialog über die Wirtschaftspolitik

(Guatemala-Stadt, 25. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Regierungsangehörige, Politiker*innen, Geschäftsleute und Mitglieder von Volksorganisationen trafen sich am 24. Juni zum ersten Mal, um über Privatisierung und Steuerreform zu reden. Es handelt sich um das erste von fünf Themen, das im Rahmen der „Treffen für die Modernisierung“ analysiert werden soll. Aufgerufen hat dazu Vizepräsident Luis Flores Asturias. Mehrere Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Gewerkschaftsgruppen haben gefordert, den Verkauf von Staatsvermögen auszusetzen, solange die Gespräche geführt werden. Dies wird jedoch von Finanzminister José Alejandro Arévalo mit der Begründung abgelehnt, jeder Kurswechsel im Privatisierungsprogramm vertreibe potentielle Investoren und würde die Arbeit der Regierung zunichte machen.

Wie schwierig ein Konsens der 28 bei den Gesprächen vertretenen Gruppen sein wird, zeigte sich bei den Vorschlägen zur Privatisierung. Die Regierung und der Unternehmerdachverband CACIF (Koordinationskomitee der Kammern für Handel, Industrie, Landwirtschaft und Finanzwesen) halten den raschen Verkauf größerer Staatsbetriebe für wesentlich, um die Auslandsschulden bezahlen und die Infrastruktur des Landes modernisieren zu können. Die Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) ist gegen die Privatisierung von Unternehmen, die strategische Bedeutung haben oder Basisdienstleistungen anbieten. Sie tritt für Konzessionen oder Unternehmen mit gemischtem Kapital ein. Andere sind gegen jegliche Privatisierung. „Wir rufen zu einem endgültigen Stopp dieses Prozesses auf. Er ist ein Überfall auf unser nationales Erbe“, so beispielsweise Byron Morales von der Gewerkschaftseinheit der Arbeiter*innen Guatemalas (UNSITRAGUA).

Die Treffen für die Modernisierung sollen bereits am 4. Juli mit einer Einigung zwischen den Gruppen abgeschlossen sein. Sie werden vom Kanadischen Zentrum für Studien und Internationale Zusammenarbeit (CECI) mit dem Ziel gesponsert, die Zivilgesellschaft in Entscheidungen von landesweiter Bedeutung einzubeziehen. Ursprünglich war nach dem von der Regierung ausgearbeiteten Plan nur die Diskussion über eine Regierungsreform und das Sozialversicherungssystem vorgesehen. Gewerkschaften und andere Gruppen erreichten jedoch, auch die Themen Verfassungsreformen, Sicherheit der Bürger*innen sowie Privatisierung und Steuerreform einzuschließen.

KOLUMBIEN

Geheimabkommen zwischen Militärs und Ölmultis

(Santafé de Bogota, 26. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Nach Informationen von Human Rights Watch haben die internationalen Ölgesellschaften Shell (Sitz in den Niederlanden) und Occidental Petroleum (Sitz in den USA) ein Abkommen mit den kolumbianischen Streitkräften für die Gründung paramilitärischer Gruppen geschlossen. Demnach wurde im September 1996 in einem Geheimdokument vereinbart, daß die Ölmultis pro Jahr etwa zwei Millionen Dollar an die kolumbianische Armee zahlen wird. Als Gegenleistung sollen die offiziellen Streitkräfte paramilitärische Kräfte bereitstellen, die die Einrichtungen der Gesellschaften schützen. Shell geht es besonders um den Schutz seiner Ölfelder von Cano-Limon, die zu den ergiebigsten in Kolumbien gehören. Ein ähnliches Abkommen soll es zuvor bereits zwischen British Petroleum und den Streitkräften in der Provinz Casanare gegeben haben.

Community-Radios: Immer mehr Gemeinden senden mit eigener Stimme

Von Angela Castellanos Aranguren

(Santafé de Bogotá, 25. Juni 1997, sem-Poonal).- Nachdem er die Qualität der eingesackten Bohnen überprüft hat, verläßt Ernesto Sierra seine Genossenschaft, um zu Mitgliedern, Pflanzer*innen, Nachbarn und Freunden über den Radiosender „Villanueva FM Stereo“ zu sprechen. Es handelt sich um eines von 401 Community Radios, die im vergangenen März offiziell von der kolumbianischen Regierung anerkannt wurden. Fast ein Jahrzehnt lang operierten die meisten dieser Radios schon, aber immer am Rande der Legalität. Nach der kolumbianischen Rechtsprechung muß die Radiokommunikation durch den Staat geregelt werden. Die Frequenzen werden als ein unveräußerliches und unantastbares öffentliches Gut angesehen, das in keinem Fall verkauft werden kann, aber immer unter staatlicher Kontrolle ist. In Kolumbien gibt es einschließlich des staatlichen Radios 607 (überregionale) Sender, von denen 70 Prozent im AM- Bereich und der Rest im FM-Bereich übertragen. Alle haben eine Regierungserlaubnis.

Dazu kommen aber mindestens 1.305 Lokalradios, die ohne Gewinnabsichten in städtischen und ländlichen Gemeinden im ganzen Land übertragen. „Das Kommunikationsministerium rief öffentlich auf, sich für die Konzessionsvergabe zu bewerben. 1.305 Radios meldeten sich, aber nur 401 erfüllten die Bedingungen“, erklärt Samuel Percy vom Ministerium. Daß weniger als die Hälfte die offizielle Sendeerlaubnis bekamen, liegt nach Gloria Díaz vom Büro für Pastorale Sozialarbeit an der „Unzahl von Papieren, die das Ministerium anfordert und daran, daß viele Community Radios keine Beratung hatten oder einholten, um sie (die Papiere) zusammenzubekommen“. Das Büro von Díaz hat mehrere Lokalsender während des Genehmigungsverfahrens unterstützt. Díaz weist darauf hin, daß „der wirtschaftliche und politische Interessenkampf die Ergebnisse der Ausschreibung verzögerte. Diese geschah im April 1995 und wir mußten zwei Jahre auf die Genehmigung warten“. Angesichts der Bedeutung der Massenmedien kontrollieren die wirtschaftlich starken Gruppen einen wichtigen Teil der Kommunikationsmedien. So gehören in Kolumbien 19,8 Prozent der Radiostationen der Gruppe „Ardille Lulle“ und 18,3 Prozent sind im Besitz der Gruppe „Santo Domingo“. Die beiden sind die größten Wirtschaftsgruppen des Landes.

Obwohl die Community Radios keine herkömmliche Werbung im Programm haben und mit maximal 250 Kilowatt senden, verfügen sie über eine breite ZuhörerInnschaft, denn sie berichten über Themen vor Ort und sind für die Gemeinden da. „Wir fingen vor zwei Jahren mit Lautsprechern an, dann benutzten wir einen Minisender der Genossenschaft von Villanueva und später beschafften wir uns ein Sendepult, eine Konsole und einen Sender mit 5 Kilowatt“, erinnert sich Ernesto Sierra, Mitglied in der Genossenschaft. Bis 1993 waren alle Community Radios von Beschlagnahme und Schließung bedroht. Erst danach fand ihr Betätigungsfeld als eine Aktivität im Telekommunikationsbereich Anerkennung und die Radios konnten aus der Klandestinität hervorkommen. Dann dauerte es noch einmal zwei Jahre, bis die Lizenzvergabe begann. „Mit der Legalisierung der Community Radios öffnet sich eine neue Periode für die örtliche und regionale Kommunikation“, meint Libardo Rojas, der Koordinator für Das Nationale Netz der Community Radios. Das Land werde auf den Weg der Toleranz, Dezentralisierung und partizipativen Demokratie gebracht.

In Kolumbien haben viele lokale Radios die Unterstützung der katholischen Kirche. Viele Sender fingen ihren Betrieb mit Hilfe der Kirchengemeinde an. Hinter den 401 Community Radios, die eine Lizenz vom Staat bekamen, stehen aber genauso Frauengruppen, Umweltschützer*innen, Sportler*innen, Dozent*innen, Indígenas, Jugendliche und Arbeitslose. Die Leute identifizieren sich mit dem Sender, weil sie durch ihn erfahren, was im Landkreis geschieht“, erklärt Eduardo Ardilla, der Priester von Villanueva. Dort gibt es 17 Mitglieder in der „Vereinigung Community Radio Villanueva Stero“. Einige haben eine Sprechausbildung bekommen. Sender wie Radio Villanueva berechnen geringe Beträge für örtliche Bekanntmachungen oder Werbung und die „radiotones“, lokale Marathonläufe, durch deren Startbeiträge Geld für den Kauf von Cassetten gesammelt wird. Die Arbeit in den Radios geschieht auf freiwilliger Basis. Durchschnittlich senden die Community Radios fünf Stunden täglich. In der Regel handelt es sich um vorher aufgenommen Programme, die von verschiedenen örtlichen Gruppen gemacht sind.

PERU

Proteste gegen Fujimori

(Lima, 1. Juli 1997, pulsar-Poonal).- In Peru dauern die Proteste gegen die Regierung an. In der Stadt Chimbote mußte Präsident Alberto Fujimori ein Pfeiffkonzert über sich ergehen lassen. Peru gehörte zu den wenigen Ländern, in denen die Bevölkerung nicht mit Protesten, Mobilisierungen und Streiks auf Preiserhöhungen und massive Entlassungen reagierte. Jetzt scheint mit diesem passiven Verhalten allerdings Schluß zu sein.

Fast jeden Tag kommen zudem Details ans Licht, die nicht geeignet sind, das Image der Regierung zu verbessern. So wird der Rücktritt des stellvertretenden Innenministers Edgar Solis Cano mit dessen Nähe zur Drogenbande „Los Norteños“ in Zusammenhang gebracht. Solis Cano ist auch ein Vertrauter des bisher unantastbaren Präsidentenberaters Vladimiro Montesinos, den viele anklagen, der eigentliche Schutzherr der peruanischen Mafia zu sein. Was den Ex- Vizeminister angeht, so hatte dieser zuerst geleugnet, einen Verbindungsmann der Drogenhändler zu kennen. Nachdem er ihm jedoch gegenübergestellt wurde, mußte er zugeben, mehrmals mit ihm gesprochen zu haben. Auch mehrere hohe Militärs, darunter mindestens zwei Generäle scheinen in das Geschäft verwickelt zu sein.

CHILE

Sieg für die Pressefreiheit

(Santiago de Chile, 30. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Ein Berufungsgericht hat entschieden, daß die Presse doch über den wichtigsten Drogenprozeß des Landes berichten darf. Es hob das zehn Tage zuvor verhängte Informationsverbot auf (vgl. Poonal 295). Den entsprechenden Antrag reichte der chilenische JournalistInnenverband ein. In den Tagen vor dem Urteil hatten die Proteste nicht aufgehört. Die Tageszeitung „La Tercera“ eröffnete sogar eine Sonderseite im Internet, um über den Prozeß gegen den Drogenhändler Mario Silva Leiva zu informieren. Die chilenischen Journalist*innen erinnerten daran, daß das Gesetz, das das Informationsverbot für die Presse ermöglicht, von der Diktatur des Generals Augusto Pinochet immer dann benutzt wurde, wenn diese die Machenschaften ihrer Regierung verbergen wollte.

KUBA/DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Ende der Eiszeit: Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen

(Havanna, 30. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Die diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und der Dominikanischen Republik normalisieren sich. Die beiden Karibikländer vereinbarten die Eröffnung von Konsulaten in der jeweils anderen Nation. Seit die Dominikanische Republik 1959 mit dem Rückzug ihres Botschafters wenige Monaten nach der Machtübernahme von Fidel Castro den Abbruch der diplomatischen Beziehungen herbeiführte, waren die Kontakte zwischen beiden Ländern auf ein Minimum reduziert. Jetzt dankte die stellvertretende kubanische Außenministerin, Isabel Allende, ausdrücklich für die dominikanische Verurteilung des US- Embargos und die Bereitschaft der Republik, Kuba als Mitglied der Vereinigung der Karibikstaaten zu integrieren. Beide Seiten unterzeichneten auch ein Dokument, das erste Schritte für die Regelung der Migration von Kubaner*innen in die Dominikanische Republik vorsieht. Die illegale Auswanderung dorthin hat sich seit der 1990 beginnenden Wirtschaftskrise auf Kuba erhöht. Die dominikanische Vizeaußenministerin Minou Tavarez Mirabal erklärte, die Regierung von Präsident Leonel Fernández wolle verhindern, daß die Dominikanische Republik zu einem Durchgangsland für kubanische Auswanderer*innen in Richtung USA werde.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Privatisierung von 20 Staatsunternehmen in vollem Gang

(Santo Domingo, 27. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Die Dominikanische Republik hat mit der Privatisierung von mehr als 20 staatlichen Unternehmen begonnen. Der Kongreß stimmte der von Präsident Leonel Fernández vorgeschlagenen „Reform des öffentlichen Unternehmens“ zu. Für den seit August 1996 amtierenden Fernández ist dies der erste große Erfolg, er hatte sein Reformprojekt seit Beginn seiner Regierung durchzusetzen versucht. Die Palette der zu privatisierenden Staatbetriebe ist breit: Einige arbeiten in der Nahrungsmittelproduktion, bei anderen handelt es sich um Dienstleistungsunternehmen oder Export- und Importfirmen. Große wirtschaftliche Probleme, die auf die Korruption zurückgeführt werden, haben der Zuckerrat und die Elektrizitätsgesellschaft. Die Gegner*innen von Fernández Privatisierungsabsichten fragen, ob es nicht ausreiche, die oft sogar vom Privatsektor geförderte Korruption abzuschaffen, um diese Betriebe produktiv zu machen.

ECUADOR

Ausgangssperre für Minderjährige

(Quito, 30. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Die ecuadoreanischen Autoritäten wollen die Kriminalitätswelle im Land mit einer nächtlichen Ausgangssperre für Minderjährige bekämpfen. Jugendliche im ganzen Land protestieren gegen die Maßnahme. Menschenrechtsgruppen sehen darin die Rechte der Minderjährigen verletzt und führen an, dadurch werde ein durch Armut und fehlende Arbeitsplätze verursachtes Problem nicht gelöst. Die Provinzregierung von Tungurahua, Imbabura, Guayas und El Oro wollen die Ausgangssperre von 22 Uhr bis 7 Uhr durchsetzen. Wer von den Jugendlichen sich nicht daran hält, muß damit rechnen, festgenommen zu werden. Gerade die Beteiligung der Polizei ruft bei den Minderjährigen und den Menschenrechtsorganisationen Misstrauen hervor. So drückte Hugo Venegas, Berater des Betreuungszentrums für Gewaltopfer, seine Sorge aus, weil die Polizei im Moment der Verhaftung von Minderjährigen keine Rechenschaft schuldig ist. Die Bevölkerung weiß, daß die ecuadoreanische Polizei nicht ausgebildet ist, die Bürger*innen mit ausreichend Respekt zu behandeln. Keine Behörde hat erklärt, was mit den tausenden von Kindern geschehen soll, die kein Zuhause haben und in den Straßen schlafen. Es gibt keine Orte, die als geeignete Übernachtungsstätten hergerichtet sind. Alexis Ponce, Sprecher der Ständigen Menschenrechtsversammlung sagte, nichts werde durch die Verteufelung der Jugend erreicht, während Armut, und häusliche Gewalt fortbestünden und die Behörden sich weigerten, die Rechte der übrigen Bevölkerung anzuerkennen.

PUERTO RICO

Senat will „Knecht der USA“ sein

(San Juan, 25. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Als „Knechte der USA“ bezeichnete Senator Ruben Berrios von der Unabhängigkeitspartei seine Senatskolleg*innen. Diese haben in einer an US-Präsident William Clinton und den US-Verteidigungsminister gerichteten Erklärung darum gebeten, die USA sollten ihr Südkommando nach dem vollständigen Abzug aus Panama nach Puerto Rico verlegen. Die von der Insel gebotenen Möglichkeiten eigneten sich für eine schnelle Truppenbewegung an jeden Ort. Bei der Abstimmung schlossen sich die Senatsmitglieder der oppositionellen Demokratischen Volkspartei der Regierung an. Berrios, der auch Vorsitzender der Unabhängigkeitspartei ist, stimmte als einziger dagegen.

PARAGUAY

Neue Bankenkrise bringt Präsident Wasmosy ins Straucheln

(Asunción, 25. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Nach 1995 erlebt Paraguay unter Präsident Juan Carlos Wasmosy bereits die zweite Bankenkrise. Damals arbeiteten drei Banken mit illegalen Praktiken und gingen Bankrott. Der Staat mußte einspringen und etwa 1 Milliarde Dollar zuschießen. In ähnlichen Dimensionen könnte sich der neue Skandal bewegen. Wieder sind drei Banken beteiligt, in erster Linie jedoch die Geldinstitute „Banco Union“ und der „Banco de Inversiones“. Die Anklage lautet auf gesetzeswidrige Geschäfte, Steuerhinterziehung und illegale Buchführung. Hunderttausend Kunden haben ihre Kontoeinlagen bereits abgehoben und damit das gesamte Bankensystem in Bedrängnis gebracht. Jetzt will das paraguayische Parlament ein Notgesetz verabschieden, um eine große Krise zu verhindern. Einzelpersonen sowie privaten und öffentlichen Unternehmen sollen verlorene Ersparnisse innerhalb eines Jahres zurückgezahlt bekommen. Juan Carlos Wasmosy nannte die Spitzen der Banco Union und der Banco de Inversiones „Verbrecher“. Er versprach, mit dem „Finanzbordell“ aufzuräumen. Der Präsident genießt jedoch nicht einmal mehr das Vertrauen der eigenen Partei. Der Parteirat empfahl ihm gerade erst, vom Amt als Regierungschef zurückzutreten.

HONDURAS

Ein Land mehr im Blickfeld der Moon-Sekte

(Tegucigalpa, 25. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Die Jugendlichen in den Armenvierteln der honduranischen Hauptstadt sind zur Zielgruppe der Moon-Sekte geworden. Seit einiger Zeit werden sie von eingereisten koreanischen und japanischen Sektenmitgliedern angeworben. Ihnen werden Geld und sogar Reisen nach Japan versprochen. Die genaue Absicht der Werber*innen ist aber derzeit noch unklar. Wie in anderen Ländern auch zeigt sich besonders die katholische Kirche über das Auftauchen der zwielichtigen Konkurrenz besorgt. Sie forderte in Honduras INTERPOL zur Intervention auf. 1983 wurde die Moon-Sekte schon einmal im Land aktiv. Sie spendete mehr als 50.000 Dollar für die ultrarechteVereinigung für den Fortschritt, die als Deckmantel für die Todesschwadronen galt. Damals schritten die staatlichen Autoritäten nicht ein.

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