Leugner des Völkermordes im höchsten Staatsamt

von Markus Plate

(San José, 08. November 2011, voces nuestras).- Der ehemalige Diktaturgeneral Otto Pérez Molina hat bei geringer Wahlbeteiligung wie erwartet die Stichwahl zur Präsidentschaft in Guatemala gegen seinen Herausforderer Manuel Baldizón mit rund zehn Prozentpunkten Vorsprung klar gewonnen. Doch ob Pérez Molina seine Politik der harten Hand gegen Kriminalität und organisiertes Verbrechen in die Tat umsetzen wird, ist nicht nur aufgrund der unklaren Machtverhältnisse im Kongress fraglich.

Dunkle Vergangenheit als Ex-General

Der „General des Friedens“, als der sich Otto Pérez selbst gerne bezeichnet, seit er bei den Friedensabkommen 1996 den guatemaltekischen Staat repräsentierte, hat eine Vergangenheit, die ernsthafte Zweifel an seiner Demokratiefähigkeit aufkommen lassen: In der dunkelsten Zeit der Militärdiktatur von 1978 bis 1982 galt er als einer der Vertrauten des damaligen Junta-Chefs, General Lucas García. Danach, zu Beginn der 1980er Jahre kommandierte Pérez Molina die Militärbasis El Quiché – in dieser Region wurden später die meisten Massaker an der indigenen Bevölkerung verübt.

Auch seine Karriereschritte als Chef des Militärgeheimdienstes G-2 zwischen 1991 und 1993 und der Präsidentenschutztruppe „Estado Mayor Presidencial“ (EMP) von 1993 bis 1996 werfen Fragen auf, denn während des bewaffneten Konflikts waren sowohl EMP wie G-2 berüchtigte staatlichen Einheiten, denen Entführungen, Folter und Morde vorgeworfen werden.

Leugner des Völkermords

Guatemalas gewählter Präsident leugnet zudem, dass es in Guatemala je einen Völkermord gegeben hat. In einem Interview mit dem Internetmedium „PlazaPública.com.gt“ erklärte Pérez Molina in diesem Jahr, dass die seinerzeit im Quiché operierende „Guerilla-Armee der Armen“ Kinder und Frauen bewaffnet habe. Die Massaker in der Region Quiché seien geschehen, „weil Menschen dort an Guerilla-Aktionen beteiligt und auf dem Schlachtfeld waren.“ Da die massakrierten Dörfer somit direkte Kriegsteilnehmer waren, habe es keinen Genozid gegeben, so die Logik des Ex-Generals.

Otto Pérez Molina kann Vorwürfe mit Blick auf seine Vergangenheit als reine Schmutzkampagnen abtun, zumal die guatemaltekische Justiz bei der Aufarbeitung von Diktaturverbrechen erst in der jüngsten Vergangenheit vorsichtig tätig geworden ist und die Medien mit dem Kandidaten Pérez Molina mehr als gutmütig umgingen. Und so wissen die meisten Wählerinnen und Wähler über die Vergangenheit des Ex-Generals so gut wie nichts.

Geschäftsleute auf Kandidatenliste der PP

Der Chef der „Patriotischen Partei“ (PP), darf die Armee auch weiterhin als einzige ehrenwerte Institution des Landes loben, selbst wenn sich die Indizien verdichten, dass diese Institution mehr als nur punktuell mit Drogenkartellen zusammenarbeitet: eine Militärlandebahn, die auch von Drogenkurieren angesteuert wird, Armeewaffen, die die Polizei bei Kartellmitgliedern sichergestellt hat ‒ und es gibt Hinweise für Verstrickungen der Streitkräfte in dunkle Geschäfte. Otto Pérez Molina fordert Beweise und verspricht, dass diese dann auch zu Urteilen führen würden. Ganz die harte Hand, hundert Prozent Rechtsstaat und Null Prozent Straflosigkeit, für die der neue Präsident sorgen will.

Das freut die Mittelschicht, die sich ein bisschen Sicherheit vor der überbordenden Gewalt erhofft, außerdem ehemalige und aktuelle Militärs, die wenig zu befürchten haben dürften unter einem Präsidenten Otto Pérez. Oder die Unternehmer*innen, denen die nun abgewählte UNE-Regierung von Präsident Colom ein Graus war – viele wichtige Geschäftsleute stehen auf der Kandidatenliste der PP für den Kongress.

Schwierige Mehrheitsverhältnisse im Parlament

Ihnen allen hat die Partei des Kandidaten Otto Pérez Molina in der ablaufenden Legislaturperiode wertvolle Dienste geleistet: Ob die Gesetzesinitiative zur Eindämmung der Steuerhinterziehung oder zur Reform der Einkommenssteuer, ob eine Besteuerung von Telekommunikationsunternehmen, wie auch jeder Fortschritt in der Strafverfolgung, die Pérez Molina angeblich so am Herzen liegt: Die patriotische Partei mauerte bei allen Initiativen und kungelte dabei so erfolgreich mit Regierungsabweichler*innen und anderen Oppositionsparteien, dass gesetzlich kaum etwas lief in der Regierungszeit des scheidenden Präsidenten Alvaro Colom. Doch wie in den vergangenen Legislaturperioden kann auch der am Sonntag gewählte Präsident im Kongress auf keine eigene Mehrheit bauen. Bei einem eigenen Anteil von gerade Mal einem Drittel der Abgeordneten dürfte ein großer Teil der ohnehin dünnen Programmversprechen dem parlamentarischen Kungeln zur Mehrheitsbeschaffung zum Opfer fallen.

Wie angesichts eines widerspenstigen Kongresses dennoch „gestaltet“ werden kann, kann sich Otto Pérez Molina dagegen von der noch amtierenden UNE-Regierung abgucken: Hier wurden erhebliche Mittel an der Kongresskontrolle vorbei in Sozialprogrammen zusammengefasst, die der Ex-Frau von Noch-Präsident Alvaro Colom, Sandra Torres unterstanden. Ein Beispiel, dass „schlechte Schule“ machen könnte. Ansonsten könnte sich auch die neue Regierung statt einer Politik der harten Hand am Ende vor allem durch Symbolismus und Klientelpolitik auszeichnen – während sich Otto Pérez als Präsident vor Fragen bezüglich seiner Vergangenheit wohl noch sicherer fühlen dürfte, als bisher.

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