João Tancredo: Anti-Terror-Gesetz atmet Geist der Militärdiktatur

von Cátia Guimarães, EPSJV/Fiocruz

(São Paulo, 17. Februar 2014, brasildefato-poonal).- Der Rechtsanwalt João Tancredo ist Vorsitzender des Instituts für die Verteidigung der Menschenrechte DDH (Instituto de Defesa dos Direitos Humanos). Im Interview mit Brasildefato erklärt er, dass er in den Plänen für ein Anti-Terror-Gesetz einen Angriff auf die brasilianische Demokratie sieht.

 

Brasildefato: Die Befürworter*innen eines brasilianischen Anti-Terror-Gesetzes argumentieren damit, dass Gewalttäter*innen erst festgenommen, danach aber auf freien Fuß gesetzt werden, da für eine Inhaftierung die gesetzliche Grundlage fehle. Entspricht dies der Wahrheit?

João Tancredo: Nein, das stimmt nicht. Brasilien ist eines der wenigen Länder, die für alles ein Gesetz haben. Es würde also reichen, diese anzuwenden. Die Befürworter*innen eines Anti-Terror-Gesetzes fordern mehr gesetzliche Härte ganz konkret wegen der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft. Es gibt sehr mächtige ökonomische Gruppierungen, die die Leute von der Straße entfernen wollen, von jeder vorstellbaren Demonstration. Einen Demonstranten als Terroristen zu bezeichnen ist großer Unfug. Ein Demonstrant ist einfach ein Demonstrant. Für jene, die Straftaten begehen, gibt es Gesetze, die zu ihrer Festnahme führen. Die brasilianische Gesetzgebung trifft Vorsorge für alles. Man muss kein neues Gesetz schaffen, es reicht vollkommen, das anzuwenden, was bereits existiert.

Die Parlamentarier*innen im Kongress in Brasília, die ein neues Gesetz fordern, behaupten aber, dass dieses das Demonstrationsrecht nicht einschränken würde.

João Tancredo: In Brasilien soll mal wieder die Hysterie des Moments dazu genutzt werden, eine gewünschte Gesetzgebung durchzusetzen. Das aber ist ein großer Fehler. Mit dem Anti-Terror-Gesetz soll einfach jede Kritik an der Fußball-Weltmeisterschaft kriminalisiert werden, die die hohen Kosten thematisiert und das Geld lieber in Gesundheit und Bildung investiert sähe.

Das Gesetzesprojekt, das zum Beispiel José Mariano Beltrame (für Sicherheit zuständiger Minister des Bundesstaates Rio de Janeiro) vorgestellt hat, käme fast einer Wiederholung der Zeit der Militärdiktatur gleich. Man sollte wenigstens den Anstand besitzen zuzugeben, dass es sich um den Wiederaufguss einer sehr zurückgebliebenen Gesetzgebung handelt.

Die zahlreichen Demonstrant*innen, die verhaftet wurden, kamen mehrheitlich wieder frei. Was war der Grund?

João Tancredo: Es ist eine gängige Praxis der brasilianischen Polizei, Menschen gesetzeswidrig festzunehmen. Dies war bei besagter Demonstration zum großen Teil der Fall. Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Polizei Journalist*innen verletzte.

Wenn die Polizei jemanden gesetzeswidrig festgenommen hat, versucht sie dies nachträglich mit irgendeinem “Geständnis” der betroffenen Person zu rechtfertigen. Und wenn dies nicht gelingt, muss sie eben freigelassen werden. Das Muster sieht so aus: die Polizei nimmt fest, die Justiz lässt frei.

Die Strafen, die der Entwurf für ein Anti-Terror-Gesetz vorsieht, sind härter als jene der Militärdiktatur es waren. Woran liegt das?

João Tancredo: Irgendwie denken die Menschen, je länger jemand im Gefängnis bleibt, desto größer sei das Beispiel, das hiervon für die Gesellschaft ausgehe. Das ist aber ein großer Irrtum. Würde Gefängnis tatsächlich für Resozialisierung stehen, dann müssten die USA ja das beste Land der Welt sein. Und auch in Brasilien müssten in diesem Fall erfreuliche Zustände herrschen, hat es doch die drittgrößte Gefängnispopulation der Welt. Eine lange Gefängnisstrafe bedeutet nicht, dass die Person später keine Straftat mehr begehen wird. Es werden einfach nur mehr Menschen für eine längere Zeit inhaftiert, das ist alles. Man könnte zugespitzt sagen, im Gefängnis erhalten sie sogar noch eine kriminelle Ausbildung.

Was ist für Brasilien gewonnen mit einer Anti-Terror-Gesetzgebung?

João Tancredo: Die Fußball-Weltmeisterschaft endet, das Land aber bleibt. Die WM wird der brasilianischen Gesellschaft meiner Meinung nach keinerlei Nutzen hinterlassen. Wer Geld verdienen wird, das sind allein die großen Unternehmen.

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