BOLIVIEN: Gewaltsamer Widerstand gegen die Überprüfung von Landbesitz

(Quito, 18. April 2008, alai).- Die Internationale Föderation der Menschenrechts-Ligen FIDH (Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme) hat die Gewalt, mit der Großgrundbesitzer in der Provinz Cordillera (Departement Santa Cruz) im bolivianischen Chaco gegen den gesetzlich vorgeschriebene Überprüfung von Landbesitztiteln vorgehen, scharf verurteilt.

Am Abend des 13. April waren Regierungsvertreter*innen, Beamt*innen der bolivianischen Landreformbehörde INRA (Instituto Nacional de Reforma Agraria) sowie Vertreter*innen der Guaraní-Indígenas in einem Hinterhalt von bewaffneten Viehzüchtern und Angehörigen der ultrarechten Jugendunion von Santa Cruz UJC (Unión Juvenil Cruceñista) geraten und angegriffen worden. Die offizielle Kommission befand sich auf dem Weg in das Gebiet Alto Parapetí, Provinz Cordillera, nahe der Stadt Camiri. Mehr als 40 Menschen wurden bei dem Angriff verletzt, neun davon schwer. Unter den Schwerverletzten befindet sich auch der Direktor der Landreformbehörde INRA.

Die gewaltsam verhinderte Untersuchung ist Teil der im November 2007 in Bolivien beschlossenen Landreform, durch die unproduktives und illegal besetztes Land an Landlose verteilt werden soll. Im Juni 2007 beklagte die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH (Comisión Interamericana de Derechos Humanos) die Situation von Sklaven- und Zwangsarbeit, in der sich die indigene Guaraní-Gemeinschaften im Südosten Boliviens befinden. Im Bericht des CIDH hieß es damals, „mindestens 600 Guaraní-Familien auf Haciendas in den Departements Santa Cruz, Tarija und Chuquisaca“ lebten „in sklavereiähnlicher Schuldknechtschaft, die in vielen Fällen durch Elemente von Zwangsarbeit verschärft wird“. Die Landreform und die angestrebte Anerkennung und Festschreibung von Landtiteln berücksichtigt die Empfehlungen der CIDH.

Die Internationale Föderation der Menschenrechts-Ligen FIDH drückt ihre tiefe Besorgnis über die gewaltsame Behinderung der Tätigkeit der Regierungsbeamten aus und verurteilt die Angriffe. Neben der CIDH hatten noch weitere internationale Organisationen und Beobachter*innen Maßnahmen zur Landumverteilung in Bolivien empfohlen. Zu ihnen gehört auch der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Rechte indigener Völker Rodolfo Stavenhagen, der das Land vom 25. November bis 4. Dezember 2007 besucht und der bolivianischen Regierung kürzlich seinen Bericht überreicht hatte.

Die FIDH erklärt ihre Besorgnis angesichts des allgegenwärtigen Rassismus in Bolivien. Dieser trete nicht nur in den jüngsten Ereignissen zu Tage, sondern auch im Autonomiestatut des Departements Santa Cruz, über das am 4. Mai in einem von der Regionalregierung einberufenen Referendum abgestimmt wird. Die FIDH betont, das Autonomiestatut sei verfassungswidrig und ignoriere die Verfügungen des Obersten Wahlgerichts CNE (Corte Nacional Electoral). Darüber hinaus weise es, wie auch Rodolfo Stavenhagen festgestellt habe, „rassistische Züge“ auf, welche „die Menschenrechte der indigenen Völker dieses Departements stark beschneiden“ würden. Dies werde vor allem im Artikel 161 des Autoniomiestatuts deutlich, in dem es heißt, die Bevölkerung von Santa Cruz sei „stolz auf ihre überwiegend mestizische Rasse“.

FIDH verlangt von den lokalen und staatlichen Behörden eine umfassende, unabhängige, detaillierte und unparteiische Untersuchung der Gewaltaten des 13. April. Die Täter müssten vor ein unabhängiges und unparteiisches Gericht gestellt und straf- und zivilrechtlich belangt werden. Des weiteren unterstützt die FIDH die Bildung einer institutionenübergreifenden Kommission, welcher der Ombudsmann für Menschenrechte, die katholische und die methodistische Kirche, die Menschenrechtsorganisation APDH (Asamblea Permanente de los Derechos Humanos) und die Pressegewerkschaft CSTPB (Confederación Sindical de Trabajadores de la Prensa de Bolivia) angehören sollen. Die Kommission soll dazu beitragen, die Lage vor Ort zu befrieden, die Situation der in Abhängigkeit lebenden Guaraní-Gemeinschaften zu untersuchen und den Prozess der Überprüfung der Ländereien voranzutreiben.

Die FIDH ermahnt alle Beteiligten, vor allem die Viehzüchter und die Viehzüchtervereinigung vom Gran Chaco FEGACHACO (Federación de Ganaderos del Gran Chaco), den Rechtsstaat zu respektieren. Außerdem warnt sie vor den gezielte Falschinformationen, die in der Bevölkerung Widerstand gegen die Überprüfung der Ländereien wecken sollen und aufgrund derer es schon zu zahlreichen Straßenblockaden gekommen ist.

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