86-jährige Fotografin kämpft weiter für die Rechte Indigener

Von Júlia Dolce

(Rio de Janeiro, 15. Februar 2018, Brasil de Fato).- Die Fotografin Claudia Andujar wurde 1931 in Neuchâtel in der Schweiz geboren. Ihr jüdischer Vater und viele Verwandte wurden von den Nazis ermordet. Mit 16 Jahren ging sie nach New York, absolvierte ein geisteswissenschaftliches Studium und begann als Dolmetscherin bei der UNO zu arbeiten. Seit 1955 lebt sie in São Paulo. Mit ihren Bildern wurde Andujar zu einer Aktivistin für die Rechte der indigenen Völker, für die sie seit Jahrzehnten kämpft. Ihr besonderes Engagement gilt den Yanomami, denen sie ihr Leben gewidmet hat. Es dürfe kein Nachlassen geben, sagt sie, nur so bestehe die Möglichkeit, dass sich die Situation, in der die Indigenen leben, verbessere.

Das Nachrichtenportal Brasil de Fato führte ein Exklusiv-Interview mit der 86-jährigen Claudia Andujar. Ihre Bewegungen und ihre Sprache seien langsamer geworden, Portugiesisch spreche sie mit einem leichten Schweizer Akzent. Seit 1995 ist sie brasilianische Staatsbürgerin,.

Andujar zählte zu den führenden Aktivist*innen für die Verteidigung des indigenen Gebietes der Yanomami, das sich im Amazonasgebiet über eine Fläche von mehr als 90.000 Quadratkilometern erstreckt. Im Dezember 2017 war sie zuletzt dort und kehrte nach Gesprächen mit indigenen Anführer*innen pessimistisch nach São Paulo zurück. Die Bedrohungen, unter denen die Indigenen litten, hätten zugenommen. „Mehr als die Hälfte des Gebietes leidet unter dem Eindringen der Goldschürfer*innen. Die brasilianische Regierung unternimmt nichts, um das zu verhindern. Und die Regierungen der Bundesstaaten sind dabei, ihre Gesetze zu ändern, um Goldschürfer*innen und Bergbauunternehmen in das Gebiet zu lassen. Sie können machen, was sie wollen“, unterstreicht die Fotografin.

 

Goldrausch wie Ende der 1980-er Jahre

Seit 2013 kommt es zu einer massiven Rückkehr der Goldschürfer*innen auf das Teritorium der Yanomami, das in den nördlichen Bundesstaaten Amazonas und Roraima im Grenzgebiet zu Venezuela liegt. Seit Ende der 1980-er Jahre hatte das Problem nicht mehr eine solche Größenordnung angenommen. Damals fielen rund 40.000 Goldschürfer*innen in das Gebiet ein. Seinerzeit prangerte einer der bekanntesten Yanomami-Anführer, Davi Kopenawa, die Lage vor den Vereinten Nationen an. Im April 2017 kehrte er nach Genf zurück, um über die neuen Konflikte in Zusammenhang mit der Ausbeutung der Vorkommen zu berichten. Mehrere indigene Anführer*innen verfassten einen Brief, in dem sie die Rückschritte bei den indigenen Rechten durch die Maßnahmen der Putschregierung von Michel Temer von der Partei der Demokratischen Brasilianischen Bewegung MDB (Movimiento Democrático Brasileño) verurteilten. Dies betraf u.a. die Veränderungen und Budgetkürzungen für die Indigenenbehörde FUNAI (Fundação Nacional do Índio). Claudia Andujar erklärt: „Davi hat gesagt, dass er nicht glaube, dass es besser werde. Die brasilianische Politik zeigt keinerlei Interesse für die indigenen Völker. Wir befinden uns derzeit in Brasilien generell in einer sehr komplizierten Lage. Aktuell denke ich nicht, dass es zu einer Verbesserung kommen wird, entscheidend ist der Druck, den wir machen, um Alarm zu schlagen.“

Die Fotografin legte sich mit der Militärdiktatur an

Aufgrund ihrer Arbeit und des ausgeübten Drucks, um die Anerkennung des Yanomami-Territoriums zu erreichen – dieses wurde 1992 offiziell anerkannt – , geriet Andujar 1978, während der brasilianischen Militärdiktatur, mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz in Konflikt und galt als vorbestraft. Sie wurde von der FUNAI aus dem Gebiet der Yanomami ausgewiesen. Zurück in São Paulo, organisierte sie eine Studiengruppe, die sich für die Verteidigung des Yanomami-Territoriums einsetzte. Es war die Keimzelle der NGO Kommission für die Schaffung des Yanomami-Parks (Comissão pela Criação do Parque Yanomami), die inzwischen Comissão Pró Yanomami heißt.

Kommunizieren mit Bildern

Als Claudia Andujar 1955 nach São Paulo kam, wo ihre geflohene Mutter lebte, sprach sie noch nicht Portugiesisch. Das Fotografieren wurde für sie zu einer Art des Kommunizierens mit den Brasilianer*innen. Nach fünf Jahren begann sie ihre Arbeit mit den indigenen Gruppen – angeregt von dem berühmten Anthropologen Darcy Ribeiro. 1971 besuchte Andujar zum ersten Mal die Yanomami. „Danach kehrte ich viele Mal zurück, ich weiß gar nicht, wie oft. Die Arbeit, sie zu verstehen, zu fotografieren und zu versuchen, ihre Kultur zu respektieren, ist etwas, das man nicht von heute auf morgen lernt. Ich denke die Fähigkeit zu respektieren, ist sehr wichtig. Um die Menschen visuell darzustellen, muss man verstehen, wer sie sind, wie sie über das Leben denken, über ihr Gegenüber, all das ist wichtig. Heute nennen sie mich Mutter, und für mich sind sie meine Kinder“, erzählt sie.

Die Wände der Wohnung der Fotografin sind mit indigene Gegenstände geschmückt, die sie im Laufe der letzten Jahrzehnte geschenkt bekam sowie mit ihren Fotos der Yanomami, die international bekannt wurden und dazu beitrugen, der Welt die Yanomami nahe zu bringen. Claudia Andujar hat eine Reihe von Büchern verfasst und ihre Werke in Ausstellungen, zum Beispiel auf der Biennale von São Paulo und auf dem Internationalen Festival der Fotografie in Madrid, gezeigt. 2015 weihte sie eine Dauerausstellung im Inhotim Institut, einem Zentrum für brasilianische Kunst der Gegenwart, im Bundesstaat Minas Gerais ein.

Kamera vor zwei Jahren an den Nagel gehängt

Seit zwei Jahren fotografiert Andujar kaum noch. „Früher fielen mir Fotografien leichter als Worte. Auf meiner letzten Reise hatte ich keine Kamera mehr dabei. Heute haben ja fast alle eine Kamera, ich benutze meine fast gar nicht mehr. Mich interessiert es mehr zu versuchen, jene Botschaft zu übermitteln, die ich aus meinem Zusammenleben mit den Yanomami gewonnen habe, damit die anderen verstehen, wer sie sind. Man darf nicht damit aufhören, die Indigenen zu verteidigen, sonst besteht keine Chance, dass sich ihre Lage verbessert. Und am wichtigsten ist es, den Grund zu verstehen, warum wir sie respektieren müssen: sie sind Menschen.“.

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