Poonal Nr. 722

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 20. Juni 2006

Inhalt


MEXIKO

NICARAGUA

KOLUMBIEN

PERU

BOLIVIEN

PARAGUAY

BRASILIEN

URUGUAY-ARGENTINIEN

CHILE

ANDENLÄNDER


MEXIKO

Brutaler Polizeieinsatz gegen protestierende Lehrer in Oaxaca

(Fortaleza, 16. Juni 2006, adital-poonal).- Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung des Bundesstaates Oaxaca und der Bundesregierung vor, brutale Methoden angewandt zu haben, um gegen Tausende von Lehrern vorzugehen, die seit drei Wochen in der südmexikanischen Stadt Oaxaca protestieren. Zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen schickte die staatliche Menschenrechtskommission CNDH (Comisión Nacional de los Derechos Humanos) am 15. Juni vier Beobachter, einen Arzt sowie den Bereichsverantwortlichen in die Stadt.

Am frühen Morgen des 14. Juni waren mehrere Hundertschaften verschiedener Polizeieinheiten unter massivem Einsatz von Tränengasgranaten, Luftunterstützung und mit scharfer Munition bewaffnet, brutal gegen die Demonstrierenden vorgegangen. Lehrer und Lehrerinnen hatten seit dem 22. Mai den zentralen Platz der Hauptstadt des Bundesstaates Oaxaca besetzt gehalten. Bei der Räumung wurden einige Menschen schwer verletzt und etliche verhaftet. Die Lehrergewerkschaft hatte Anfang Mai vom Gouverneur des Bundesstaates Ulises Ruiz Verbesserungen im Bildungssystem sowie eine Gehaltserhöhung gefordert.

Bundesstaat Oaxaca: Überfall auf Büro eines Gemeindezentrums

(Montevideo, 14. Juni 20006, recorsur).- Die Union der Indigenen Gemeinden der Nordzone des Isthmus UCIZONI (Unión de Comunidades Indígenas de la Zona Norte del Istmo) klagte Hausfriedensbruch in den Büros des Gemeindezentrums CACTUS (Centro de Apoyo Comunitario Trabajando Unidos) in Huajuapan de León im Bundesstaat Oaxaca an. Am frühen Morgen des 12. Juni seien die Räume gewaltsam betreten, Unterlagen und Archive durchsucht sowie fotographische Ausrüstung und Bargeld gestohlen worden.

CACTUS ist bekannt für seine Organisierungs- und Unterstützungsarbeit in den mixtekischen Gemeinden in den Bundesstaaten Oaxaca und Puebla, gehört zu den Unterzeichnern der zapatistischen „Anderen Kampagne“ und ist Mitglied der Mexikanischen Allianz für die Selbstbestimmung der Völker AMAP (Alianza Mexicana por la Autodeterminación de los Pueblos). Aufgrund ihrer politischen Haltung gab es bereits zuvor Übergriffe auf die Organisation und einige ihrer Mitglieder wurden sogar körperlich angegriffen. Der erneute Angriff auf CACTUS sei ein Ausdruck des repressiven Klimas, dem die sozialen Organisationen in Oaxaca ausgesetzt sind.

UCIZONI drückt seine Ablehnung gegen den Angriff auf CACTUS aus und fordert von der Landesregierung eine Untersuchung der Ereignisse und die Bestrafung der Täter. Zudem fordern sie, dass den Mitgliedern der Organisation körperliche Unversehrtheit garantiert wird.

Gewerkschaften kündigen landesweiten Streik an

(Buenos Aires, 13. Juni 2006, púlsar).- Die Landesweite Front für die Einheit und Autonomie der Gewerkschaften, zusammengesetzt aus mehr als 200 Arbeiterorganisationen, ruft für den 28. Juni zum landesweiten Streik auf. Die Gewerkschafter fordern höhere Löhne und solidarisieren sich mit den Minenarbeitern. Die Gewerkschaftssprecher kündigten an, dass man im Lauf der Woche den Verantwortlichen die Forderungen und den Streikaufruf zukommen lassen werde. Diese Schritte seien notwenig, damit der Streik nicht illegal sei und um zu verhindern, dass die Arbeiter sanktioniert werden könnten.

Falls die gewerkschaftlichen Forderungen nicht erfüllt würden, werde man am 28. Juni, vier Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Mexiko, in den Ausstand treten. Die Aktivitäten der Gewerkschaften wurden seit Februar verstärkt. Bei einem tragischen Unfall in einem Kohlebergwerk im Norden des Landes waren 65 Arbeiter gestorben. Bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften im Bundesstaat Michoacán starben im April zwei weitere Arbeiter.

NICARAGUA

FSLN geht Bündnis mit Liberalen, Konservativen und ehemaligen Contras ein

(Lima, 14. Juni 2006, na-poonal).- Während die Sandinistische Nationale Befreiungsfront FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional) wegen mangelnder interner Demokratie noch immer in der Kritik steht, wurde der ehemalige Präsident Daniel Ortega (1979-1990) zum offiziellen Kandidaten für die Wahlen am 5.November erklärt. Am 28. Mai fand ein außerordentlicher Kongress der FSLN statt, auf dem die Listen für die Parlaments- und Regionalwahlen sowie für die Wahlen zum Zentralamerikanischen Parlament PARLACEN (Parlamento Centroamericano) ratifiziert wurden, die bereits Wochen zuvor bei Vorwahlen aufgestellt worden waren. Ortega hat sich seit 1990 bereits dreimal erfolglos um das Präsidentenamt beworben.

Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft bestimmte die Versammlung den 70-jährigen Bankier Jaime Morales Carazo. Morales war bei den Friedensverhandlungen mit den Contras Ende der Achtziger deren erster Vorsitzender. Die paramilitärischen Contras hatten in den Achtzigern mit Unterstützung aus den USA von Honduras aus versucht, die sandinistische Regierung zu stürzen. Darüber hinaus ist Morales ein ehemaliger Berater des wegen Korruptionsaffären umstrittenen Ex-Präsidenten Arnoldo Alemán (1997-2001). Bei der Annahme seiner Ernennung erklärte er, „liberalen Prinzipien zu folgen, kämpferisch und unabhängig zu sein, und keiner Partei außer der Nicaraguas zu folgen“.

Zwar rechtfertigte Ortega die Entscheidung, Morales mit einzubeziehen und sagte wörtlich: „Alleine schaffen wir es nicht, wir müssen zusammenarbeiten“. Dennoch ist nicht zu bezweifeln, dass die beiden in vielen Punkten keine Gemeinsamkeiten vorweisen. Der Kandidat auf die Vizepräsidentschaft erklärte die „Makroökonomie, die Geldwertstabilität, den Schutz von Einlagen und des Eigentums“ zu seinen Prioritäten. Darüber hinaus will er sich um Themen im Zusammenhang mit „den Banken, der Maquila-Industrie sowie dem internationalen Handel“ kümmern. Nicht zuletzt bezeich
nete er das Freihandelsabkommen Zentralamerikas und der Dominikanischen Republik mit den USA (CAFTA) als ein „Entwicklungspotential“. Im Widerspruch dazu steht die Ausrichtung des Regierungsprogramms der FSLN mit einem Schwerpunkt auf die soziale Entwicklung und einem ganz klaren Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit Venezuela und Kuba, um Kampagnen zur Alphabetisierung, kostenloser Gesundheitsversorgung und zum Zugang zu Erdöl zu einzuleiten.

Die gemeinsame Allianz, an deren Spitze die FSLN steht, hat den Namen Unidad Nicaragua Triunfa (Nicaragua siegt in Einheit). Liberale, Konservative und Mitglieder indigener und religiöser Gruppen, die früher zu den Contras gehörten, stehen ganz oben auf den Wahllisten. Die Landesliste wird beispielsweise von der konservativen Miriam Argüello von der Nationalen Einheit (Convergencia Nacional) angeführt. Danach folgen der ehemalige Innenminister und Gründer der FSLN, Tomás Borge, und der ehemalige Guerilla-Kommandant René Núñez.

Brooklyn Rivera Bryan von der unabhängigen indigenen Partei Yatama (Yapti Tasba Masraka Nani Aslatakanka, d.h. Organisation der Kinder von Mutter Erde in der Miskitensprache), die früher auf Seiten der Contras kämpfte, kandidiert ebenfalls für Unidad Nicaragua Triunfa. „Heute bilden wir paradoxerweise eine Allianz, da wir es geschafft haben, uns gegenseitig anzuerkennen und beide Positionen einzunehmen. Die FSLN ist die Partei, die unsere Bedürfnisse am besten versteht und unsere Autonomie am meisten respektiert hat“, sagte Rivera.

In Hinblick auf die Breite seines Bündnisses erklärte Ortega, dass „wir einander verstehen und uns versöhnen müssen, um den gemeinsamen Feind zu bekämpfen: Hunger und Armut sowie das Fehlen von Gesundheit und Bildung“. Borge zeigte sich unbesorgt darüber, dass Vertreter nicht linker Gruppierungen vordere Plätze auf den Listen der Allianz einnehmen. „Allianzen werden mit Gruppen geschmiedet, mit denen wir nicht in allen Punkten übereinstimmen, aber wir werden unsere Prinzipien nicht verleugnen“, sagte er.

Der politische Kommentator Carlos Tünnerman kritisierte die mangelnde „interne Demokratie in der FSLN“. Ortega wurde auf einem Kongress im vergangenen März zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Zuvor hatte er jedoch die Vorwahlen für den Präsidentschaftskandidaten abgeschafft und den ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Managua, Herty Lewites, aus der Partei ausgeschlossen. Lewites kandidiert nun für die Bewegung zur Sandinistischen Erneuerung MRS (Movimiento de Renovación Sandinista).

Rückzug des spanischen Energiekonzerns Unión FENOSA gefordert

(Buenos Aires, 9.Juni 2006, púlsar).- Mehrere hundert Menschen demonstrierten für den Rückzug des Unternehmens Unión FENOSA aus Nicaragua. Der spanische Energiekonzern ist die Betreibergesellschaft der Stromverteilung im Land und wird für die anhaltenden Stromausfälle, unter denen die Bevölkerung zu leiden hat, verantwortlich gemacht. Die vom Landesweiten Netzwerk zum Schutz der Konsumenten (Red Nacional de Defensa del Consumidor) organisierten Demonstration fand ihren Höhepunkt gegenüber dem Firmensitz im Zentrum von Managua.

Die Demonstranten versicherten, dass Unión FENOSA, die seit sechs Jahren ihre Service-Dienste anbietet, für die Energie-Sperrungen verantwortlich sei, die seit Wochen Tausende Menschen für einen Zeitraum zwischen vier und sechs Stunden täglich betreffen. Der Protest richtete sich auch gegen die vom Nicaraguanischen Energieinstitut (Instituto Nicaragüense de Energía) autorisierte Tariferhöhung vom 1. Juni. Die Präsidentin des Konsumenten-Netzwerkes Ruth Selma Herrera betonte, dass die Proteste solange andauern würden, bis die Regierungsvertreter das spanische Unternehmen dahingehend unter Druck setzen, die Stromsperren in Rechnung zu stellen. Herrera kündigte an, dass sie von der Regierung Enrique Bolaños „die Ausweisung“ der Firma verlangen würden.

KOLUMBIEN

Soldaten töten Polizisten

(Lima, 14. Juni 2006, na).- Als „Fehler“ und als „Straftat“ hat der Generalstaatsanwalt Mario Iguarán die Ermordung von zehn Mitgliedern einer Eliteeinheit der Kriminalpolizei (Policia Judicial) und eines zivilen Informanten bezeichnet. Am 22. Mai hatten Angehörige des Militärs die Männer getötet, als sie eine Anti-Drogen-Operation durchführten. Die Polizisten hatten vor, eine Finca zu stürmen, die dem einflussreichen „Don Diego“ gehört, Diego Montoya, dem Oberhaupt des Drogenkartells „Norte del Valle“. Die Finca liegt nahe des Ortes Jamundí, eine halbe Stunde von der im Südwesten gelegenen Stadt Cali – eine von den Paramilitärs kontrollierte Zone. Die Soldaten hätten 20 Minuten lang auf die Eliteeinheit geschossen, erklärte Iguarán. Dabei seien sie den Anweisungen der Drogenhändler gefolgt. Für die Tat wurden ein Oberst, ein Oberleutnant, Unteroffizier und fünf Soldaten verhaftet. Bei einer Pressekonferenz am Tag der Schießerei versuchte der Kommandant der Armee, General Mario Montoya, davon zu überzeugen, dass es sich um einen einfachen militärischen Fehler gehandelt habe. „Es war eine Vernichtungsaktion“, sagte dagegen der General a.D., Luis Enrique Montenegro, ehemaliger Chef der Kriminalpolizei. Schließlich habe es keinen einzigen Überlebenden unter den Angegriffenen gegeben.

PERU

Umweltinvestitionsplan von Bergbaukonzern Don Run aufgeschoben

(Lima, 14. Juni 2006, na).- Das peruanische Ministerium für Energie und Bergbau bewilligte dem US-Bergbaukonzern Doe Run am 28.Mai eine dreijährige Verlängerung, um einen Plan zur Reinigung von Schwefeldioxid-Emissionen umzusetzen. Das Unternehmen sollte das Vorhaben eigentlich bis Ende diesen Jahres fertiggestellt haben. Doe Run hatte jedoch einen Aufschub bis zum Jahr 2010 beantragt. Jetzt hat der Konzern Zeit bis Oktober 2009 die Maßnahme umzusetzen und muss bis Juni eine Bürgschaft über 28 Millionen US-Dollar erbringen. Die Erzverhüttungsanlagen von Doe Run sind der größte Arbeitgeber in La Oroya, einer stark verschmutzten Kleinstadt auf 3 700 Meter Höhe. Das Unternehmen wurde verpflichtet, Kinder und schwangere Frauen aus La Oroya gesundheitlich versorgen.

Red Muqui, eine Interessensvertretung der Anwohner, äußerte sich in einer Pressemitteilung kritisch: „Diese Entscheidung stellt für die Anwohner von La Oroya und des Mantaro-Flusses ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar. Die schwere Verschmutzung der Umwelt wird fortgesetzt werden.“

BOLIVIEN

Morales kündigt weitere Verstaatlichungen an

(Buenos Aires, 13. Juni 2006, púlsar).- Der bolivianische Präsident Evo Morales gab bekannt, er wolle alle noch nicht abgebauten Minen verstaatlichen. Die natürlichen Ressourcen sollen durch den staatlichen Bergbaukonzern COMIBOL (Corporación Minera de Bolivia) und das staatliche Unternehmen für Eisenförderung ENAF (Empresa Nacional de Fundición) ausgebeutet werden. „Wir werden nicht nur COMIBOL neu gründen. Wir müssen zudem die Minen, in die bisher kein einziger Peso investiert wurde, für die Bevölkerung und den bolivianischen Staat zurückgewinnen. Dieses Ziel müssen wir zusammen erreichen.“, sagte Morales vor Minenarbeitern zum Anlass des 66-jährigen Jubiläums der Gewerkschaft der Minenar
beiter in Bolivien, eine der wichtigen Organisationen der bolivianischen Arbeiterbewegung.

„Wir müssen die Gewerkschaften stärken, um unsere inneren und äußeren Feinde zu erkennen. Ich bin einer von euch und stehe hier, um mit euch zusammen zum Ziel zu gelangen. Wir müssen uns vereinen, um die anstehenden Aufgaben besser bewältigen zu können. Die Probleme müssen gelöst werden und unser Zusammenschluss wird einmalig sein.“, so Morales. Mit diesem Versprechen besiegelte der Präsident sein Vorhaben, die in den 90-er Jahren durch neoliberale Regierungen privatisierten Unternehmen zu verstaatlichen.

Ein Toter und Verletzte nach polizeilicher Räumungsaktion

(Buenos Aires, 9. Juni 2006, púlsar).- Bei Zusammenstößen im Zuge einer Räumung, die die Polizei von Oruru durchführte, wurden ein Mensch getötet und dreizehn weitere verletzt. Die Regierung gab an, dass der Einsatz von Feuerwaffen nicht befohlen worden war. Zu den Auseinandersetzungen war es gekommen, als die Polizei und militärische Einheiten versuchten, Hunderte von Aktivisten des Movimiento de los Sin Techo (Bewegung der Wohnungslosen) zu vertreiben, die im Laufe der letzten Wochen acht Grundstücke in Oruru besetzt hatten.

Der stellvertretende Minister für Soziale Angelegenheiten Alfredo Rada sagte, dass „nachdem die Polizei das Grundstück geräumt hatte und die Abrissarbeiten der Hütten, die die Besetzer errichtet hatten, begonnen hatten, sich die Aktivisten entschieden, die Grundstücke erneut zu besetzen. So kam es zu den Zusammenstößen“. Der Politiker versicherte, dass überprüft werde, „wer den Befehl gegeben hat, Feuerwaffen einzusetzen”. Er betonte außerdem, dass man die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchungen in einem offiziellen Bericht veröffentlichen werde.

PARAGUAY

Indígenas fordern versprochene Landverteilung ein

(Buenos Aires, 13. Juni 2006, púlsar).- Dreißig Familien der Gemeinde Mbyá Guaraní demonstrieren derzeit an der Internationalen Strasse 7 für die Zuteilung des ihnen zugesicherten Landes. Die Familien campieren entlang der Strasse und fordern, dass die Verantwortlichen ihrem Versprechen endlich nachkommen. Der Sprecher der Gemeinde Benito Martínez erklärte, dass die Verantwortlichen der staatlichen Instanz zur Bearbeitung indigener Fragen INDI (Instituto Paraguayo del Indígena) ihnen seit vier Jahren Land versprechen würden. Die Indígenas verurteilen zudem, dass der Ortsvorsteher ihrer Gemeinde Aquilino Martínez zu Unrecht von der Polizei verhaftet wurde. Ihm wird angelastet, dass er eine Waffe gestohlen haben soll. Martínez versicherte, dass die Familien so lange an der Strasse campieren werden, bis die Behörde das versprochene Land zuteile. Er fügte hinzu, dass man wiederholt versucht habe, mit dem INDI in Dialog zu treten. Dessen Präsident, Augusto Hoggen, habe jedoch jegliches Gespräch verweigert.

BRASILIEN

Prostituierte machen Mode

(Buenos Aires, 12. Juni 2006, púlsar).- Die Initiative, die für die Anerkennung von Prostituierten und gegen deren Diskriminierung kämpft, präsentierte am letzten Freitag in Rio de Janeiro die neue Kollektion des Modelabels „Daspu“. Die Kollektion „Daspu auf der Straße BR 69“, die von Fernfahrern inspiriert wurde, war die erste Gesamtkollektion, die Daspu seit seiner Einführung Ende letzten Jahres gezeigt hat. Bei der Modenschau, die parallel zur Modemesse „Fashion Rio“ gezeigt wurde, nahmen Prostituierte, Models und Männer teil, die als Mechaniker verkleidet waren. Laut der Designerin Rafaela Monteiro habe man verhindern wollen, dass erkennbar sei, wer sich prostituiert und wer nicht.

Daspu ist eine Initiative der NGO Davida, die sich seit Jahren für die Anerkennung der Prostitution als Erwerbszweig engagiert. Sie kämpft dafür, dass die Arbeitsrechte der Sexarbeiterinnen anerkannt werden, dass der HI-Virus eingedämmt wird und setzt sich dafür ein, dass das Leben der Prostituierten nicht weiter durch Vorurteile erschwert wird. Das Projekt Daspu will die Frauen nicht dazu bringen, ihren Beruf aufzugeben. Für die NGO Davida ist es wichtiger, dass die Frauen finanzielle Unabhängigkeit erreichen.

Der große Widerhall, den Daspu in den letzten Monaten in den brasilianischen und internationalen Medien gefunden hat, hat es der Initiative ermöglicht, ihre Forderungen breit bekannt zu machen. Die Davida – Gründerin Gabriela Silva Leita, die auch dazu beigetragen hat das Brasilianische Netzwerk der Prostituierten aufzubauen, wird neben anderen Prostituierten häufig zu Fernsehdebatten eingeladen und in auflagenstarken Zeitungen interviewt. „Es ist wichtig, dass diese Bewegung sich gegen die ungerechte Unterdrückung wehrt, die nun schon seit 5.000 Jahren anhält“, sagte die bekannte Regisseurin Neville de Almeida, die sich auch an der Modenschau beteiligte.

Mehr als 100 Homosexuelle pro Jahr in Brasilien ermordet

(Buenos Aires, 15. Juni 2006, púlsar).- Eine Untersuchung der Schwulenvereinigung von Bahía GGB (Grupo Gay de la Bahía) ergab, dass Brasilien weltweit zu den Ländern gehört, in denen die meisten Homosexuellen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung ermordet werden. So wurden zwischen 1980 und 2005 2.511 homosexuelle Menschen umgebracht. Seit dem Jahr 2000 stieg die jährliche Mordrate sogar noch an und liegt nun bei 125 Personen. Das bisher schlimmste Jahr war 2004, in dem 158 Morde begangen worden waren.

Laut dem Bericht „Morde an Homosexuellen in Brasilien“ sind São Paulo und Pernambuco die gefährlichsten Bundesstaaten für Homosexuelle. Von den Opfern waren 72 Prozent schwul und 3 Prozent lesbisch. 25 Prozent der Ermordeten waren Transvestiten. Der überwiegende Teil der Opfer wird durch Schusswaffen ermordet. Vor allem am Wochenende und dann nachts werden die Morde begangen. Transvestiten sind mehr Übergriffen auf der Straße ausgesetzt, wohingegen schwule Männer vor allem in ihren Wohnungen angegriffen werden. Daher verlangt der Vorsitzende des GGB, Marcelo Cerqueira, dass „eine Sonderbehörde geschaffen wird, die Informationen über diese Verbrechen gegen sexuelle und auch ethnische Minderheiten sammelt, da nur so das Morden gestoppt werden kann.“

URUGUAY-ARGENTINIEN

Konflikt um Zellulosefabriken vor Gerichtshof in Den Haag

(Fortaleza, 14. Juni 20006, adital-recosur).- Der Konflikt zwischen Argentinien und Uruguay über den Bau zweier Zellulosefabriken am Ufer des Río Uruguay soll jetzt vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag entschieden werden. Nach Presseinformationen haben die Richter bereits mit der Sichtung der Schriftsätze begonnen, die beide Parteien präsentiert haben. Die Fabriken sollen in der Nähe von Fray Bentos errichtet werden, gegenüber der argentinischen Stadt Gualeguaychú. Die Entscheidung des Gerichts über den von Argentinien beantragten Baustopp wird für Mitte Juli erwartet.

Die argentinische Regierung befürchtet, dass die auf der uruguayischen Seite des Grenzflusses geplanten Zellulosefabriken den Grenzfluss zwischen den beiden Ländern verschmutzen. Argentinien hat den Nachbarstaat angeklagt, weil Uruguay den Bau der Fabriken genehmigt hat, ohne sich vorher mit Argentinien abzustimmen. Nach einem 1975 abgeschlossenen Vertrag müssen alle Unternehmungen, die das Wasser des Grenzflusses be
treffen, zwischen den beiden Nationen abgestimmt werden. Argentinien fordert den Internationalen Gerichtshof deshalb auf, den Bau der Fabriken auszusetzen, bis das Gericht die vorliegende Vertragsverletzung untersucht hat.

Der Streit um die Fabriken hat sich in den letzten Monaten verschärft, seit eine Gruppe argentinischer Umweltschützer eine Brücke über den Río Uruguay besetzt hat. Durch die Blockade musste Uruguay wirtschaftliche Verluste in Höhe von rund 400 Millionen US-Dollar einstecken. Doch Uruguay verteidigt das geplante Projekt weiterhin. Es handelt sich um die größte Investition in der Geschichte des Landes, mit einem Umfang von 1.700 Millionen US-Dollar.

Sollte der Gerichtshof in Den Haag den Bau der Fabriken nicht unterbrechen, dann „müssen wir es eben selber machen“, warnen unterdessen führende Mitglieder der Umweltbewegung von Gualeguaychú. Sie weisen darauf hin, dass sie in dem Kampf um den Río Uruguay auch den Einsatz „geheimer“ Mittel in Betracht ziehen.

CHILE

Schüler beenden Streik und Schulbesetzungen

(Buenos Aires, 9. Juni 2006, púlsar).- Das wichtigste Gremium der chilenischen Oberschüler, die Asamblea Coordinadora, entschied zum Unterricht zurückzukehren und sich an den Verhandlungen im Rahmen des von der Präsidentin Michelle Bachelet begründeten Beirates zu beteiligen. Einer der Sprecher der Bewegung, Juan Carlos Herrera, kündigte an, die Schüler würden die Debatte über die tief greifenden Reformen, die nun an den Schulen anstünden, fortsetzen und bestätigte die Bereitschaft sich am Beirat der Präsidentin zu beteiligen. In diesem würden sie eine gemeinsame Interessensgruppe mit dem Lehrerverband und den studentischen Vereinigungen bilden. „Wir haben gewonnen, wir fühlen uns als Sieger, wir haben uns der Regierung entgegengestellt. Es fehlen wichtige Punkte und zentrale Themen, welche wir in die Diskussion einbringen werden, insofern sie in den Schulen selbst erarbeitet wurden“, so der Schülersprecher weiter.

Die Schüler kündigten zudem einen strategischen Zusammenschluss mit den verschiedenen Gewerkschaften der Lehrer, den Elternorganisationen und den studentischen Vereinigungen an und bekräftigten ihren Entschluss, für tief greifende Veränderung im Erziehungswesen zu mobilisieren. Vertreter der koordinierenden Versammlung der chilenischen Oberschüler ACES (Asamblea Coordinadora de Estudiantes Secundarios) gaben bekannt, parallel zum Beirat der Präsidentin einen runden Tisch zu gründen. „Wir geben die Schulen zurück. Aber täuscht euch nicht: Wir Schüler bleiben organisiert“, so der Schülersprecher Juan Carlos Herrera.

ANDENLÄNDER

Atempause für die Andengemeinschaft CAN

Von Eduardo Tamayo G.

(Quito, 14. Juni 2006, alai-poonal).- Themen rund um den Handel bestimmten am 13. Juni die außerordentliche Sitzung des obersten Organs der Andengemeinschaft CAN (Comunidad Andina) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Anlass der Zusammenkunft war die Frage nach einer möglichen Zukunft der Handelsgemeinschaft nach dem Rückzug Venezuelas. Das Land hatte die CAN verlassen, nachdem Kolumbien und Peru ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten unterschrieben hatten.

Nach mehreren spannungsreichen Sitzungen beschlossen die Präsidenten Boliviens, Kolumbiens und Perus, ein „Abkommen zur wirtschaftlichen Partnerschaft“ mit der Europäischen Union zu vertiefen, das ein wirtschaftliches Abkommen, einen politischen Dialog sowie Kooperationsprogramme beinhalten soll. Repräsentanten sollen einen Arbeitsplan für die Verhandlungsgespräche erarbeiten, für deren Beginn der 20. Juli festgelegt wurde. Der bolivianische Präsident Evo Morales, der für ein Jahr die Präsidentschaft der CAN übernommen hat, bejahte die Verhandlungen mit der Europäischen Union, jedoch unter anderen Vorzeichen, da es die Probleme beider Regionen zu lösen gelte. Man sei auf Investitionen angewiesen, lehne jedoch die Privatisierung natürlicher Ressourcen ab. Für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erzeugung von Gewinnen, die dann später wieder an das Volk umverteilt werden müssten, sei der Handel zweifelsfrei von großer Wichtigkeit.

Die Vertreter der Andenländer kamen überein, in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten George Bush „für die Staaten, die auf die Vorzugsvereinbarungen angewiesen sind“, die Verlängerung des in diesem Jahr auslaufenden Andean Trade Preference and Drug Eradication Act ATPDEA zu fordern – das heißt, für Ecuador und Bolivien. Die Argumentation des peruanische Präsident Alejandro Toledo torpedierte diesen Beschluss: Da seine Regierung das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet habe (was noch durch den Kongress ratifiziert werden muss), sei Peru auf eine Verlängerung des ATPDEA nicht angewiesen. Um ein Haar hätte die Position Perus den Gipfel der Andenländer zum Scheitern gebracht. Schließlich einigte man sich darauf, einen Absatz in das Schreiben einzufügen, in dem Peru seine Solidarität mit den Forderungen erklärt und darauf hinweist, dass das Freihandelsabkommen zwischen Lima und Washington davon unbeeinträchtigt bleibe.

Im Hinblick auf den ATPDEA erklärte der ecuadorianische Präsident Alfredo Palacio, dass man “Gerechtigkeit nicht erbettele”. Die Verlängerung des Acts werde als ein “moralisches, wirtschaftliches und soziales Recht” betrachtet. Dank des ATPDEA können Hunderte Produkte aus den Andenländern zollfrei in die Vereinigten Staaten eingeführt werden. Im Austausch müssen die Andenstaaten den Drogenhandel in ihren Ländern bekämpfen. Die Vereinigten Staaten haben bereits damit gedroht, Ecuador nicht an den wirtschaftlichen Vorteilen teilhaben zu lassen, da Ecuador den Vertrag mit der US-amerikanischen Firma Occidental aufgekündigt hatte. Das Ölförderungsunternehmen hatte vertragliche und rechtliche Vereinbarungen nicht eingehalten. Daher sind die Freihandelsverhandlungen momentan auf Eis gelegt.

Morales und Palacio stimmten überein, dass die Bitte an die Vereinigten Staaten kein Zugeständnis sei sondern Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen eine Geißel der Menschheit (den Drogenhandel). Dieser Kampf dürfe nicht als Kontrollinstrument ausgespielt oder für erpresserische Absichten missbraucht werden.

In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten die vier Präsidenten ihren „Integrationswillen“ und ihr „gemeinsames Bemühen um eine Festigung der Andengemeinschaft“. Sie bestätigten die volle Rechtsgültigkeit der Integrationsziele und betonten, dies sei „ein geeigneter Mechanismus für eine gemeinsame externe Aktion“ zur Verteidigung ihrer rechtmäßigen Interessen und „die beste Eingliederung in die internationalen Märkte“.

Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V. Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin, Tel.: 030/789 913 61 e-mail: poonal@npla.de, Internet: http://www.npla.de/

Redaktion in Mexiko: Kristin Gebhardt, Wolf-Dieter Vogel Tel./Fax.: 0052-55-55541480, e-mail: poonalmex@npla.de

Koordination in Berlin: Birgit Marzinka

Übersetzungsteam: Ricarda Franzen, Sebastian Landsberger, René Cofré  Baeza, Phillipe Geissler, Niklaas Hofmann, Nicole Heigl Roman
a, Marit Teerling, Lui Lüdicke, Lilli von der Ohe, Kristina Vesper, Katrin Aue, Kathrin Fochtmann, Katharina Franziska Braig, Katharina Braig, Jana Fleschenberg, Jan Kühn, Inga Vietzen, Henrike Hochmuth, Henning Alts, Grit Petschick, Frauke Köhler, Dietrich von Richthofen, Cornelia Gritzner, Cornelia Derler, Claudia Hektor, Christina Klug, Carolin Gehrmann, Brigitta Kainz, Barbara Kus, Anna Mielke, Ania Müller;

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