Poonal Nr. 687

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 20. September 2005

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

EL SALVADOR

KOLUMBIEN

VENEZUELA

PERU

BOLIVIEN

PARAGUAY-URUGUAY

BRASILIEN

ARGENTINIEN

CHILE


MEXIKO

Umweltschützer Felipe Arreaga freigelassen

(Mexiko-Stadt, 19. September 2005, poonal).- Nach zehnMonaten Haft wurde Felipe Arreaga Sánchez, Mitbegründer der kleinbäuerlichen Umweltschutzorganisation „Organización Ecologista de la Sierra de Petatlán“ wegen eindeutiger Unschuld aus dem Gefängnis in Zihuatanejo entlassen.

Felipe Arreaga kämpft in der Sierra von Petatlán im Bundesstaat Guerrero seit Jahren gegen die unrechtmäßige Abholzung der Wälder durch lokale Kaziken und gegen die dadurch drohende Zerstörung des Ökosystems. Fast die Hälfte der Bäume fielen dort seit Beginn der Neunziger Jahre dem Kahlschlag zum Opfer. Arreaga und weitere 13 Mitglieder der Umweltorganisation wurden angeklagt den Sohn des einflussreichen Kaziken Bernardino Bautista Valle ermordet zu haben. Guerrero zählt zu den mexikanischen Bundesstaaten, in denen die lokalen Machthaber nach wie vor ungebrochenen Einfluss auf Politik, Polizei- und Militärapparat sowie die Staatsanwaltschaft haben. Ein Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft gab schon bald vor Gericht zu, von Bautista Valle und einem Vertreter der Staatsanwaltschaft zu einer Falschaussage gezwungen worden zu sein. Trotz der zahlreichen Zeugenaussagen, nach denen sich Felipe Arreaga zur Tatzeit an einem weit entfernten Ort befand, wurde die Anklage bis zum Schluss aufrecht erhalten.

Der Fall sorgte auch international für Aufsehen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International adoptierte Felipe Arreaga bereits im März dieses Jahres als „politischen Gefangenen“. „Wir sind nach Monaten einer internationalen Kampagne sehr erleichtert über die Freilassung von Felipe Arreaga und freuen uns, ihn zusammen mit seiner Frau Celsa Valdovinos nach Europa einladen zu können. Sie werden sich so von der extrem belastenden Haftzeit erholen und der Öffentlichkeit die Situation der Umweltschützer in Guerrero darstellen können“, meinte Teresa Avila, Koordinatorin der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko, welche eine bevorstehende Rundreise von Felipe Arreaga und Celsa Valdovinos initiiert.

Studie kritisiert Arbeitsbedingungen von Hausangestellten

(Fortaleza, 13. September 2005, adital-poonal).- Nacheiner Studie des Staatlichen Mexikanischen Fraueninstituts gibt es in Mexiko 1,5 Millionen Personen, die als Hausangestellte arbeiten. 95 Prozent davon sind Frauen. Die Mehrheit von ihnen hat feste Arbeitszeiten, sie sind jedoch jederzeit kündbar. Die Hälfte der Hausangestellten verdient etwa 70 US-Dollar monatlich.

Angélica kam vor fünf Jahren nach Mexiko-Stadt, um in einem Haushalt zu arbeiten. Auch wenn ihre Arbeitgeberin betont, Angélica sei für sie wie eine Tochter, konnte diese dennoch nie in eine Schule gehen, hat keine Ferien und verdient weniger als zwei US-Dollar pro Tag. Sie ist die erste, die aufsteht und die letzte, die ins Bett geht.

Laut der Studie kommen die meisten Hausangestellten aus ländlichen Regionen, hatten kaum die Möglichkeit eine Schule zu besuchen und verrichten ihr ganzes Leben dieselbe Arbeit. Obwohl die lokale Gesetzgebung die Arbeitgeber verpflichtet ihren Angestellten einen angemessenen Lohn, Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung zu gewährleisten, würden diese Verpflichtungen selten eingehalten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch meint, „die Hausangestellten erledigen gegen einen Lohn die Aufgaben im Haus, die die Gesellschaft von einer Hausfrau gratis erwartet.“

Nach einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation werden in Lateinamerika und in der Karibik mindestens zwei Millionen Kinder, vor allem Mädchen, in Verbindung mit Hausarbeit gebracht. Es handelt sich um Minderjährige, die Opfer verschiedenster Art von Ausbeutung sind. Sie werden verbal und emotional schlecht behandelt, sexuell missbraucht und sind körperlicher Gewalt ausgesetzt.

GUATEMALA

Quiché-Mayas protestieren gegen Nickelabbau

von Melissa Vega

(Izabal, 14. September 2005, cerigua-poonal).- Bewohner von El Estor im Department Izabal und Panzos im Department Alta Verapaz, die zu der ethnischen Minderheit Quiché gehören, haben sich gegen den Abbau von Nickel in diesen Regionen ausgesprochen. Sie prangern die rechtswidrige Vergabe von Abbau-Lizenzen des Staates an den Konzern Jagua Níquel und an die guatemaltekische Nickelfirma CGN (Compañía Guatemalteca de Níquel) an.

Laut einer Erklärung der Maya-Sprecher aus El Estor sei es unerlässlich, dass die guatemaltekische Regierung die an die beiden Konzerne erteilten Konzessionen sperre. Die Bewohner und Bewohnerinnen seien zu den Minenvorhaben nicht befragt worden und befürchten eine Beeinträchtigung der in der Region lebenden Familien. Weiter wird kritisiert, dass die Vergabe von Minenkonzessionen in diesen Regionen rassistisch und gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sei. Die Bevölkerung der Maya-Gemeinden fühlt sich übergangen, da den Konzernen Grundstücke zum Bergbau überlassen wurden, die die Bauern zu ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken gepachtet hatten. Die betroffenen Campesinos hätten nun keine Einnahmequelle mehr und keine anderen Möglichkeiten den Lebensunterhalt ihre Familien zu sichern. Zudem hätten die Ausschachtungen bereits zu Bodenerosion und Auswaschungen geführt. Dadurch sei schon eine große Menge Trinkwasser verseucht und für die anliegenden Gemeinden unbrauchbar gemacht worden, ist in dem Bericht der Maya-Sprecher weiter zu lesen

Bei der Vergabe der Lizenzen wurden wichtige nationale und internationale rechtliche Standards zum Schutz der Rechte der Betroffenen
nicht beachtet. Zudem seien, so die Sprecher der Gemeinden, Garantien, die im Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation niedergeschrieben sind, nicht respektiert worden.

Am 13. September wurde deshalb demonstriert. Der Protestmarsch begann auf der sogenannten Zwillingsbrücke im San Jorge-Viertel von El Estor und endete vor dem Gebäude der Nickelfirma CGN.

Prozess gegen Ex-Präsident Portillo nicht in Aussicht

(Guatemala-Stadt, 13. September 2005, cerigua-poonal).-Es wird immer unwahrscheinlicher, dass sich der guatemaltekische Ex-Präsident Alfonso Portillo vor Gericht verantworten muss. Grund dafür sind die zahlreichen Beschwerden, die beim zuständigen Richter und beim Verfassungsgericht eingereicht wurden. Die Beschwerdeverfasser sind Militärs, die wahrscheinlich der Korruption verdächtig und in das Verfahren verwickelt sind.

Bei Richter Víctor Hugo Herrera Ríos und dem Verfassungsgericht sind weitere drei Verfahren anhängig, in denen Berufung eingelegt wurde gegen den Vorwurf der Unterschlagung von 906 Millionen Quetzales im Verteidigungsministerium. Eines dieser Verfahren könnte den Haftbefehl gegen Portillo außer Kraft setzen, so die Lokalpresse. Die Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt den Ex-Präsidenten, eine illegale Überweisung von 120 Millionen Quetzales (ca. 13 Millionen Euro) an das Ministerium autorisiert zu haben. Davon seien 30 Millionen auf dem Konto von José Armando Llort Quiteño gelandet, dem ehemaligen Präsidenten der Bank Crédito Hipotecario Nacional.

Zu den Problemen, mit denen sich das Fünfte Strafgericht befassen muss, gehört auch die Klärung, welche Gerichtsbarkeit für den Fall zuständig ist: Eine Eingabe will den Fall vor dem Generalrechnungshof verhandeln und damit durchzusetzen, dass ein Teil des Verfahrens vor einer zivilen Instanz verhandelt wird. In einem dritten Antrag geht es um einen angeblichen Formfehler im Verfahren gegen Portillo, der den Haftbefehl gegen den ehemaligen Präsidenten außer Kraft setzen könnte.

Währenddessen waren es am 18. September genau 19 Monate, seit Alfonso Portillo in Mexiko lebt. Dorthin war er vor der guatemaltekischen Justiz geflohen, als das Verfassungsgericht ihm die Immunität als Abgeordneter des Zentralamerikanischen Parlamentes entzogen hatte.

EL SALVADOR

Häftlinge im Streik

(Fortaleza, 14. September 2005, adital).- DieHäftlinge des Gefängnisses Penal de Mariona befinden sich im Streik. Die erste Protestwoche ging zu Ende, ohne dass die salvadorianische Regierung die von den demonstrierenden Häftlingen beklagten Probleme gelöst hat. Diese weigern sich zur Schule zu gehen, sich medizinisch behandeln zu lassen oder Gerichtsverhandlungen beizuwohnen.

Nach Angaben der Insassen sind sie mit mehreren Problemen konfrontiert: Eingeschränktes Besuchsrecht für Familienangehörige, die nicht in der Besucherkartei stehen, schlechte medizinische Versorgung, verschmutztes Trinkwasser, fehlende Betten sowie die willkürliche Verlegung von Gefangenen in andere Anstalten. Die Gefangenen fordern auch den Rücktritt des Direktors der Haftanstalten. Sie beschuldigen außerdem den technischen Leiter des Gefängnisses einen Gefangenen durch Schläge ermordet zu haben. Weiterhin beschuldigen sie die Beauftragte des Krankenhauses für den Tod von fünf Mithäftlingen verantwortlich zu sein, die angeblich aufgrund von medizinischer Fahrlässigkeit starben.

In einem Interview mit der lokalen Presse vertrat die Ombudsfrau für Menschenrechte Beatrice de Carrillo die Ansicht, dass die Regierung das Problem nicht lösen wolle. Sie sagte, dass sie mit dem Innenministerium sowie mit dem Präsidenten Kontakt aufgenommen habe. „Niemand hört mir zu. Sie sagen nur, dass sie meine Empfehlungen berücksichtigen werden, aber sie handeln nicht.”

KOLUMBIEN

Gewerkschaftsaktivist ermordet

(Fortaleza, 13. September 2005, adital).- In Kolumbienwurde wieder ein Gewerkschafter ermordet. Luciano Enrique Romero Molina, Funktionär der Lebensmittelgewerkschaft SINALTRAINAL, wurde am 11. September erstochen aufgefunden. Der Gewerkschaftsaktivist war das letzte Mal lebend am Tag zuvor von einem Familienangehörigen gesehen worden, als er in sein Taxi stieg, mit dem er sich den Lebensunterhalt verdiente. Am nächsten Morgen wurde er tot aufgefunden, gefesselt, mit Folterspuren sowie 40 Messereinstichen im Körper. Der 47jährige Romero, der 20 Jahre lang in dem Unternehmen Cicolac Nestlé in Valledupar gearbeitet hatte, hinterlässt seine Ehefrau und vier Kinder.

Nach Angaben von SINALTRAINAL war Molina am 22. Oktober 2002 von Cicolac Nestlé entlassen worden, nachdem ein Streik vom Arbeitsministerium als illegal deklariert worden war. „Wegen seines Engagements für die Rechte der Arbeiter war unser Genosse Luciano schon öfter mit dem Tod bedroht worden. Deshalb musste er Valledupar mehrmals verlassen, um sein Leben zu schützen. Er verbrachte auch einige Monate in Gijón in Spanien in einem internationalen Schutz- und Solidaritätsprogramm. Gegenwärtig war er Mitglied des Menschenrechtskomitees von SINALTRAINAL und Mitglied der Stiftung “Solidarität mit den politischen Häftlingen”, wo er sich für Solidarität und Menschlichkeit einsetzte”, so die Gewerkschaft.

Die Organisation verurteilte das Verbrechen, welches, wie sie betonte, Teil einer langen Liste von in Kolumbien ermordeten Gewerkschaftsfunktionären ist. Die Morde an Gewerkschaftern seien Teil einer Strategie des Terrorismus von Seiten des Staates und der ungezügelten Verfolgung durch die Unternehmen, um die Gewerkschaftsbewegung auszulöschen. „Wir verurteilen die Regierung von Álvaro Uribe Vélez und seine verlogenen Friedensgespräche. Man redet über Frieden und währenddessen wird die unbewaffnete Bevölkerung massakriert.“

Abtreibung kurz vor Entkriminalisierung

(Bogotá, September, sem-poonal).- In Kolumbienwird derzeit eine landesweite, nie da gewesene Debatte zum Thema Abtreibung geführt. Auslöser dafür war die am 16. August erfolgte Ratifizierung des Fakultativprotokolls zur UN-Frauenrechtskonvention CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) durch die Regierung des Präsidenten Álvaro Uribe.

Die Ratifizierung des internationalen Dokuments rief die konservativsten Kreise des Landes auf den Plan. Sie bezeichneten die Entscheidung als „Machwerk“ der Abtreibungsbefürworter. Diese hätten vor, die Abtreibung in Ausnahmefällen wie Vergewaltigung, Missbildungen oder Lebensgefahr für die Mutter, zu liberalisieren. Inmitten all der Polemik goss Präsident Uribe noch weiteres Öl ins Feuer, als er sich mit den ranghöchsten Vertretern der katholischen Kirche des Landes traf und anschließend verkündete, die Ratifizierung der CEDAW verpflichte die Regierung nicht, die Abtreibung zu entkriminalisieren.

Alles hatte im April dieses Jahres begonnen, als die kolumbianische Anwältin Mónica Roa das Verfassungsgericht ihres Landes aufforderte, den Artikel 122 des Strafgesetzbuches als verfassungswidrig zu erklären. Dieser Artikel legt fest, dass Abtreibung unter jeglichen Umständen strafbar sei. Roa führte an, dass es eine Verletzung der Rechte der Frauen auf Gleichberechtigung, Leben, Gesundheit, Würde und Entwicklung darstelle, sie w
egen eines Schwangerschaftsabbruchs zu bestrafen, wenn sich ihr Leben oder ihre Gesundheit in Gefahr befänden, sie Opfer einer Vergewaltigung geworden seien oder der Fötus an einer ernsten Missbildung leide.

Seitdem erhielt die Anwältin Morddrohungen, jemand drang in ihre Wohnung ein und stahl ihren Computer und ihren elektronischen Taschenkalender, und sie wurde beschuldigt, von den „Multinationalen des Todes“ geschickt worden zu sein. Außerdem hielt man ihr vor, massenhafte Abtreibung und den Genozid an Kindern zu fördern.

Das Verfassungsgericht muss bis zum 12. Dezember klären, ob es den Schwangerschaftsabbruch legalisiert, wenn es sich um Extremfälle handelt, bei Lebensgefahr für die Frau oder bei Schwangerschaft in Folge von Vergewaltigung. Die Tageszeitung „El Tiempo“ aus Bogotá erinnerte daran, dass sogar die katholischen Kolumbianer eine Entkriminalisierung des Abbruchs in Extremfällen befürworten. Eine in diesem Jahr durchgeführte Umfrage ergab, dass 52 Prozent der Befragten die Abtreibung nach einer Vergewaltigung billigen; 61 Prozent im Falle von missgebildeten Embryonen; 65 Prozent, wenn schwere Gesundheitsrisiken für die Mutter bestehen; und 75 Prozent, wenn die Mutter in Lebensgefahr schwebt.

Die Diskussion in den Medien, Universitäten und den verschiedenen politischen Instanzen des Landes hält an. Währenddessen konzentrieren die Organisationen, die die „Kampagne für Entkriminalisierung der Abtreibung in Kolumbien und für die freie Entscheidung zur Mutterschaft“ vorantreiben, ihre Aktionen auf jeden 28. des Monats. „Wenn Männer abtreiben würden, wäre Abtreibung dann ein Gebot?“ lautet das Motto der Kampagne, die von verschiedenen sozialen Organisationen, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Organisationen ethnischer und sexueller Minderheiten sowie von Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Medien getragen wird.

VENEZUELA

Regierung bereitet Neuvergabe von Fernsehlizenzen vor

(Buenos Aires, 14. September 2005, púlsar).- DerRat für Telekommunikation will eine Studie durchführen mittels der die Nutzung des Äthers von sieben privaten Fernsehsendern untersucht werden soll. Die Studie ist Teil einer Politik zur Neuverteilung der Sendefrequenzen.

“Wir haben diese Untersuchung eingeleitet, um heraus zu finden, wie die Sender ihre Frequenzen nutzen”, erklärte Alvin Lezama, Direktor der staatlichen Regulierungsbehörde CONATEL. “Wir wollen wissen, ob die Sender ihre Frequenzen nutzen oder nicht, um die Verteilung neu zu gestalten und neuen Sendern Platz zu schaffen.” Lezama wies darauf hin, dass die härteste Sanktion die Widerufung der Sendekonzessionen sein werde. Der Funktionär kündigte an, dass die Klärung der Sendefrequenzen auf weitere Telekommunikationsdienste ausgeweitet werde. Fanny Márquez, die Rechtsberaterin von CONATEL, sagte, die Sender hätten 15 Tage Zeit, um ihre Erklärungen und Beweise vorzulegen.

PERU

Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert

(Fortaleza, 14. September 2005, adital-alc-poonal).-Nach einem dramatischen Anstieg der Sexualdelikte gegen Minderjährige in Peru mehren sich die Stimmen, die eine Wiedereinführung der Todesstrafe fordern. Allein im letzten Jahr seien laut dem Staatlichen Rat für Bürgersicherheit CONASEC (Consejo Nacional de Seguridad Ciudadana) bei den Polizeidienststellen im ganzen Land mehr als 3.000 Fälle von sexuellem Missbrauch angezeigt worden. Im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden in Lima mehr als 700 Kinder sexuell missbraucht.

Die Todesstrafe war vor 25 Jahren abgeschafft worden. In der vergangenen Woche schlug die Justizkommission des Kongresses nun die Anwendung der Todesstrafe in Fällen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen vor, um den Anstieg der Zahl solcher Verbrechen zu bremsen.

Der Vorsitzender der Bischofskonferenz, Hugo Garaycoa, lehnte diese Idee rundweg ab. Auch der emeritierte Bischof von Chimbote, Luis Bambarén, wies die Einführung der Todesstrafe zurück und sprach sich stattdessen für eine lebenslange Haft und für eine chemische Kastration der Täter aus. Die Methode der chemischen Kastration beruht auf der Ausschaltung des Geschlechtstriebs durch Injektion bestimmter, den Geschlechtstrieb hemmender Präparate.

Der ehemalige Vorsitzender der peruanischen Bischofskonferenz Bambarén bezeichnete die Methode als “eine effektive Strafe und gleichzeitig ein Exempel für alle die sich auf diese Weise an Minderjährigen vergehen.” Garaycoas lehnt auch die chemische Kastration ab. Dazu sagte er: “Niemand hat das Recht, Menschen ihrer biologischen Funktionen zu berauben, und aus diesem Grund lehnt die Kirche sie ab.”

Peru ist mehreren Abkommen beigetreten, die die Todesstrafe ächten, wie z.B. dem Abkommen mit der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte, die ihren Sitz in Costa Rica hat. Die Wiedereinführung der Todesstrafe würde eine Verfassungsänderung voraussetzen und einen Ausstieg aus diversen Abkommen zur Folge haben.

Das peruanische Gesetz sieht bereits harte Strafen für Täter vor, die sich des Missbrauchs an Minderjährigen schuldig machen. Die Strafen reichen von acht Jahren bis hin zu lebenslanger Haft für den Missbrauch von Kindern, die jünger als sieben Jahre waren, und von sechs bis zwölf Jahren für diejenigen, die Minderjährige zur Prostitution bringen sowie von vier bis sechs Jahren für diejenigen, die zu minderjährigen Prostituierten gehen.

Streiks in verschiedenen Sektoren des Landes weiten sich aus

(Buenos Aires, 14. September 2005, púlsar).- SeitAugust streiken in Peru Krankenschwestern und Universitätsdozenten. Nun kam es außerdem zu 24stündigen Arbeitsniederlegungen von Hafen- und Bauarbeitern. Die Dozenten, Krankenschwestern und Bauarbeiter fordern Lohnerhöhungen. Die Hafenarbeiter protestieren gegen die Privatisierung der Häfen. Zudem blockierten Bauarbeiter Straßen im Landesinneren und führten Mobilisierungen an mehreren Orten Limas durch. Die Krankenschwestern, die seit über einem Monat streiken, sind in zwei dem Gesundheitsministerium unterstehenden Krankenhäusern im Ausstand und drohen damit, zwei weitere zu bestreiken.

Unterdessen hat die Regierung Lohnerhöhungen zugesagt, um zu verhindern, dass es zu dem von niederen Beamten der Nationalpolizei angekündigten landesweiten Streik kommt.

BOLIVIEN

Streit um Einnahmen aus Kohlenwasserstoffsteuer

(Fortaleza, 14. September 2005, adital-poonal).- Nachdemeinige bolivianische Gemeinden und Universitäten in einen Hungerstreik getreten waren, legte ihnen die Regierung einen Vorschlag zur Verteilung der Einnahmen aus der Kohlenwasserstoffsteuer vor. Der Regierungsvorschlag kommt jedoch nur teilweise den Forderungen der Gemeinden nach. Nach Angaben der bolivianischen Presse stehen nun die Departments La Paz, Cochabamba und Santa Cruz alleine dem Vorschlag der Regierung ablehnend gegenüber.

Der Vorschlag der Regierung sieht vor, dass aus den insgesamt 417,1 Millionen US-Dollar, die durch die Kohlenwasserstoffsteuer erzielt werden, 58 Prozent in die neun Bezirke des Landes fließen sollen. Damit erhielten die Präfekturen 33 Prozent, die Gemeinden 20 Prozent (83 Millionen US-Dollar) und die Universitäten 5 Prozent (20 Millionen US-Dollar) aus den Gesamteinnahmen. Diese Finanzleistungen be
laufen sich insgesamt auf 241 Millionen US-Dollar.

Von den verbleibenden 42 Prozent die der Staatskasse zufallen, sollen weitere zwei Prozent (8,3 Millionen US-Dollar) für einen speziellen Hilfsfonds für Universitäten und Gemeinden verwendet werden. Die restlichen 40 Prozent sollen für indigene Gemeinden, das Militär, die Polizei und für die Wiedergründung der staatlichen Erdölgesellschaft YPFB (Yacimientos Petrolíferos Fisclaes Bolivianos) eingesetzt werden.

Die Mittel, die für die Präfekturen, Gemeinden und Universitäten vorgesehen sind, sollen zu gleichen Teilen ausgezahlt werden. Dadurch sind die Interessen der Bezirke La Paz, Cochabamba und Santa Cruz bedroht, da zum Beispiel La Paz 15,4 Millionen US-Dollar weniger erhalten würde, als ursprünglich von der Gemeinde vorgeschlagen. Santa Cruz würde 11,7 Millionen US-Dollar und Cochabamba 5,2 Millionen US-Dollar einbüßen. Dahingegen erhielten die Departments Beni, Pando, Oruro, Potosí und Chuquisaca 11 Millionen US-Dollar mehr.

Seit der zweiten Septemberwoche führen daher die Gemeinden und Universitäten Arbeitsniederlegungen, Hungerstreiks und auch Straßenblockaden durch. Sie fordern insgesamt 25 Prozent der Einnahmen aus der Kohlenwasserstoffsteuer.

PARAGUAY-URUGUAY

Terrorarchive übergeben

(Buenos Aires, 15. September 2005,púlsar-poonal).- Der Rechtsanwalt und ehemalige politische Gefangene Martín Almada übergab am 14. September der Menschenrechtskommission des uruguayischen Parlaments die so genannten Terrorarchive. Die darin gesammelten Dokumente geben Anlass zur Annahme, dass zwischen den Ländern des Cono Sur immer noch repressive Maßnahmen koordiniert werden.

Unter den Unterlagen, die auch an die Regierung übermittelt wurden, sind Aussagen von Gustavo Insaurralde, die unter Folter erzwungen worden waren, bevor man ihn mit einem Militärflugzeug nach Argentinien gebracht hatte. Der Uruguayer Insaurralde war Aktivist der Partei für den Sieg des Volkes (Partido Por la Victoria del Pueblo).

Die von Almada vorgelegten Dokumente belegen die Fälle von weiteren 40 Personen aus Uruguay, die in Paraguay während der Diktatur inhaftiert worden waren, von uruguayischen Militärs, die an der Entwicklung des „Plans Condor“ beteiligt waren sowie von möglichen „Todesflügen“ zwischen den beiden Ländern. Zudem gab Almada an, ein weiteres Dokument gefunden zu haben, welches belegt, dass im April 1997 „ein Oberst des paraguayischen Militärs einen Familienangehörigen aus Ecuador informierte, dass er ihm zur Vervollständigung der Liste subversiver Personen in Lateinamerika eine Auflistung mit den Namen von Oppositionellen aus Paraguay schicke.“

Almada erklärte auch, dass es während der Präsidentschaft von Carlos Menem (1989-95) in Argentinien ein Treffen von Militärangehörigen in Bariloche gegeben habe, mit dem Ziel, Daten und Namen von „Subversiven in der Region“ auszutauschen. Diese Treffen fanden auch später weiterhin statt: 1997 in Quito, 1999 in LA Paz und 2001 in Santiago.

BRASILIEN

Regierung erlaubt Aussaat genetisch veränderter Pflanzen

(Fortaleza, 13. September 2005, adital).- Ein am 8.September vom brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva unterzeichnetes Dekret erlaubt für die Ernte 2005/2006 genetisch verändertes Sojasaatgut auszusäen. Die Freigabe gilt nur für die Landwirte im Bundesstaat Río Grande do Sul.

Das Gesetz über Biosicherheit (Ley de Bioseguridad) verbietet diese Art von Saatgut ab dem kommenden Jahr. Die brasilianische Regierung argumentiert, sie mache diese Ausnahme wegen der Dürre, welche die Region im Süden des Landes quält. Die Dürre hat die Sojaernte im Jahr 2005 um die Hälfte reduziert, als Folge stehen außerdem nur die Hälfte der Sojasamen zur Verfügung. Das Dekret erlaubt es genetisch veränderte Sojasamen auszusäen, jedoch nicht, diese zu verkaufen.

Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums konzentriert sich im Bundesstaat Río Grande do Sul 90 Prozent des brasilianischen Anbaus von genetisch verändertem Soja. Im Jahr 2005 benutzten ungefähr 110.000 brasilianische Bauern genetisch verändertes Saatgut.

Interne Wahl entscheidet über Zukunft der Regierungspartei PT

Von Andreas Behn,

(Rio de Janeiro, 14. September 2005, npl).- Die brasilianische Arbeiterpartei PT steht vor einer Zerreißprobe. Nach nicht einmal drei Jahren an der Macht steht die Partei vor der Spaltung, die den Ex-Gewerkschafter Inácio Lula da Silva und Hoffnungsträger der lateinamerikanischen Linken zum Präsidenten machte. Tag der Entscheidung ist der kommende Sonntag (18.9.). Dann stehen parteiinterne Wahlen an.

Im Zentrum der Debatte steht der Korruptionsskandal der Regierung Lula und seiner PT. Er hält das größte Land Südamerikas seit Monaten in Atem. Es geht um Schwarzgeldkassen, illegale Wahlkampffinanzierung und um die Bestechung unzähliger Abgeordneter, damit sie im Kongress im Sinne der PT abstimmen. Das ist politischer Alltag in Brasilien und alle wissen es. Weil aber die PT angetreten war, diese traurige Praxis zu beenden, haben die jüngsten Enthüllungen die Partei, ihre Basis in den sozialen Bewegungen und die Linke insgesamt in eine dramatische Identitätskrise geführt.

Bislang mussten mehrere Minister und die wichtigsten Amtsträger innerhalb der PT aufgrund der Korruptionsvorwürfe zurücktreten. Fast ohne Ausnahme gehören die involvierten „PTistas“ dem „Campo Majoritário“ an, der so genannten „Mehrheitsströmung“, die seit über zehn Jahren die Geschicke der Arbeiterpartei leitet. Den Linken und den meisten Vertretern sozialer Bewegungen innerhalb der PT ist diese Strömung, der auch Präsident Lula  angehört, schon lange suspekt. Die beiden Hauptvorwürfe: Eine autoritäre Parteiführung, die keine anderen Meinungen dulde und zum Rausschmiss einiger wichtiger Repräsentanten der Linken geführt habe. Und die Beibehaltung der neoliberalen Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung, was Verrat an den sozialen Zielsetzungen der PT bedeute.

Jetzt bläst die Linke zum Sturm auf das „Campo Majoritário“. Alle in den Skandal verwickelten Funktionäre müssten sofort die Partei verlassen. Ein Politikwechsel sei der einzige Weg, der Regierung Lula und der PT selbst eine Zukunft zu geben, so der Konsens innerhalb der parteiinternen Opposition. Darüber hinaus gibt es keinerlei Einigkeit, im Gegenteil: Die Linken sind zerstritten und können sich auf keine gemeinsame Linie einigen. So treten zehn unterschiedliche Strömungen mit insgesamt sechs Kandidaten an, um den Favoriten des „Campo Majoritário“, Ricardo Berzoini, zu schlagen.

„Als Parteipräsident würde ich Lula nahe legen, die Wirtschaftspolitik zu ändern und Finanzminister Antonio Palocci zu entlassen,“ erklärt Plínio de Arruda Sampaio, PT-Mitgründer und Kandidat für die Parteiführung. Sein Mitkandidat und derzeitiger Vizepräsident, Valter Pomar, plädiert für ein sofortiges Ende der dubiosen Allianzen, die die Partei einging, um ihre Macht zu sichern – und die, so Pomar, konsequenterweise zu dem Korruptionsskandal geführt hätten. Und die
Feministin Mario do Rosário, ebenfalls Kandidatin, will sich für eine demokratische und basisnahe Parteiführung einsetzen.

Gemeinsames Ziel der unterschiedlichen Strömungen ist es zu verhindern, dass Berzoini in ersten Wahlgang über 50 Prozent der Stimmen der insgesamt 825.000 wahlberechtigten PT-Mitglieder gewinnt. Im möglichen zweiten Wahlgang wollen sich dann alle hinter dem einzigen Oppositionskandidaten vereinen. Doch nur wenige glauben, dass das „Campo Majoritário“ zu schlagen ist. Trotz der Krise und des Verlustes aller Glaubwürdigkeit halten die alten Parteikader nach wie vor alle Macht innerhalb der PT in ihren Händen. Allen voran José Dirceu, ehemals Minister und rechte Hand Lulas, der trotz seines Rücktritts und schwersten Anfeindungen innerhalb und außerhalb der PT keine Anstalten macht, auf seinen Einfluss zu verzichten. So verwundert auch nicht, dass sechs der sieben „PTistas“, die von den Untersuchungsausschüssen als Teilhaber des Korruptionsnetzes genannt werden, auch zukünftig für wichtige Posten innerhalb der Führungsriege des „Campo Majoritário“ vorgesehen sind.

Doch ein Sieg der Dirceu-Fraktion wird der PT wenig helfen. Niemand würde an einen Neuanfang glauben, und zugleich würden noch mehr PT-Mitglieder der Partei, die als Projekt aller Linken Brasiliens galt, den Rücken kehren. Ergebnis wäre, so befürchten diejenigen, die mit der PT schon keine Perspektive mehr verbinden, eine Spaltung in „Mehrheitsströmung“ einerseits und ziellose Dissidenten andererseits, die mehr schlecht als recht in anderen Parteien oder Organisationen Unterschlupf finden werden. Und die Regierung Lula hätte allen Rückhalt verloren und wäre noch mehr als bisher den strategischen Machtspielen der Rechten ausgeliefert.

Gewalttätige Polizeieinsätze beim “Schrei der Ausgeschlossenen”

(Fortaleza, 13. September 2005, adital-poonal).- Beim“Schrei der Ausgeschlossenen” (Grito de los Excluidos) in diesem Jahr sei die Reaktion der Polizei auf die Aktionen deutlich gewalttätiger ausgefallen, als in den vergangenen Jahren, meint ein Bericht der Landpastorale CPT (Comisión Pastoral de la Tierra ). Die Militärpolizei in Maranhão habe gewaltsam versucht den Protestmarsch zu verhindern. Der 11. Schrei der Ausgeschlossenen fand in diesem Jahr in fast 2.000 brasilianischen Gemeinden statt. Am 7. September, dem brasilianischen Unabhängigkeitstag forderten die Demonstranten Änderungen in Politik und Wirtschaft des Landes.

In Acre wurden Demonstranten, die im Rahmen des offiziellen Marschs protestieren wollten, mit Gewalt von der Polizei zurückgehalten. Dabei kam es zu zahlreichen Verhaftungen. In Goiânia war das Hauptthema des Protesttages die Räumung von 4.000 Familien aus dem Parque Oeste zu Beginn des Jahres. Ein großes Kreuz, aus in der Gegend gefundenen Materialien, war in der Mitte eines Kreisverkehrs einer Straße, die Zugang zum besetzten Gebiet bietet, aufgestellt worden. Zwei Tage später wurde das Kreuz samt Sockel abgerissen.

ARGENTINIEN

Keine Repression vor den Wahlen

von Dana Cufré

(Berlin, 19. September 2005, npl) – Alle guten Dinge sind vier. Nachdem die bisherigen drei Versuche eine Grossdemonstration gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der argentinischen Regierung im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires abzuhalten in den vergangenen Monaten gescheitert waren, fand am vergangenen Freitag (16.9.) die größte Kundgebung zu diesem Anlass statt, seit Präsident Nestór Kirchner vor zweieinhalb Jahren sein Amt antrat. Ein Vorhaben, dass die Regierung in den vergangen Monaten mit dem Argument verhindert hatte, dass organisierte Arbeitslose, so genannte Piqueteros, auf dem zentralen Plaza de Mayo vor dem Regierungsgebäude nichts zu suchen hätten.

„Zwanzig Millionen des staatlichen Exportüberschusses für Bildung, Gesundheit und Arbeit“, lautete die zentrale Forderung, mit der die Piqueteros zusammen mit Angestellten des staatlichen Bildungs- und Gesundheitssektor auf ihre Anliegen aufmerksam machten. Die Kritik richtete sich dabei ausdrücklich an den Präsidenten: „Vor zweieinhalb Jahren versprach er uns, die Auslandschulden nicht mit dem Hunger der Bevölkerung zu bezahlen. Heute lebt die Hälfte der Argentinier unterhalb der Armutsgrenze. Es gibt vier Millionen Arbeitslose, vier Millionen alte Menschen ohne Rente und vier Millionen Jugendliche, die weder arbeiten noch studieren“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Demonstranten. Die Regierung wurde beschuldigt, diese Zahlen statistisch zu verfälschen und keine politischen Maßnahmen zur Schaffung von Wohnungen, Infrastruktur und Arbeit zu unternehmen. Neben den Arbeitslosenaktivsten, die sicherlich das personell größte Gewicht der Demonstration beanspruchten, waren es vor allem Schüler und Studenten, die das Zentrum von Buenos Aires an diesem Tag bevölkerten. Sie erinnerten an den 29. Jahrestag der „Nacht der Bleistifte“, einem unter der damaligen Militärdiktatur verübten Massaker an Jugendlichen zur Bekämpfung der „Subversion an Schulen“. „Sie kämpften für ein gerechteres Land, das sie für machbar hielten. Heute erscheint es uns schwieriger, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen,“ so die Schülerin Mariela Newman über die sieben Schüler, die damals umgebracht wurden, weil sie für ein billiges Busticket demonstrierten.

Neben diesem Jahrestag war es vor allem der eindringlichen Bitte des argentinischen Menschenrechtlers und Friedensnobelpreisträgers Adolfo Pérez Esquivel an den argentinischen Innenminister Aníbal Fernández zu verdanken, dass die argentinische Regierung ihre Strategie der öffentlichen Ausgrenzung ihrer Kritiker diesmal überdachte: „Wir erlauben die Route von der Avenida de Mayo bis zum Platz, damit die Demonstration ohne Unannehmlichkeiten stattfinden kann“, verkündigte Fernández im Anschluss an das Telefonat mit Esquivel überraschend am Freitagmittag. Am Ende war das Polizeiaufgebot bei der Demonstration weniger sichtbar als erwartet. Keine berittene Polizei oder ein von Polizeiketten abgesperrter „Tunnel“ für die Demonstranten, wie es konservative Politiker zuvor befürwortet hatten, bestimmten die Szenerie. Stattdessen garantierten unbewaffnete Polizisten den Demonstranten freies Geleit.

Die Protestkundgebung gewinnt angesichts der Parlaments- und Senatswahlen am 23. Oktober sicherlich an politischer Brisanz. Denn da ist vor allem von Interesse, wie die Hardliner innerhalb der regierenden Peronistischen Partei unter Ex-Präsident Eduardo Duhalde und die vergleichsweise moderaten Kräfte um Kirchner jeweils abschneiden. Das deeskalierende Vorgehen vom Freitag könnte dabei als eine Strategie von Seiten der Regierung gedeutet werden, den linken Kräften zwar keine inhaltlichen, wohl aber weitreichende symbolische Zugeständnisse zu machen. Die Angaben über die Teilnehmerzahl könnten dabei unterschiedlicher kaum sein: Während die argentinische Polizei gerade mal 8.000 Menschen gezählt haben will, sprechen die Organisatoren von 40.000 Demonstranten.

Polizeieinsatz gegen Demonstranten

(Fortaleza, 6. September 2005, adital-poonal).- Diesozialen Bewegungen Argentiniens kritisieren die Repression gegen die Protestaktionen der vergangenen Tage durch die Regierung unter Präsident Néstor Kirchner. Eine von zahlreichen Gruppe
n organisierte Demonstration für Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit am 2.September gelangte nicht bis zur zentralen „Plaza de Mayo“, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. Angestellte aus Krankenhäusern, Lehrer, Studenten und ein Bündnis mehrerer Arbeitslosenorganisationen forderten einen Mindestlohn von 1.800 Pesos (ca. 500 Euro) und den allgemeinen Zugang zu Sozialleistungen für Arbeitslose. Die Hilfe für Arbeitslose soll nach Meinung der Demonstranten zudem auf 350 Pesos angehoben werden. Außerdem fordern sie die Regierung auf, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit zu erhöhen und alle politischen Gefangenen frei zu lassen. Proteste gab es in den Städten Rosario, Córdoba, Río Gallegos, Ushuaia und Tucumán.

In Buenos Aires verhinderte eine aus mehr als tausend Polizeikräften bestehende Eingreiftruppe der Bundespolizei die planmäßige Durchführung der Demonstration. Polizisten der Infanterie, ausgerüstet mit Schusswaffen, Tränengasgranaten, Schlagstöcken und Schildern, blockierten die Zugangsstraßen, um die Menschenmenge vom Regierungsgebäude fern zu halten. Die Einsatzkräfte wurden von Helikoptern, Wasserwerfern und Feuerwehrfahrzeugen unterstützt.

„Die Polizei hat ihre Stellung gehalten, ohne auf die Provokationen der Demonstranten zu reagieren“, lautete die Stellungnahme aus der „Casa Rosada“, dem Sitz der argentinischen Regierung. Innenminister Aníbal Fernández war mit der Koordination des Einsatzes beauftragt und hielt den Präsidenten Néstor Kirchner auf dem Laufenden, der mehrmals aus seiner Heimatprovinz Santa Cruz anrief. Nach Schätzungen der Regierung beteiligten sich an der Demonstration „zwischen 3.700 und 4.000 Personen“. Die Organisatoren schätzen die Teilnehmerzahl auf „mehr als 20.000″. Fernández sagte, dass die Piqueteros für Kundgebungen auf der Plaza de Mayo eine Genehmigung bräuchten. Er versicherte, dass diese sich nie wieder auf der Plaza de Mayo mit ihren Zelten installieren dürften.

Suche nach den sterblichen Überresten des Guerilla-Chefs Santucho

(Buenos Aires, 15. September 2005,púlsar-poonal).- 29 Jahre nach dem Verschwinden von Mario Santucho, Kommandant der Revolutionären Volksarmee ERP (Ejército Revolucionario del Pueblo), hat ein Gericht jetzt die Exhumierung eines anonymen Grabes angeordnet, in dem die sterblichen Reste von Santucho und fünf weiteren Verschwundenen vermutet werden.

Mario Roberto Santucho gründete 1968 die Revolutionäre Arbeiterpartei PRT (Partido Revolucionario de los Trabajadores) und 1970 zudem die EPR, den bewaffneten Arm der Partei. Am Nachmittag des 19. Juli 1976 packte Santucho gerade seine Sachen in der Wohnung, in der er sich vor dem Geheimdienst versteckte. In derselben Nacht wollte er nach Kuba ausreisen. Er starb jedoch bei einem Schusswechsel mit Militärs, die ihn aufgespürt hatten. Nach der Schießerei, bei der sich die Guerrilleros Leonetti und Santucho versuchten gegen die Militärs zu verteidigen, nahmen die Soldaten die Leichen der beiden Guerilleros und ihrer Frauen mit. Sie blieben bis heute verschwunden.

Santuchos Hinterlassenschaften wurden jahrelang in einem von der Militärdiktatur errichteten Subversionsmuseum ausgestellt. Lange nachher wurden sie seinen Angehörigen ausgehändigt. Nachdem bewiesen wurde, dass am 21. Juli 1976 sechs nicht identifizierte Leichen auf dem Friedhof Bulogne beigesetzt wurden, ordnete Richter Marinelli nun die Exhumierung des Grabes an.

CHILE

Pinochet vor Gericht?

Von René Cofré Baeza

(Santiago de Chile/Frankfurt, 19. September 2005, npl).- Der ehemalige chilenische Diktator, Augusto Pinochet, steht wieder kurz vor einem Gerichtsprozess. Das Oberste Gericht bestätigte die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Staatschefs im Fall der so genannten „Operación Colombo“, bei der 119 oppositionelle Aktivisten getötet wurden. Des weiteren wurde der Ex-Diktator durch die Untersuchungen im Fall „Calle Conferencia“ erneut belastet.

Das Oberste Gericht entschied sich am vergangenen Mittwoch (14.9.) mit einer Mehrheit von zehn zu sechs Stimmen dem 89-jährigen Pinochet für den Prozess „Operación Colombo“ die Immunität zu entziehen. Es gäbe begründete Vermutungen für seine Verantwortung bei der Entführung von 15 Mitgliedern der Bewegung der revolutionären Linken MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionaria).

Pinochet muss nun vor der Verhandlungsaufnahme durch Richter Victor Montiglio, von einem Psychiater untersucht werden. An dieser Hürde sind allerdings schon andere Prozesse gegen den Ex- Diktator gescheitert. Im Fall „Caravana de la Muerte“ wurde damals argumentiert, sein gesundheitlicher Zustand erlaube die Durchführung eines Prozesses nicht.

Boris Paredes, einer der Anwälte der Kläger, beurteilte die Entscheidung des Obersten Gerichtes als positiv, da sie die Vermutungen über Pinochets Verantwortung bestätige. „Ich habe keinen anderen Beschluss erwartet. Dies ist einer der Fälle in der Pinochets kriminelle Verantwortung am deutlichsten ist“, sagte Paredes.

Während der Untersuchungen im Fall „Calle Conferencia“, erklärte der ehemalige Agent des Geheimdienstes DINA und ehemalige Oberst der Polizei, Ricardo Lawrence, dass Pinochet über alle repressiven Aktivitäten und Verletzungen der Menschenrechte im Detail informiert gewesen sei und den Generalsekretär der Kommunistischen Partei KP, Victor Díaz, während dessen Gefangenschaft besucht habe. Im Fall „Calle Conferencia“ wird über die Entführung der Spitze der damals aus dem Untergrund heraus operierenden KP ermittelt. Pinochet hatte eine Verbindung immer vehement abgelehnt.

Lawrence sagte aus, dass er Pinochet zwischen 1973 und 1977 persönlich Bericht erstattet habe. „Mehrmals war ich als sein Leibwächter tätig, wenn er am Wochenende an den Strand fuhr. Während der Reise fragte er mich, was geschehen sei und war sehr daran interessiert, wie die Aktivitäten zur Auffindung der Führer des MIR und der KP abgelaufen sind. Wir haben ihm die Wahrheit erzählt“. Lawrence fügte hinzu, dass der Chef der DINA, General Manuel Contreras, ihn täglich über die Aktivitäten inner- und außerhalb der DINA informierte. „Ich habe Pinochet gelegentlich einen Umschlag mit den Neuigkeiten über die Geschehnisse im Land und bei der DINA zugestellt. Diese Informationen wurden vom Hauptquartier vorbereitet und wurden normalerweise von Contreras persönlich abgegeben.“

Des weiteren erklärte der ehemalige Oberst, dass er während seiner ersten Aussage falsche Angaben gemacht hatte. „In der Armee gab es ein System, um Information zu verdecken. Dieses war in der sogenannten allgemeinen Kontrolle der Armee AUGE (Auditoria General del Ejercito) organisiert, die von dem General Fernando Torres geleitet wurde. Dort wurde uns die Begründung der Vorladungen erklärt und auch was wir sagen sollten. Es gab Anwälte die uns alles erläutert haben und versicherten, dass alles schnell zu Ende kommen würde“, sagte Lawrence.

Schließlich wurde in Verbindung mit den geheimen Auslandskonten Pinochets in dem Fall der Riggs-Bank der Bericht der englischen Zeitung „The Guardian“ über die Verbindung zwischen dem Waffenhersteller BAE Systems und dem chilenis
chen Diktator veröffentlicht. Nach Angaben, die sich auf geheime Dokumente US-amerikanischer Behörden beziehen, habe BAE Pinochet zwischen 1997 und 2004 mehr als zwei Millionen US-Dollar auf verschiedene Konten gezahlt.

In den nächsten Tagen werden die Klägeranwälte versuchen die Immunität Pinochets auch in anderen Fällen aufzuheben. Ob Pinochet wirklich vor das Gericht kommt, wird von den psychiatrischen Gutachten abhängen.

Amnestiegesetz für Verbrecher der Diktatur gestoppt

Von René Cofré Baeza

(Santiago de Chile/ Frankfurt, September 2005, npl).- Die Gesetzesinitiative des Abgeordneten der Unabhängigen Demokratischen Union UDI (Unión Demócrata Independiente) Hernan Larraín zur Begnadigung von Militärs, die aufgrund ihrer Verbrechen während der Diktatur bestraft wurden, wurde nach heftiger Kritik auf Eis gelegt. Die Initiative wurde sogar von Parlamentariern der Regierungspartei, Präsident Ricardo Lagos und dem ehemaligen Präsidenten Patricio Aylwin unterstützt. Die Initiative entstand, nachdem Lagos am 17. August den Unteroffizier Contreras Donaire begnadigt hatte. Contreras war beteiligt an der Ermordung des Gewerkschaftsführers Tucapel Jimenez.

Nach den empörten Reaktionen von Menschenrechtsorganisationen und den Äußerungen der Präsidentschaftskandidatin des Linksbündnisses Concertación, Michelle Bachelet, erklärte Lagos, dass Wahlkampfzeiten nicht der richtige Moment für solche Diskussionen seien und distanzierte sich von der Gesetzesinitiative. „Ich habe gesagt, dass ich die Initiative schätze. Wie soll ich nicht den Versuch wertschätzen, diesen Abschnitt der chilenischen Geschichte zu überwinden“, sagte Lagos.

Die Initiative war unter anderem von dem Verein zur Förderung und Verteidigung der Völkerrechte CODEPU (Corporación de Promoción y Defensa de los Derechos del Pueblo) und internationalen Gruppierungen von Chilenen im Ausland, wie dem Komitee ehemaliger politischer Gefangener in Paris, kritisiert worden. Diese meinten, dass die Unterstützung durch Lagos Teil einer Verhandlung zwischen der Exekutiven, den Anhängern Pinochets und der Führung der Streitkräfte sei. „Die Concertación wollte Pinochet oder seine Häscher nie ins Gefängnis bringen. Die Rettung von Pinochet aus London und die spätere Einstellung seines Prozesses aufgrund von Demenz vereinigte die Exekutive mit der Justiz und die politische Klasse der Concertación mit der Rechten“, erklärten Komitees von Exil-Chilenen.

„Die Initiative im Parlament will die Schwere der Verbrechen und die Verantwortung der ehemaligen Staatsagenten, die eine systematische Politik der Menschenrechtverletzungen durchführten, aberkennen“, erklärte die CODEPU in einer Pressemitteilung. „Diese Verbrechen sind nicht zu begnadigen und nicht verjährbar“, sagte die Organisation.

Des weiteren erklärte die CODEPU, dass eine solche Maßnahme nicht helfen werde die politischen Prozesse fortzusetzen. „Hier handelt es sich um gefährliche Verbrecher gegen die Menschheit, deren Taten über die Grenze hinaus gingen. Sie leugnen ihre Verantwortung an diesen Verbrechen, aufgrund ihrer Loyalität gegenüber der Diktatur und aus Angst vor den Konsequenzen des Paktes, den sie eingegangen sind. Deswegen ist es nicht wahr, dass diese Maßnahme eine Zusammenarbeit mit der Justiz ermöglichen werde oder zu einer Erklärung der Taten führen wird“, fügte die CODEPU hinzu. Die möglichen Begnadigten hatten eine entscheidende Rolle bei der Tötung von Orlando Letelier, dem General Prat oder dem Attentat gegen Bernardo Leighton in Italien.

Die Initiative, die dem Parlament bereits vorliegt, würde 46 verurteilte Folterer und Verbrecher des Militärs und ungefähr 400 weitere Ex-Militärs begnadigen können, denen gerade der Prozess gemacht wird.

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