Poonal Nr. 499

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 26. Oktober 2001

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

EL SALVADOR

COSTA RICA

ECUADOR

CHILE

PARAGUAY / BRASILIEN

BRASILIEN

KRIEG UND FRIEDEN


MEXIKO

Rechtsanwältin Digna Ochoa y Placido in ihrem Büro ermordet

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 21. Oktober 2001, Poonal).- „Trotz Angriffen, Drohungen, Schmerzen und Entbehrungen, der Wunsch nach einem würdigen, gerechten, friedlichen Leben ist größer“. So begründete die mexikanische Anwältin Digna Ochoa y Placido ihren Einsatz für die Menschenrechte bei einer Preisverleihung vor zweieinhalb Jahren. Sie habe die Hoffnung auf eine andere Welt, selbst wenn sie sie vielleicht nicht mehr erleben sollte, fuhr sie damals fort.

Am vergangenen Freitag wurde die 37-jährige erschossen in ihrem Anwaltsbüro in Mexiko-Stadt aufgefunden. Neben ihrem Körper fand sich eine handgeschriebene Warnung an die Mitglieder des angesehenen Menschenrechtszentrums Miguel Augustin Pro, mit dem Ochoa seit Jahren eng zusammen arbeitete. „Hurensöhne, wenn Ihr weiter macht, wird mehr als einem das gleiche passieren“, stand darauf.

Die Nachricht löste in Mexiko tiefe Bestürzung aus. Sowohl der Leiter der Justizbehörden der Hauptstadt, Bernado Batiz, wie auch der gerade erst ernannte neue Menschenrechtsbeauftragte der Metropole, Emilio Alvarez Icaza, begaben sich umgehend zum Tatort. Niemand mag der Aussage von Batiz widersprechen, dass es sich bei dem Mord um ein politisches Verbrechen handelt. Vertreter verschiedener mexikanischer Menschenrechtsorganisationen bezeichneten die Tat als Angriff auf die gesamte Gesellschaft.

Scharf kritisierte Irene Khan, die Generalsekretärin von amnesty international, die mexikanischen Behörden. Wenn diese ihrer Verantwortung nachgegangen wären, Drohungen und Attacken gegen Ochoa und das Menschenrechtszentrum Augustin Pro zu verfolgen, „hätte dieser Mord vermieden werden können“, erklärte sie. Die bisherige Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtler bedrohten, sei „ein Schlüsselfaktor in dieser jüngsten Tragödie“.

Ochoa war für einige landesweit bekannte Fälle verantwortlich. Sie verteidigte unter anderem angebliche Guerilla-Mitglieder und zwei Ökobauern, die aufgrund falscher Beschuldigungen durch Militärs selbst nach Regierungsauffassung unschuldig seit über zwei Jahren inhaftiert sind. Ebenso setzte sie sich für die Witwen von 17 Bauern ein, die 1995 bei dem als Massaker von Aguas Blancas bekannt gewordenen Verbrechen staatlicher Sicherheitsbehörden ums Leben kamen.

In ihren Prozessen ging die junge Anwältin der Konfrontation mit staatlichen Institutionen wie der Armee oder der Justizpolizei nicht aus dem Weg. Dies ist vielleicht der Grund, warum sie wie einige weitere Anwälte vom Nationalen Sicherheitsdienst verdächtigt wird, mit der Guerilla in Kontakt zu stehen. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte hingegen 1999 die mexikanische Regierung explizit dazu aufgefordert, die Sicherheit von Ochoa zu gewährleisten.

Die Drohungen gegen Digna Ochoa hatten sich seit 1996, gehäuft. Einer mehrstündigen Entführung im August 1999 folgte wenige Wochen später ein Überfall auf ihr Haus. Die damaligen Täter befragten sie mehrere Stunden lang über angebliche Kontakte zu Guerillagruppen und ließen sie am Ende neben einem geöffneten Gastank auf dem Bett gefesselt zurück. Danach erhielt die Anwältin mehrere Todesdrohungen im Büro der Menschenrechtsorganisation Augustin Pro. Mehrere Klagen der Anwätlin verliefen bei der Bundesstaatsanwaltschaft im Sande. Im September 2000 entschied sich Digna Ochoa aufgrund der bedrohlichen Situation, vorübergehend in die USA zu gehen.

Mit dem Amtsantritt von Präsident Vicente Fox im Dezember 2001 und dem Ende der 71-jährigen PRI-Herrschaft in Mexiko hofften manche auf eine Änderung der Menschenrechtssituation im Land. In der Tat betonte Fox die Bedeutung der Menschenrechte mehrfach und setzte mit der Ernennung einer Sonderbotschafterin für Menschenrechte ein Zeichen. Dennoch befürchteten viele Organisationen von Anfang an, es könne bei reiner Symbolik bleiben. Die vielen Drohungen in letzter Zeit und der Mord an Digna Ochoa sind ein schlechte Omen.

 

Am illegalen Tropf

(Mexiko-Stadt, 22. Oktober 2001, na/ips-Poonal).- Die illegalen Geldströme, die auf die Konten mexikanischer Banken fliessen, sind so gross, dass das Land bei einem Stop dieser Gelder vor dem Ruin stünde, versichern Experten. Die jüngsten Inspektionen der staatlichen Nationalen Bank- und Vermögenskommission (CNBV) ergaben ein überraschendes Ergebnis: Bei 73 Prozent der Bankkunden war nicht nachvollziehbar, mit welchen Aktivitäten sie ihr Geld verdienten.

Generell stellte die CNBV ein nachlässiges Vorgehen beim Abschluss von Bankgeschäften fest. Oft fehlten Unterschriften von Kunden, Information würden nicht angemessen überprüft und der Wohnsitz von Inhabern der Bankkonten sei häufig nicht festgehalten. Welche Banken untersucht wurden, gab die Kommission nicht preis. Die Mehrheit erfüllt aber nach ihren Angaben nicht die Maßnahmen, die vor vier Jahren zur Bekämpfung der Geldwäsche in Mexiko verabschiedet wurden.

Verschiedene Studien räumen der Bedeutung der Geldwäsche in Mexiko unterschiedlich starke Bedeutung ein. So wird der Anteil am Sozialprodukt auf zwischen vier und 20 Prozent geschätzt. Über die Banken werden jährlich etwa 25 bis 30 Milliarden Dollar „gewaschen“.

 

GUATEMALA

Neue Sicherheitsbehörde stößt auf Widerstand

(Guatemala-Stadt, 24. Oktober 2001, cerigua-Poonal).- Die Schaffung einer Nationalen Sicherheitsbehörde, die auch für Geheimdienstaufgaben vorgesehen ist, soll ein Angehöriger des Militärs vorstehen. Dies stößt bei einigen Teilen der Bevölkerung auf großes Misstrauen.

So sehen Mitglieder der Organisation Demokratische Sicherheit (Sedem) die 1996 von der Regierung mit der Guerilla vereinbarten Friedensabkommen über „die Stärkung der zivilen Macht und die Rolle der Streitkräfte in einer demokratischen Gesellschaft“ verletzt. Sedem ist der Auffassung, dass gemäß der im Abkommen festgelegten Bestimmungen keine weiteren Geheimdienste geschaffen werden dürften.

Die genauen Funktionen der neuen Behörde werden von der Regierung bisher im Dunkeln gehalten. Sedem weist auf die wenig optimistisch stimmende Tradition der guatemaltekischen Sicherheitskräfte und Geheimdienste hin. Die Organisation fordert stattdessen eine bessere Ausbildung der Zivilen Nationalpolizei. Sie verlangt eine Stellungnahme der UNO-Mission in Guatemala und ruft die Zivilgesellschaft, insbesondere die Menschenrechtsbewegung, zu Aktionen auf, „die verhindern, dass im Namen der nationalen und internationalen Sicherheit Garantien, Rechte und Freiheit verletzt werden“.

Aura Elena Farfan von der Organisation „Familienangehörige Verschwundener“ (Famdegua) sieht die jüngste Entwicklung in Zusammenhang mit den Attentaten in den USA und der Terrorbekämpfung. Für diejenigen, die früher die Bevölkerung unterdrückt hätten, seien die Ereignisse die Gelegenheit, die Gegner der Regierungspolitik nun als Terroristen zu bezeichnen. Sie befürchte eine Verfolgung und illegale Verhaftungen, so wie es sie in der Vergangenheit gegeben habe.

Der guatemaltekische Menschenrechtsbeauftragte erklärte bezüglich der Nationalen Sicherheitsbehörde, das Land brauche kein Anti-Terrorismusministerium. „Wir sind kein Land, dass die Strukturen hat, um ein Ziel für Terroristen zu sein.“

 

Gerichtsverfahren gegen Militärs ausgesetzt

(Guatemala-Stadt, 22. Oktober 2001, na/ips-Poonal).- Am 10. Oktober wurde das vor sieben Jahren begonnene Verfahren gegen drei Militärs, die der Anstiftung zum Mord an der Anthropologin Myrna Mack im Jahr 1999, angeklagt sind, aufgrund einer Revisionsbeschwerde zunächst ausgesetzt.

Der Anwalt Fernando Gutiérrez, Verteidiger des Generals Édgar Godoy Gaitán, des Oberst Juan Valencia Osorio und des Oberleutnants Juan Oliva Carrera argumentiert, es sei nicht zulässig, Teile von Berichten des Projekts zur Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses und der Kommission zur Aufklärung der Vergangenheit als Beweise heranzuziehen, genauso wenig sei es möglich, als Zeugen Personen zu präsentieren, die bereits im Verfahren gegen den unmittelbaren Täter des Verbrechens, den 1993 zu 25 Jahren Haftstrafe verurteilten Offizier Noel de Jesús Beteta Alvarez, ausgesagt hätten.

Mario Domingo Montejo vom Menschenrechtsbüro des Erzbistums erklärte, die Revisionsbeschwerde sei das übliche Mittel zur Umgehung einer Verurteilung hoher Amtsträger, wie im Falle der drei betroffenen Militärs. Die Angeklagten behaupten, die Schwester der Ermordeten, Helen Mack, habe Justizangehörige auf ihre Seite gezogen, so dass sie nun gezwungen seien, solange Widerspruch einzulegen, bis sie „ein unparteiisches Gericht gefunden“ hätten.

 

EL SALVADOR

Richter mit falschen Titeln

(San Salvador, 22. Oktober 2001, na-Poonal).- Nachforschungen des Sonderbeauftragten Roberto Vidales zu Berufstiteln für Juristen an verschiedenen Universitäten ergaben, dass 169 Anwälte, Richter und Gerichtsmagistraten ohne rechtmäßigen Titel ihren Beruf ausüben. Die Staatsanwaltschaft zieht eine Klage gegen einige von ihnen in Erwägung, der Minister für Bildung schlug eine Bildungsreform vor.

Immer wieder wurden in den letzten Jahren Rufe nach einer „Säuberung“ des Justizapparates laut. In einem Bericht des State Department der USA wurden im vergangenen Jahr mehrere Schwachpunkte des salvadorianischen Gerichts- und Polizeiwesens aufgeführt, auch Menschenrechtsverletzungen wurden genannt.

Der Bericht war Auslöser einer Debatte, in der einige Oppositionsführer die Durchführung einer Säuberung der Gerichte und des Polizeiapparates forderten. Eduardo Tenorio, damaliger Vorsitzender des Obersten Gerichtshofes bezeichnete den Bericht als „falsch und ungenau“.

Der Oberste Justizrat teilte mit, es liefen Verfahren wegen „akademischen Betrugs“ gegen 57 unter Verdacht stehenden Richter, deren Titel anzuerkennen der Bildungsminister sich geweigert hatte. Es handelt sich um Abschlüsse von Universitäten, deren Schließung notwendig war, da sie gegen die Hochschulgesetze verstießen.

In Vidales Ende August veröffentlichten Bericht heißt es, hunderte von Richtern, Prokuristen, Anwälten und weiteren im öffentlichen Dienst Beschäftigten hätten ihre Abschlußurkunden von Universitäten erhalten, die Titel verkauften. Derzeit ist Vidales mit der Untersuchung von 2849 unglaubwürdigen Urkunden beschäftigt. Von den zehn Prozent, mit denen er sich bereits befasst hat, sind 169 falsch, nur zwölf Titel waren legal erworben worden.

Vidales berichtet, manche juristischen Fakultäten seien regelrechte „Titelschmieden“. Er fand heraus, dass in der Universidad de las Américas in El Salvador, sowie in der Universidad Salvadoreña und der Universidad Manuel Escamillas niemals auch nur ein Jurastudent bei irgend einer Prüfung durchgefallen sei.

Elf der 169 verdächtigten Juristen hatten ihren Abschluß an der Universidad Manuel Escamillas gemacht. Einige hatten ihren Titel bereits nach einer einzigen Woche in der Tasche. Vidales fordert die Ernennung einer Komission zur Untersuchung der weiteren Fälle.

Inzwischen soll gegen viele Richter, die auf Vidales Liste stehen ein Verfahren eröffnet werden, oder sie müssen noch einmal zurück auf die Universität. Gesetzesänderungen werden in Betracht gezogen. Dies würde bedeuten, dass die Universitäten – nicht die Absolventen – die Abschlusszeugnisse zur Registrierung an das Ministerium für Bildung weiterzugeben hätten.

 

COSTA RICA

Nordamerikaner wegen Mädchenhandel verurteilt

(San Jose, 18. Oktober 2001, alc-Poonal).- Der 43 jährige Richard Riley Caspar aus Kalifornien (USA) wurde vergangene Woche zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Die Verurteilung wegen Mädchenhandel in besonders schwerem Fall wurde nach einer dreitägigen nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung gefällt. Caspar war Betreiber einer Internetseite, auf der er Costa Rica als Sextourismusziel darstellte und seinen ausländischen Kunden ganz offen Minderjährige anbot.

Casper ist der erste Nordamerikaner, der wegen diesem Vergehen von einem Gericht aus San José verurteilt wurde. Er wurde im November 2000 von der Justizpolizei, nach einer Durchsuchung seines Hauses in der Hauptstadt La Sabana unter dem Vorwurf der Zuhälterei von Minderjährigen verhaftet.

Nach koordinierten Ermittlungen der Staatsanwalt von San José und unter Mithilfe der Kinderschutzorganisation „Casa Alianza“ wurde die Verhaftung des US-Bürgers erreicht. In seinem Besitz befand sich eine große Menge kinderpornographischem Materials und wichtige Hinweise, die es den Behörden ermöglichten, seine kriminellen Aktivitäten zu beweisen. „Casa Alianza“ hat mehr als 300 Fälle von sexueller Ausbeutung von Kindern und Erwachsenen durch Ausländer in Costa Rica dokumentiert.

 

ECUADOR

Drohungen und Übergriffe gegen Schwule und Lesben

Von Luis Angel Saavedra

(Quito, 8. Oktober 2001, na-Poonal).- Auch wenn es seit vier Jahren in Ecuador keine Straftat mehr ist, homosexuell zu sein, herrscht krasse Homophobie, die sich in Drohungen, Misshandlungen und sogar Morden niederschlägt.

Seit 1998 garantiert die ecuadorianische Verfassung in ihrem Artikel 23 zwar sexuelle Wahlfreiheit, die Auffassung, Homosexualität müsse bestraft werden, grassiert aber noch immer. So stand in einem Brief, den im vergangenen Januar vier Gemeindevorstände des Landkreises Guayaquil an den ultrarechten Bürgermeister Jaime Nebot richteten, dass Homosexualität als eine „Verirrung zu betrachten sei und „einen Angriff auf den Anstand und die guten Sitten darstelle“. Damit rechtfertigten sie eine Aktion des Landkreises, „mit der diese Art von Handlungen bekämpft werde soll“.

Vier Monate zuvor, im September 2000, waren unter dem Titel „Mehr Sicherheit“ in Guayaquil Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung verabschiedet worden. In ihrem Zusammenhang wurde eine Werbekampagne initiiert, mit der für Informationen zur Ergreifung von Personen einer Liste der „meistgesuchten Verbrecher“ eine Belohnung von 5.000 US-Dollar geboten wurde.

In den zehn Monaten seit Beginn der Maßnahmen, kam es zu mehr als 75 Fällen von Misshandlungen an Transvestiten, Homosexuellen und Lesben in der Stadt Guayaquil. Die Stiftung „Freunde für das Leben“ mit Sitz in Guayaquil und das „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte von Guayas“ haben Zeugenaussagen über Folter gesammelt, die von Amnesty International als „Fälle von Folter und Misshandlung aufgrund sexueller Identität“ eingeordnet wurden.

AI betreut außerdem fünf Transvestiten als „Gewissensgefangene“, die am 22. Februar diesen Jahres verhaftet wurden, weil sie „Angriffe auf den Anstand und die guten Sitten“ verübt hätten. Einem von ihnen wurde mit dem Feuerlöscher eines Polizeiautos so lange auf den Kopf geschlagen, bis er das Bewusstsein verlor.

Die Drohungen gegen Prominente der schwulen Zusammenhänge dauern an. Neptalí Arias, Präsident der Stiftung Freunde für das Leben, wurde im April mit dem Tode bedroht. Ebenso Cristian Landeta, Beauftragter für das Programm Regenbogenjugend, das Jugendlichen in Guayaquil Beratung zu Gesundheitsfragen, Safer Sex, Prävention und Behandlung von HIV/AIDS anbietet. In gleicher Weise wurde in Quito Orlando Motoya bedroht, bedeutender Kopf der Bewegung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (SLBT) und ein Kämpfer für die Straffreiheit von Homosexualität: "Orlando Montoya, Vorbild des menschlichen Abschaums, du wirst der Erste sein," heißt es in einem Drohbrief. Merkwürdigerweise wurden zeitgleich mit den Drohungen alle Diskotheken und Bars für Schwule oder Lesben in der Stadt Guayaquil geschlossen.

Tage zuvor hatte eine Gruppe namens „Clean Total 7“ an die Gruppe Quitogay und an Organisationen, die die Rechte der SLBT verteidigen eine Drohung per E-Mail, gesandt. Darin heißt es: „Nach langen Nachforschungen wissen wir endlich, wer ihr seid, wie ihr lebt und was ihr arbeitet […] und sind entschlossen, diesen ganzen menschlichen Müll auszumerzen, damit dieses Land an Ansehen gewinnt und ein Beispiel wird für die ganze Welt“, hieß es in der Nachricht.

Die Urheber der Nachricht behaupten, gut organisiert zu sein, und wollen einen Prozess der „sozialen Säuberung“ einleiten. „Die Säuberung wird total sein und alle Sektoren von Quitogay betreffen. Wir werden ihnen einen Schlag versetzen, wo sie es am wenigsten erwarten […]. Wir haben Leute in ihren Organisationen […], und unser Ziel ist es, diese ganze Seuche auszurotten […]. Denn hier wollen wir ohne euch leben und ohne das Risiko, dass unsere Kinder eurem verdammtem Beispiel folgen“, heißt es dort weiter.

Am 25. März kam dort eine weitere Nachricht an, dieses Mal von einer elektronischen Adresse, die „Tod Sodom und Gomorra“ heißt: „Glaubt nicht, dass ihr die Presse nach eurem Vergnügen manipulieren könnt […], glaubt nicht dass ihr euch hinter den Menschenrechtsorganisationen verstecken könnt […]. Wir wissen sehr gut, was ihr tut, und dieses Mal wird die Säuberung total sein“, hieß es in der Drohung. Es wurde weiterhin darauf angespielt, dass auch die Polizei „ihre heilige Pflicht“ erfüllen werde.

Die Solidaritätsbekundungen verschiedener Nichtregierungsorganisationen, sozialer Organisationen und Einzelpersonen setzten vor allem den Innenminister Juan Manrique Martínez unter Druck. Er ordnete eine Untersuchung von Seiten der Nationalpolizei ein, die aber bisher keine Erkenntnisse brachte.

Die Solidaritätsbekundungen indes machen Orlando Montoya auch Hoffnung für die Schwulenbewegung. Er glaubt weiter daran, dass ein Wandel möglich ist. „Trotz der Angst die ich hatte, waren die Bekundungen von Zuneigung, die ich auf der Straße spüren konnte, in den Supermärkten, überall, sehr tröstlich“, erzählte er. „Zum Beispiel als ein Vater und eine Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern auf mich zukamen, und meinten, dass sie sich mit mir solidarisierten. Der Vater sagte zu seinen Kindern: ‚Dies ist ein Mann, den wir bewundern müssen, denn er kämpft dafür, unsere Gesellschaft menschlicher zu machen‘. Dann umarmten sie mich alle. Doch, die Dinge können sich ändern.“

 

CHILE

Verschmutzte Metropole

(Santiago, 22. Oktober 2001, na-Poonal).- Die chilenische Regierung kündigte 20 neue Maßnahmen an, um die Luft in der Hauptstadt Santiago sauberer zu machen. Santiago gilt als eine der kontaminiertesten Städte der Welt, was die Luftverschmutzung angeht. Ein bereits seit 1997 bestehender Plan soll nun erweitert werden. Verbessertes Benzin und ein vergrößerter Wagenpark für den öffentlichen Transport gehören zu den Mitteln, mit denen das Ziel kurz- und mittelfristig erreicht werden soll.

Gianni López, Leiter der Nationalen Umweltkommission im Bereich der Hauptstadtregion geht von Kosten in Höhe von 700 Millionen Dollar aus, die bei der Umsetzung aller Maßnahmen anfallen. Sie sollen in erster Linie von den hauptsächlichen Verursachern aufgebracht werden. So wird allein die Nationale Ölgesellschaft etwa 200 Millionen Dollar investieren müssen, um die Qualität des Benzins zu verbessern.

 

PARAGUAY / BRASILIEN

Auslieferung Oviedos gefährdet

(Brasilia, 22. Oktober 2001, na-Poonal).- Ein Richter des Obersten Gerichtshofes von Brasilien hat am 10. Oktober die Aufhebung der zuvor von Justizminister José Gregori getroffenen Entscheidung, den paraguayischen Ex-General Lino Oviedo nicht als politischen Flüchtling anzuerkennen, entschieden. Der endgültige Richterspruch soll vom Plenum des Obersten Gerichts gefällt werden, ein Termin dafür wurde noch nicht festgelegt.

Der wegen Anstiftung zum Mord am paraguayischen Vizepräsidenten Luis Maria Argaña angeklagte Ex-General war Mitte letzen Jahres in Brasilien verhaftet worden und befindet sich derzeit in der Hauptstadt Brasilia unter Hausarrest.

Oviedos Anwälte argumentieren, vor der Entscheidung habe es nicht wie gesetzlich vorgeschrieben eine Vernehmung Oviedos durch den Nationalen Flüchtlingsrat (CONARE) gegeben. Laut Angaben der Sprecher des Justizministeriums hat es keine Vernehmung gegeben, da der Fall Oviedos sich außerhalb des brasilianischen Flüchtlingsgesetzes sowie der entsprechenden internationalen Abkommen bewege.

 

BRASILIEN

Bombardements verteidigen einen Mythos

(Porto Alegre, 16. Oktober 2001, alc-Poonal).- Die US-Bombardements gegen Afghanistan dienen nicht der Verteidigung einer Nation, sondern der Verteidigung eines Mythos, der in Gefahr zu sein scheint. Das sagte der brasilianische lutherische Theologe Vitor Westhelle an einem Runden Tisch in der Höheren Theologischen Schule (EST) von São Leopoldo. Die kriegerische Antwort auf die terroristischen Anschläge vom 11. September in New York und Washington sei nach Ansicht Westhelles ein großer Irrtum.

Westhelle ist Professor an der Theologischen Lutheranischen Schule von Chicago und nahm letzte Woche an einer Reihe von Konferenzen an der Universität der Valle del Rio de los Sinos (Unisinos), in São Leopoldo, teil. Dabei ging es um das Thema „Mythologien des Bösen“. Er teilte mit, dass er zu tiefst beeindruckt sei von der grundsätzlichen Angst, die in dem nördlichen Land inzwischen herrscht.

Nach Meinung des Theologen befürwortet die große Mehrheit der Bevölkerung die kriegerischen Antwort Nordamerikas gegen Afghanistan. Nur eine sehr kleine Minderheit kritisiere die Aktivität der Regierung Bush. Die Kritiker*innen werden in der Öffentlichkeit stark angefeindet. „In manchen Fällen können prominente Kriegsgegner ohne Leibwächter nicht auf die Straße gehen“, stellte Westhelle fest.

Ein anderer Teilnehmer des Runden Tisches, Dr. Robert Butterfield, Pastor der Vereinigten Christuskirche aus den USA und Gastprofessor der EST, bestätigte diese Information. „Es ist schwierig, irgendeine Kritik an der Regierung Bush zu äußern“ sagte er. „Bei meinen Einwänden, nehme ich normalerweise kein Blatt vor den Mund. Jetzt habe ich es nicht gewagt, irgendeine Handlung der US-Regierung zu kritisieren“ gab er zu. „Die Vereinigten Staaten fühlen sich als legitimierte Repräsentanten des Guten“, aber wenn sie sich bedroht fühlten, so Butterfield, „legen sie ein paradoxes Verhalten den wichtigsten Werten, der Freiheit und der Wahrheit, gegenüber an den Tag“, stellte er fest. Butterfield hält es für „grundsätzlich bedauernswert“, dass George W. Bush die terroristischen Akte als Gelegenheit benutzt, „um sich politisch darzustellen“.

 

KRIEG UND FRIEDEN

Kommentar des argentinischen Friedensnobelpreisträgers Adolfo Pérez Esquivel

(Buenos Aires, 25. Oktober 2001, alai-Poonal).-

„Die Welt weiß nicht, wo ihr Haus ist,“ sagt der dreijährige Luca, als er auf eine Landkarte schaut. Er hätte auch eine Nachrichtensendung sehen können, so schrieb vor kurzem der Schriftsteller Eduardo Galeano. Wir sollten uns der Sorge des Kindes annehmen, uns fragen, ob wir wirklich wissen, „wo unser zuhause ist“, denn es wird im Namen der Souveränität der Macht und der Intoleranz zerstört.

Am 11. September fühlte sich die Welt durch die Attentate in New York und Washington erschüttert und schutzlos. Die Fundamentalisten suchten Rechtfertigungen für die Gewalt, einige erklärten den „Heiligen Krieg“, die anderen erklärten, es sei der „Krieg des Guten gegen das Böse“, oder „seid mit uns und oder mit den Terroristen“, es sei der Krieg der Kreuzzüge, die „ewige Gerechtigkeit“ durchsetzen würden.

Der nordamerikanische Machtbereich wurde verletzt und Angst herrscht in seinen Straßen und Städten. Viele verstehen die Aggression nicht, sie ignorieren die Politik der verschiedenen US- Regierungen in der Welt, die Kriege und Konflikte,die in anderen Teilen der Welt losgetreten wurden. Die Überraschung und Entrüstung zeigt sich in den Gesichtern und den Handlungen der Bevölkerung, in der Angst der Moslems und Migranten aus vielen Ländern. Die Opfer des Attentats waren Tausende unschuldige Menschen aus 82 Ländern.

Die Internationalen Beziehungen sind an einem Wendepunkt angelangt. Die Vereinten Nationen sind marginalisiert und darauf reduziert, Resolutionen zu verabschieden, und dienen nur dazu, die Initiativen der USA zu unterstützen. Die Kommunikationsmedien leiden unter der Psychose des Krieges – es gibt keinen anderen Weg, man muss handeln und den Terrorismus mit mehr Terrorismus beantworten, die große Kriegsmaschine in Bewegung setzen und die Macht demonstrieren, über die die Weltmacht und ihr wichtigster Verbündeter Großbritannien verfügen. Es ist gelungen, ein „Einheitsdenken“ durchzusetzen, die Entbindung vom eigenen Denken, das Unvermeidliche; es ist gelungen durchzusetzen, dass der einzige Weg der Krieg ist, jegliche andere Alternative zählt einfach nicht.

Die Studenten vom Mai 1968 in Frankreich hatten etwas wichtiges gesagt, das wir aus dem Denken und dem studentischen Widerstand für die heutige Zeit bewahren sollten: „Seien wir realistisch, fordern wir das Unmögliche.“ Wir, mehrere Friedensnobelpreisträger, denken so und haben uns entschieden, angesichts der Lage der Menschheit zu handeln. Wir – Mairead Corrigan Maguire aus Nordirland, Rigoberta Menchú Tum aus Guatemala und Adolfo Pérez Esquivel aus Argentinien – haben uns am 7. Oktober in New York getroffen, um gemeinsam mit der Friedensbewegung, sozialen Bewegungen, Vietnamkriegs-Veteranen und ökumenischen Religionsgemeinden an einem Marsch zur Verhinderung des Krieges teilzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wird bekannt, dass die USA und Großbritannien mit der Bombardierung Afghanistans begonnen haben, des Landes, das die mutmaßlichen Terroristen beherbergt. (…) Die USA bombardieren und werfen gleichzeitig Lebensmittel über Kabul ab. Es ist die große Scheinheiligkeit eines jeden Krieges.

Die Welternährungsorganisation FAO meldet, dass an jenem Tag, dem 11. September weltweit 35.615 Kinder verhungert sind. Keine Regierung, weder die Uno, Unicef noch die Presse oder das Fernsehen haben dies veröffentlicht, sich bewegt gezeigt oder dagegen protestiert. „Die stille Bombe des Hungers“ ist unhörbar im Einheitsdenken. (…)

Mehr als 54 Konflikte und Kriege lasten derzeit auf der Menschheit. Notwendig sind Veränderungen und wirkliche Lösungen im mittleren Osten und in der Beziehung zwischen Israelis und Palästinensern. Notwendig ist die Aufhebung der Blockaden gegen den Irak und gegen Kuba sowie des Plan Colombia, der einen weiteren regionalen Konflikt in Lateinamerika hervorrufen kann. Neue internationale Beziehungen sind von Nöten.

Die Generalversammlung der Uno muss das Entscheidungsgremium werden und nicht mehr der Sicherheitsrat, eine keineswegs demokratische Struktur, die den mächtigsten Länder erlaubt, Resolutionen und Konflikte, die sie selbst betreffen, entsprechend ihren Interessen zu behandeln.

Es ist notwendig, dass die Uno eine klarere und definitive Rolle bei internationalen Problemen einnimmt. (…) Um dies zu erreichen muss das „selbständige Denken“ zum Wohle aller entwickelt und potenziert werden. Und es müssen die Mechanismen überwunden werden, die Herrschaft und sozialen Ausschluss hervorrufen, wie die Auslandsverschuldung, die die armen Staaten unterwirft und unter anderem für die „stille Bombe des Hungers“ verantwortlich ist.

Wir wissen, wie alle Kriege anfangen, mit einer Flucht nach vorne oder nirgends wohin, wie sie enden weiß niemand, jedoch wissen wir genau, welche Folgen sie haben, die Zerstörung und den Tod, den Verlust von Tausenden Menschenleben. Das Blut und den Schmerz steuern die Menschen bei. (…)

In Argentinien wie in vielen anderen Ländern engagieren viele sich für die Verteidigung des Lebens und sagen Nein zu Krieg, Ja zum Frieden. Für den 26. Oktober ist das ganze Land aufgerufen, wie in weiteren 16 Ländern gegen den Krieg zu demonstrieren. Die Frage des Kindes ist aktuell: Wissen wir, wo unser Haus ist? Wir müssen die Welt finden und in der Lage sein, sie miteinander zu teilen. Seien wir realistisch, fordern wir das Unmögliche.

 

 

   

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