Poonal Nr. 175

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 175 vom 10.01.1995

Inhalt


MEXIKO

MEXICO

An das mexikanische Volk:

GUATEMALA

KUBA

URUGUAY

HAITI

DOMINIKANISCHE REPUBLIK


MEXIKO

Notplan für die Wirtschaft – die Kosten tragen die Schwachen

(Mexiko-Stadt, 3. Januar 1995, POONAL).- Mit einem wirtschaftlichen Notplan will Präsident Ernesto Zedillo auf die Abwertung des Peso um 40 Prozent am 20. Dezember reagieren. Kernpunkt des Programmes, das der Präsident am 3. Januar in einer Rede an die Nation vorstellte, ist ein wenige Stunden zuvor von Gewerkschaften, Bauernorganisationen und den Unternehmerverbänden nach einem 15stündigen Diskussionsmarathon unterschriebenes „Abkommen für die Einheit“. Demnach werden die Löhne trotz der drastischen Abwertung des Peso nicht erhöht. Die Unternehmer verpflichten sich, die Warenpreise nicht „ungerechtigfertigt“ zu erhöhen und im Normalfall nur dann, wenn für die Produktion Importgüter benötigt werden. Das Notstandsprogramm sieht weiterhin die Kürzung des Staatshaushaltes sowie beschleunigte Privatisierungen von Staatsunternehmen vor. Als Ersatz für die fehlenden eigenen Geldmittel sollen 18 Milliarden Dollar Kredit im Ausland aufgenommen werden. Allein die US-Regierung hat 9 Milliarden Dollar zugesagt. Ökonomen befüchten, die Schwäche des mexikanischen Peso gegenüber dem Dollar könne eine unkontrollierbare Inflationsspirale nach sich ziehen.

Löhne werden eingefroren, öffentliche Betriebe verkauft und Staatsausgaben gekürzt

Das Notstandsprogramm kann als Versuch gewertet werden, zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Nachdem die Regierung den Mexikaner*innen jahrelang einzureden versuchte, aufgrund der eigenen Entwicklung und des Freihandelsvertrages (NAFTA) mit den USA und Kanada in einem Wirtschaftswunderland zu leben, das vor dem Aufstieg in die sogenannte Erste Welt stehe, kam innerhalb weniger Tage die Ernüchterung. Ernesto Zedillo gestand ein: Mexiko „ist kein reiches Land, sondern es fehlt ihm an vielem“. Ebenso mußte er zugeben, daß die Maßnahmen die Armen besonders treffen. Fast beschwörend redete er von „Patriotismus“, einer „unvermeidlichen, vorübergehenden Inflation“ und „Opfern“, die erbracht werden müßten, damit die „Wirtschaft wiederbelebt wird“. Der Präsident kam der Oppositionsforderung nach, Senat und Parlament künftig in außerordentliche Sitzungen über die Situation zu informieren. Viele Wirtschaftsexperten hatten frühzeitig vor einem bösen Erwachen gewarnt und den geradezu euphorischen Prognosen der Vorgängerregierung unter Präsident Salinas de Gortari wenig Glauben geschenkt. Das Ausmaß der aktuellen Krise ist dennoch überraschend. Für die Öffentlichkeit sichtbar begann die Fassade zu bröckeln, als der Peso im Dezember immer stärker unter Druck geriet. Der mexikanischen Zentralbank gingen die Dollarreserven aus, um den Peso zu stützen. Auch eine Erhöhung der Schwankungsbreite gegenüber der US-Währung um 15 Prozent am 20. Dezember nützte nichts. Bereits einen Tag später mußte der Peso ganz frei gegeben werden – und er stürzte im freien Fall. Gab es Anfang Dezember 3,4 Pesos für einen US-Dollar, so wurden Ende des Monats bis zu 6 Pesos ausgezahlt. Inzwischen schwankt der Kurs zwischen 4 und 5 Pesos. Die Mehrheit der mexikanischen Unternehmer fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Ihre in Dollar aufgenommenen Schulden wuchsen über Nacht um knapp 50 Prozent. Auch US-Investoren in Mexiko waren geprellt. Nach Angaben der New York Times verloren sie insgesamt etwa 10 Milliarden Dollar durch die überraschende Abwertungen.

Schulden wuchsen durch die Abwertung über Nacht um 50 Prozent

Der geballte Zorn traf den Finanzminister Jaime Serra Puche, der noch wenige Tage zuvor größere Änderungen in der Wechselkurspolitik verneint hatte. Als dann noch das hohe Leistungsbilanzdefizit – die Differenz zwischen Importen und Exporten von Gütern und Dienstleistungen – von 28 Milliarden Dollar für 1994 bekannt wurde und innerhalb einer Woche die Geldanleger etwa 10 Milliarden Dollar Kapital aus Mexiko abzogen, war der Kopf von Serra Puche nicht mehr zu retten. Am 29. Dezember mußte er zurücktreten. Noch vor einem Jahr galt er unter den Regierungseliten Mexikos und der USA als „Held des Freihandelsvertrages“. Als Handelsminister war Serra Puche beim Abschluß des Vertrages mit den USA und Kanada federführend gewesen. Jetzt schlägt die oppositionelle Partei der Demokratischen Revolution (PRD) vor, ihn zusammen mit dem ehemaligen Finanzminister Pedro Aspe und Ex-Präsident Salinas wegen „Vaterlandsverrat“ anzuklagen. In der Parlementsdebatte wagte kein Abgeordneter der regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die Angeklagten zu verteidigen. Dieser politische Streit in den oberen Rängen hat für die arme Bevölkerung Mexikos wenig Bedeutung. Denn für sie wird die Abwertung vor allem weitere Verarmung bedeuten. Denn die „unvermeidliche, vorübergehende Inflation“ wird bei gleichzeitig unveränderten Löhnen zu einer Senkung der realen Einkommen führen. Die Zeitung „La Jornada“ kommentierte die augenblickliche Lage in ihrem „Spruch des Tages“ so: „Zweimal Unheil: 1) Das Warten auf den Hammerschlag auf den Kopf. 2) Der Hammerschlag auf den Kopf.“

MEXICO

Dokumentation: Dritte Erklärung des Lacondon-Urwaldes

(Mexiko, Januar 1994, POONAL).- In der Silvesternacht feierte die Nationale Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) in „Aguascalientes“ den ersten Geburtstag ihres Aufstandes. Dabei verkündete sie die „Dritte Erklärung des Lacandon-Urwaldes“, die den Erklärungen vom 1. Januar 1994 und vom 10. Juni 1994 folgt. POONAL veröffentlicht die Dritte Erklärung in Auszügen.

„Ein Jahr nach der zapatistischen Erhebung sagen wir heute:

'Das Vaterland lebt! Und es gehört uns! Wir waren unglückselig, das ist die Wahrheit; das Schicksal war viele Male gegen uns. Aber die Sache Mexikos, die die Sache des Rechtes und der Gerechtigkeit ist, hat nicht verloren, ist nicht gestorben und wird nicht sterben, denn noch gibt es mutige Mexikaner, in deren Herzen das heilige Feuer der Vaterlandsliebe brennt, und überall dort, wo die Waffen und die Nationalflagge ergriffen werden, wird der Protest gegen die Gewalt lebendig und stark sein.

Der unvorsichtige Mann, der die traurige Mission übernommen hat, das Instrument zu sein, um ein freies Volk zu versklaven, soll sich gut merken: sein wankender Thron ruht nicht auf dem freien Willen der Nation, sondern auf dem Blut und den Kadavern tausender Mexikaner, die er geopfert hat, weil sie ihre Freiheit und ihre Rechte verteidigten.

Mexikaner, Ihr, die Ihr das Unglück habt, unter einer Besatzungsherrschaft zu leben, resigniert nicht, ertragt nicht das Joch der Schande, das auf Euch liegt. Die Willkürherrscher verletzen ständig Recht und Gerechtigkeit, und weder die Zeit noch die Gewalt ihrer Waffen werden sie jemals rechtfertigen können. Der Ehre Mexikos und der Menschheit willen muß die Despotie zerstört werden.

Ich erkläre: Aufrecht und entschlossen wie am ersten Tag.'

Benito Juárez, Januar 1865, Chihuahua

An das mexikanische Volk:

An die Völker und Regierungen der Welt:

Brüder:

Am 1. Januar 1994 gaben wir die Erste Erklärung des Lacandon- Urwaldes heraus. Am 10. Juni 1994 verkündeten wir die Zweite Erklärung des Lacandon-Urwaldes. Die erste und die zweite wurden vom kämpferischen Streben für die Demokratie, die Freiheit und die Gerechtigkeit für alle Mexikaner genährt. (…) Mit der Offensive im Dezember 1994 wollte die EZLN Mexiko und der Welt seinen stolzen indigenen Kern und die Unlösbarkeit der sozialen Situation vor Ort zeigen, wenn diese nicht von tiefgreifenden Veränderungen in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen im ganzen Land begleitet ist.

Die Indígena-Frage wird nur gelöst werden können, wenn eine RADIKALE Umwandlung des nationalen Paktes gibt. Die einzige Form, die Indígenas zu einem Teil der Nation zu machen, besteht darin, ihre authentischen Merkmale in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Organisation anzuerkennen. Die Autonomie bedeutet keine Abspaltung, sondern die Integration der Minderheiten, die im zeitgenössischen Mexiko am meisten gedemütigt und vergessen wurden. So hat es die EZLN seit ihrer Gründung aufgefaßt und so hat es die Indígena-Basis befohlen, die die Leitung unserer Organisation innehat.

Heute wiederholen wir: UNSER KAMPF IST LANDESWEIT… Heute bekräftigen wir: FÜR ALLE ALLES, NICHTS FÜR UNS!

Dieses Jahr 1994, das zu Ende geht, hat das wahre Gesicht des brutalen Systems gezeigt, das uns beherrscht. Das politische, wirtschaftliche, soziale und unterdrückerische Programm des Neoliberalismus hat seine Unfähigkeit, Falschheit und grausame Ungerechtigkeit bewiesen, die sein Wesen ausmachen. Der Neoliberalismus als Doktrin und Realität muß jetzt auf dem Müllhaufen der nationalen Geschichte landen.

Brüder, heute, mitten in dieser Krise, ist die entschlossene Aktion aller aufrichtigen Mexikaner*innen notwendig, um die Nation tiefgreifend zu verändern. Heute, nachdem wir zunächst zu den Waffen und später zum zivilen und friedlichen Kampf aufgerufen haben, rufen wir das mexikanische Volk auf, MIT ALLEN MITTELN, AUF ALLEN EBENEN UND ÜBERALL, für die Demokratie, die Freiheit und die Gerechtigkeit durch diese III. ERKLÄRUNG DES LACANDON-URWALDES zu kämpfen.

EZLN ruft zur Gründung einer Bewegung für die nationale Befreiuung auf

In ihr rufen wir alle sozialen und politischen Kräfte des Landes, alle aufrichtigen Mexikaner*innen, alle die, die für die Demokratisierung des nationalen Lebens kämpfen, zur Gründung einer BEWEGUNG FÜR DIE NATIONALE BEFREIUNG auf, die die Nationale Demokratische Konvention und alle Kräfte einschließt, die unabhängig von religiöser Überzeugung, Abstammung oder politischer Ideologie gegen das System der Staatspartei sind. Diese Bewegung für die Nationale Befreiung wird mit allen Mitteln und auf allen Ebenen für die Einsetzung einer Übergangsregierung, für eine neue Verfassunsversammlung, für eine neue Verfassung und für die Zerstörung des Systems der Staatspartei kämpfen. Wir rufen die Nationale Demokratische Konvention und den Bürger Cuauthémoc Cárdenas Solórzano dazu auf, sich an die Spitze dieser Bewegung für die Nationale Befreiung zu stellen, die ein breites Oppositionsbündnis sein soll.

Wir rufen die Arbeiter*innen der Republik, die Arbeiter*innen auf dem Land und in der Stadt, die Colonos, die Lehrer*innen und Studenten*innen Mexikos, die mexikanischen Frauen, die Jugendlichen des ganzen Landes, die Künstler*innen und die aufrichtigen Intellektuellen, die konsequenten Gläubigen, die Basismitglieder der verschiedenen politischen Organisationen dazu auf, in ihrem Bereich und mit den Kampfformen, die sie für möglich und für notwendig halten, für das Ende der Staatspartei zu kämpfen und sich der Nationalen Demokratischen Konvention anzuschließen, wenn sie keiner Partei angehören, der Bewegung für die Nationale Befreiung, wenn sie in einer der politischen Oppositionskräfte aktiv sind.

Im Geist der III. Erklärung des Lacandon-Urwaldes verkünden wir:

Erstens: Der Bundesregierung wird die Wache über das Vaterland entzogen. Die mexikanische Flagge, das oberste Gesetz der Nation, die mexikanische Hymne und das Nationalwappen werden ab jetzt in der Obhut der Widerstandskräfte sein bis die Legalität, die Legitimität und die Souveränität im gesamten nationalen Territorium wiederhergestellt sind.

Zweitens: Die ursprüngliche Politische Verfassung der Vereinigten Mexikanischen Staaten in ihrer Fassung vom 5. Februar 1917 wird für gültig erklärt. Ihr werden die Revolutionären Gesetze von 1993 und die Autonomiestatuten für die Indígena-Regionen beigefügt. Sie gilt, bis eine neue Verfassungsversammlung zusammentritt und eine neue Carta Magna verabschiedet.

Drittens: Wir rufen zum Kampf für die Anerkennung der „Übergangsregierung zur Demokratie“ auf, in die sich die verschiedenen Gemeinden, sozialen und politischen Organisationen selber einbringen. So wird der in der Verfassung von 1917 vereinbarte Bundespakt aufrecht erhalten. Die Gemeinden und Organisationen schließen sich unabhängig von der religiösen Überzeugung, der sozialen Klasse, der politischen Ideologie, der Abstammung und des Geschlechts der Bewegung für die Nationale Befreiung an.

Die EZLN wird die Zivilbevölkerung bei der Aufgabe, die Legalität, die Ordnung, die Legitimität und die nationale Souveränität wiederherzustellen und bei der Bildung und Einsetzung einer nationalen Übergangsregierung für die Demokratie unterstützen. Die Übergangsregierung soll die folgenden Aufgaben haben:

1. Sie soll das System der Staatspartei abschaffen und die Regierung von der PRI trennen. 2. Sie wird das Wahlgesetz reformieren, damit künftig saubere Wahlen, Glaubwürdigkeit, die Anerkennung aller nationalen, regionalen und lokalen politischen Kräfte gesichert ist. Die Übergangsregierung soll zu neuen allgemeinen Wahlen in der Föderation aufrufen. 3. Sie wird eine Verfassungsversammlung für die Schaffung einer neuen Verfassung einberufen. 4. Sie muß die Besonderheiten der Indígena-Gruppen, ihr Recht auf Autonomie und ihre Staatsbürgerschaft anerkennen. 5. Das nationale Wirtschaftsprogramm muß grundlegend verändert werden. Lüge und Verschleierung müssen beseitigt werden. Die Arbeiter*innen und Bäuer*innen, die die Hauptproduzent*innen des Reichtums sind, den sich jedoch andere aneignen, müssen künftig begünstigt werden.

Brüder, der Friede wird Hand in Hand mit der Demokratie, der Freiheit und der Gerechtigkeit für alle Mexikaner*innen gehen. Unser Weg kann nicht den gerechten Frieden finden, den unsere Toten fordern, wenn dies auf Kosten unserer mexikanischen Würde geschieht. Die Erde kennt keine Rast und wandert in unseren Herzen. Solange unsere Toten verspottet werden, sind wir gezwungen zu kämpfen, um ihren Schmerz reinzuwaschen. Wir werden Widerstand leisten. Die Schmach und die Arroganz werden besiegt werden.

Wie einst mit Benito Juárez gegen die französische Intervention, marschiert das Vaterland jetzt an der Seite der patriotischen Kräfte gegen die antidemokratischen und autoritären Cliquen. Heute sagen wir:

Das Vaterland lebt! Und es gehört uns! Demokratie! Freiheit! Gerechtigkeit! Aus den Bergen des mexikanischen Südostens. Geheimes Revolutionäres Ind#igena-Komitee – Generalkommandatur der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee Mexiko, Januar 1995.“

GUATEMALA

Christdemokratie unterstützt Präsidentschaftskandidatur von

Ríos Montt

(Guatemala, 5. Januar 1995, cerigua-POONAL).- Der Generalsekretär der christdemokratischen Partei, Alfonso Cabrera, versicherte in einer Pressekonferenz, seine Partei unterstütze die Präsidentschaftskandidatur des Putschgenerals Ríos Montt. Dies müsse möglich sein, obwohl die Verfassung Putschisten eine Kandidatur verbiete. Cabrera bekräftigte in Abwesenheit der Vorstandsmitglieder seiner Partei, seit dem 25 Mai 1993 (Datum des versuchten „autogolpe“ durch den Ex- Präsidenten Serrano Elias; die Red.) habe es soviele politische Veränderungen im Land gegeben, daß das Klima günstig für eine Lösung der „juristischen Kontroverse“ sei.

Ríos Montt ist derzeit der Präsident des guatemaltekischen Kongresses. Als Anführer eines Staatsstreiches regierte er von 1982 bis 1983 das Land. In dieser Zeit war er für die „Politik der verbrannten Erde“ durch die Armee verantwortlich, die ganze Dörfer dem Erdboden gleich machte. Montt gründete auch Ausnahmegerichte, die Oppositionelle hinrichteten. 1974 gewann der General als Kandidat der Christdemokraten die Präsidentschaftswahlen, mußte sich jedoch dem militärinternen Druck beugen und einem anderen General den Vortritt lassen. Angesichts der Geschichte des ehemaligen Diktators ist die Haltung der guatemaltekischen Christdemokraten schwer begreiflich. Der Widerspruch verstärkt sich noch durch eine weitere Aussage Cabreras auf der Pressekonferenz. Der Generalsekretär gab zu, die Partei habe die Präsidentschaftskandidatur zuvor dem Vorsitzenden der Versammlung der Zivilen Gesellschaftsgruppen (ASC) und eher „linken“ Bischof Rodolfo Quezada Toruño angeboten. Dieser lehnte jedoch ab.

Volksorganisationen kritisieren UNO-Ultimatum

(Guatemala, 4. Januar 1995, cerigua-POONAL).- UNO- Generalsekretär Boutros Ghali setzte am Ende des alten Jahres den kriegführenden Parteien in Guatemala eine 15tägige Frist, ihm ihre Vorstellungen über den weiteren Verlauf der Friedensverhandlungen darzulegen. Seitdem die Gespräche über das Thema „Identität und Rechte der Indígena-Völker“ vorerst gescheitert sind, befindet sich der Dialog zwischen Guerilla und Regierung wieder einmal an einem toten Punkt. Das UNO- Vorgehen stieß in Guatemala auf starke Kritik, insbesondere unter den Volksorganisationen.

Die Indígenaführerin Rosalina Tuyuc von der Nationalen Koordination der Witwen Guatemalas (CONAVIGUA) sagte: „Dem Friedensprozeß dürfen keine Ultimaten gesetzt werden, nur, um damit oberflächliche Abkommen zu erreichen – ohne Garantien, daß die Ursachen verschwinden, die den Konflikt und seine Folgen verursachten.“ Persönlichkeiten des Komitee für BäuerInneneinheit (CUC) und der Union des guatemaltekischen Mayavolkes (UPMG) kritisierten den Druck der UNO. Er könne die Kriegsparteien veranlassen, ein Abkommen zu unterzeichnen, mit dem die indigene Bevölkerung nicht einverstanden wäre, so die Kritiker*innen. Wenceslao Almira von der UPMG stellte die Informationspolitik der UNO und des UNO-Vermittlers Jean Arnault infrage: „Mir würde es gefallen, wenn die Vereinten Nationen öffentlich machten, warum es soviel Geheimniskrämerei gibt und warum der nationalen und internationalen Öffentlichkeit nicht erklärt wird, was da am Verhandlungstisch passiert.“

Brief des Präsidenten an Ghali sorgt für Verwirrung

Die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú äußerte sich kritisch sowohl zum UNO-Vorgehen als auch zur Haltung der übrigen Akteure. „Die Vereinten Nationen, die befreundeten Länder und die Konfliktparteien hatte Eile, einen Terminplan zu erfüllen, aber keine Eile, die Probleme Guatamals gründlich zu untersuchen und für ein Programm und eine Plattform zu sorgen, die dem Prozeß den (nötigen) Ernst gäbe“, meinte sie. Innerhalb der guatemaltekischen Regierung herrscht anscheinend Unstimmigkeit bzw. mangelnde Koordination über das Verhalten gegenüber der UNO. So wurde der Inhalt eines Briefes von Präsident Ramiro De León Carpio an Boutros Ghali, so wie ihn eine guatemaltekische Tageszeitung veröffentlicht hatte, vom Verhandlungsführer Héctor Rosada dementiert. Diesem Brief nach begönnen neue Verhandlungen am 16. Januar und würden spätestens am 24. Februar mit der Unterzeichung eines Friedensabkommens enden. Rosada erklärte, die tatsächlich an Boutros Ghali abgesandte Botschaft habe einen anderen Inhalt. Einzelheiten nannte er jedoch nicht.

KUBA

1995 muß das Jahr der Konsolidierung sein

– Von Javier Rodriguez

(Havanna, 3. Januar 1995, prensa latina-POONAL).- 37 Jahre nach dem Triumpf der kubanischen Revolution geht es 1995 darum, mit den in Gang gebrachten Reformen die Wirtschaft zu sanieren, der Währung einen neuen Wert zu geben und die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Das Parlament verabschiedete in der letzten Sitzung des vergangenen Jahres den Staatshaushalt 1995. Die Budgetposten für Erziehung, Gesundheitswesen, Wohnungsbau, kommunale Dienstleistungen und soziale Hilfen wurden aufgestockt. Andererseits wird das Haushaltsdefizit im Vergleich zum Vorjahr um 69 Prozent verringert. Es darf die Summe von einer Milliarde Pesos nicht überschreiten. Der Haushalt ist der absolut notwendige Rahmen für die angekündigte finanzielle Sanierung. Die traditionelle Schockpolitik, wie sie der Internationale Währungsfonds und andere internationale Kreditorganisationen stets empfehlen und normalerweise in anderen lateinamerikanischen Ländern durchsetzen, soll vermieden werden.

Für das Jahr 1995 wird ebenfalls die Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung und der Versorgung allgemein erwartet. Die ersten Schritte dafür waren die neu gegründeten Landwirtschafts-, Industrie- und Handwerksmärkte sowie die Möglichkeit, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Dazu kommt der nationale „“Kampf“ für die Erhöhung von Produktion und Produktivität, die Unternehmenseffizienz und die Verbesserung der Dienstleistungen. Das alles ist für den Fortschritt des generellen Wirtschaftsprojektes unabdingbar.

Mit den Vereinigten Staaten sind neue Gespräche über das Inkrafttreten der Einwanderungsabkommen eingeplant. Man kann ohne allzu große Vorsicht davon ausgehen, daß Kuba 1995 in der Außenpolitik weiter in die Offensive gehen wird, wie es das Außenministerium bereits beschrieben hat. Diese Strategie hat bereits die Stärkung und den Ausbau der Beziehungen zu zahlreichen Ländern und die aktive Teilnahme Kubas auf den internationalen Foren bewirkt.

URUGUAY

Folterer hinter Gittern

(Montevideo, 10. Januar 1995, POONAL).- Seit dem 6. Januar sitzt der Oberstleutnant a.D., José »Nino« Gavazzo, im Gefängnis. Der heute 56jährige Folterspezialist und zeitweilige Leiter für »spezielle Operationen des militärischen Geheimdienstes SID« während der Militärdiktatur (1973-85) wurde verhaftet, weil er in einen der größten Geldfälschungsskandale der letzten Jahre verwickelt ist. Im Privathaus eines Druckereibesitzers in Montevideo stellte die Polizei exzellent gemachte, aber noch unvollendete »Blüten« der neuen brasilianischen Währung »Real« im Wert von etwa einer Million US-Dollar sicher. Sie waren offensichtlich dafür bestimmt, bei der monatlichen Rentenauszahlung in den brasilianischen Geldkreislauf gebracht zu werden.

Insgesamt zwei Tage befragten Richter und Staatsanwältin den pensionierten Oberstleutnant José Gavazzo und kamen zu dem Schluß, daß ihm zumindest eine aktive Beteiligung an der Erpressung der Druckereibesitzer nachgewiesen werden kann. Gavazzo, eine der Schlüsselfiguren des uruguayischen Repressionsapparates vor und während der Militärdiktatur, muß mit einer Haftstrafe zwischen 4 und 10 Jahren rechnen. Am Dreikönigstag gab Richter Borges das Urteil bekannt und der Oberstleuntant a.D. wurde für ein vergleichsweise »harmloses« Delikt nach einer langen kriminellen Karriere in Haft genommen. »Viel zu spät und wegen des falschen Deliktes, aber immerhin«, kommentierten viele Uruguayer*innen mit klammheimlicher Freude die Festnahme Gavazzos.

Sämtliche Versuche, den Oberstleutnant im Ruhestand wegen systematischer Verletzung der Menschenrechte zur Rechenschaft zu ziehen, waren in der Vergangenheit gescheitert. Kein einziger Militär oder Folterer mußte sich in Uruguay je vor Gericht verantworten. Im Dezember 1986 brachte die Regierung des demokratisch gewählten Präsidenten Sanguinetti ein Amnestiegesetz für die Militärs durchs Parlament mit dem komplizierten Namen »Gesetz über die Hinfälligkeit der Strafabsicht des Staates«. Auch für Gavazzo war das der Persilschein, und er konnte sich bis zum vergangenen Mittwoch völlig unbehelligt seinen Geschäften widmen.

Amenstiegesetz schützte den Folterspezialisten vor Strafverfolgung

Nach Recherchen von Menschenrechtsorganisationen und Aussagen von ehemaligen politischen Gefangenen und Folteropfern war Gavazzo der Mann fürs Grobe im militärischen Geheimdienst während der Diktatur. Er war Anfang der siebziger Jahre Verbindungsmann zwischen dem argentinischen und uruguayischen Militär und an Folterungen, Entführungen und dem Verschwindenlassen von politischen Gefangenen und deren Kindern beteiligt. In Buenos Aires war er einer der Leiter des geheimen Folterzentrums im Autohaus Orletti, wo argentinische und uruguayische Militärs gemeinsam politische Gefangene folterten und ermordeten. Ihm wird ebenfalls zur Last gelegt, für das Verschwinden und den Tod zweier uruguayischer Gewerkschafter, Gerardo Gatti und León Duarte, direkt verantwortlich zu sein. Der Oberstleutnant war auch an verschiedenen geheimen und illegalen Operationen in anderen Ländern beteiligt, so z.B. an der Entführung von Lilian Celeberti und Universindo Rodriguez in Puerto Alegre/Brasilien durch uruguayische Militärs.

Gavazzo gilt als eine der Schlüsselfiguren des staatlichen Repressionsapparats während der Militärdiktatur. Auch bei den Gerichtsverfahren gegen einige Mitglieder der argentinischen Militärjunta in den achtziger Jahren tauchte der Name des uruguayischen Oberstleutnants wieder auf. Ein argentinischer Richter bat Uruguays Präsident Sanguinetti jedoch vergeblich um die Auslieferung Gavazzos, um ihn in Argentinien vor Gericht stellen zu können. Auch in Uruguay wurde er vor acht Jahren wegen Verletzung der Menschenrechte vor eine Zivilkammer geladen, die Vorladung verschwand allerdings im Tresor von General Medina, dem damaligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Weigerung verschiedener Militärs, vor Gericht zu erscheinen, löste damals in Uruguay eine Regierungskrise aus. Am 22. Dezember 1986 war das Amnestiegesetz für die Militärs gegen den heftigen Widerstand von Menschenrechtsgruppen und linken Organisationen in einer Marathonsitzung des Parlaments verabschiedet worden. Drei Jahre später scheiterte relativ knapp ein Volksbegehren »Voto Verde« gegen dieses Gesetz. Verdrängen und Vergessen ist seither die offizielle Devise, und Menschenrechtsgruppen haben es in Uruguay schwer, wenn sie auf die Verbrechen während der Militärdiktatur hinweisen. Der Fall Gavazzo hat einige Erinnerungen wieder wachgerufen.

Gleichzeitig verfolgt die uruguayische Öffentlichkeit auch mit Interesse die Gerichtsverfahren in Chile gegen verschiedene Militärs u.a. gegen den Chef des berüchtigten Geheimdienstes DINA, Manuel Contreras. Er wurde wegen der Ermordung des ehemaligen Außenministers der Allende-Regierung, Orlando Letelier, im September 1976 in Washington erst vor kurzem von einem chilenischen Gericht zu 7 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil muß noch vom Obersten Gerichtshof bestätigt werden. Die Pläne des chilenischen Präsidenten Frei, für die verurteilten Militärs einen speziellen Knast zu bauen, haben inzwischen eine Regierungskrise ausgelöst. General Pinochet begrüßte das Vorhaben und der chilenische Bauminister, Ricardo Lagos, nahm am vergangenen Freitag seinen Hut.

HAITI

Präsident Aristide erfüllt die Vorgaben der USA

(Port-au-Prince, 16. Dezember 1994, hib-POONAL).- Die Maßnahme von Jean-Bertrande Aristide und seiner Regierung in den vergangenen Wochen zeigen deutlicher denn je, in welchem Ausmaß der Präsident in die Falle tappte, die er selber bauen half. Jüngste Erlasse, Vereinbarungen mit der Weltbank, Angebote an den Privatsektor, Aufrufe an die Öffentlichkeit, der Regierung bei der Suche nach Gerechtigkeit zu „helfen“ und die Entlassung des Personals unter dem de facto-Regime beweisen, daß Aristide versucht, sich einen Spielraum zu verschaffen. Doch die USA und ihre Verbündeten auf Haiti beschränken seine Bewegungen weiterhin. Seine Bewegungsfreiheit wird immer kleiner.

Der Präsident folgt den Vorgaben aus Washington und des Privatsektors bis auf's Wort. Innerhalb einer Woche reiste Aristide zweimal zu Konferenzen nach Miami. Zuerst stand der „Amerikagipfel“ auf dem Terminkalender. Dann folgte er einer Einladung zur Konferenz der Karibisch-Lateinamerikanischen Aktion (CLAA), einer Lobby-Gruppe der Industrie. Beide Treffen waren in ihrem Ton ausgesprochen unternehmer- und us- freundlich. Das Versprechen Aristides, sich strikt an die neoliberale Politik zu halten, wurde auf dem Gipfel von den USA als „vorbildlich“ angepriesen. Die USA hatten guten Grund, Aristide zu loben. Wie alle anderen Staatsführer*innen – bis auf Fidel Castro, der nicht eingeladen war – unterzeichnete der haitianische Präsident die Erklärung, in der eine „freie Handelszone“ bis zum Jahr 2005 in der Hemisphäre gefordert wird. Zusätzlich wurde Leslie Delatour, der „Meister des Neoliberalismus“ am 16. Dezember zum Chef der haitianischen Zentralbrank ernannt. Die Zeitschrift „Le Nouvelliste“ berichtet zudem eine Woche vorher über ein Abkommen Haitis mit der „International Finance Corporation“. Die Organisation ist ein Tochterunternehmen der Weltbank und soll beim Verkauf der staatlichen Institutionen helfen.

USA verzögern Konstituierung einer „Wahrheitskommission“

Im Justizbereich versucht Aristide offenbar, eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren. Während einer Messe sprach er praktisch zum ersten Mal wirklich über das Thema Gerechtigkeit und forderte die Menschen auf, ihre Anklagen vorzubringen. Er versprach, sie mit Anwält*innen zu untersstützen. Dennoch hat der Präsident bisher noch keine von der Regierung geführten Untersuchungen angekündigt und auch die vorgeschlagene „Wahrheitskommission“ nicht offen unterstützt. Es geht das Gerücht um, die US-Regierung übe Druck auf das Justizministerium aus, damit sich die Konstituierung der Kommission verzögere. In einer schwachen Reformanstrengung wurde der Oberste Gerichtshof neu besetzt, doch mit Richtern desselben korrupten Systems. Außerdem wurden einige Armee- Offiziere, einschließlich solcher, die aktiv in dem Putsch verwickelt waren, versetzt. Bis heute wurden jedoch nur etwa 30 Militärs in den „vorzeitigen Ruhestand“ versetzt.

Ein weiteres empfindliches Thema zwischen Aristide und den US amerikanischen Besatzern ist die Entwaffnung. Aristide hat die USA gebeten, die paramilitärischen Kräfte zu entwaffen. Das macht keinen Sinn: Die größte terroristische Kraft, die Front für den Haitianischen Fortschritt (FRAPH), wurde vom CIA ausgebildet und geformt. Die wesentliche Unterdrückungsmacht, die Armee, wurde von den USA trainiert und bewaffnet. Jetzt verkündet die Regierung, die „neue“ haitianische Armee werde die Entwaffnung durchführen – aber diese wird von denselben Herren ausgebildet: den US-Soldaten. Der Käfig, indem sich Aristide bewegt, ist deutlicher denn je. Wie es vorhersehbar war, haben es die USA wieder einmal geschafft, ihre Macht für ihre Interessen einzusetzen. Der haitianische Präsident befindet sich in einer Sackgasse. Er und sogar die UNO, die beispielsweise wiederholt zur Entwaffnung aufrief, müssen sich jetzt darauf beschränken, den verbliebenen HAndlungsspielraum auszunutzen und auf den „guten Willen“ der Besatzer zu vertrauen.

Haitianerin mit Menschenrechtspreis ausgezeichnet

(Port-au-Prince, 10. Dezember 1994, hib-POONAL).- „Für mich bedeutet die Verteidigung der Menschenrechte mein Leben. Der Mehrheit der Menschen geht es schlecht. Darum fühle ich, daß ich mein Leben damit verbringen sollte, für sie zu arbeiten. Es verlangt immer einige Zeit, Leuten zu helfen, die ausgebeutet werden, denn sie befinden sich nicht zufällig in ihrem Zustand.“ Das ist die Lebensdefinition von Rose-Anne Auguste, einer 30jährigen Krankenschwester. Sie bekam am 7. Dezember in Boston den jährlich vergebenen Reebok Menschenrechtspreis zusammen mit drei weiteren Personen aus Brasilien, Liberia und Nepal.

Auguste leitet die Frauenklinik in dem ArbeiterInnenviertel Carrefour-Feuilles in der haitianischen Hauptstadt. Sie baute die Klinik zusammen mit einigen Freunden nach dem Staatsstreich auf, um denen zu helfen, „die arm gemacht wurden“. Eingerichtet, um 20 bis 30 Menschen täglich zu behandeln, helfen die Mitarbeiter*innen jeden Tag mehr als 200 Patientinnen. Das Schwergewicht liegt auf Krankheiten, die über den Geschlechtsverkehr übertragen werden, der Geburtenvorbereitung sowie der Gesundheitsvorsorge für Frauen und Kinder. In dem gennaten Stadtviertel fehlt es an allem. So gibt es keine Abwasserkanäle, kein Trinkwasser und oft hausen bis zu dreizehn Personen in einem Raum. Die Menschen sind arbeitslos oder unterbeschäftigt. Viele Frauen arbeiten als Prostituierte oder Hausmädchen.

Die Krankenschwester sieht ihre Klinik nur als „Tropfen auf dem heißen Stein“. Sie glaubt, der Staat müsse seine Verantwortung im Gesundheitsbereich übernehmen. „Der Staat sollte den Menschen Wasser geben, die Kanäle säubern, die Mosquitos ausmerzen, die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen verbessern“, sagt sie. „Das System muß sich ändern, damit es weniger Opfer gibt. Solange das 'peze-souse- system' (Auspress-Aussaug-System) herrscht, in dem eine kleine Gruppe alles hat und die Mehrheit nichts und deren Rechte nicht respektiert werden… werden sich die Dinge nicht bessern.“

Einsatz für die Menschenrechte – US-Soldat unter Arrest

(New York, 15. Dezember 1994, hib-POONAL).- Ein Captain der US-Armee muß vor das Kriegsgericht, weil er im Herbst versuchte, die Leben von Haitianer*innen in Nationalen Strafgefängnis auf Haiti zu schützen. Lawrence P. Rockwood dient in der 10. Gebirgsdivision der US-Armee. Er wurde am 30. September verhaftet, als er die Haftbedingungen in dem erwähnten Gefängnis überprüfte und untersuchen wollte, ob haitianische Soldaten politische Häftlinge der Demokratiebewegung mißhandelten. Wie sein Anwalt Ramsey Clark mitteilte, hatte Rockwood bereits seit August – als die Invasionspläne angekündigt wurden – versucht, in das US- Vorhaben Projekte zu integrieren, „um Menschen in Gefahr zu schützen und sie vor dem Tod in den Händen der haitianischen Streitkräfte zu retten.“ Dabei stieß er wiederholt auf eine Mauer der Ablehnung. Nach dem Angriff auf Demonstrant*innen am 29. September beschloß er, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Als er am Gefängnis ankam, alarmierten haitianische Offiziere die US-Botschaft. Rockwood wurde verhaftet und vor die Wahl gestellt, die Armee zu verlassen oder sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten. Rockward dient seit 15 Jahren in der Armee und „beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Menschenrechten“. Lawrence P. Rockwood will sich vor einem Kriegsgericht „verantworten“.

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

Dominikanerin verklagt die spanische Fluglinie Iberia

– Von Angela Hernández

(Santo Domingo, Januar 1995, fempress-POONAL).- Die Dominikanerin Isidra Salvador hat die spanische Fluggesellschaft Iberia wegen diskriminierenden Behandlung angeklagt. Ohne Grund hatte Personal der Iberia die junge Wirtschaftswissenschaftlerin in Madrid 20 Stunden festgehalten und die Weiterreise verweigert. Die Akademikerin hat nun gegen die Schikanen geklagt, um die herabwürdigene Behandlung, der karibische Frauen bei europäischen Fluglinien häufig begegneten, publik zu machen. „Unsere Würde als dominikanische Frauen steht auf dem Spiel.“

Der „Deutsche Dienst für technische und soziale Zusammenarbeit“ hatte Isidra Salvador mit einem Stipendium zu einem Kurs des Goethe-Institutes nach Deutschland geschickt. Auf dem Hinflug gab es keine Probleme, doch auf der Rückreise wurde Isidra Salvador insgesamt 20 Stunden auf dem Flughafen Barajas, Madrid, festgehalten.

„…mit euch Dominikanerinnen muß man drastisch verfahren“

Sie schildert ihre Erfahrungen: „Es war 15.40 Uhr, als ich der Angestellten (der Iberia) mein Ticket und meinen Reisepaß zeigte. Sie sagte mir: 'Du nicht. Hier kommen keine Dominikanerinnen durch.' Ich dokumentierte ihr meinen Beruf, versuchte, ein Gespräch mit der Botschaft zu bekommen. Das war alles unmöglich. Um acht Uhr abends war ich verzweifelt.“ Salvador wartete auf den Personalwechsel in der Hoffnung auf menschlichere Angestellte, doch es änderte sich nichts. „Ich bin nicht dafür da, Sie oder irgendjemand anders zu bedienen. Gesetz ist Gesetz und mit Euch, den Dominikanerinnen, muß man drastisch verfahren. Alle wollen hier nur dasselbe“, bekam sie zu hören. (Die Dominikanerinnen werden häufig pauschal der Prostitution verdächtigt.)

Die Nacht mußte sie unter polizeilicher Bewachung, ohne Essen, ohne Trinken und ohne Schlaf auf dem Flughafen verbringen. Nach ihrer Ankunft in Santo Domingo setzte sie sich mit verschiedenen Anwält*innen in Verbindung und verklagte die Iberia. Am Anfang versuchte die Fluglinie, sie gegen eine Entschädigung im Wert einer Flugreise dazu zu bewegen, die Anklage fallenzulassen. Isidra Salvador und ihre Anwält*innen fordern dagegen fünf Millionen Pesos (etwa eine halbe Million Dollar). In der ersten Verhandlung vor Gericht versuchte die spanische Fluggesellschaft, die Dominikanerin lächerlich zu machen. Doch die Strategie entpuppte sich als Boomerang. Mittlerweile hat der Deutsche Dienst für technische und soziale Zusammenarbeit beschlossen, keine Flugtickets mehr bei der Iberia zu kaufen. Verschiedene Organisationen haben die Klägerin unterstützt. Am ersten Verhandlungstag kamen zahlreiche Frauen in den Gerichtssaal. Die nationale Presse berichtet über den Prozeß. Inzwischen ist die Iberia verhandlungsbereiter.

Seit Ende der 80er Jahre reisten tausende Frauen aus der Dominikanischen Republik nach Spanien, wo es eine hohe Nachfrage nach Hausangestellten gibt. In der Mehrheit waren die Frauen Bäuerinnen, die Geld zum Überleben brauchten. Ihre Geldüberweisungen sind für die armen Familien in der Dominikanischen Republik oft die Haupteinnahmequelle. Die dominikanischen Frauen – darunter auch Ehefrauen von Staatsfunktionären des Karibikstaates – haben wiederholt bei der spanischen Botschaft über die herabwürdigende Behandlung auf europäischen Flughäfen protestiert.

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