Gefahr einer HIV/Aids-Erkrankung bei indigenen Frauen besonders hoch

von Ricardo Herrera Farell

(Lima, 13. Mai 2010, noticias aliadas).- “Vor 10 Jahren hat man in unseren Gemeinden HIV/Aids weder gekannt noch davon gesprochen. Aber seit 3 Jahren spricht wird immer häufiger darüber geredet, weil die Frauen ihre Häuser in den Dörfern nicht verlassen und trotzdem mit dieser tödlichen Krankheit infiziert sind. Das bereitet uns Sorge. Darum wollen wir auch die entlegensten Orte informieren und sind der Ansicht, dass man dasselbe in allen indigenen Dörfern des Landes machen sollte“, sagt Eva Melgar Cociabó, eine der Leiterinnen der indigenen Organisation Chiquitana OICH (Organización Indígena Chiquitana), mit Nachdruck. Die OICH hat ihren Sitz im Department Santa Cruz, im Osten von Bolivien.

Die Besorgnis der Leiterin ist berechtigt. Es gibt keine Gesundheits- und Bildungsprogramme, die darauf ausgerichtet sind, die Krankheit bei den indigenen Völkern Amazoniens zu bekämpfen. Die Daten bestätigen, dass immer mehr Frauen im Land von der Krankheit betroffen sind. Bis zu Beginn der 90er Jahre kam auf 10 infizierte Männer eine infizierte Frau. Im Jahr 2001 kam auf drei infizierte Männer eine infizierte Frau. Laut Schätzungen sind gegenwärtig es ebenso viele Frauen wie Männer infiziert.

Die Gefahr, dass indigene Frauen in ländlichen Gebieten die Krankheit bekommen ist besonders groß, da sie mehrheitlich in Armut und marginalisiert leben, keine Bildung erhalten haben und ihnen weder Einrichtungen der gesundheitlichen Grundversorgung zur Verfügung stehen, noch haben sie Zugang zu Informationen über das Thema Gesundheit, sexuelle und reproduktive Rechte im Allgemeinen. Außerdem mangele es an Aufmerksamkeit gegenüber Krankheiten, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, wie es bei HIV/Aids der Fall ist.

Die OICH ist möglicherweise die einzige Organisation für Indígenas in Bolivien, die derzeit mit einem HIV/Aids-Präventionsprogramm in den ländlichen Gebieten von Santa Cruz und in der Nähe der Grenze zu Brasilien und Paraguay arbeitet und dabei einen interkulturellen wie auch geschlechterspezifischen Ansatz verfolgt. Das von der Nichtregierungsorganisation Kollektiv der Rebellion (Colectivo Rebeldía) und der Ökumenischen Aktion Schweden (Acción Ecuménica Sueca) unterstützte Kleinprojekt ist ein Versuch, den Mangel an Gesundheits- und Bildungsprogrammen unter der indigenen Bevölkerung zu beheben, auch, wenn es nur von Mai bis Dezember dieses Jahres läuft.

Studie zur Ausgangssituation

„In Bolivien gibt es nicht einmal offizielle Daten darüber, dass HIV/Aids auch bei indigenen Gruppen vorkommt, denn die Gesundheitsbehörden haben weder daran gedacht, sie in Analysen noch bei Präventionskampagnen mit einzubeziehen, die hauptsächlich in städtischen Gegenden und in den Randgebieten der Großstädte durchgeführt wurden“, erklärt Heidi Hochstattër, Leiterin des Zentrums Epua Kuñataí. Die Einrichtung, dessen Name in Guaraní auf Deutsch: „Frau, erhebe dich“ bedeutet, arbeitet mit HIV/Aids infizierten Frauen und Kindern.

Im Jahr 2007 führte das Zentrum Epua Kuñataí zusammen mit CARE International eine Untersuchung in 26 Gemeinden der indigenen Völker der Chicitana und der Ayoreode durch. Die Gemeinden befinden sich entlang der noch im Bau befindlichen Straße von Puerto Suáerez nach Santa Cruz bzw. entlang der Bahnlinie der Provinzen Chiquitos und Germán Busch. Dorthin werden kontinuierlich für kurze Zeit Arbeitskräfte von außen eingesetzt, weshalb es unerlässlich ist, die Einwohner*innen über Krankheiten zu informieren, die durch Geschlechtsverkehr übertragbar sind. An der Untersuchung nahmen 250 Personen teil, von denen 70 Teilnehmende befragt und auf freiwilliger Basis auf HIV/Aids getestet wurden. Alle Tests waren negativ.

Die Durchführung der Untersuchung sei nicht einfach gewesen, da man hierfür den Machismo unter den Chiquitanos habe überwinden müssen, erklärt Marioly Céspedes, die Koordinatorin der Studie: „Bevor die Frauen etwas sagten, sahen sie die Männer an, damit letztere den Frauen signalisierten, ob sie damit einverstanden seien oder nicht, wenn die Frauen etwas sagten. Und wenn man den Männern sagte, dass sei eine Frage des Geschlechts, hieß es „dann sollen die Frauen was dazu sagen“. Doch man hat den Männern erläutert, dass ihre Teilnahme an der Studie wichtig ist, weil sie mögliche Überträger der Krankheit sind, da sie diejenigen sind, welche die Gemeinden verlassen um Arbeit in den Städten zu suchen.“

Céspedes unterstreicht, dass sie bei den Ayoreode genau den umgekehrten Fall angetroffen hätten, da diese in einer eher matriarchalen Gesellschaft lebten und die Frauen das letzte Wort und mehr sexuelle Freiheit hätten. „Die Frauen hatten kein Problem damit uns zu bitten, dass wir ihnen den Gebrauch von Kondomen erklärten“, so Céspedes. Doch sei es nicht leicht gewesen in den Gemeinden der Ayoreode akzeptiert zu werden und Gehör zu finden. Dort wird nur Zamuco gesprochen, obwohl die Mehrheit Spanisch sprechen könne.

„Dies hat uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, vor jeglicher Initiative soziokulturelle Aspekte wie Sprache, Geschlechterrollen und die Auffassung von Gesundheit, die jede Gruppe hat, zu ermitteln. Außerdem wurde uns klar, dass es wichtig ist, dass den Einheimischen jemand aus ihrer Gruppe die Dinge erklärt und wir mehr erreichten, wenn wir die Unterstützung ihrer Organisationen und Führungspersonen bei unserer Arbeit hatten und sie mit einbezogen haben“, resümiert Céspedes.

Fraueninitiative

Zur Gruppe von Multiplikator*innen, die Frauen des Volkes der Chiquitana über HIV/Aids informierten, war auch Virginia Pereira, die jetzt Leiterin des indigenen Zentrums von Turubó ist und sich um die nachfolgenden Multiplikator*innen kümmert, die in der OICH zum Thema der Verhütung im Programm der OICH arbeiten werden. „Wir haben wenig Zeit alle Gemeinden zu besuchen, aber das ist notwendig, da den Leuten in den für sie nahe gelegenen Krankenhäusern oder Gesundheitszentren weder gesagt wird, wie sie sich vor der Krankheit schützen können, noch was die Gefahren dieser Krankheit sind. Es fehlt an Informationen, aber die Frauen wollen das wissen, wollen das lernen. Viele indigene Frauen gehen außerdem gar nicht in die Gesundheitszentren, weil sie aufgrund ihrer indigenen Herkunft schlecht behandelt werden“, so Pereira.

Nach einer Studie aus dem Jahr 2007, die von der Organisation Family Care International Bolivien mit Unterstützung des Indigenen Zentrums der indigenen Völker von Pando CIPOP (Central Indígena de los Pueblo Originarios de Pando) in fünf Gemeinden der Grenzregion zu Brasilien durchgeführt wurde, sind die Faktoren bezüglich der Gefahr, an HIV/Aids zu erkranken überall ähnlich: Es fehle an Informationen, es herrsche extreme Armut vor, die Gesundheitsversorgung sei unangemessen. Melgar sind keine weiteren Studien bezüglich der Verbreitung von Aids unter indigenen Frauen bekannt. Doch könnten nach ihrer Meinung Frauen in diesem Punkt initiativ werden.

„Wir Frauen sind bewusster als die Männer, die nicht ernsthaft über das Thema sprechen. Mancherorts wurden die Männer gefragt ob sie HIV/Aids kennen würden und sie verwechselten es mit der Direktsteuer auf Kohlenwasserstoffe IDH (Impuesto Directo a los Hidrocarburos), von der in den Medien oft die Rede ist. Und weil das so ist, müssen wir darauf einwirken, dass es genauso populär wird über HIV/Aids zu sprechen, wie über IDH“, erklärt die chiquitanische Leiterin.

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