Poonal Nr. 482

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 482 vom 15. Juni 2001

Inhalt


 

KUBA

MEXIKO

MEXIKO/ARGENTINIEN

GUATEMALA

KOLUMBIEN

ECUADOR

CHILE

PARAGUAY

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN


 

INHALT

KUBA- Seit drei Jahren gibt es keine Aids-infizierten Säuglinge mehr

MEXIKO – Argentinische Gerichtsmediziner sollen Mexikaner ausbilden

MEXIKO/ARGENTINIEN – Argentinischer Folterer soll von Mexiko an Spanien ausgeliefert werden

GUATEMALA – Überraschendes Urteil gegen Mörder des Bischofs Juan Gerardi

KOLUMBIEN – Paramilitärs bestätigen Rücktritt ihres Chefs Carlos Castaño

ECUADOR – Texaco vor ecuadorianischen Gerichten

CHILE – Die Auslieferung Pinochets an Argentinien im Fall Prats wird verweigert. – Pinochet-Unterstützer gehen gegen Richter Juan Guzman vor

PARAGUAY – Richter bittet um neue Informationen im Fall „Operation Condor“

BRASILIEN – Katholische Organisation fordert Veröffentlichung eines geheimen Militärberichts – Fernsehen – der beliebteste Zeitvertreib der Kinder – „Die Fesseln der Armut“ von Loïc Wacquant analysiert repressive Theorien

URUGUAY – Verwicklung in den illegalen Waffenhandel nach Ecuador und Kroatien wird untersucht – Strafanzeige wegen polizeilichen Hinrichtungen 1969

ARGENTINIEN – Ex-Präsident Menem wegen Waffenschmuggel festgenommen – Mütter von der Plaza de Mayo erhalten neue Drohungen

 

KUBA

Seit drei Jahren gibt es keine Aids-infizierten Säuglinge mehr

(Havanna, 7. Juni 2001, pl-Poonal).- Seit drei Jahren sind in Kuba keine Geburten von Kindern mit Aids mehr bekannt geworden, berichtete die Tageszeitung Juventud Rebelde in Havanna. Der Zeitung zufolge ist dies einem Programm zu verdanken, dass allumfassende Forschung mit verbeugender Behandlung von Aids-infizierten Müttern verbindet. Trotz dieses Erfolges sei es jedoch nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft doch noch ein Fall von Aids-Übertragung auf den Säugling vorkomme, ergänzt Juventud Rebelde. Das Risiko sei minimiert, ist aber noch nicht ganz eliminiert.

 

MEXIKO

Argentinische Gerichtsmediziner sollen Mexikaner ausbilden

(Mexiko-Stadt, 29. Mai 2001, pulsar-Poonal).- Nach Angaben der mexikanischen Botschafterin für Menschenrechte, Mariclaire Acosta, werden ein argentinisches Team von Gerichtsmedizinern sowie deren Mitarbeiter vom gerichtsmedizinischen Institut Portugals mexikanische Experten ausbilden. Letztere sollen in die Lage versetzt werden, Fälle wie die der Verschwundenen im Bundesstaat Guerrero in den 70er und 80er Jahren nachzuforschen. In Guerrero waren jüngst geheime Gräber bekannt geworden, in denen möglicherweise vom damaligen PRI-Regime ermordete Personen liegen. Die Idee, so Acosta, besteht darin, dass die einheimischen Gerichtsmediziner sich am internationalen Standard orientieren, der es erlaubt, viele Fälle aufzuklären. Derzeit wird in Mexiko über eine Wahrheitskommission diskutiert, um schwere Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit wie Folter und außergerichtliche Hinrichtungen von politischen Gegnern der PRI-Regierungen zu beleuchten.

 

MEXIKO/ARGENTINIEN

Argentinischer Folterer soll von Mexiko an Spanien ausgeliefert werden

Von Thomas Guthmann und Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 11. Juni 2001, npl-Poonal).- „Sie zogen mir die Kapuze über den Kopf und stießen mich in einen Keller hinein. Dort fingen sie an, mich zu schlagen, zu verprügeln und auf den Boden zu schmeißen. Danach banden sie mich auf ein Metallbett fest und gaben mir Stromstöße.“

Für Ana Maria Testa ist es so, als ob es gestern gewesen wäre. Ähnlich geht es Enrique Fukman: „Ich war im Kapuzensektor. Mit einer grauen Tüte über den Kopf gestülpt, 24 Stunden lang, sieben Tage in der Woche, 30 Tage im Monat. Dazu wie früher die Sklaven mit aneinander geketteten Füßen und auf einer einfachen Matte ausgestreckt.“

Diese Ereignisse liegen mehr als 20 Jahre zurück. Es war die Zeit der argentinischen Militärdiktatur (1976-83). Ana Maria Testa und Enrique Fukman werden die Vorgänge nie vergessen. Sie gehören zu den rund 5.000 Opfern, die Ende der 70er Jahre in der ESMA, der Mechanikerschule der argentinischen Marine in Buenos Aires gefoltert und misshandelt wurden. Und sie zählen zu den nur 150 Opfern, die dieses größte geheime Haft- und Folterzentrum der Militärs überlebten. Alle anderen wurden vom Regime ermordet, wie schätzungsweise weitere 30.000 Menschen.

Ende vergangener Woche haben Testa und Fukman in Mexiko vor einer Senatskommission ausgesagt und ihre Erlebnisse auf vielen Veranstaltungen geschildert. Sie kämpfen schon lange in der Vereinigung ehemaliger Verhafteter-Verschwundener für Gerechtigkeit und gegen die Straflosigkeit, die die Täter in Uniform aufgrund zweier Amnestiegesetze in Argentinien genießen.

Doch seit einem knappen Jahr sind die beiden und viele andere ihrer Leidensgenossen zuversichtlich. Einer der Hauptverantwortlichen für die Folterungen in der ESMA sitzt in Haft. Nicht in Argentinien, sondern in Mexiko. Am 24. August 2001 nahm Interpol-Mexiko Ricardo Miguel Cavallo fest. Gegen ihn hatte der spanische Richter Baltasar Garzon einen internationalen Haftbefehl erwirkt. Wegen Entführung, Folter und Völkermord.

Fotos und Fernsehbilder von der Festnahme gingen um die Welt. Ana Maria Testa und Enrique Fukman erkannten den heute 49-jährigen Cavallo sofort als einen ihrer Peiniger. Auch Cristina Muro identifizierte den Folterer. Ihren Mann quälten die argentinischen Militärs zu Tode. Muro selbst wurde in Anwesenheit von Cavallo bewusstlos geprügelt. „Sein Gesicht, seine Figur, die Frisur, die Hautfarbe, die Gangart und die Stimme werde ich mein Leben lang nicht vergessen können,“ erklärt sie.

Ricardo Miguel Cavallo wähnte sich in Mexiko sicher. Mit falschem Pass und dem Vornamen Miguel Angel hatte er sich in dem Aztekenland eine zweite Karriere als Geschäftsmann ausgebaut. Die mexikanische Regierung hatte Cavallo gerade erst damit beauftragt, ein landesweites Autoregister aufzubauen, um den Autodiebstahl zu erschweren. Die Ironie dabei: Ricardo Cavallo war nicht nur verantwortlich für Folter und Mord, er organisierte in Argentinien ebenso Fälschungen verschiedenster Art und – Autoraub.

Die hartnäckigen Recherchen eines Journalisten der mexikanischen Tageszeitung „Reforma“ brachten die wahre Identität Cavallos ans Licht. Dieser versuchte, sich postwendend nach Argentinien abzusetzen. Doch der Zwischenstop seines Flugzeuges im karibischen Touristenzentrum Cancun vereitelte in letzte Minute seine Flucht.

Was folgte, könnte internationale Rechtsgeschichte schreiben. Im Januar dieses Jahres entschied ein mexikanischer Richter über den Auslieferungsantrag des spanischen Richters Baltasar Garzon grundsätzlich positiv. Kurz darauf stimmte auch der Außenminister der neuen mexikanischen Regierung der Auslieferung an das Drittland Spanien zu. Damit könnte erstmals gelingen, was im Fall Pinochet scheiterte: Ein Menschenrechtsverbrecher wird im Ausland verhaftet und in einem Drittland für seine Vergehen zur Rechenschaft gezogen.

Ricardo Miguel Cavallo leugnet bis heute alle Vorwürfe. Er hofft, im Berufungsverfahren seine Auslieferung ins straffreie Argentinien zu erreichen. Die endgültige Entscheidung im Fall Cavallo wird noch in diesem Jahr erwartet.

 

GUATEMALA

Überraschendes Urteil gegen Mörder des Bischofs Juan Gerardi

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 10. Juni 2001, npl-Poonal).- Viele hatten es schon als Erfolg angesehen, dass nach über drei Jahren überhaupt ein Urteil erging. Doch der Ende vergangener Woche gefällte Richterspruch über den Mord an dem guatemaltekischen Bischof Juan Gerardi eröffnet juristisches Neuland in dem mittelamerikanischen Land. Erstmals werden in einem Urteil gegen Militärs politische Motive als Beweggrund für deren Verbrechen benannt. Mit der Präsidentengarde Guatemalas wird gleichzeitig eine staatliche Institution für den Mord mitverantwortlich gemacht. Die hohen Strafen – 30 Jahre Haft für drei Militärs und 20 Jahre Gefängnis für einen Priester, jeweils ohne Recht auf Straferlass – gerieten dabei fast zur Nebensache. Eine Mitangeklagte Hausangestellte des Bischofs wurde freigesprochen.

Die drei Richter, die ihren Beschluss einstimmig fassten, gingen noch einen Schritt weiter: Sie ordneten die Eröffnung eines Prozess gegen 13 weitere Personen an, „die an der Planung oder als intellektuelle Autoren des Verbrechens beteiligt sein könnten“. Darunter befinden sich unter anderem der ehemalige Chef der Präsidentengarde. Die Garde übte lange Jahre vor allem Geheimdiensttätigkeiten aus und diente als Unterdrückungsinstrument gegen unliebsame Gegner der Militärs. Möglicherweise erreicht das Verfahren sogar noch den ehemaligen Präsidenten Alvaro Arzú, den offiziellen Oberkommandanten der Streitkräfte zum Zeitpunkt des Mordes. Die katholische Kirche hat sich dafür ausgesprochen, auch ihm den Prozess zu machen.

Bischof Juan Gerardi war am 26. April 1998 in seinem Pfarrhaus in Guatemala-Stadt erschlagen worden. Zwei Tage zuvor hatte er für die katholische Kirche des Landes den „Bericht zur Wiedererlangung der geschichtlichen Erinnerung“ in der Öffentlichkeit präsentiert. Der Bericht dokumentiert zum Teil akribisch die Menschenrechtsverletzungen während des 36-jährigen internen Krieges (1960-1996) zwischen der Guerilla und den Militärs bzw. den von ihnen abhängigen Zivilregierungen. In über 80 Prozent der Fälle wird den Streitkräften die Schuld an den Verbrechen zugeschrieben.

Immer wieder hatte es danach ausgesehen, Ermittlungen und Prozess könnten endgültig scheitern. Mehrere Schlüsselzeugen gingen nach oder noch vor ihren Aussagen aus Sicherheitsgründen ins Exil. Nach der Vernehmung von über hundert Zeugen sah es das Richtergremium als erwiesen an, dass Ex-Oberst Disrael Lima Estrada, sein Sohn Captain Byron Lima Oliva und Obdulio Villanueva zumindest die Co- Autoren des Mord waren. Den Priester Mario Orantes, ein enger Mitarbeiter des Opfers, halten die Richter für einen Komplizen.

Angefangen vom amtierenden Präsidenten Alfonso Portillo – er nannte die Entscheidung „historisch“ – bis hin zu nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen war die Zustimmung zu dem Urteil einhellig. „Endlich wird die Straffreiheit in unserem Land durchbrochen“, erklärte stellvertretend für viele die Nonne Carolina Garcia.

Allerdings ist diese für Guatemala durchaus sensationelle Gerichtsentscheidung noch nicht das letzte Wort. Alle Verurteilten wollen in Berufung gehen. Es wäre nicht der erste Fall dieser Art, in dem eine höhere Instanz sich für Straffreiheit entscheidet. Zudem ist die Armee immer noch ein Machtfaktor in Guatemala. Inwieweit die Offiziere den Schuldspruch gegen ehemalige Kameraden akzeptieren, bleibt abzuwarten. Der verurteilte Lima Estrada hat bereits erklärt, der Kampf sei nicht zuende. Als „guter Soldat werde ich die Schlacht fortsetzen“.

Menschenrechtler hoffen, dass das Urteil Signalwirkung für ihren Kampf gegen die notorische Straffreiheit in Guatemala haben wird. Dabei setzten sie vor allem auf die Gerichte: Am vergangenen Mittwoch reichte die „Vereinigung für Justiz und Versöhnung“ im Namen von 20 Gemeinden Klage gegen den Ex-Diktator Rios Montt ein. Montt hatte Anfang der 80-er Jahre ganze Dörfer dem Erdboden gleich machen lassen. Heute ist er der starke Mann der konservativen Regierung unter Portillo und Präsident des Parlaments.

 

KOLUMBIEN

Paramilitärs bestätigen Rücktritt ihres Chefs Carlos Castaño

(Bogotá, 6. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Die kolumbianischen Paramilitärs haben ihre Neuorganisierung beschlossen. Nachdem die rechtsextreme „Selbstverteidigung Kolumbiens“ (AUC), den Rücktritt ihres höchsten Führers angenommen hat, kündigt sie die Neuorganisierung ihrer Führungsspitze an.

Die bewaffneten Gruppen der kolumbianischen extremen Rechten nahmen gestern dazu auf ihrer Internetseite in einer „Bekanntmachung für die Öffentlichkeit“ Stellung. Darin heißt es: „Die momentane Führung akzeptiert den von Comandante Carlos Castaño am 30. Mai erklärten unwiderruflichen Rücktritt“.

Diese Entscheidung wurde auf einer nationalen Sonderversammlung vom 3.-6. Juni im Paramillogebirge „unter Anwesenheit sämtlicher Führungsmitglieder der AUC“ getroffen.

In der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, daß Carlos Castaño künftig ein politisches Amt innerhalb der AUC bekleiden wird. Die neue Führungsspitze der paramilitärischen Truppen besteht, in hierarchischer Reihenfolge, aus den Kommandanten Ramón Isaza, Adolfo Paz, Botalón, Martín Llano, Rodrigo Molana, Alejandro, Antonio Cauca, Santander Lozado und Julián Bolivar.

 

ECUADOR

Texaco vor ecuadorianischen Gerichten

(Quito/New York, 7. Juni 2001, pulsar-Poonal).-Die Klage gegen den Ölkonzern Texaco wegen der Schädigung von drei Indigena-Ethnien im ecuadorianischen Amazonasgebiet wird möglicherweise in Ecuador verhandelt werden. Dies geht auf eine Entscheidung des Richters Jed Rakoff vom 30. Mai zurück, der den Fall bisher in New York verhandelte. Als die Huaoranis, Siona-Secoyas, Cofanes und Texaco fast eine außergerichtliche Einigung erzielt hatten, entschied Richter Rakoff überraschend, den Fall an ein ecuadorianisches Gericht zu überweisen, erklärte Ricardo Nenquihui, einer der Sprecher der Huaorani-Indigenas. Richter Rakoff begründete seine Entscheidung damit, dass die von Texaco verursachten Umweltschäden auf ecuadorianischem gebiet stattgefunden haben.

Diese Wendung besorgt die rund 30.000 Betroffenen in der Amazonasregion, die ankündigten, gegen die Entscheidung vorzugehen. Für eine Berufung haben sie bis Ende Juni Zeit. Die Verhandlungen waren aufgrund der Gesprächsbereitschaft beider Seiten bisher gut vorangekommen: Die drei Ethnien hatten Texaco vorgeschlagen, mehrere Millionen US-Dollar Entschädigung zu zahlen. Das Geld sollte von den Betroffenen für Infrastruktur-Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität in ihren Gemeinden verwendet werden. Es sollten Schulen und medizinische Einrichtungen errichtet werden. Außerdem sollte Texaco Auffangbecken für die Rückstände, die bei der Erdölförderung entstehen, bauen, um die weitere Verschmutzung des Bodens zu verhindern.

Laut Nenquihui war vorgesehen, die Verhandlungen binnen drei Monaten abzuschließen. Jetzt fürchtet er, das die Entscheidung des US-Gerichts diese Hoffnung zerstört.

 

CHILE

Die Auslieferung Pinochets an Argentinien im Fall Prats wird verweigert

(Santiago, 31. März 2001, pulsar-Poonal).- Der vorsitzende Richter des höchsten Gerichts Chiles, Jorge Rodríguez Ariztía, hat den Antrag auf Auslieferung des Generals Augusto Pinochet an Argentinien abgewiesen. Der Antrag wurde von einer argentinischen Anwältin gestellt und nimmt Bezug auf die Verantwortung des Exdiktators an der Ermordung des Generals Carlos Prats in Buenos Aires.

Der Fall der Ermordung des Oberkommandiererenden der chilenischen Streitkräfte unter der Präsidentschaft des entmachteten Salvador Allende wird von der Anwältin María Servini de Cubría voran getrieben. Carlos Prats und seine Ehefrau starben in ihrem Wagen bei einem Attentat, genau ein Jahr nach dem Staatstreich Pinochets gegen Allende.

Dieses Attentat wird Pinochet direkt angelastet, da zwischen den beiden Militärs eine eindeutige Rivalität herrschte. Trotzdem kündigte der chilenische Richter an, dass die Auslieferung aufgrund eines „Verfahrensfehlers“ nicht stattfände.

Diese Fehlentscheidung ist anfechtbar. Es wird aber als sehr schwierig erachtet, dass die chilenische Justiz die Anwesenheit Pinochets an einem Gerichtsverfahren in Argentinien zulassen wird.

(Übers.:Kristina Vesper)

 

Pinochet-Unterstützer gehen gegen Richter Juan Guzman vor

(Santiago, 7. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Marcelo Cabrera, Sprecher der Pro-Pinochet-Bewegung „Movimiento Vitalicio Augusto Pinochet“, kündigte die Entscheidung mehrerer Pinochet-Fans an, juristisch gegen den chilenischen RichteR Juan Guzmán Tapia vorzugehen. Dieser leitet die Untersuchung im Fall der sogenannten Todeskarawane, für die der Ex-Diktator verantwortlich sein soll.

Gúzman soll wegen Beleidigung und Verleumdung angeklagt werden. Offenbar eine Antwort auf eine vorhergehende Klage des Richters gegen Mitglieder der Pro-Pinochet-Bewegung, nachdem diese vor seinem eine Schmähdemonstration veranstaltet hatten. Marcelo Cabrera erklärte, Guzmáns Äußerung, dass die Pinochistas „einem Müllhaufen entsprungen“ seien (sinnbildliche Übersetzung d.Red.), stelle eine Beleidigung dar, gegen die sich gewehrt werden müsse.

 

PARAGUAY

Richter bittet um neue Informationen im Fall „Operation Condor“

Der zuständige Richter Jorge Enrique Bogarín González forderte vom Obersten Kommandanten der Streitkräfte Paraguays die vollständige Liste der Beamten von Esmagenfa, dem mutmaßlich ausführenden Organ der Operation Condor. Der Richter verlangte auch die Namensliste der Interpol-Beamten, die vermutlich mit dem Austausch von Gefangenen von 1970 bis 1989 zu tun hatten.

Das Gericht lässt damit den Antrag von Anwalt Martín Almada zu, der dies bei den Ermittlungen zum Verschwinden von Ignacio Samaniego, Oscar Luis Rojas und Federico Tatter gefordert hatte.

Des Mordes an diesen dreien verdächtig sind Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei und anderer parapolizeilicher Ordnungskräfte Argentiniens und Paraguays, die an Operationen zwischen 1976 und 1977 teilnahmen. Diese Operationen waren Teil der Militäraktionen, die die Diktaturen Argentiniens, Paraguays und Uruguays im sogenannten „Plan Condor“ gemeinsam durchführten.

Almada sagte, Federico Tatter sei in Argentinien entführt und dann den Behörden Paraguays übergeben worden, die ihn in Paraguay ermordeten. Richter Bogarín möchte aus den Informationen, die er angefordert hat, erfahren, wer die Mitglieder beider Einheiten waren, die die Befehle der Regierung zur Hinrichtung der Gegner des Stroessner-Regimes ausführten.

Für den Fall Federico Tatter erklärte Martín Almada, die an der Folter und Ermordung Tatters Beteiligten seien gewesen: Francisco Bogado, Sabino Augusto Monanaro, Camilo Almada Sapriza, Alberto Buenaventura Cantero, die Kommissare Domingo Galeano und Arasmo Candia, Ramón Duarte Vera, Antonia Campos Alum, Kommissar Alejandrino Ibarrola, Víctor Martínez, Aurelio Cáceres Spell, Felipe Nery Salinas und der Korvettenkapitän Aníbal Brizuela.

Außerdem forderte Anwalt Almada eine Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt in Buenos Aires, um Daten über in Argentinien verschwundene Paraguayer zu erhalten und mit den Daten des Menschenrechtsbüros des Justizministeriums und aus den Befragungen der Opfer und ihrer Angehörigen zu ergänzen und abzugleichen.

 

BRASILIEN

Katholische Organisation fordert Veröffentlichung eines geheimen Militärberichts

(Brasilia, 5. Juni 2001, alc-Poonal).- Der Indigena-Missionsrat (CIMI), der eng mit der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens (CNBB) verbunden ist, forderte am 7. Juni 2001 von der Justiz die Veröffentlichung eines als vertraulich eingestuften Militärberichts. In diesem Bericht wird die Organisation CIMI wegen der von ihr formulierten Kritik an der Indigenapolitik der Regierung als Spannungsfaktor für die Amazonasregion eingestuft.

Der als vertraulich und geheim behandelte Bericht „Operaci3/4n Tapete Verde/Querari“ war von einem Kommando der Luftwaffe erstellt worden.

Wie der CIMI erklärte, waren Teile des Dokuments am 23.Oktober 2000 bereits in der Tageszeitung „Jornal do Brasil“ veröffentlicht worden. Drei Monate nachdem die katholische Organisation eine Kopie des Berichts gefordert hatte, in dem sie selber beschuldigt wird, antwortete einerseits das Verteidigungsministerium, es handele sich bei dem Dokument lediglich um Material „zu Übungszwecken“ und „didaktischer Art“. Andererseits bestand Verteidigungsminister Geraldo Quintao, der nichts von der teilweise Veröffentlichung im Jornal do Brasil wuîte, darauf, dass das Dokument wegen seines vertraulichen Charakters nicht frei verfügbar sei.

Artikel 23 des Dekretes Nr. 2.134 vom 24. Januar 1997 bezeichnet jene Dokumente als vertraulich, „deren Veröffentlichung und Verbreitung den Interessen des Landes schaden können“. Artikel 18 desselben Dekretes bezeichnet jene Texte als vertraulich, „deren vorzeitige Verbreitung deren eigenen Zielen schaden oder die Sicherheit der Gesellschaft oder des Staates gefährden könnte“.

 

Fernsehen – der beliebteste Zeitvertreib der Kinder

(Sao Paulo, 30. Mai 2001, alc-Poonal).- Wenn ihnen mehr Zeit zur Freizeitbeschäftigung zur Verfügung stünde, würden sie mehr fernsehen, gaben 43 Prozent der 4000 befragten Kinder einer vom Sender Cartoon Network geförderten Studie in zwölf Städten Brasiliens, Mexikos, Argentiniens und Chile an.

Fernsehen ist die beliebteste Beschäftigung 54 Prozent aller brasilianischen Kinder zwischen sechs und 15 Jahren. Die Befragung, die unter dem Namen „Generation Lateinamerika“ läuft, gibt an, dass 98 Prozent der befragten Kinder jeden Tag fernsehen.

Andere genannte Aktivitäten waren: Gesellschaftsspiele (50 Prozent), Fahrradfahren (42 Prozent), Fussballspielen (40 Prozent) und Viedeospiele (32 Prozent). Laut der Umfrage besitzen und benutzen sechs von zehn Kindern Viedeospiele.

Die Untersuchung hatte sich zum Ziel gesetzt, die Konsumgewohnheiten der Kinder, die Prioritäten innerhalb der familiären Beziehungen und unter Klassenkameraden sowie die Rolle der Medien im Alltag zu erforschen. (Übers.:Kristina Vesper)

 

„Die Fesseln der Armut“ von Loïc Wacquant analysiert repressive Theorien

(Brasilia, 7. Mai 2001, oficina informa-Poonal).- Das Buch des französischen Forschers Loïc Wacquant „Die Fesseln der Armut“, das in diesem Jahr in Brasilien vom Jorge Zahar Verlag herausgebracht wurde, bietet Anlass, das Gefängnis- und Strafsystem des Landes zu überdenken.

Die Polizei in Sao Paulo inhaftiert von Jahr zu Jahr mehr Menschen. Die Regierung in Sao Paulo baut immer mehr Gefängniszellen und schafft Platz in den Gefängnissen. Trotz dieser Maînahmen scheint die Situation der Strafgefangenen in Sao Paulo auîer Kontrolle geraten zu sein: es gab gewaltsame Aufstände und die Gefangenen begehen regelmäîig Gefängnisflucht. Abteilungen der polizeilichen Delegationen, die eigentlich nicht mehr im Einsatz sein sollten, bleiben weiterhin Bühnen des Schreckens.

Die gleiche Tragödie vollzieht sich in einem Gefängnis, in dem 3000 Menschen Platz haben, jedoch 7000 Menschen untergebracht sind und in dessen Nebengebäude das danteske „Massaker von Carandiru“ begangen wurde: Es bleibt bestehen, obwohl schon drei Mal der Ausnahmezustand ausgerufen wurde.

Die Regierungsmitglieder Sao Paulos, von denen viele mit guten Intentionen bereit stehen, sollten vielleicht anhalten, um zu überlegen, so der Vorschlag von Loïc Wacquant.

Der Autor beschreibt die steigenden Zahlen Festgenommener als Teil einer umfassenderen Politik. Die verstärkte Repression sieht er als ökonomischen Ausgleich zu sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, Arbeitslosigkeit und fehlender sozialer Protektion. Die Antwort sei der Versuch, auf der Ebene des Rechtssystems und in Form von Strafgerichten diese Effekte des Unsicherheitsempfindens zu beheben.

„Es ist mehr als offensichtlich, dass unser grundsätzliches Problem der Kriminalität durch ein soziales Denken, das den Menschen prinzipiell als Produkt seiner Umwelt versteht, verursacht wurde. Nach dieser gleichen linksorientierten Philosophie (…) werden auch die Gewalttätigen als unglückliche Produkte einer schlechten ökonomischen Situation verstanden, oder weil sie aus einer benachteiligten Gruppe stammen. Es sei die Gesellschaft, so sagen sie, und nicht das Individuum, an der es scheitert, wenn eine Gewalttat begangen wird. Es ist unser Fehler. Sei es wie es sei, heutzutage herrscht ein neuer Konsens, der diesen Standpunkt gänzlich ablehnt.“ Diese Worte stammen aus dem Munde Ronald Reagans, während seines ersten Regierungsjahres (1981-Ý83).

Dieses Zitat markiert den Anfang einer Wende in der politischen Ausrichtung der Vereinigten Staaten. Mitte der siebziger Jahre, nach dem verlorenen Vietnam-Krieg, als das Land darum bemüht war, seine Hegemonie wieder herzustellen, kam Anfang der achtziger Jahre mit Reagan ein Mann an die Macht, der die Idee einer konservativen ökonomischen Handhabung in der Welt verbreitete. Wie seine Worte zeigen, hatte er in Anlehnung an seine ökonomischen Ideen auch einen bestimmten Plan sozialer Sicherung parat. Wacquant zeigt die Entwicklung dieses Plans auf, seine Theorien und Verbreitung in der Welt zu Zeiten der Globalisierungswelle.

Der erste konservative Mitstreiter und öffentlicher Befürworter dieser Thesen war Charles Murray, der das Buch „Losing Ground: American Social Policy, 1950-1980“ schrieb. Darin kritisierte er eine Politik, die für soziale Sicherung stand, bezugnehmend auf den amerikanischen Staat der Nachkriegszeit. Murray, den Wacquent als einen „müîigen Politologen mittelmäîigen Rufs“ bezeichnet, erhielt 30 000 Dollar und zwei Jahre Gehalt für sein erzkonservatives Werk. Die Grundaussage: eine Politik, die die Armen unterstützt, „entschädigt die Untätigkeit und führt zur Entartung der Moral des Volkes“, was letztendlich der Grund der urbanen Gewalt sei.

Murray war Reagans Idol in seinen Arbeiten über Sozialpolitik, und die Theorien erfuhren über Fernsehinterviews, Seminare und Konferenzen in Universitäten weltweite Anerkennung. Herausgegeben und unterstützt wurden sie durch das „Manhattan Institute“.

Kurz danach veröffentlichte Murray zusammen mit Richard Herrnstein, einem Psychologen aus Harvard, einen weiteren Baustein rückwärtsgewandter Ideologie: „The Bell Curve: Intelligence and Class Structure in American Life“. In dieser als Analyse sozialer Ungleichheiten in den USA verfassten Schrift wird die Fähigkeit des/der Einzelnen, kognitiv zu Denken mit seinem/ihrem sozialen Stand in Verbindung gebracht. Bestimmten und besonders den unteren sozialen Schichten wird bescheinigt, so die Untersuchung, zu weitreichenderen intellektuellen Leistungen kaum in der Lage zu sein. Nach der Hauptthese von Murray-Herrnstein in diesem Werk, „spiegeln soziale Ungleichheiten und Klassenunterschiede individuelle Unterschiede wider, die Kapazität kognitiven Denkens“, so Wacqant.

Aus dieser wissenschaftlichen Entdeckung ziehen die Autoren den Schluss, „der Staat müsse davon absehen, in das soziale Leben einzugreifen, um Ungleichheiten, die in der Natur angelegt sind, zu reduzieren“, unter Strafe den Schaden verschlimmern, der unentwegt vermindert werden soll. Das sei „die Perversion des Ideals der französischen Revolution“. „Seien es Jakobiner oder Leninisten, die Tyrannei der Gleichheit ist mehr als unmenschlich“, so wird gefolgert.

Auch im Manhattan Institute formierte sich Anfang der neunziger Jahre ein weiterer entscheidender Aspekt der neuen Politik von Recht und Ordnung, die sogenannte Theorie der „Broken Windows“, der „gebrochenen Fensterscheiben“. Als Vordenker dieses Ansatzes mag Rudolfo Guiliani, Bürgermeister von New York seit 1993 gelten. Im Grunde proklamierte Guiliani, beim Thema urbaner Sicherheit einen besonderen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Kleinstkriminalität zu legen. Auch dieser Ansatz sollte weltweit Furore machen.

Die Thesen der achziger Jahre bekamen später akademische Form: „Fixing Broken Windows: Restoring Order and Reducing Crime in Our Communities“, von George Kelling und Catherine Coles. Die Kernaussagen des Werks: „Schritt für Schritt gegen die kleinen Störungen im Alltag kämpfen verhindert die groîen kriminellen Pathologien“. Giuliani riet seinem Polizeipräsidenten, William Bratton, wie mit viel Geld erfolgreich die Statistik der Kriminalitätsrate New Yorks gesenkt werden könne.

Die Polizeireform strukturierte die Kommissariate zu, so Wacquant, „Zentren des Erfolgs“ um. Bratton, internationaler polizeilicher Berater, unter anderem auch in einigen Städten Brasiliens, erntete mit seiner Theorie der „Null-Toleranz“ internationales Ansehen. Die von 1993 bis 1996 sinkende Kriminalitätsrate in New York schien den Konservativen Recht zu geben.

Loïc Wacquant indes enthüllt in seinem Werk „Die Fesseln der Armen“ die verwendeten Zahlen und Statistiken als medienwirksame Manipulation. Die Gründe für den Rückgang der Kriminalitätsrate (mehr aufgeklärte Verbrechen) in dieser Zeit hängen, wie er ausführt, mit anderen Faktoren zusammen. So z.B. mit einem Zuwachs an Arbeitsplätzen, der ökonomischen Expansion des Landes und der Stadt.

Im Vergleich mit einer anderen groîen Stadt Amerikas, San Diego, macht er die Situation deutlich. In San Diego wurde zeitgleich ein entgegengesetzter Kurs der sozialen Sicherheit gefahren. , mit einer Gemeinschaftspolizei, und im Durchschnitt wurde die Gleiche Kriminalitätsrate wie New York erreicht. Der Zuwachs an polizeilichen Einsatzkräften betrug sechs Prozent, wohingegen in New York 40 Prozent Personal aufgestockt wurden. Die Zahl der Verhaftungen durch die Polizei verminderte sich um 15 Prozent, in New York jedoch stieg sie um 24 Prozent an, in Zahlen gesprochen 314 000 inhaftierte Menschen im Jahr 1996.

Das Buch des Franzosen ist nicht nur eine Genealogie der konservativen Ideen zum Thema öffentliche Sicherheit, , sondern er setzt diese auch in einen gröîeren Zusammenhang . Er zeigt auf, wie soziale Ungleichheit mit Hilfe von derlei Theorien vergröîert wird. Die Gefängnissysteme, die gebaut werden, so Wacquant, dienen zur Verarmung einer gesellschaftlichen Gruppe. Die Strafgefangeneneinrichtungen werden von Jahr zu Jahr mehr zu kriminalisierenden und ausgrenzenden Instrumenten, und gehen zu Lasten der armen Bevölkerung.

Das sind Worte, die die Regierung Sao Paulos angesichts der prekären Resultate ihrer Politik, immer mehr Menschen einzusperren und zu inhaftieren, mit Aufmerksamkeit, so Wacquant, verfolgen sollte.

 

URUGUAY

Verwicklung in den illegalen Waffenhandel nach Ecuador und Kroatien wird untersucht

(Montevideo, 9. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Der argentinische Justizminister ließ verlauten, dass Richter Jorge Urso ein Gerichtsersuchen in die Wege leiten wird, um das Bankgeheimnis dreier uruguayischer Aktiengesellschaften aufzuheben, die möglicherweise in den Waffenhandel involviert sind.

Ein früheres, ähnliches Ersuchen wurde von der uruguayischen Justiz bereits abgelehnt, weil der argentinische Richter „die Gründe für diese Maßnahme nicht ausführlich genug dargelegt hatte, wie es die Gesetze in Uruguay erfordern.“

Die Absicht des Richters, der den ehemaligen argentinischen Präsident Menem und einige seiner Minister unter Hausarrest gestellt hat, ist Einblick in die Konten und Transaktionen der drei betroffenen Unternehmen zu gewinnen. Es sind dies die Unternehmen Daforel, Debrol und Hayton Trade, die als Zwischenhändler beim illegalen Verkauf von Waffen an Kroatien und Ecuador fungierten.

Weitere Unternehmen werden ebenfalls beschuldigt, daran beteiligt gewesen zu sein. Deswegen sind verschiedene Beobachter*innen der Meinung, dass die uruguayische Justiz der Untersuchung jedmögliche Unterstützung zukommen lassen sollte.

Hayton Trade beispielsweise verkaufte 8000 FAL-Gewehre und 75 Tonnen Munition an Ecuador, als dieses sich 1995 mitten im Krieg mit Peru befand und als Argentinien Teil der Gruppe von Ländern war, die als „Garanten für den Frieden“ auftraten. Die Debrol AG verkaufte Munition an Kroatien, als die UN den Verkauf von Waffen an die Kriegsparteien im Konflikt in Ex-Jugoslawien verboten hatte.

Als die Justiz die betrügerischen Machenschaften des uruguayischen Bankiers Carlos Ganduglia, dem Vostandschef der Austral Bank in Argentinien, untersuchte, fand sie Konten, auf denen mehrere Millionen US-Dollar von der Daforel AG lagerten.

Daforel ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Calle Paraguay1246 in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays. Genau dort hat auch das Büro des Rechnungsprüfers Juan Alberto Etcheverrito seinen Sitz, der bekannterweise Güter argentinischer Staatsbürger*innen im Umfang von mehreren hundert Millionen Dollar verwaltet. Und eben an dieser Adresse ist auch die Delbote AG ansässig, die in Schmiergeldzahlungen wegen Waffenschmuggels verwickelt ist.

 

Strafanzeige wegen polizeilichen Hinrichtungen 1969

(Montevideo, 10. Juni 2001, comcosur-Poonal).- Familienangehörige von Jorge Salerno, Ricardo Zabalza und Alfredo Cultelli, die der Guerilla „Tupamaros“ angehörten und, nach dem sie verschleppt worden waren, am 8. Oktober 1969 von der Polizei hingerichtet wurden, reichten nun eine Anzeige beim Strafgericht ein. Sie wollen damit erreichen, dass die damaligen Geschehnisse, untersucht werden.

Die Kommission der Angehörigen von Politisch Ermordeten unterstützt die Anzeige ebenso wie die bereits eingerichte Anzeige wegen Mordes an acht aktiven Kommunist*innen im Jahr 1972. Damit wird die Aufklärung durch die Justiz ähnlich gelagerter Fälle voran getrieben.

Wie die Tageszeitung „La República“ aus Montevideo berichtete, haben die Anwälte der Angehörigen der Ermordeten Tupsmaros beim Gericht neue Beweise zu den Ereignissen am 8. Oktober 1969 vor gelegt. Der 8. Oktober 1969 war der zweite Jahrestages der Hinrichtung Ernesto „Che“ Guevaras in Bolivien. An diesem Tag nahm die Nationale Befreiungsbewegung Tupamaros ohne einen Schuss ab zu feuern die uruguayische Stadt Pando in der Provinz Canelones, nahe Montevideo, ein.

Die Anwaltschaft der Familienangehörigen betont, dass in der Zeit der Diktatur 1973-1985 die rechtlichen Möglichkeiten nicht gegeben waren, die Vorkommnisse untersuchen zu lassen. Ihren Aussagen zu folge hat eine 20 Jahre andauernde Unterbrechung der gerichtlichen Verfolgung dazu geführt, dass die Morde erst jetzt vor Gericht kommen.

Nach den Zeugenaussagen der Überlebenden wurden Jorge Salerno und Ricardo Zabalza durch die Polizei hingerichtet, nach dem sie sich bereits ergeben hatten. Salerno wurde mit einer Maschinengewehrsalve bei erhobenen Armen erschossen, Zabalza erhielt einen Genickschuss als er angeschossen und verletzt auf dem Boden lag. Cultelli wurde von Kugeln durch löchert in der Toilette einer Schule gefunden. „Über die Nachforschungen zu diesen drei Fälle wollen wir versuchen, eine mögliche Verurteilung wegen Völkermord zu erreichen,“ erklärte Jorge Zabalza, der Bruder von Ricardo, der heute Vorsitzender des Parteienbündnisses „Corriente de Izquierda“ ist.

 

ARGENTINIEN

Ex-Präsident Menem wegen Waffenschmuggel festgenommen

Von Marcos Salgado

(Buenos Aires, 8. Juni 2001, npl-Poonal).- „Ich fürchte nur Gott und danach niemanden mehr,“ pflegte Carlos Menem während seiner 10-jährigen Präsidentschaft in Argentinien zu sagen. Kaum achtzehn Monate nach dem Ende seiner Regierungszeit lehrt ihm die Justiz das Fürchten. Bundesrichter Jorge Urso nahm Menem am gestrigen Donnerstag nach einer Vernehmung im Gericht in Buenos Aires fest. Der Vorwurf: Der Ex-Präsident sei Kopf einer illegalen Vereinigung, die Anfang der 90-er Jahre tonnenweise Waffen nach Kroatien und Ecuador schmuggelte und dabei das Uno-Embargo verletzte.

Da Menem über 70 Jahre alt ist, wurde er unter Hausarrest gestellt. Eine Freilassung gegen Kaution ließ der Richter angesichts des schweren Vorwurfs nicht zu. Sollte Menem schuldig gesprochen werden, drohen ihm zwischen fünf und zehn Jahren Haft. Es ist das erste Mal in der argentinischen Geschichte, dass ein Ex-Präsident – und noch dazu der Vorsitzende der größten Oppositionspartei – festgenommen wird.

In die illegalen Waffenverkäufe waren mehrere hohe Funktionäre der Menem-Regierung verstrickt. Drei von ihnen wurden bereits festgenommen, zuletzt am vergangenen Mittwoch der frühere Armeechef Martin Balza. Mehrere Minister und Menem selbst hatten das Dokument unterzeichnet, mit dem die Waffenlieferungen von über 6.000 Tonnen, die offiziell nach Panama und Venezuela gingen, genehmigt wurden.

Seit Monaten beschäftigt der Skandal die argentinische Öffentlichkeit, und auch wenn die Festnahme Menems nicht unbedingt überraschend war, schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. „Haben sie ihn wirklich verhaftet?“, fragten sich die Menschen, die sich auf den Strassen vor Fernsehern und Radios gesammelt hatten.

Vom Gericht aus wurde Menem zu der luxuriösen Residenz eines Freuden außerhalb der Hauptstadt Buenos Aires geflogen, wo er die Zeit bis zum Prozessbeginn bleiben soll. Dies kann Justizkreisen zufolge noch viele Monate dauern. Die ganze Zeit wich Menems neue Ehefrau Cecilia Bolocco, die 36-jährige Ex-Miss Universum aus Chile, nicht von seiner Seite. Die Beiden hatten erst vor zwei Wochen geheiratet, Flitterwochen im Ausland hatte ihnen Richter Urso jedoch nicht gewährt.

Der sozialdemokratische Präsident Fernando De la Rua nahm unmittelbar nach der Gerichtsentscheidung nur kurz Stellung. Ohne Zweifel bewege die Gerichtsentscheidung die Menschen, doch gebe es „keine politischen oder institutionellen Schwierigkeiten, da garantiert ist, dass hier die demokratischen Instanzen funktionieren“. Ganz anders der Senator und Bruder der Festgenommenen, Eduardo Menem: „Die Basis für ein politisches Zusammenleben ist zerstört worden,“ kritisierte er und fügte hinzu, dass die Verhaftung „schwere Konsequenzen“ nach sich ziehen werde.

Menem selbst beharrt darauf, dass er unschuldig ist. Vor Gericht verlas er eine lange Erklärung, in der er all seine Regierungsgeschäfte als „absolut legal“ bezeichnete. Doch Gerüchten zufolge hat der Ex-Präsident schon vor Monaten Kontakte zu anderen südamerikanischen Ländern aufgenommen, um die Möglichkeit eines Exils auszuloten. Auch sein Hinweis, dass Washington von den Waffenlieferungen gewusst haben muss, ist eher ein Schuldeingeständnis.

Angeblich soll Menem sogar einen seiner Ex-Minister in die USA geschickt haben, damit die Bush-Administration zumindest indirekt zugibt, den Waffendeal mit Kroatien gebilligt zu haben. Kommentatoren zufolge ein naives Ansinnen, typisch für den Lebemann und machtversessenen Peronisten Carlos Menem, der noch von wenigen Monaten von einer erneuten Präsidentschaftskandidatur sprach.

 

Mütter von der Plaza de Mayo erhalten neue Drohungen

(Buenos Aires, 10. Juni 2001, pulsar-Poonal).- Die Vereinigung Mütter von der Plaza de Mayo in Buenos Aires hat neue Drohungen erhalten. Nach dem Angriff auf Alejandra Bonafini, die Tochter der Vorsitzenden Hebe Bonafini, haben die Mütter nun eine von einem angeblichen Kommando „Videla“ unterzeichnete e-mail erhalten.

Der Überfall und die Folterung Alejandras in der Stadt La Plata, Hauptstadt der Provinz Buenos Aires, sind bislang nicht aufgeklärt worden, und die Behörden zeigten offenbar nicht das geringste Interesse an dem Fall.

Auch wenn die Drohungen und Angriffe gegen die Mütter und ihre Forderungen nach Gerechtigkeit nichts Neues sind, ist doch der Anstieg der Taten und die Straflosigkeit, mit der sie derzeit – unter einer rechtsstaatlichen Regierung – begangen werden, besorgnis erregend.

Im Zusammenhang mit diesen neuesten Geschehnissen haben die Mütter einen offenen Brief an Präsident De la Rua gesandt. In diesem Brief machen sie den Präsidenten für alles verantwortlich, was der Vorsitzenden der Mütter von der Plaza de Mayo, Hebe de Bonafini, und ihrer Tochter Alejandra zustoßen wird.

 

 

   

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