Poonal Nr. 207

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 207 vom 24. August 1995

Inhalt


GUATEMALA

LATEINAMERIKA

BRASILIEN

PARAGUAY

MEXIKO

KUBA/TRINIDAD Y TOBAGO

PANAMA

COSTA RICA


GUATEMALA

Verteidigungsminister gibt Massengräber zu

(Guatemala, 12. August 1995, cerigua-POONAL).- Mehr als 40.000 Tote sind in verschiedenen Zonen des Landes auf geheimen Friedhöfen vergraben. Diese Zahl nannte der guatemaltekische Verteidigungsminister General Mario Enríquez. Er gab zu, daß in den Massengräbern die Überreste von Personen liegen, die während des vergangen Jahrzehnts ermordet wurden. Wenn erst der Frieden mit der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG) geschlossen sei, könnten diese Fälle von Grund auf untersucht werden, so der Minister. Gleichzeitig rief Enríquez zur nationalen Versöhnung auf.

Menschenrechtsorganisationen in Guatemala gehen von mehr als 100.000 Toten, 40.000 Verschwundenen und mehr als einer Million vertriebenen Personen als Folge der Politik der verbrannten Erde aus. Diese Politik wandten die Streitkräfte hauptsächlich zu Beginn der 80er Jahre an. Fermina López von der Führung der Nationalen Koordination der Witwen Guatemalas (CONAVIGUA) forderte die Bestrafung der Verantwortlichen der Massaker. „Der ganze Versöhnungsprozess fördert nur die Straffreiheit“, äußerte sie sich sehr deutlich. Auch Mario Polanco von der Gruppe für gegenseitige Hilfe von Familienangehörigen Verhafteter und Verschwundener (GAM) verlangte die Gesetzesanwendung gegen die Täter, damit die Angehörigen der Opfer in die Regierung vertrauen könnten.

Rückschläge für Ríos Montt

(Mexiko-Stadt, 18. August 1995, cerigua-POONAL/POONAL).- Der politische Stern des ehemaligen Diktators Ríos Montt beginnt zu sinken. Gut drei Wochen, nachdem ihm die Wahlbehörden die Präsidentschaftskandidatur untersagten, wurde dem General im Ruhestand nun vom Obersten Gerichtshof der Posten des Kongreßvorsitzenden aberkannt. Montt verlor ebenfalls seine parlamentarische Immunität und wird sich vor Gericht „wegen Funktionsanmassung, Verletzung der Verfassung und Autoritätsmißbrauch“ verantworten müssen. Das Oberste Gericht gab damit der Klage eines Anwaltes statt, der das Vorgehen von Montt und zwei weiteren Mitgliedern seiner rechtsgerichteten Republikanischen Front Guatemalas (FRG) zum Gegenstand eines Prozeßes machen will. Die drei Abgeordneten hatten in der vierköpfigen Ständigen Kommission des Parlamentes über eine Klage der Kammer gegen das guatemaltekische Wahlgericht entschieden, ohne die Gesamtheit der Parlamentarier*innen darüber entscheiden zu lassen.

Ríos Montt geriet durch ein weiteres Ereignis in den vergangenen Tagen in die politische Defensive. Die „Washington Post“ veröffentlichte einen Brief von Amnesty International (AI), in dem die Organisation von mehr als 2.000 Morden durch die Armee berichtet, die in den ersten vier Monaten nach dem Putsch von Montt im März 1982 an der Opposition begangen wurden. „In den Augen von Ríos Montt und seiner Männer schloßen die verdächtigen Linken jeden ein, der in einem Gebiet mit Guerilla-Aktivität lebte“, heißt es in dem Brief von AI. Bei den Massakern seien alle möglichen brutalen Methoden angewandt worden. Nicht einmal Respekt vor den Kindern habe es gegeben. Die unter dem General begangenen Massaker sind zwar seit längerem bekannt, die Veröffentlichung des Briefes zum jetztigen Zeitpunkt dürfte seinen politischen Einfluß aber noch weiter schwächen. Auch der Versuch, über die Präsidentschaftskandidatur seiner Ehefrau erneut zum Machthaber des Landes zu werden, scheiterte am 15. August. Das staatliche WählerInnenregister wandte eine Verfassungsklausel an, die nicht nur den Putschisten eine Kandidatur verbietet, sondern sich ebenfalls auf die nächsten Familienangehörigen erstreckt.

LATEINAMERIKA

Verstädterung nimmt weiter zu

– von Pablo Trivelli*

(Quito, Juli 1995, alai-POONAL).- Lateinamerika und die Karibik sind die Regionen mit dem größten Urbanisationsgrad in der Welt. In den genannten Regionen leben drei von vier Bewohner*innen heute in Städten. Der Prozentsatz der Städter*innen wird nach Schätzungen nach wie vor zunehmen. Unter wirtschaftlichem Aspekt gesehen, produzieren die Städte mehr als zwei Drittel des Sozialproduktes der jeweiligen Länder in der Region. Sie ziehen die dynamischten Bevölkerungsteile an und nehmen einen bedeutenden Teil der Arbeitslosen auf. Die derzeitigen Formen der Bevölkerungskonzentration und Wirtschaftsaktivität schaffen ernste Herausforderungen, was die Umwelt im städtischen Raum und seiner näheren Umgebung betrifft. Aber die schwerwiegendsten Probleme in den Städten resultieren aus der Armutskonzentration, fehlenden Gelegenheiten und fehlenden wichtigen Dienstleistungen, von der große Teile der Bevölkerung betroffen sind. Die Bedeutung der Städte im Leben der Nationen nahm schneller zu als die Modernisierung und Anpassung der Regierungsformen. Zum Teil kommt dies in der Schwäche der Kommunalregierungen zum Ausdruck. Viele der Probleme mit denen sich die Städte auseinandersetzen müssen, haben ihren Ursprung in der Bundespolitik oder internationalen Phänomenen. Es gibt Makrofaktoren wie die Entscheidungen über strukturelle Anpassung, die Reduzierung der Staatsgrösse, die Privatisierungen (besonders von städtischen Dienstleistungen), die Handelsöffnung, die Globalisierung der Wirtschaft, die Dezentralisierung, die Demokratisierung der Kommunalregierungen, usw.

80 Prozent leben im Jahr 2000 in Städten

Bevölkerungsstudien gehen davon aus, daß im Jahr 2000 fast 80 Prozent der Bewohner*innen Lateinamerikas und der Karibik in den Städten leben werden. Da die Wachstumsraten der Bevölkerung geringer geworden sind und die massiven Land-Stadt-Wanderungen überwunden sind, ist auch die städtische Bevölkerung nicht mehr so stark gewachsen. Heute ist das Städtewachstum hauptsächlich vegetativ und durch die Migration zwischen den Städten bedingt – insbesondere von den kleineren zu den mittleren Städten und den Regionen der Metropolen. Dabei konzentriert sich das Wachstum wiederum auf wenige metropole Gebiete (im allgemeinen die Hauptstädte) und die von mittlerer Größe. Dies ist ein neues Phänomen in der lateinamerikanischen Geschichte, daß eine große Herausforderung für die städtische Planung darstellt. In vielen Fällen müssen trotz abnehmender Wachstumsrate große Bevölkerungsmengen aufgenommen werden.

Diese Situation ist nicht rückgängig zu machen. Was möglich ist: die Stadt größer und besser anzulegen, indem das Wachstum vorausgesehen und in Bahnen gelenkt wird. Der Bevölkerungsdruck bringt mächtige Forderungen an die Stadt mit sich: Ein Raum zum Leben und Wohnen, Basisdienstleistungen, soziale Dienste, Kultur, Arbeit, Beteiligung am politischen Leben, usw. Die städtischen Systeme schließen auch unzählige kleinere und unbedeutende Städte ein, die oft ihrem eigenen Schicksal überlassen werden. Wegen ihres fehlenden Zusammenschlusses untereinander und ihres geringes politisches Gewichtes werdem sie bis auf seltene Ausnahmen von den Regierungen trotz der zahlreichen Probleme, die sie haben, nicht wahrgenommen.

Es gibt nicht nur demographischen Druck, sondern auch Armutsdruck. Jüngste Studien zeigen, daß die städtischen Armen weitaus zahlreicher sind als die ländlichen Armen. So ist der Anteil der städtischen Armen von 1970 bis 1990 von 29 auf 39 Prozent gestiegen. In absoluten Zahlen bedeutet dies ein Anstieg um 44 Millionen Menschen auf insgesamt 115 Millionen Personen. Vom Land vertrieben, tragen sie ihre „Überflüssigkeit“ in die Städte oder werden angezogen von illusorischen oder realen Erwartungen auf ein besseres Leben. Tatsache ist, daß sie kommen, um zu bleiben. Von den Armen befindet sich die Hälfte im Zustand der absoluten Bedürftigkeit. Die Orte der Armen bleiben in der Stadt nicht abstrakt. Sie lassen sich in klar definierten Distrikten nieder und markieren so Städte innerhalb der Städte. Wenn auch einige einen Platz in heruntergekommenen zentralen Zonen finden, so findet die Ansiedlung doch am häufigsten an den Stadträndern statt. Dienstleistungen, Gemeindeausstattung, Umweltbedingungen und Zugang zu den städtischen Angeboten sind in den Stadtrandgebieten am schlechtesten ausgebildet. So gesellt sich die ökonomisch-soziale Marginalisierung zur ökologischen Marginalisierung.

Arme haben in marginalisierten Zonen keine Chancen

Die Städte in den Städten schaffen eine Reihe negativer Tatsachen: 1. Arm zu sein, ist teurer, denn die Armen der Stadt bezahlen für denselben Grundwarenkorb viel mehr als die einkommensstärkeren Gruppen. Sie haben keinen Zugang zu den moderneren Handelsformen. 2. Sie haben viel höhere Transportkosten in Wegzeit und Geld gerechnet, denn sie müssen längere Strecken zurücklegen. 3. Sie verfügen über weniger Ausstattung. 4. Die Arbeitschancen sind geringer – zum Teil wegen der großen Distanzen zu den Arbeitszentren. 5. Es gibt ernste Sicherheitsprobleme. Das führt zu wahren „Ausgangssperren“ in der Nacht. 6. Die Abwesenheit von Grundleistungen bedeuten eine Situation im ökologisch/sanitären Bereich, die sich äußerst ungünstig auf die Gesundheit auswirkt. 7. Die Kommunen, die für diese Stadtteile verantwortlich sind, haben eine wirtschaftlich schwächere Basis als die Kommunen, in der die wirtschaftlichen Aktivitäten konzentriert sind oder sich die gemütlicheren Wohnzonen befinden.

Es gibt einen deutlichen Konsenz über die große moralische Herausforderung, wenn man über städtische Gemeinden und das Zusammenleben der Bürger*innen sprechen will. Vom politischen Standpunkt aus, wird es vielleicht das komplexeste und explosivste Thema des nächsten Jahrhunderts sein: Es wird keinen Frieden, keine vollständige Demokratie und keinen BürgerInnensinn geben, solange die schweren Mängel, Kontraste und skandalösen Unterschiede bestehen, die in unseren Städten stärker sind als in irgendeinem anderen Teil der Welt.

*Pablo Trivelli ist Direktor des Programms zur Stadtverwaltung (gestion urbana) in Quito, Ecuador)

BRASILIEN

Ein demokratischer Regenbogen

– Interview mit Jos Albino de Mello und Paulo Cohen vom CMP über die

Vereinigung der Volksbewegungen

(Quito, Juli 1995, alai-POONAL).- Unter dem Einfluß der Anpassungspolitik und neoliberalen Neuordnung ist die Zersplitterung zu einem der größten Probleme geworden, das die sozialen Bewegungen zu bewätigen haben. Unter diesen Bedingungen erfordert die Einheit erneuernde, mutige Antworten. Der Dachverband der Volksbewegungen (CMP) Brasiliens ist eine der Organisationen auf dem Kontinent, die die Herausforderung angenommen haben. Nach mehr als zehnjähriger Entstehungsgeschichte Ende Oktober 1993 gegründet, hat sich der CMP zum Ziel gesetzt, alle Kampfströmungen der unterschiedlichsten sozialen Bewegungen (Frauen, Schwarze, Landlose, Obdachlose, Umweltaktivist*innen, Kinder und Straßenkinder, Behinderte, Stadtviertel-, Gesundheits- und Kommunalbewegungen, usw.) zu vereinen und dabei die Besonderheit und Eigenständigkeit aller zu respektieren. Alai sprach mit Jos Albino de Mello und Paulo Cohen vom CMP.

Frage: Als die Gründung der Dachverbandes der sozialen Bewegungen vorgeschlagen wurde, fehlten nicht die Stimmen, die ein baldiges Scheitern voraussahen. Es handele sich um ein undurchführbares Projekt. Was sagen die Tatsachen?

Antwort: Heute können wir davon sprechen, daß der CMP eine solide Basis hat. Jetzt müssen wir diese Basis bewegen, um eine landesweite Kraft zu werden. In der Tat haben sie uns auf dem Gründungskongreß, an dem über 900 Delegiert*innen teilnahmen, gesagt: Wie könnt Ihr einen Dachverband mit Frauenbewegungen, Schwarzenbewegungen, Strassenbewegungen, Behinderten, Wohnungsbewegungen, Gesundheitsbewegungen, usw. bilden? Das wird einfach nicht gutgehen. Der Verband wird ein zusammengewürfelter Haufen sein. Wir sagten: Die Rolle der Zentrale wird genau die sein, alle diese Kämpfe zum Ausdruck zu bringen. Die Bewegungen haben ihre Besonderheiten, aber im Allgemeinen sprechen sie zusammen mit den anderen. Und tatsächlich haben wir ein gemeinsames Dokument ausgearbeitet und alle haben dieses Dokument und die daraus entspringende Politik verteidigt. Eine deutliche Demonstration dieser Kräfte-Artikulation war die landesweite Karawane drei Monate nach dem Amtsantritt der derzeitigen Regierung. Am 21. und 22. März kamen in Brasilia Delegationen aus 22 Bundesstaaten des Landes zusammen. Es wurde die größte öffentliche Demonstration nach den Mobilisierungen gegen den Ex- Präsidenten Collor de Mello. Das ist zweifellos ein Zeichen für die Fähigkeit des CMP. In Zukunft ist es unsere Aufgabe, sie zu stärken und zu konsolidieren.

Frage: Die Angst, der CMP könne ein zusammengewürfelter Haufen werden, hatte sicher viel damit zu tun, daß verschiedene Gruppen sich zwei oder mehr landesweiten Instanzen angeschlossen haben, ohne dabei aber notwendigerweise unter sich Kontakt gehabt zu haben. Wie steht der Verband dieser Situation gegenüber?

Antwort: Dieser Punkt ist innerhalb der Organisation viel diskutiert worden. Die Antworten hat es in der Praxis gegeben. Verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen (NGO's) hatten ziemliche Angst den Einfluß zu verlieren, den sie auf mehrere Bewegungen hatten. Sie fragten uns beispielsweise: Wie werdet Ihr mit der kulturellen Unterschiedlichkeit arbeiten, mit der regionalen Unterschiedlichkeit, mit der Unterschiedlichkeit der Organisationsformen? Wie werdet Ihr Euch mit den Schwarzenbewegungen einlassen, wenn diese sich noch nicht einmal untereinander einig werden? Wie werdet Ihr die Frauenbewegungen integrieren, wenn diese keine landesweite Bewegung zustande bringen? Wir werdet Ihr mit den Bewegungen für eine Wohnung zurecht kommen, wenn es dort verschiedene Initiativen gibt, die für einen Spielraum auf nationaler Ebene kämpfen.

Die Wohnungsbewegung beispielsweise ist sehr zersplittert gewesen. Obwohl es zwei Instanzen gibt, die sich landesweit organisieren wollen, hat sich die Mehrheit der Bewegungen keiner von beiden angeschlossen. Für den Dachverband geht es jedoch nicht darum. Die Bewegungen selbst müssen entscheiden, wie sie sich organisieren. Die Sache ist, andere Dinge zu sehen, die mit der Wohnsituation verbunden sind. Diese begnügt sich nicht damit, ein schönes Haus zu haben. Für sie ist es außerdem wichxtig und nötig, einen Gesundheitsposten, eine Schule, Sicherheit und Transportmöglichkeiten zu haben. Wichtig ist, anzuerkennen, daß eine Vielfalt an Forderungen besteht und daß es darum geht, diese Vielfalt zu artikulieren. Das heißt, die anderen Gruppen einzubeziehen. Auf die gleiche Weise versteht die Bewegung der Schwarzen, der Frauen, der Homosexuellen, daß wir diese Vielfalt ausdrücken müssen, wenn wir eine gerechte Gesellschaft erreichen wollen, wo die Rechte garantiert werden. Die Frauen können nicht für sich alleine bleiben, sondern müssen die Diskussion ins Innere der übrigen Bewegungen tragen. Wir machen diesen Prozeß durch, bei dem die Wichtigkeit des Anderen jedes Mal mehr wahrgenommen wird. Mit der Verbindung der Forderungen öffnen sich natürlich Perspektiven für ein gemeinschaftliches Handeln der unterschiedlichen Bewegungen. Aber daraus wird nicht notwendigerweise ein einheitliches landesweites Banner. Die Summe der Forderungen neben den Aktionen machen noch kein Programm.

Schwerpunkte bei Städtereform und BürgerInnenrechten

Aus diesem Grund hat sich die CMP zwei Schwerpunkte gesetzt: die Städtereform und die BürgerInnenrechte. Die urbane Reform ist an die ganze Problematik der Stadt, ihr Wachstum geknüpft. In Brasilien leben heute etwa 79 Prozent der Bevölkerung in den städtischen Zentren. Unter Bedingungen, unter denen die Mehrheit keine Antwort auf ihre Grundbedürfnisse wie Wohnung, Ernährung, Wasserversorgung, Gesundheitsversorgung, Transport, Bildung, Sicherheit, usw. findet und sich die Umweltzerstörung verschärft. Mit der Neoliberalen Politik hat sich die Situation eher verschlechtert.

Im aktuellen Kontext bedeutet die Städtereform, ein neues Entwicklungsmodell zu formulieren, bei dem die Wohlfahrt der Bürger*innen sich im Gleichgewicht mit der Natur befindet. Die Basis muß in den Werten der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit liegen. Das wird nur mit der Beteiligung der Bürger*innen, insbesondere der sozialen Bewegungen bei den politischen Entscheidungsprozessen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene möglich sein. Die Frage der BürgerInnenrechte stellt uns dagegen vor die Notwendigkeit, die Demokratie zu vertiefen, neue Rechte zu erobern und zu begründen, eine neue Ethik zu schaffen. Wir können nicht von Demokratie sprechen, solange verschiedene Diskrimierungsformen und der fehlende Respekt vor den Menschenrechten der erwähnten Gruppen bestehen bleibt.

Frage: Welche konkreten Auswirkungen haben diese Vorstellungen?

Antwort: In diesem Einigungsprozeß haben wir einige Punkte, die uns ausweisen. Einer ist der Respekt vor der Autonomie. Wir streben eine Autonomie an, die uns von den Parteien, der Kirche und dem Staat unabhängig macht. Das war ein fundamentaler Faktor, uns von einer ganzen Reihe Bewegungen zu unterscheiden, deren ganze Geschichte von der Unterordnung unter den Staat gekennzeichnet ist. Das unterscheidet uns auch von den Parteien, deren Geschichte durch Selbstsucht gekennzeichnet ist. Autonomie auch in dem Sinn, die Eigendynamik der verschiedenen Bewegungen zu respektieren. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Solidarität – ein Merkmal der neuen sozialen Akteur*innen – sowie die Anerkennung der regionalen Frage, die in einem Kontinental-Land wie Brasilien eine große Bedeutung hat. WIr sind in 22 der 27 Bundesstaaten organisiert. Das zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir glauben, daß die Ziele, die eigene Struktur, die Art, wie wir zusammengearbeitet haben, einen inneren Diskussionsprozeß ausgelöst hat, der die Sicht auf das Ziel freigelegt hat. Aber mit dem bis jetzt geleisteten können wir uns nicht zufrieden geben.

Frage: In Brasilien werden die Gewerkschaften außen vor gelassen, wenn von den Volksbewegungen die Rede ist. Welchen Standpunkt nimmt in dieser Frage die CMP ein?

Antwort: Vor allem jetzt, wo wir eine zutiefst neoliberale Regierung haben, auch wenn sie sich mit einem anderen Image präsentieren will, sehen wir es als unerläßlich an, gemeinsam mit der Gewerkschaftsbewegung, der 'ohne Land' und anderen Bewegungen zu handeln. Die CUT (brasilianischer Gewerkschaftsdachverband; die Red.) ist unsere Schwester, wir kommen vom selben Stamm, wenn auch jeder autonom ist. Darum haben wir systematisch Aktionen koordiniert. Die Herausforderung besteht jetzt darin, dem Neoliberalismus zu widerstehen. Das nicht nur auf nationaler Ebene, sondern kontinentweit.

Frage: Die Antwort der Regierung auf soziale Notstände ist das Programm der „Comunidad Solidaria“

Antwort: Ja. Es handelt sich um ein Programm, das von Mexiko kopiert ist. Dort ist es als „Solidaridad“ bekannt. Wir haben zahlreiche Fragen, was die Form und die Ziele angeht. Im wesentlichen ist es ein Programm, um die Führungen der Volksbewegung zu vereinnahmen, um eine soziale Basis für die Regierung zu begründen und die organisierte Bewegung zu desartikulieren. Anders gesagt: Die Comunidad Solidaria will das behindern, was wir bisher erreicht haben: Die Organisierung der Volksbewegung und ihre Fähigkeit, Vorschläge auszuarbeiten. Auf der anderen Seite behandelt die Regierung ihre Gegner*innen nicht auf der Grundlage der Verhandlung, des Dialogs, sondern zieht es vor, sie als die „Geschlagenen“ einzustufen. Collor de Mello bezog sich auf die organisierte Bewegung als das „Verbrechenssyndikat“. Fernando Enrique Cardoso nennt sie die „Geschlagenen“. Und das wird eine große Angriffsfläche bieten, indem sie die existierende Organisierung und Mobilisierung verleugnen wollen.

PARAGUAY

Frau an der Spitze von JournalistInnengewerkschaft

– von Maria Lis Rodriguez A.

(Ascunción, August 1995, fempress-POONAL).- Die Gewerkschaft der Journalist*innen Paraguays (SPP) wählte mit Susana Oviedo erstmals eine Frau zur Vorsitzenden in ihrer 16jährigen Geschichte. Oviedo ist 26 Jahre alt und arbeitet bei der Zeitung „Ultima Hora“. Ihre Wahl war nicht Ergebnis einer organisierten Kampagne, aber genausowenig zufällig. Innerhalb der JournalistInnengewerkschaft haben Frauen bereits in den vergangenen Jahren wichtige Posten inne gehabt. Der Frauenanteil in der SPP beträgt 30 Prozent. Im Journalismusberuf allgemein erhöht sich die Zahl der Frauen. Oviedo, die als Kandidatin der Bewegung „Comunicación Abierta“ zur Gewerkschaftswahl antrat, gestand „fehlende Erfahrung“ ein. Sie beklagte außerdem, es würden „immer noch wenig Frauen zu Politik und Wirtschaft arbeiten“. Die Rolle der Presse in Paraguay kennzeichnete sie mit den Worten: „Wir sind Träger*innen der Veränderung“. Innerhalb der gesamten Gewerkschaftsbewegung des Landes ist die Wahl einer Frau an die Spitze der Organisation immer noch die große Ausnahme. In den drei nebeneinander existierenden Dachverbänden sind 502 Gewerkschaften mit zusammen gut 100.000 Mitgliedern organisiert. Ein knappes Drittel davon sind Frauen. Von den Gewerkschaftsposten besetzen sie jedoch nur gut 12 Prozent. Auf der obersten Führungsebene sieht es für die Frauen noch schlechter aus. Auf den Posten GeneralsekretärIn oder VorsitzendeR sind nur knapp 7 Prozent Frauen.

MEXIKO

PRI gerät zunehmend unter Druck

(Mexiko-Stadt, 20. August 1995, POONAL).- In Mexikos Revolutionär Institutioneller Partei (PRI) scheinen die internen die internen Machtkämpfe KEIN Ende zu finden. Sechs Wochen nach dem Rücktritt von Innenminister und Parteimitglied Esteban Moctezuma, traf die Parteipräsidentin María de los Angeles Moreno und den Partei- Generalsekretär Pedro Joaquín Coldwelldieses am Samstag das gleiche Schicksal. Sowohl der öffentliche als auch der parteiinterne Druck hatten sich besonders auf Moreno in den vergangenen Wochen verstärkt. Einzelne PRI-Abgeordnete hatten offen ihren Rücktritt gefordert. Als bekannt wurde, der 206köpfige politische Rat würde am Wochenende unter der ungewöhnlichen Anwesenheit der 27 PRI-Gouverneure zusammenkommen, gab es an den Rücktritten kaum noch Zweifel. Der gesamte Mitarbeiterstab der beiden Politiker mußte seine Büroplätze sogar schon am Freitag räumen und die Kündigung vorbereiten. Nachfolger von Moreno wird der bisherige Arbeitsminister Santiago Oñate. Coldwell wird durch Juan Millán Lizárraga von offiziellen Gewerkschaftsverband CTM ersetzt.

Während über den Rücktritt von Coldwell kaum ein Wort verloren wurde, lieferte der Abgang der Parteipräsidentin reichlich Gesprächsstoff. Sie selbst sprach nur davon, in einer „Krisenzeit“ amtiert zu haben. Jetzt opfere sie sich „höheren politischen Werten“ und ordne persönliche Ambitionen dem nationalen Wohlergehen unter. Doch statt soviel heroischem Altruismus sind handfeste politische Tatsachen der Grund für ihr Scheitern.

Innerhalb ihrer knapp neunmonatigen Amtszeit gewann die rechtskonservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) ständig an Terrain. Noch vor wenigen Wochen konnte sich die PAN bei Wahlen zum zweiten Mal hintereinander den Bundesstaat Baja California sichern – einmalig in der 66jährigen Regierungsgeschichte der PRI. Auch bei Teilwahlen in anderen Bundesstaaten verbuchte die PAN beträchtliche Gewinne. Moreno schaffte es als Parteipräsidentin nicht, diesen Trend aufzuhalten. Genauso wenig gelang ihr die dringend benötigte innere Reform ihrer Partei, ganz zu schweigen von einer Demokratisierung der Parteiinstanzen. Ihre oft arrogant wirkende Art machte sie nicht beliebter. Eine Spekulation sagt, die PAN habe den Kopf Morenos als Bedingung gefordet, wieder in den politischen Dialog mit der PRI zu treten. 1994 noch vom damaligen Präsidenten Salinas de Gortari als „Frau des Jahres“ ausgezeichnet, kam der tiefe Fall für Morena schnell. Jetzt muß Nachfolger Oñate die PRI auf das Jahr 1997 vorbereiten, in dem ein Teil des Parlaments neu gewählt wird.

Massaker an Campesinos belastet Regierungspartei PRI Unterdessen stellt das Massaker von Polizisten an 17 Campesinos Ende Juni im Bundesstaat Guerrero die PRI vor eine weitere Belastungsprobe. Die sonst eher zahme staatliche Menschenrechtskommission veröffentlichte am 14. August auf einer Pressekonferenz ihren Bericht zu den Vorkommnissen. Die Version der Behörden aus Guerrero von einer von den Campesinos provozierten Schiesserei wird durch die Ermittlungen der Kommission eindeutig widerlegt. So wurden den Getöteten für Videoaufnahmen nachträglich Pistolen in die Hand gelegt. Verwundete erhielten von der schwerbewaffneten und mehr als 70köpfigen Polizeieinheit den „Gnadenschuß“. Die Menschrechtskommission empfahl die Entlassung und Festnahme hoher Regierungsbeamter. Sie machte jedoch im Gegensatz zu vielen Organisationen und Politikern nicht den Governeur von Guerrero direkt für das Massaker verantwortlich. Dieser stellt sich allen Rücktrittsforderungen gegenüber stur und verweist darauf, die Empfehlungen der Kommission weitestgehend befolgt zu haben.

Aufpasser oder Helfer für Bischof Ruiz?

(Mexiko-Stadt, 18. August 1995, POONAL).- Papst Johannes Paul II. ernannte den 50jährigen Raul Vera López zum „mithelfenden“ (Koadjutor) Bischof der Diözese von San Cristóbal mit dem Recht auf die Nachfolge von Samuel Ruiz García. In einer Botschaft an Ruiz versprach der Papst mit der Ernennung „eine wertvolle und wirksame Unterstützung“. Der päpstliche Nuntius Girolamo Prigione, dessen gestörtes Verhältnis zum Bischof von San Cristóbal bekannt ist, kennzeichnete die Aufgabe von López mit den Worten: „Wenn etwas krumm ist, muß er es gerade rücken.“ Dem neuen „Helfer“ eilt im Gegensatz zu vielen anderen vom Papst ernannten Bischöfen nicht der Ruf eines besonders konservativen Kirchenmitgliedes voraus. Während seiner mehrjährigen Tätigkeit als Bischof im Bundesstaat Guerrero war er für seine Volksnähe bekannt. Er kommt wie viele Mitarbeiter der Diözese von San Cristóbal aus dem Dominikanerorden. Seit dem 10. Januar 1994 ist er Mitglied der Bischofskommission für den Frieden und die Versöhnung in Chiapas. Außerdem sitzt er in der Bischofskommission für die Indígenas.

Mitglieder der mexikanischen Bischofskonferenz sprechen von einem guten Verhältnis zwischen Ruiz García und Vera López. Am 17. August gaben die beiden Bischöfe ihre erste gemeinsame Pressekonferenz. Ruiz García interpretierte die Entsendung von López dabei offen als „das Ergebnis eines Dialogs der Bischofskonferenz“ und als Konsequenz von „Anschuldigungen“ sowohl politischen Charakters als auch doktrinärer und pastoraler Herkunft. López deutete Meinungsverschiedenheiten an, indem er sich gegen die „marxistische Strömung“ der Befreiungstheologie aussprach. Als reiner Vertreter dieser Strömung wird Ruiz García gerne von seinen Gegnern hingestellt. Ob der zusätzliche Bischof in San Cristóbal wirklich ein „Helfer“ sein wird oder doch eher ein „Aufpasser“, muss sich in den nächsten Monaten herausstellen.

Einbruch beim Sozialprodukt

(Mexiko-Stadt, 16. August 1995, POONAL).- Das mexikanische Bruttosozialprodukt sank in den Monaten April bis Juni um 10,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen so starken Rückgang hat es seit 50 Jahren nicht mehr gegeben. Die Auslandschuld stieg seit Dezember 1994 um sieben Milliarden Dollar auf einen Nettobetrag von knapp 84 Milliarden. Regierungspolitiker äußern sich dennoch zuversichtlich, daß der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise inzwischen überschritten ist.

Literaturpreis für Carlos Lenkersdorf

(Mexiko-Stadt, 12. August 1995, POONAL).- Der deutsche Linguist Carlos Lenkersdorf bekam den Lya Kostakowsky-Preis für ein Buch über die Tojolabales in Chiapas verliehen. Der Preis gilt als einer der angesehensten und mit 25.000 Dollar auch am besten dotierten in ganz Lateinamerika. Er wird von der Stiftung Lya und Luis Cardoza y Aragón verliehen, die nach dem russisch- guatemaltekischen Dichter- und Schriftstellerehepaar benannt ist. Die dreiköpfige Jury wählte die Arbeit von Lenkersdorf unter 125 Einsendungen aus 16 Ländern einstimmig aus. Jurymitglied Darcy Ribeiro bezeichnete das Buch als das beste im Bereich der Anthropologie, was er gelesen habe. Anläßlich der Preisverleihung sprach auch der Bischof von San Cristóbal, Samuel Ruiz. Er nahm das Beispiel von Lenkersdorf, um die Bedeutung zu unterstreichen, die Haltung des Betrachtens und Bedauerns gegenüber den Indígenas aufzugeben. „Wenn wir die Gesellschaft erneuern wollen, müssen wir die tiefen Werte der an den Rand gedrängten suchen“, so der Bischof.

Carlos Lenkersdorf wurde 1926 in Deutschland geboren. Er studierte in Bonn, wo er sich verschiedene akademische Grade erwarb. An der mexikanischen Nationaluniversität UNAM schrieb er seine Doktorarbeit im Fachbereich Philosophie und unterrichtete dort anschließend als Professor. Statt eine glänzende Karriere im akademischen Betrieb und auf internationalen Kongressen fortzusetzen, gab er jedoch 1973 seine Lehrtätigkeit an der Universität auf und zog in die Gemeinden der Tojolabales in Chiapas. Um dort akzeptiert zu werden, mußte er die Sprache der Tojolabales lernen und sich mit ihrer Kultur vertraut machen. Im Gegenzug bot Lenkersdorf den Indígenas Alphabesierungskurse an. Er arbeitete auch als Pastoralarbeiter der Diözese von San Cristóbal.

KUBA/TRINIDAD Y TOBAGO

Fidel Castros Rede auf dem Karibikgipfel

(Puerto España, 18. August 1995, prensa latina-POONAL).- „'Zu dem Gleichgewicht Amerikas gehören die Antillen', schrieb vor mehr als 100 Jahren Jose Martí, der leidenschaftlichste Lateinamerikaner und Caribeño unserer Denker. Im Namen der drei Länder der Grossen Antillen, die hier präsentiert sind – mit der schmerzenden Abwesenheit des Bruders Puerto Rico – haben mich die Organisatoren gebeten, dieses Treffen, über dessen Abhaltung Kuba hocherfreut ist, zu grüßen. Bereits vor einem Jahr haben wir uns als Ausdruck unseres freien politischen Willens entschlossen, die Vereinigung der Karibikstaaten zu gründen. Vor uns steht eine große Herausforderung. Es geht darum, einen gemeinsamen Weg für Nationen zu finden, die in Größe, Bevölkerung und Entwicklung beträchtliche Unterschiede aufweisen. Wir machen dies zudem in Zeiten, in denen die Welt sich in große Handelsblöcke aufteilt, es schreckliche Kriege um die Märkte gibt und sich jeden Tag der Abgrund zwischen den reichen Ländern mit dem Zugang zu den Zukunftstechnologien und den armen Ländern öffnet, die von der Schuldenlast und ihren unlösbaren sozialen Problemen erdrückt sind. Wir glauben jedoch an die Idee einer vereinten Karibik. Und wir haben die Gewissheit, daß wir zusammen unsere derzeitigen Schwierigkeiten überwinden können. In Lateinamerika entstehen verschiedene Wirtschaftsgruppen und – Pakte. Für das blockierte Kuba, für Haiti und die Dominikanische Republik bedeutet die Vereinigung der Karibikstaaten die Eingliederung in die Wirtschaft und regionalen Integrationsprozesse.

Um von der Karibikintegration zu sprechen, muß man die Themen ansprechen, die uns heute zusammenbringen: Handel, Tourismus und Transportwesen. Im Tourismussektor haben wir einige Fortschritte erzielt. Aber noch sind wir weit davon entfernt, die Region insgesamt in ein bevorzugtes Ziel des internationalen Tourismus zu verwandeln, worauf wir aufgrund unseres Naturreichtums einen Anspruch haben. Dieses gemeinsame Erbe unserer Völker braucht einen besonderen Schutz. Das karibische Meer muß vor der fahrlässigen Verschmutzung und der Ausbeutung seiner Ressourcen geschützt werden. Die Verletzbarkeit unserer Ökosysteme, lebenswichtig für unseren wirtschaftlichen Erhalt, muß in den regionalen Wirtschaftsprogrammen ernst genommen werden.

Es kann nicht gewartet werden, denn morgen könnte es zu spät sein. Unsere Entscheidungen von heute dürfen nicht zu einem toten Buchstaben werden: ihnen muß die konkrete Tat folgen und die Bildung von wirksamen gemeinsamen Arbeitsinstrumenten muß das Ergebnis sein. Der Transport in der Region ist unangemessen. Er wandelt sich in ein Hindernis für den Tourismus und die Integration in der Karibik. Er wird keine effektive Integration zwischen unseren Völkern geben, wenn es einfacher bleibt, von unseren Ländern aus nach Europa oder in die USA zu reisen. Diese Situation muß umgekehrt werden. Viele unserer Länder sind besonders verletztlich und in gewissen Aspekten in einer schwierigeren Lage als die übrige unterentwickelte Welt. Aber wir zählen auf ein Mittel von außergewöhnlichem Wert: Wir zählen auf unsere Völker, Gründer von originellen Kulturen, die aufgrund der notwendigen Anpassung an eine sehr brüchige und veränderliche Umgebung zum Einfallsreichtum und zur Kreativität gezwungen sind.

Unsere Bedingung als Caribeños hat uns daher mit einem unternehmungslustigen, spontanen und offenen Temperament als unserer Natur ausgestattet. In diesem unersetzbaren Mittel, unseren Menschen, besteht unser Hauptreichtum und unsere oberste Trumpfkarte im Kampf für Entwicklung und einen würdigen Platz in der Welt von Morgen. Ein bemerkenswerter karibischer Historiker und Politiker, der auf diesem Boden, der uns heute gastfreundlich aufnimmt, geboren wurde, definierte in bedeutungsvoller Weise die Eingliederung der Karibik in die Geschichte, indem er sagte, daß wir zu reinen Marine- und Militärbasen anderer werden, „angegriffen, verteidigt, gefangen, wiedererobert, wiederbessen, gehandelt, geschenkt“. So war laut Eric Williams der Beginn unserer Beziehung mit der modernen Welt und der internationalen Wirtschaft. Heute jedoch, in Ausübung unseres souveränen Rechtes, ohne auferlegte Zwänge und Vormundschaften, sind wir zusammen, um über lebenswichtige Themen für das Schicksal unserer Völker zu sprechen. Heute eröffnen wir ein neues Kapitel der Geschichte, die wir seit einiger Zeit selbst zu schreiben begonnen haben. Vielen Dank.“

PANAMA

Generalstreik abgebrochen – Regierung setzt sich durch

(Mexiko-Stadt, 16. August 1995, POONAL).- Trotz des Generalstreiks fast aller gewerkschaftlich organisierten Arbeiter*innen verabschiedete die Regierungsmehrheit im Parlament die von Präsident Ernesto Prez Balladares eingebrachten Reformen des Arbeitsgesetzes (vgl. POONAL Nr. 206). Balladares unterzeichnete die Reformen fast direkt nach der Parlamentsentscheidung und ließ sie am 14. August im offiziellen Gesetzesblatt veröffentlichen. Praktisch keine der von den Gewerkschaften beanstandeten Regelungen wurden in der dritten und entscheidenden Parlamentsdebatte verändert. Einzig und allein für den Fall einer ungerechtfertigten Entlassung stehen die Arbeiter*innen aufgrund einer Änderung in letzter Minute etwas besser da als in der ursprünglichen Reformfassung vorgesehen.

Nachdem die Entscheidung im Parlament gefallen war, brachen die Gewerkschaften, die bereits in der Vergangenheit in einer Drei- Parteien-Kommission mit Regierung und Unternehmern die Reform des Arbeitsrechtes verhandelt hatten, ihren Streik ab. Damit brachten sie die 49 Einzelgewerkschaften in Zugzwang, die am 3. August den Streik als erste begonnen hatten. Diese beendeten einen Tag später ihre Streikmaßnahmen, kündigten allerdings einen „landesweiten Widerstand“ gegen die Ausführung der Reformen an. Der Generalsekretär der Baugewerkschaft informierte zusätzlich über eine Klage am Obersten Gerichtshof und bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), da die neue Gesetzgebung verfassungswidrig sei. Der Sieger in der Auseinandersetzung heißt jedoch eindeutig Ernesto Perez Balladares. Die sture Regierungshaltung setzte sich trotz des zeitweisen Generalstreiks und der in den Tagen vor der dritten Parlamentsdebatte erfolgreichen Mobilisierung der Gewerkschaften am Ende durch. Arbeitsminister Mitchel Doens betonte ausdrücklich, die Regierung sei „bereit, den politisch notwendigen Preis für die Reformen zu zahlen“. Und Wirtschaftsminister Guillermo Chapman machte das Kalkül der Regierung deutlich: „Spätestens in einem Jahr wird der Nutzen fühlbar sein.“ Die Regierung hofft auf eine Verringerung der 13prozentigen Arbeitslosigkeit und auf Auslandsinvestitionen, mit denen sie nachträglich ihr Vorgehen noch einmal rechtfertigen könnte.

COSTA RICA

Einigung zwischen Lehrer*innen und Regierung

(Mexiko-Stadt, 19. August 1995, POONAL).- Nach mehr als vierwöchigem Streik kehrten 50.000 Lehrer*innen und damit etwa 700.000 Schüler*innen wieder in die Schulen zurück. 33 von 54 Basiskomitees stimmten einem Abkommen zu, daß die Gewerkschaftsvertreter*innen mit der Regierung schloßen. Darin verpflichtet sich die Regierung, eine Gehaltserhöhung im öffentlichen Sektor zu „analysieren“, mit staatlichen Beschäftigten ihr Modernisierungsprojekt zu diskutieren, die kürzlich Reformen bezüglich der Pensionen der Lehrkräfte zu überprüfen. Nicht wenige Dozent*innen kritisierten ihre Führung, weil sie ein „mehrdeutiges“ Dokument unterzeichnet habe. An der Nationalen Autonomen Universität Costa Ricas, die bei den Gesprächen mit der Regierung vermittelte, kam es sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der Universitätsgewerkschaften und Mitgliedern des „BürgerInnen- Komitees“, das das Abkommen zur Beendigung des Streikes unterschrieb.

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