Poonal Nr. 112

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 112 vom 27.09.1993

Inhalt


ARGENTINIEN

CHILE

HAITI

KUBA

GUATEMALA

Der Verhandlungsvorschlag im Wortlaut 1. Begleitet vom Beobachter

Schwierige Säuberung von Parlament und Justiz

PERU


ARGENTINIEN

Angriffe gegen Journalist*innen reißen nicht ab.

(Buenos Aires, 21. September 1993, Argenfax/Anchi-POONAL).- Mehr als 200 Journalist*innen und mehrere Dutzend Pressemedien in Argentinien sind in den vergangenen Wochen wegen ihrer journalistischen Arbeit bedroht und angegriffen worden. Alles weist auf paramilitärsiche Gruppen hin, die mit Teilen der Regierung von Präsident Carlos Saul Menem verbunden sind. Sie sind mit der Berichterstattung unzufrieden, die über Korruption, offizielle Mißwirtschaft, staatliche Defizite und das Verhalten von Funktionären bei konkreten Geschehnissen aus dem lokalpolitischen Leben berichten.

Journalist*innen stellen Mahnwache vor dem Regierungssitz auf

Obwohl Menem einen Sonderstaatsanwalt ernannte, um die Angriffe zu untersuchen, gibt es noch keine Fortschritte und die anonymen Täter sind nach wie vor auf freien Fuß. Die Union der Pressemitarbeiter von Buenos Aires (UTPBA) hat in diesen Tagen als eine Form von Druck eine ständige Mahnwache vor dem Roten Haus (Name des argentinischen Regierungssitzes) aufgestellt, damit die Angriffe gegen die Presse aufgeklärt werden.

In den letzten Tagen besuchten der Generalsekretär der chilenischen Journalistenvereinigung, Hernán Uribe und sein venezolanischer Kollege Eleazar Díaz Rangel Argentinien, um die Forderungen der argentinischen Journalist*innen zu unterstützen und von der Regierung die Aufmerksamkeit gegenüber dem Problem zu verlangen. Beide sind Mitglieder der Nachforschungskommission über Angriffe gegen Journalisten (CIAP).

In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß während des letzten Militärregimes einige hundert argentinische Journalist*innen verschwanden, mehrere Dutzend ermordet wurden und Familien von Pressemitarbeiter*innen ins Exil flüchten mußten.

CHILE

„Wir sind die Alternative für die Umwandlung Chiles“

Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten der chilenischen

Linken (Santiago de Chile, September 1993, Anchi-POONAL).- Seit dem 17. Januar dieses Jahres bereist er jeden Winkel Chiles – mit seinem grauen Anzug, dem Kreuz auf der Brust und einer tiefen und entschiedenen Stimme. Dieses Interview machte er 48 Stunden, nachdem er aus den Tiefen der Kohlegrube in der Stadt Lote im Süden des Landes gestiegen war, wo er mit den Minenarbeitern 500 Meter unter dem Meer diskutierte. Die Rede ist von Eugenio Pizarro Poblete, 53jähriger katholischer Priester und Präsidentschaftskandidat für die MIDA, die Bewegung der Allendistischen Demokratischen Linken. Die MIDA vereint unter anderem die Kommunistische Partei, die Breite Kraft der Linken und die Bewegung der Sozialistischen Erneuerung.

Pizarro definiert den Inhalt der Präsidentschaftsambitionen der MIDA so: „Wir wollen die Antwort auf den Neoliberalismus sein, die Alternative für die Umwandlung Chiles. Wir wollen die soziale Volksbewegung wieder auf die Beine bringen, die durch die Pinochet-Diktatur zerbrochen wurde.“ Er fügt hinzu, daß „die Linke kraftvoll die nationale politische Bühne betritt. Sie will quantitative und qualitative Fortschritte erreichen und wir werden bei den Präsidentschaftswahlen am 11. Dezember für eine große Überraschung sorgen.“

Frage: Wie würden sie die derzeitige Regierung der „Vereinbarung für die Demokratie“ charakterisieren, die Patricio Aylwin anführt?

Pizarro: „Wir hatten große Hoffnungen, mit der Regierung Aylwin zur Demokratie überzugehen. Jetzt besteht diese Regierung vier Jahre und die „Vereinbarung für die Demokratie“ ist eine große Enttäuschung für das chilenische Volk. Sie versprach, das Land zu demokratisieren, aber der Präsident selbst mußte erkennen, daß das Land nicht demokratisiert ist. Unter anderem deswegen, weil der Pinochismus und die Streitkräfte eine Parallelmacht sind, weil es ein zweiteiliges Wahlrecht gibt und der Armeechef Senatoren ernennen kann. Sie versprach Wahrheit, Gerechtigkeit und die Aufhebung des Amnestiegesetzes im Fall derer, die die Menschenrechte verletzt haben.

„Die Regierung hat die Hoffnungen enttäuscht“

Die Regierung hat das nicht erfüllt und sie fördert die Straflosigkeit. Sie versprach wirtschaftliches Wachstum mit sozialer Gerechtigkeit und am Ende dieser Regierung gibt es 5,4 Millionen Arme und 1,3 Millionen Bedürftige. Die kleine Minderheit der Reichen bemächtigt sich an rund 60 Prozent des nationalen Reichtums, während die 20 Prozent der Ärmsten der Bevölkerung nur zu 4 Prozent daran teilhaben.

In Chile besteht die Unabsetzbarkeit der Oberkommandierenden der Streitkräfte fort, mit einer Militärverfassung, mit einem Verfassungsgericht und einem Sicherheitsrat, die von der Rechten und den Militärs beherrscht werden. Die Unterdrückung ist real und besteht weiter fort. Diese Regierung der „Vereinbarung für die Demokratie“ hat Verrat begangen und ihr Programm nicht erfüllt.“

Frage: Es wird von einem wirtschaftlichen Erfolg in Chile gesprochen. Sie und die MIDA kritisiern jedoch das ökonomische Modell, das die Regierung anwendet.

Pizarro: „Der Neoliberalismus ist ein Fiasko. Und dieser Neoliberalismus ist brutal. Er wurde während der Diktatur und jetzt unter der Regierung Patricio Aylwins angewandt. Man spricht von einem Erfolg, aber ein chilenischer Arbeiter hat als Mindestlohn 100 Dollar im Monat. Ich weiß nicht, was man mit 100 Dollar im Monat anfangen kann. Bevor der Neoliberalismus in Chile angewendet wurde, waren 16 Prozent der Bevölkerung arm und jetzt sind es 44 Prozent der Chilenen. In unserem Land ist der Neoliberalismus ein großer Mißerfolg.“

Frage: Und was ist angesichts dessen Ihr Programm?

Pizarro: „Wir sind uns der Realität des Landes bewußt. Im Rahmen des Reorganisationsprozesses der sozialen Bewegung wollen wir zur wirklichen Demokratie übergehen, die durch den Sozialismus ausgedrückt wird. Aber jetzt bereiten wir den Boden vor – wie es Compañero Salvador Allende gesagt hat, damit die Bevölkerung auf ihre Befreiung zugeht. Im Programm der MIDA haben wir sechs Vorschläge, die die Notwendigkeit aufzeigen, die Politik, die Wirtschaft, die internationalen Beziehungen, die Kultur und die Umwelt zu demokratisieren und die Alternative eines gerechten Landes anzubieten.“

Frage: Aber ist der Sozialismus nicht an vielen Orten gescheitert?

Pizarro: „Wir müssen Veränderungen am Sozialismus vornehmen. Das sogenannte Scheitern des Sozialismus im Osten war von Phänomenen wie der Bürokratie und fehlender Demokratie bestimmt, aber er war erfolgreich in sozialer Hinsicht. Und der Kapitalismus und der Neoliberalismus? Seit wievielen Jahren scheitern sie schon in allen Bereichen? Die Völker schreien nach ihrer Befreiung. Es ist der Schrei der Armen und der Sozialismus ist für sie eine Gesellschaftsalternative.“

Frage: Wie kommt ein Priester dazu, sich als Kandidat der Linken in Chile aufstellen zu lassen?

Pizarro: „Ich überzeugte mich davon, daß ich mich dem Weg der Armen verpflichten mußte. Ich glaube, daß die Kirche eine Kirche der Armen sein muß und daß ich diese Verpflichtung in der derzeitigen Politik übernehmen muß. Ich fühle mich ganz Priester und fühle, daß ich in jedem Moment meiner Kampagne eine Messe feiere. Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Präsidentschaftskandidatur und meiner Tätigkeit als Priester“.

HAITI

Neue Gewaltwelle gegen demokratische Gruppen

(Port-au-Prince, 18. September 1993, HIB-POONAL).- Die neue Regierung, bereits ohne Macht, ist nach drei Wochen steigender Gewalt an dem Punkt angelangt, ihre ganze Glaubwürdigkeit zu verlieren. Direkt nachdem Robert Malval im vergangenen Monat als Regierungschef vereidigt wurde, haben ultrarechte Kräfte eine Offensive gegen die demokratischen Kreise begonnen. Sie fand ihrenHöhepunkt in dem Mord an Antoine Izmery (siehe letzte POONAL- Ausgabe; die Red.), in Überfällen auf verschiedene Institutionen, systematischer Unterdrückung und psychologischer Kriegsführung.

Gewöhnlicherweise mit dem allgemeinen Ausdruck „macoutes“ in Verbindung gebracht, besteht die Ultrarechte aus der von Armee und ihren paramilitärischen Kräften, den Neo-Duvalieristen, bestimmten politischen Parteien (in den nächsten POONAL-Ausgaben werden die Parteien Haitis vorgestellt; die Red.) und einem Teil des Privatsektors. Nach Meinung vieler Beobachter*innen in Haiti scheinen ihre Aktionen von Beratern aus den Vereinigten Staaten geführt zu werden. „'Attachés'… sind alle Hilfskräfte des haitianischen Militärs“ hatte Izmery noch drei Tage vor seinem Tod erklärt. „Und das Militär würde diese Befehle nicht geben, wenn sie nicht vom Pentagon gebilligt würden.“

Generalstaatsanwalt wurde bedroht und trat zurück

Die Regierung Malval hat Erklärungen abgegeben, die zur „Versöhnung“ aufrufen und die deutlich machen, daß sie entschlossen ist, zur Demokratie zurückzukehren. Bislang sind aber noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen worden. Der UNO- Sicherheitsrat jedoch forderte gestern (17. Sept.) das haitianische Militär auf, die Gewaltkampagne zu beenden und drohte, einige der suspendierten Sanktionen erneut in Kraft zu setzen. In der Erklärung heißt es, daß Sanktionen, die das „Leiden“ der Bevölkerung erhöhen, möglichst vermieden werden sollen. Darunter fällt die Wiederaufnahme des Ölembargos. Eher wird der Sicherheitsrat die ausländischen Gelder für die Militärchefs zurückhalten.

Verschiedene Regierungsinstitutionen sind teilweise oder ganz unter der Kontrolle der „Macoutes“, einschließlich des staatlichen Fernseh- und Radioprogramms, Abteilungen des Obersten Gerichtshofes und des Bürgermeisteramtes von Port-au-Prince. Als die Regierung den derzeitigen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes zum Rücktritt aufforderte, strengte dieser einen Prozeß gegen Malval und seinen Justizminister an. Als der Generalstaatsanwalt den Tod von Izmery untersuchen sollte, wurde er bedroht und trat zurück.

Als Präsident Jean-Bertrand Aristide eine Parlamentsversammlung für den vergangenen Mittwoch (15. Sept.) forderte, um über ein Gesetz abzustimmen, das die Entwaffnung der „attachés“ und die Trennung der Polizei von der Armee regeln sollte, versammelten sich Dutzende von bewaffneten Personen in der Nähe des Parlaments. Die Parlamentarier*innen blieben aus und die Versammlung erreichte nicht die nötige Mitgliederzahl für eine Beschlußfähigkeit.

UNO-Vermittler soll in 72 Stunden das Land verlassen

Gestern (17. Sept.) betraten Dutzende bewaffneter Männer einer neuen „politischen Organisation“ mit dem Namen Front für den Fortschritt des Landes (FRAP) das Finanzministerium. Sie forderten, daß alle ausländischen Berater mit Ausnahme der US- amerikanischen das Land verlassen sollten. In einer Pressekonferenz des Vortages gab die FRAP dem Vermittler der UNO und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Dante Caputo, 72Stunden Zeit, das Land zu verlassen.

Die Unterdrückung, die neuerdings psychologische Elemente miteinschließt, schreitet voran. Journalist*innen, Priester und andere demokratische Führer*innen haben Drohanrufe erhalten. Viele von ihnen sagen, daß eine Liste mit Personen existiert, die beseitigt werden sollen. Es zirkuliert ein Flugblatt mit dem Namen „OP 30 de Septiembre“ (der Jahrestag des Staatsstreiches), das eine Beschreibung von 16 „Befehlen“ enthält wie „Unsere Demokratie ist das Gesetz der Uzi“ (die Uzi ist ein israelisches Maschinengewehr; die Red.) oder „Die kommenden Tage müssen rot sein“.

Angeführt von Hubert Deronceray haben verschiedene politische Parteien einen Brief unterzeichnet, der Dante Caputo kritisiert. Deronceray und andere, einschließlich des ehemaligen Bürgermeisters von Port-au-Prince, Franck Romain, werden angeklagt, Hinrichtungen zu planen und Pistolen, Macheten und Granaten an ihre Verbündeten in Petit-Goave zu verteilen. Im Radio Freiheit hieß der „Macoute“-Pressesprecher Serge Beaulieu das Massaker an „Gegnern ohne Waffen“ gut und bezeichnete das Kabinett von Malval als „kommunistisch“.

Aristide: Armee plant zweiten Staatsstreich

Nach der gescheiterten Parlamentsversammlung forderte Präsident Aristide erneut Rücktritte in der Armee. Er erklärte, daß das Militär dabei ist, einen zweiten Staatsstreich auszuführen. Er rief zu einer weiteren Versammlung für den folgenden Tag (19. Sept.) auf. Angesichts der Todesdrohungen forderte Caputo mehrmals den Rücktritt von Polizeichef Oberst Michel Francois. Er klagte den Armeechef Raoul Cedras an, die Vereinbarung von Governor's Island zu verletzen.

Cedras, seine Soldaten und die paramilitärischen Kräfte haben ihre Offensive fortgeführt, in dem sie durchschnittlich jeden Tag sechs Personen ermorden. Seine Antwort hat er in der Form verschiedener Briefe und Mitteilungen über das von den „Macoutes“ kontrollierte Fernsehen gegeben. An seine Soldaten sandte er schliesslich in der Nacht (18. Sept.) einen Brief, in dem er die internationale Gemeinschaft anklagte, eine Kampagne mit dem Ziel „die haitianische Armee zu verteufeln“, zu führen.

Die Haltung der Vereinigten Staaten wechselt und paßt sich der jeweiligen Situation an. Nach der Ermordung Izmerys beteuerte US- Präsident Clinton seine Empörung. Er erklärte nochmals seine Verantwortlichkeit für die Rückkehr des Präsidenten am 30. Oktober. Als der Sicherheitsrat der UNO Sanktionen in Betracht zog, wechselten die USA jedoch ihre Position. Die aktuellen Bedingungen auf Haiti dürfen nicht, die in der Vereinbarung vom 3.Juli festgesetzten Zeitplan stören, so die US-Regierung. Damit stellt sie sich gegen die Empfehlungen des UNO-Vermittlers Dante Caputo, was einer Unterstützung des Terrorregimes gleichkommt. In der US-Botschaft auf Haiti erklären die Pressesprecher weiterhin, daß sie „alle Unterzeichner“ der Vereinbarung unterstützen.

KUBA

Wochenzeitung rügt Hirtenbrief der katholischen Bischöfe

(Vor knapp anderthalb Wochen veröffentlichten die katholischen Bischöfe Kubas einen Hirtenbrief zur derzeitigen kritischen Situation des Landes. Darin forderten sie unter anderem politische Veränderungen und mehr Pluralität, gingen aber so gut wie gar nicht auf die besondere Lage Kubas angesichts der US-Blockade ein. Fast alle Publikationen des Landes reagierten auf den Hirtenbrief. Eine der heftigsten Reaktionen erschien in der Wochenzeitung „Arbeiter“, die von Prensa Latina zitiert wird. Die Redaktion.)

(Havanna, 21. September 1993, Prensa Latina-POONAL).- Der von den kubanischen Bischöfen verfaßte Hirtenbrief, in seinem scheinbaren Aufruf zur Liebe, ist eine überlegte Provokation gegen die Revolution, für die es keine Rechtfertigung gibt. Ein von der Wochenzeitung „Arbeiter“ veröffentlichter Artikel rügt die in einem Hirtenbrief geäußerten Standpunkte als „offen aggressiv und die notwendige Einheit und Moral der Kubaner untergrabend“.

Der Artikel mit dem Titel „Die Liebe erwartet alles … wenn sie nicht von Kain kommt“, bezeichnet den im Hirtenbrief enthaltenen Aufruf zur Liebe, zur Versöhnung, zum Dialog als verschleiernd. Nach Meinung des Kolumnisten wollen die Bischöfe damit eine neue Version der Geschichte schaffen. In diesem Sinn äußert er, daß die Erklärung sich in die internationale Kampagne einreiht, die für eine Agressionsstrategie gegen Kuba ist – mit der Absicht, die wachsende Solidaritätsbewegung irrezuleiten und zu zerstören. Die Realität der historischen kubanisch-nordamerikanischen Konfrontation soll verfälscht und als ein Problem zwischen Kubanern dargestellt werden.

Der Standpunkt des Klerus wird durchgehend als Teil eines „heimtückischen Vorgehens“ kommentiert. „Angesichts der möglichen Schlußfolgerung der Kirchenhierachie, daß die Revolution ihre derzeitigen großen Schwierigkeiten nicht überwinden wird“, erinnert der Artikel an die Flexibilität der Revolution und ihr Interesse, „ein ums andere Mal“ Spannungen mit der katholischen Kirche zu vermeiden.“ Der Kommentator schreibt dem Klerus „fehlende Aufrichtigkeit und böse Absicht“ zu.

Katholische Kirche gegen Gespräche mit den USA

Gleichfalls sieht es der Autor als symptomatisch an, daß diese Führungsschicht – die vorgibt, um die nationale Lage besorgt zu sein – sich nicht dafür ausgesprochen habe, von Bill Clinton zu verlangen, mit Kuba ohne Bedingungen zu sprechen, um besonnen und zivilisiert eine Lösung der historischen Konfrontation zwischen beiden Ländern zu suchen.

„Kuba ist gegenüber dem Dialog mit der kubanischen Gemeinde im Ausland nicht verschlossen und unterhält ihn in der Tat mit bestimmten politischen und unternehmerischen Kreisen der Emigranten“, führt der Artikel weiter aus. Er sagt, daß die politische Einmischung der katholischen Kirchenhierachie in die nationale Realität viel zu denken gibt. Gleichzeitig erinnert er an die Verschwörung zwischen CIA und der polnischen katholischen Kirche, um den Sozialismus in diesem europäischen Land zu zerstören. Der Text kommentiert auch die Verwicklung des kubanischen katholischen Klerus in die agressive us-amerikanische Politik in den 60er Jahren.

Die Kirche – unterstreicht er – applaudierte den wirtschaftlichen Strangulationsmaßnahmen und anderen Mitteln wie die Aufkündigung der Zuckerquote, der Lieferung von Öl, Medikamenten und Nahrungsmitteln. Sie begrüßte die militärischen Drohungen, die Aktion bewaffneter Banden, die Piratenangriffe und die Söldnerinvasion von Giron (Schweinebucht), die von Militärpredigern begleitet wurde.

Kirche applaudierte den wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen

Nachdem die Regierungen Lateinamerikas – mit Ausnahme Mexikos – alle Verbindungen mit Kuba abgebrochen hatten und die Sowjetunion sich als einziger, verbliebener Freund zeigte, wollen die Bischöfe jetzt eine neue Geschichtsversion schreiben, so heißt es im Artikel.

Genau wie die Konterrevolution folgert die Kirchenhierachie, daß wir beim Bettelstatus angekommen sind. Der Autor der Wochenzeitung mahnt darüberhinaus an, daß dieser Teil des Klerus über die Solidaritätsgeste der Priester für den Frieden im August in Laredo, Texas schweigt.

Was die Kritik an der Regierung hinsichtlich der illegalen Ausreise angeht, so erinnert er daran, daß die katholische Kirche an der Kampagne teilnahm, die die Emigration von Berufstätigen und Wissenschaftler*innen förderte. Weiterhin diente sie in den Jahren zwischen 1960 und 1962 als Vermittlerin mit dem nordamerikanischen State Department, um 15.000 Kinder ohne ihre Eltern aus dem Land zu holen.

„Die Revolution, die eine tiefe Umwandlung in der nationalen Realität als Ziel verfolgt hat, wollte die frommen Katholiken nicht von diesem patriotischen Werk trennen“, versichert die Zeitschrift „Arbeiter“.

GUATEMALA

Bischof Toruno will Friedensverhandlungen wieder in Gang bringen

(Mexiko-Stadt, 21. September 1993, cerigua-POONAL).- Der ehemalige und eventuell zukünftige Vermittler bei den Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der Revolutionären Nationalen Einheit Guatemalas (URNG), Bischof Monsenor Rodolfo Quezada Toruno, hat einen Verhandlungsvorschlag vorgelegt und diesen in einer Presseerklärung erläutert. Beide Dokumente, die in Guatemala bereits beträchtliche Diskussionen ausgelöst haben, dokumentiert die Nachrichtenagentur Cerigua im Folgenden. (Die Redaktion)

Presseerklärung von Bischof Quezada Toruno

1. Am 8. Juli veröffentlichte der Präsident Ramiro De León Carpio eine vorläufige Initiative, um die stockenden Friedensverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Verschiedene Bereiche der guatemaltekischen Gesellschaft und Einzelpersonen haben ihre Meinung über diesen Vorschlag geäußert, wie es die Regierung selbst auf Foren und in den Massenmedien erwünschthatte. Gleichfalls ist die erste Reaktion der URNG (16. Juli) bekannt.

2. Während zweier Monate habe ich absichtlich keine öffentlichen Erklärungen abgegeben und mich darauf beschränkt, den Inhalt der Vorschläge zu analysieren. Die aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft der Verhandlungen sind eine Tatsache. Als Vermittler der vorherigen Etappe habe ich es – nachdem ich den Inhalt besagter Vorschläge analysiert habe – als meine Verpflichtung angesehen, der Regierung der Republik und der Generalkommandatur der URNG einen ebenfalls vorläufigen Vorschlag vorzulegen, der es erlauben soll, einen gangbaren Weg zu finden und beide Seiten als auch die verschiedenen zu Rate gezogenen Sektoren zu befriedigen.

3. Um die Friedensverhandlungen zu beleben, habe ich den vorläufigen Vorschlag am 8. September persönlich dem Präsidenten der Republik vorgestellt und ihn am folgenden Tag der Kommandatur der URNG zugeschickt. Am selben Tag habe ich ihn dem Beobachter der Vereinten Nationen zugesandt. Es ist kein Vorschlag, den es zu akzeptieren oder abzulehnen gilt, sondern ein Vorschlag, der diskutiert werden soll. Es war meine Absicht, daß er vertraulich behandelt werden sollte. Dennoch hat sich Dr. Héctor Rosada Granados (der Koordinator der vor kurzem aufgestellten Regierungsdelegation für die Verhandlungen, vgl. letzte POONAL- Ausgabe; die Red.) in einer Pressekonferenz vom 16. September ausdrücklich auf diesen Vorschlag bezogen. Dies verpflichtet mich, ihn heute zu veröffentlichen, da mich bereits verschiedene Journalisten über seinen Inhalt befragt haben.

4. Dem Präsidenten der Republik und den Kommandanten der URNG gegenüber habe ich meine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, mit ihnen zu sprechen, um meine Motive und Gründe darzulegen, die mich dazu brachten, diesen Vorschlag mit der einzigen Absicht vorzulegen, den Beginn der Gespräche zu erleichtern.

5. Bis zum 25. Mai habe ich als Vermittler in den Funktionen am Friedensprozeß teilgenommen, wie es die Abkommen von Oslo und Méxiko für mich vorsahen. Hiermit erkläre ich meine Bereitschaft, auch in der Zukunft auf die Art und Weise mitzuarbeiten, die Regierung und URNG gemeinsam bestimmen. Es ist klar, daß ich keine Teilnahme an dem Prozeß akzeptieren kann, die nur auf der Initiative einer der beiden Seiten beruht.

6. Ich vertraue auf Gott und den guten Willen beider Seiten, daß sich in gemeinsamer Vereinbarung ein gangbarer und ruhiger Weg findet, um eine politische Lösung des bewaffneten internen Konfliktes zu finden. Meine möglichen zukünftigen Funktionen entsprechen der einstimmigen Haltung der Bischofskonferenz, deren Mitglied ich als Bischof von Zacapa und Kardinal von Esquipulas bin. Das heißt, daß die Konfrontation und die Gründe, die für sie ursächlich sind, mittels des Dialogs gelöst werden müssen. Unser einziges Ziel ist der wahre Friede, eine Gabe Gottes und ständige Aufgabe des Menschen.

Guatemala de la Asunción, 21. September 1993

Der Verhandlungsvorschlag im Wortlaut 1. Begleitet vom Beobachter

(der UNO; die Red.) würde der

Vermittler eine äußerst stille Pendelmission erfüllen, um eine

übereinstimmende Tagesordnung für ein einleitendes Treffen zwischen Regierung und URNG zu erreichen.

2. Bei diesem Treffen würden die beiden Seiten: 2.1 Die Abkommen von Mexiko und Querétaro ratifizieren und den Veränderungen gegenüber der Verfahrensweise von Oslo bei folgenden Punkten zustimmen: a) Geheimhaltung; b) Teilnahme der Sektoren der guatemaltekischen Gesellschaft und c) die mögliche Vermittlung der Vereinten Nationen bei Themen über die militärischen Strukturen.

Vereinbarung über Menschenrechte abschließen

2.2 Die Grundlagen schaffen, um die Menschenrechtsvereinbarung (Vergangheits- oder Wahrheitskommission) und die internationale Überwachung derselben abzuschließen. Dies soll auf dem einleitenden Treffen selbst oder in einer nächsten Gesprächsrunde geschehen. 2.3 Übereinstimmend die Mechanismen eines permanenten Friedensforums festlegen.

3. Das Ständige Friedensforum oder „Die Friedensschaffung“ 3.1 Der Vermittler würde es einberufen. 3.2 Der Vermittler würde es unterstützt von fünf Beratern koordinieren. 3.3 An dem Forum würden alle Bereiche der guatemaltekischen Gesellschaft teilnehmen, sofern sie ihre Legitimität, Repräsentativität und Gesetzlichkeit verbürgen können.

3.4 Das Forum würde sich in fünf Arbeitsgruppen aufteilen, die die substantiellen Themen behandeln. Themen von vorübergehendem Charakter werden nicht behandelt. Die fünf Arbeitsgruppen sollen drei Wochen lang unter der Koordination von fünf Beratern des Vermittlers arbeiten. In der letzten Woche gäbe es eine Vollversammlung der Arbeitsgruppen, bei der die jeweiligen Schlußfolgerungen analysiert würden. Danach gäbe es erneut drei Wochen in Arbeitsgruppen und ein neues Plenum.

3.5 Die möglichen Vereinbarungen werden einstimmig oder per absoluter Mehrheit (Zweitdrittel plus eine Stimme) getroffen. 3.6 Die URNG soll in den fünf Arbeitsgruppen vertreten sein. Die Regierung würde in Übereinstimmung mit der URNG die juristischen Modalitäten für deren Aufenthalt im Land regeln. 3.7 Die Regierung und die URNG würden die Sicherheit und die Freiheit der Teilnehmer am Forum garantieren.

Friedensforum soll direkte Verhandlungen vorbereiten

3.8 Der Beobachter der Vereinten Nationen und die Gruppe der Freunde können an den Treffen der fünf Diskussionsarbeitsgruppen teilnehmen. 3.9 Die nationale und internationale Presse haben Zutritt zu den Plenen und müssen über die Fortschritte in den Arbeitsgruppen informiert werden. 3.10 Das Büro des Vermittlers bietet den Teilnehmern logistischeUnterstützung für die Treffen. Das Forum findet vor der direkten Verhandlung zwischen Regierung und der Kommandatur der URNG statt. 4. Die direkten Verhandlungen zwischen der Regierung und der Kommandatur der URNG finden in Mexiko oder in dem Land, über das die beiden Seiten sich einigen, statt. 4.1 Der Vermittler und die fünf Koordinatoren der fünf Diskussionsgruppen nehmen an den Verhandlungen als Repräsentanten (persönliche Vertreter; die Red.) oder Repräsentative (Sprecher für eine Mehrheit; die Red.) der guatemaltekischen Gesellschaft teil. 4.2 Die Regierung und die URNG ratifizieren die politischen Vereinbarungen über die substantiellen Themen, die im ständigen Forum verabschiedet wurden.

4.3 Die Vereinten Nationen werden durch einen Vermittler die Verhandlungen über die Themen der militärischen Strukturen voranbringen. 4.4 Die Gruppe der Freunde wird den Vermittler der Vereinten Nationen unterstützen. 4.5 Die nationale und internationale Öffentlichkeit muß im voraus angemessen über die Verhandlungen informiert sein.

Schwierige Säuberung von Parlament und Justiz

(Mexiko-Stadt, 23. September 1993, NG-POONAL).- Guatemala befindet

sich in einer Krise, deren Ausgang nicht mit Sicherheit

vorausgesagt werden kann. Die Staatsorgane, die jegliche Glaubürdigkeit verloren haben, streiten sich untereinander und widersetzen sich der Zivilgesellschaft, die den Rücktritt von Abgeordneten und Richtern aufgrund deren maßloser Korruption fordert.

Tatsächlich befindet sich der Staat am Rande der Unregierbarkeit und in der Praxis bleibt das Militär das Machtzentrum. Der Kongreß hat nicht einmal eine Führung, die ihm seine Funktion innerhalb des marginalen Rechtsstaates, der seit dem Tag des versuchten Staatsstreiches des ehemaligen Präsidenten Jorge Serrano besteht, wiedergeben kann.

Der Oberste Gerichtshof (CSJ) ist intern gespalten. Es gibt eine Konfrontation zwischen Richtern auf dem Land und in der Stadt, die eine unterschiedliche Meinung über die Form haben, in der die Säuberung der Gerichte vorgenommen werden muß. Die ländlichen Richter sind für einen „geordneten“ und gesetzlichen Vorgang, die anderen setzen auf Mittel politischer Art.

Ähnlich ist die Situation im Kongreß. Der „gesetzliche Ausweg“ bedeutet für die Abgeordneten ebenso wie für die Richter, einen „ehrenhaften Weg“ zu finden, sich von diesen Staatsorganen zurückzuziehen oder – abhängig von den Ereignissen – eine mögliche Gelegenheit zu suchen, auf ihren Posten zu bleiben. Vielleicht sind sie ein bißchen davon überzeugt, daß „die Zeit alle Spuren verwischen wird“.

Aber angesichts der geringen Ernsthaftigkeit, die der Präsident Ramiro De León Carpio zeigt – einen Tag verlangt er den Rücktritt aller Abgeordneten und danach beglückwünscht er derenFührungsjunta, die sich illegal wählen ließ – bringen die zivilen Sektoren zum Ausdruck, daß die Krise nur durch eine „politische Vereinbarung“ gelöst werden kann, die Fristen und Mechanismen aufstellt, die zur Umwandlung des Kongresses und des Gerichtshofes führen.

Bemerkenswert ist, daß der Druck der Bevölkerung trotz der Gewalt der Streitkräfte nicht nachgelassen hat und die Möglichkeit eines Wechsels offen bleibt. De León Carpio dagegen muß verstehen, daß seine Nachgiebigkeit gegenüber den Militärs sein Image als Menschenrechtsverteidiger und sein Überleben als Politiker kostet. Zusammengefaßt: Das Land befindet sich in einer entscheidenden Phase. Doch noch ist die Frage unbeantwortet: Quo Vadis, Guatemala?

PERU

Todesstrafe für TerroristInnen

(August 1993, Alai-POONAL).- „Dies war ein Trauertag für Perú. Ich fühle, daß man ganz leichtfertig über daß Leben der anderen verfügt hat“, äußerte Pilar Coll, unermüdliche Menschenrechtskämpferin in Perú, als sie aus der Umzäunung des Verfassungskongresses heraustrat. Dort wurde am Dienstag, 3. August nach weniger als neun Stunden Debatte die Todesstrafe für Terrorist*innen verabschiedet.

Im verabschiedeten Artikel 159 heißt es wörtlich: „Die Todesstrafe kann nur bei Vergehen des Landesverrats und des Terrorismus angewendet werden, in Übereinstimmung mit den Gesetzen und den Verträgen, die Perú unterzeichnet hat.“ In Perú wird an der Umformulierung der Verfassung seit vergangenem Januar gearbeitet. Bis heute sind mehr als 200 Artikel verabschiedet worden. Der auf die Todesstrafe bezogene Artikel erfuhr jedoch eine andere GUATEMALA

Behandlung. Er war der einzige, der in geheimer Abstimmung verabschiedet wurde, 55 Stimmen votierten dafür und 21 Stimmen dagegen.

Auf diese Weise kam der Vorschlag der Regierungsfraktion Neue Mehrheit/Wechsel 90 zur Geltung, die Todesstrafe für Terrorist*innen in die neue Verfassung Perus aufzunehmen. Diese muß nach den Ankündigungen des peruanischen Präsidenten, Alberto Fujimori durch eine Volksbefragung oder Volksabstimmung angenommen werden. In der alten Verfassung von 1979, die am 5. April 1992 von Fujimori ausgesetzt wurde – gab es die Todesstrafe bereits, aber nur „für Landesverrat im Fall eines Krieges mit dem Ausland“. Die Strafe wurde in den 13 Jahren ihres Bestehens niemals angewandt.

Die Todesstrafe existiert in Perú seit Jahrhunderten. Am Ende des Inkareiches wurde der Inka Atahualpa zum Tod verurteilt, weil er eine Religion beleidigt haben sollte, die er nicht kannte. Später, im 18. Jahrhundert wurde der peruanische Rebell Túpac Amaru gevierteilt, vier Pferde rissen seinen Körper in Stücke. Die Todesstrafe wurde in den peruanischen Verfassungen von 1823, 1826, 1828 und 1860 festgeschrieben, sie war aber auf extreme Verbrechen begrenzt. In den Verfassungen von 1856 und 1867 wurde die Todesstrafe wieder abgeschafft.

1920 führte der damalige Präsident Augusto B. Leguia sie wieder ein, aber nur wenige Jahre später, 1925, schafft er sie erneut ab. Man sagt, daß die 30er Jahre die Jahre der Erschießungen in Perú waren. Denn schon 1931 wurde die Todesstrafe erneut für Landesverrat und Mord festlegt. Die Diktatur des Generals Velasco Alvarado (1968) schränkt die Todesstrafe eine Zeitlang ein, um sie 1971 auf die Entführung von Minderjährigen mit Todesfolge auszuweiten. Im Dezember desselben Jahres gilt die Strafe dann auch für diejenigen, die Bomben oder Explosivstoffe benutzen und damit Tote oder Verletzte verursachen. Die Machthaber finden immer größeren Gefallen an der Todesstrafe, sie gilt nun auch für bewaffneten Raubüberfall, Totschlag und Vergewaltigungen von Kindern, die jünger als sieben Jahre sind. Schließlich verfügt dieselbe Militärregierung die Todesstrafe am 3. Dezember 1974 für Terrorismus mit politischen Motiven.

MeinungsforscherInnen: 60 Prozent für Todesstrafe

Seit einigen Wochen ist die peruanische Gesellschaft bei dem Thema gespalten. Die Mehrheit der Meinungsforschungsinstitute sagt, daß nahezu 60 Prozent der Bevölkerung mit der Höchststrafe einverstanden sind, während etwa 40 Prozent ihre Anwendung ablehnen. Nur wenige seien unentschlossen oder haben keine Meinung. Die Debatte findet im wesentlichen auf politischer Ebene, in den Menschenrechtsorganisationen und den Medien statt. Sie hat sogar zu einer nationalen Kampagne gegen die Todesstrafe geführt, die unter dem Motto „No Matarás“ (Du sollst nicht töten) Unterschriften im ganzen Land sammelt, Flugblätter und Plakate verteilt und vor den „schweren Folgen, die eine Entscheidung dieser Natur für unser Land hat“, warnt.

Die Schlußdebatte über die Einbeziehung der Todesstrafe in die neue Verfassung wurde durch den Präsidenten der Verfassungskommission, Dr. Carlos Torres y Torres Lara eröffnet. Er rechtfertigte ihre Anwendung auf die Terroristen als Verteidigung der Gesellschaft und des Staates. Der Abgeordnete versicherte, daß die Höchststrafe weder rückwirkend noch allgemein sein werde. Das heißt, sie soll nur in Extremfällen angewendet werden, nach Regeln, die ein spezielles Gesetz aufstellt.

Aber die Schlußdebatte des Verfassungskongresses teilte auch die Abgeordneten der Regierungsfraktion der Neuen Mehrheit-Wechsel 90. Zwei ihrer Mitglieder, Ricardo Marcenaro und Dr. César Fernández Arce stimmten gegen die Todesstrafe. Marcenaro verurteilte den den unumkehrbaren, grausamen und unmenschlichen Charakter der Todesstrafe. Bei seinen Parteigenossen verursachte dies Überraschung und Verwirrung, von der Opposition erhielt er Applaus und Ovationen.

Der Staat übernimmt die Logik des „Leuchtenden Pfades“

Auch in den Oppositionsparteien sind die Meinungen gespalten. In der Christlichen Volkspartei beispielsweise stimmten Lourdes Flores Nano und Antero Flores Araoz für die Höchststrafe, während ihre Parteigenossen ebenso dagegen stimmten wie alle Mitglieder der Demokratischen Koordination und der Demokratischen Bewegung der Linken. Ähnliches geschah in der Erneuerungsbewegung, die der Regierung verbunden ist: Gonzalo Ortíz de Zevallos und Enrique Chririnos Soto unterstützten die Todesstrafe, während Juan Carpio dagegen stimmte.

Unter den Gegnern der Höchststrafe trat der Vertreter der Demokratischen Bewegung der Linken, Dr. Henry Pease García, hervor. Seiner Meinung nach bedeutet die Annahme, die Logik des Todes zu akzeptieren. Das sei genau das, was der Leuchtende Pfad (die maoistisch orientierte Guerillabewegung Sendero Luminoso in Peru; die Red.) wolle. Er bezeichnete die Todesstrafe als zwecklos und unwiderruflichen Fehlern unterworfen.

Außerhalb des Kongresses war die Wirkung nicht weniger groß. Zum Beispiel äußerte der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Javier Pérez de Cuellar, seine Besorgnis wegen „der Gefahr von Justizirrtümern“. Diese Unruhe wird von hohen Vertretern der katholischen Kirche geteilt. Der Präsident des Obersten Gerichtshofes, Dr. Luis Serpa Segura, reihte sich ebenfalls in die Front der Gegner*innen ein. „Leben können nicht damit gerettet werden, andere Leben zu zerstören“, sagte er. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer von Lima beklagte den Schritt der Abgeordnetenmehrheit. Er äußerte, daß in Peru wie in der ganzen Welt die Todesstrafe die Menschen spalte, da es sich um ein Thema handele, daß das menschliche Sein im Tiefsten berühre und in dessen Bewertung die Argumente kaum eine Rolle spielen.

Bevölkerung entscheidet per Referendum über neue Verfassung

„Im Herzen wird immer der Stachel bleiben, daß die menschliche Justiz fehlbar ist“, argumentierte der Erzbischof von Lima und Primas von Peru, Augusto Vargas Alzamora.

Letzten Endes hat sich die Kultur des Todes im Bewußtsein der dem Fujimori-Regime nahestehenden Abgeordneten durchgesetzt. Die Todesstrafe für Terroristen hat jetzt Verfassungsrang in Perú. Der Artikel ist angenommen und es bleibt nur noch die abschließende Entscheidung der Bevölkerung abzuwarten. Sie wird durch ein Referendum die neue Verfassung annehmen oder ablehnen. Wenn die abschließende Entscheidung positiv ist, müßte die peruanische Regierung erst das Abkommen von San José, Costa Rica, kündigen und ein Jahr warten. Frühestens ab 1995 kann sie die Todesstrafe anwenden.

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