Poonal Nr. 051

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 51 vom 06.07.1992

Inhalt


KUBA

Haiti

GUATEMALA

USA


KUBA

Verfassungreformen: Korrekturen am System, aber keine Kapitulation

(Havanna, 30. Juni 1992, Prensa Latina-POONAL).- Trotz der schon traditionellen Anfeindungen aus den Vereinigten Staaten, die dazu zwingen, jeden Schritt sorgfältig abzuwägen, hat das kubanische Parlament verfassungsmäßige Änderungen für den kommenden Juli beschlossen. Jeder kubanische Funktionär ist bedacht, dem Eindruck entgegen zu wirken, daß diese Veränderungen aufgrund des Drucks von außen eingeleitet werden. Im Gegenteil, und auch wenn das paradox erscheint im Zusammenhang mit der antikubanischen Kampagne, stelle der von den USA um Kuba gelegte Belagerungsring heute das Haupthindernis für die vorgeschlagenen Veränderungen dar, die dazu dienen sollen, das Land den neuen internationalen Bedingungen anzupassen. Tatsächlich sind diese Veränderungen schon lange vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des sozialistischen Blocks in Osteuropa eingeleitet worden. Der Kollaps der wichtigsten Handelspartner Kubas hat die Durchführung der Neuerungen indes sehr erschwert. Nachdem diese Attacke überstanden war – und entgegen der US- amerikanischen Prognosen über einen baldigen Sturz des kubanischen Systems – wurde die Linie der „rectificación“, der Korrektur von Fehlern und negativen Tendenzen, wie es hier genannt wird, wieder aufgenommen. Für den Bereich der Gesetzgebung bedeutet das, die bei der Vorbereitung zum 4. Kongreß der Kommunistischen Partei von Kuba (PCC) entwickelten Ansätze wiederaufzunehmen. Millionen von Bürgern hatten in Versammlungen der Stadtteile und der Betriebe den Versammlungsaufruf diskutiert und ihre Vorschläge zur Verbesserung des Lebens auf Kuba formuliert. Auf Grundlage dieser Vorschläge und Kritiken hat der PCC-Kongreß beschlossen, der Nationalversammlung des Poder-Popular-Parlamentes eine Analyse der notwendigen Verfassungsreformen vorzulegen. Im Dezember 1991 nahm das Parlament den Vorschlag der PCC an und beauftragte eine Kommission, die von der Bevölkerung vorgebrachten Ideen aufzunehmen und zudem weitere notwendige Verfassungsreformen zu diskutieren.

Religionsfreiheit in Verfassung festschreiben

Unter Berücksichtigung der gegenwärtig schwierigen Bedingungen des Landes werden die Veränderungsvorschläge von den Abgeordneten auf einer für den 10. Juli einberufenen Sitzung debattiert werden: dabei wird die Modifikation von 34 Artikeln und die Aktualisierung von 42 weiteren der insgesamt 141 Verfassungsartikeln im Mittelpunkt stehen. Im Zentrum dieses Projektes der Veränderung steht, was man als das Anknüpfen an nationale Traditionen bezeichnen könnte, zusammen mit den Grundlagen des Gedankenguts des Unabhängigkeitspatrioten José Martí. So findet sich in den Anträgen der Kommissionen an die Abgeordneten die Idee, in der Präambel der Verfassung die Philosophie von José Martí als Grundlage des Staates neben den politischen und sozialen Ideen von Marx, Engels und Lenin aufzunehmen. Im Einklang mit den Beschlüssen des 4. PCC-Kongresses wird jetzt erwogen, die ausdrückliche Anerkennung, den Respekt und die Garantie der Religionsfreiheit in der Verfassung festzuschreiben. Die den Abgeordneten vorgeschlagene Formulierung betont den weltlichen Charakter des Staates ebenso wie sie die verschiedenen Glaubensrichtungen berücksichtigt. Neben dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts oder der nationalen Herkunft sollen jetzt die religiösen Richtungen gestellt werden und diese auch als Bürgerrechte verankert werden. Der Modifizierungsentwurf sieht außerdem die ausdrückliche staatliche Anerkennung, den Respekt und die Garantie der Freiheit des Bewußtseins und des Glaubens vor. In bezug auf die Wirtschaft, laufen die Vorschläge auf eine Flexibilisierung des Außenhandels hinaus, der bislang ausschließlich vom Staat organisiert wird, sowie auf die Anerkennung des Rechtseigentums an gemischten Unternehmen, Gesellschaften und Zusammenschlüsse. Als eine der Mängel der gegenwärtigen Verfassung – die 1976 in Kraft getreten ist – wird von den Experten die fehlende Definition eines Notstandes gewertet, der jetzt, im Einklang mit internationalen Bestimmungen, beschrieben werden soll.

Geheime, freie und direkte Wahlen

In bezug auf die obersten Organe der Poder Popular, der Volkskammer, die seit 16 Jahren in Kuba funktioniert, soll die freie, direkte und geheime Wahl der Mitglieder der National- und Länderversammlung eingeführt werden, wie es zur Zeit schon auf Kommunalebene geschieht. Zwischen den Ebenen der Kommunal- und der Länderregierung hofft man die Instanz der Volksräte einzuführen, die eine Art Gemeinderegierung darstellen, mit denen der Kontakt der Bevölkerung mit der Regierung stärker partizipativ ausgestaltet werden soll. Auf der Grundlage der militärischen Doktrin, die vorsieht, daß im Falle eines bewaffneten Angriffs die gesamte Bevölkerung in die Verteidigung einbezogen werden soll, wird als Modifikation die Einführung des Konzepts der sogenannten Verteidigungsräte vorgeschlagen. Der Entwurf sieht vor, daß der Rat für Nationale Verteidigung sich in Friedenszeiten zusammensetzt und Vorbereitungen trifft, um das Land im Falle eines Krieges, einer Generalmobilmachung oder eines Notstandes führen zu können, unter Leitung des Präsidenten des Staatsrates und des Regierungschef. Die Verfassung soll außerdem die Bildung von Verteidigungsräten auf Provinz- und Kommunalebene festlegen, um die jeweiligen Territorien in Kriegszeiten auf der Grundlage eines allgemeinen Verteidigungsplanes führen zu können. Die Militärdoktrin „Volkskrieg“ sieht vor, daß die Gebiete selbst im Fall einer partiellen Besetzung darauf vorbereitet sein müssen, autonom weiterzukämpfen. Da die Kubaner in gewisser Weise schon daran gewöhnt sind, seit mehr als 30 Jahren unter dem Druck der USA zu leben, wissen sie, daß diese Veränderungen ihre Feinde nicht befriedigen werden, da diese daran interessiert sind, den Parteienpluralismus und die seit 1959 aufgegebene Marktwirtschaft wieder einzuführen. Darauf aber zielen die Veränderungsvorschläge eben nicht ab, die – nach Meinung der Abgeordneten – die Perfektionierung einer eigenen Demokratie und die Aktualisierung der Verfassung, als eine Reaktion auf die weltweiten Veränderungen der letzten Jahre, zum Ziel hat.

Haiti

USA will Gespräche zwischen Bazin und Arisitide

(Haiti-Info, 30. Juni 1992).-Das US-amerikanische Außenministerium hat erklärt, daß es keinen Kandidaten für das Amt des Premierminsiters bevorzuge. Gleichzeitig verstärkte es den Druck auf den im September des vergangenen Jahres von den Streitkräften gestürzten Präsidenten Aristide, den neuen Premierminister Marc Bazin zu treffen, und somit die neue, von den Putschisten etablierte Regierung anzuerkennen. „Wir denken, es ist an der Zeit, daß sich die Hauptakteure an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung finden“, sagte ein nordamerikanischer Diplomat. Der dominikanische Präsident Balaguer könne als Vermittler dienen. Elliot Abrams, ehemaliger Assistent im Staatssekretariat, forderte im Miami Herald, die US-Regierung müsse den Exilpräsidenten Aristide zu Verhandlungen mit Bazin zwingen oder alle Beziehungen zu dem rechtmäßigen haitianischen Staatsoberhaupt abbrechen. Jean Bertrand Aristide lehnt indes ein Treffen mit dem Regierungschef Bazin weitgehend ab. „Ich bin der Präsident von Haiti, also steht es mir offen, die Bürger des Landes zu empfangen. Ich bin bereit, den Bürger Bazin unter der Bedingung zu treffen, daß er seinen Hut des Premierministers zu Hause läßt.“ Der Botschafter Jeam Casimir sagte, Aristide werde Verhandlungen mit Bazin nur auf der Grundlage des sogenannten Washingtoner Protokolls akzeptieren. Zentraler Punkt dieses Abkommens ist die die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten. Die Partei Mouvement d'Organisation du Pays (MOP) kritisierte den starken Druck auf den im Exil lebenden Präsidenten, der zu Verhandlungen mit den neuen Machthabern gezwungen werden solle. Die MOP schlug ihrerseits ein Treffen Aristides und Bazins im Nationalpalast in Port-au-Prince oder in Cité Soleil vor. Umfassende Sicherheitsgarantien seien notwendig. Die MOP forderte zudem die Einbeziehung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die MRN des Kommunisten René Théodore erklärte am 23. Juni, sie werde sich nicht an der Regierung von Marc Bazin beteiligen. „Der Konsens einer Minderheit, der sich dem nationalen Willen widersetzt, kann nur durch Isolation und Repression aufrechterhalten werden. Durch eine gesetzeswidrige Machtergreifung und durch Repression antwortet man nicht auf eine Wahlniederlage.“

Zwölf-Punkte-Plan für die Rückkehr zur Demokratie

Die Nationale Front für Wandel und Demokratie (FNCD) hat sich am 24. Juni ebenfalls gegen die Nominierung von Bazin ausgesprochen und eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung gefordert. Die Partei legte einen 12 Punkte umfassenden Plan vor, der dem Parlament, den Parteien, den Streitkräften und dem Präsidenten Aristide unterbreitet werden soll. Der Plan umfaßt folgende Kernpunkte: * Wiedereinsetzung von Aristide als rechtmäßiger Präsident * Ernennung eines Premierministers durch den gewählten Präsidenten. Der neue Premierminister soll eine von allen Parteien akzeptierte Regierung der nationalen Einheit bilden. * Erlaß einer Generalamnestie, um eine soziale und politische Befriedung zu erreichen und die politische und wirtschaftliche Isolierung Haitis aufzuheben.

Die FNCD kündigte an, in beiden Parlamentskammern ein Gesetz einzubringen, das die Rückkehr des Präsidenten Aristide zum Ziel habe. Die FNCD signalisierte indes, sie werde die Arbeit des Parlaments nicht mehr boykottieren und Gesetzen zustimmen, die dem Wohl des Landes dienten. Am 23. Juni war eine Sitzung der Abgeordnetenkammer aufgrund mangelnder Beschlußfähigkeit gescheitert. Bei der Einsetzung seines Kabinetts am 22. Juni beteuerte Bazin, er werde die haitianische Nation versöhnen und ein Programm ausarbeiten, um die Krise zu überwinden. Er bezeichnete das nach dem Putsch gegen Haiti verhängte Handelsembargo als ungerechtfertigt und diskriminierend. Er kündigte zudem an, seine Regierung werde in den kommenden 180 Tagen folgende Schwerpunkte setzen: Ausarbeitung von Gesetzen zur Landverteilung, Trennung von Polizei und Armee, Gründung eines Fonds zur Finanzierung sozialer und humanitärer Aktionen für die Armee. Nach Informationen der OAS wurde 32 Mal gegen das Embargo verstoßen. Eine mit der Überwachung des Handelsboykotts beauftragte Kommission berichtete, daß Schiffe von unbekannten Besitzern 984 941 Fässer Erdöl nach Port-au-Prince transportiert hätten. Die Kommission forderte die Staaten, die das Embargo unterlaufen hatten, namentlich die Dominikanische Republik, Venezuela, Kolumbien und Brasilien, zu Stellungnahmen auf. Die OAS-Mitgliedsländer sollten den gemaßregelten Staaten den Zugang zu den Häfen verweigern. Gleichzeitig beschloß der Ständige Rat der OAS, das Embargo gegen Haiti zu verlängern und die Kontrollen zu verschärfen. Verstöße gegen das Embargo werden mit der relativ geringfügigen Strafe von 10 000 US-Dollar geahndet. Ein kanadischer Diplomat erinnerte an die Initiative seiner Regierung, die haitianischen Staatsguthaben im Ausland einzufrieren.

GUATEMALA

Aufstieg zum zentralen Drogenumschlagplatz

(Guatemala, 2. Juli 1992, Cerigua-POONAL).- Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika stimmte am 15. Juni mit sechs gegen drei Stimmen dafür, die Entführung von Personen, die von der US-Justiz gesucht werden, zu legalisieren. Das heißt: Menschen, die nicht die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, können jetzt aus anderen Ländern heraus entführt werden, wenn sie sich eines Verstoßes gegen die US-Gesetze schuldig gemacht haben, um dort vor Gericht gestellt zu werden. Dies war das Ergebnis monatelanger Beratungen im Fall des mexikanischen Arztes Humberto Alvarez Machaìn, der 1990 entführt wurde und sich seitdem in US-Haft befindet. Insbesondere in Guatemala, das gegenwärtig eine Hochkunjunktur als Drogenumschlagplatz erfährt, böten sich ähnliche Eingriffe geradezu an.

Neuer Entführungsfall

Die lautstarken Proteste der guatemaltekischen Regierung gegen den Beschluß des obersten US-Gerichts erlangten indes einen eigentümlich hohlen Klang. Denn unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Entscheidung des „Supreme Court“ wurde die Entführung einer Person aus Guatemala publik, ohne daß die guatemaltekischen Behörden darauf – wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre – mit lautstarker Kritik geantwortet hätten. Am 19. Juni veröffentlichten guatemaltekische Zeitungen, daß Gerald Aaron White am 11. Juni vermutlich von FBI-Agenten aus der guatemaltekischen Hauptstadt entführt und unmittelbar danach in einem texanischen Gefängnis gesichtet worden sei. Die guatemaltekischen Behörden (sofern sie nicht völlige Unkenntnis des Falles vorschürzten) und die US-Botschaft versicherten einmütig, daß White freiwillig in die USA geflogen sei, um sich den dortigen Gerichten zu stellen. Eine Version die von seiner guatemaltekischen Ehefrau dementiert wird. Wenn man die internationalen Übergriffe der USA in den letzten Jahren betrachtet, kann einen solch eine Gerichtsentscheidung eigentlich nicht mehr verwundern. Verglichen mit den Interventionen in Panama kommt Guatemala ja noch gut weg. Dort scheute sich die US-Regierung nicht, die Auslieferung eines Drogenkönigs – bei dem es sich zufälligerweise um den ehemaligen Verbündeten und das, zu dem Zeitpunkt noch amtierende Staatsoberhaupt von Panama, General Antonio Noriega, handelte – durch die Bombardierung der Zivilbevölkerung mit Raketen zu erzwingen. Dieser Massenmord wurde mit der „hehren Absicht“, den Drogenverbrechern das Handwerk zu legen, gerechtfertigt. Der US-Unterstaatssekretär Levitsky bezeichnete unlängst Guatemala als das „zentralamerikanische Kolumbien“ in der Drogenfrage. Die guatemaltekische Zeitung „Siglo XXI“ hob in einer dem Drogenhandel gewidmeten Sonderausgabe drei Faktoren heraus, die den Aufschwung Guatemalas zu einem zentralen Drogenumschlagplatz erklären sollen: Die Straffreiheit, die Komplizenschaft von Drogenhändlern und – bekämpfern sowie die strategisch günstige Lage. Lange Zeit operierten die großen Drogenkartelle über die „Karibikroute“. Dieser Transportweg ist jedoch nahezu abgeschnitten, seitdem die USA zwischen Honduras, Kuba, Puerto Rico und Florida Radarnetze installiert haben. Als Alternative bot sich die sogenannte Pazifikroute nach Guatemala an; von dort werden die Drogen über den Golf von Mexiko an die US-Küste transportiert.

Broccoli-Frachter voll Kokain

Auf welch hohem Niveau der Drogenhandel in Guatemala floriert, illustriert der Fall der vermeintlichen Gemüse-Exportfirma FRUCOSA. Am 27. April beschlagnahmte die US-amerikanische Drogenbehörde DEA eine Schiffsfracht der FRUCOSA in Florida. Zwischen tiefgefrorenem Broccoli fanden sie 7,5 Tonnen Kokain. Besitzer der 1989 in Guatemala gegründeten Firma ist Carlos Martín Morán, der zum Drogenkartell von Cali gehört und Kolumbien nach einem mißglückten Mordanschlag auf den „Capo“ des Drogenkartells von Medellìn, Pablo Escobar Garcìa, aus Angst vor Repressalien verließ. Die DEA geht davon aus, daß der enttarnte Gemüsefrachter am 27. April mindestens die siebte Kokainladung in die USA lieferte. Offiziell verschiffte die FRUCOSA nichttraditionelle Agrargüter von Guatemala nach Florida; von dort wurden sie über die „South East Agrotrade“ an US-Supermärkte weitergeleitet. Aufmerksam wurde die DEA aufgrund des Radarsystems, daß das Übergewicht der offiziell mit zwei Tonnen angebenen Fracht registrierte. Als die guatemaltekischen Behörden zusammen mit der DEA noch am selben Tag bei FRUCOSA vorstellig wurden, fand sich dort natürlich weder eine Spur von Kokain noch von Martín Moràn. Der wirtschaftliche Druck der USA auf Guatemala, insbesondere die Militärhilfe einzustellen, falls die guatemaltekische Regierung nicht entschiedener gegen den Drogenhandel vorgeht, hat Wirkung gezeigt. Der guatemaltekische Präsident Serrano Elias verängerte das zwischen den USA und Guatemala bestehende Auslieferungsabkommen. Mitte Februar wurde aufgrund dieses Abkommens der ehemalige Bürgermeister von Zacapa, Arnoldo Vargas, an die USA ausgeliefert. Die USA hatten am 11. Oktober des vergangenen Jahres einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Zacapa wird beschuldigt, der wichtigste Drogenhändler im Osten Guatemalas zu sein. Am 15. Juni wurde der guatemaltekische Magnat Edgar Galvez Peña auf seiner Finca in der Nähe von Coban von vier Unbekannten beim Verlassen seines Hubschraubers erschossen. Galvez, einer der reichsten Männer Guatemalas, stand im Ruf, einer der wichtigsten Drogenhändler des Landes zu sein. Insbesondere seine Vorstandspositionen in verschiedenen Banken gaben Anlaß zur Annahme, daß er seine Reichtümer im Wesentlichen mit Geldwäscherei anhäufte. Es gibt keinerlei offizielle Hinweise darauf, ob Zusammenhänge zwischen den beiden Vorfällen bestehen. Das ist nicht weiter verwunderlich. Denn geradezu penetrant auffällige Zufälle werden mit peinlicher Sorgfalt ingnoriert. Bislang wurde etwa in offiziellen Stellungnahmen mit keiner Silbe erwähnt, daß die Landepisten des mutmaßlichen Drogenhändlers Vargas nur sechs Kilometer von einem Militärstützpunkt entfernt sind.

Marquez warnt vor Verlust der nationalen Würde

Der kolumbianische Schriftsteller Gabriel García Marquez äußerte im Bezug auf die neue US-Gesetzgebung in der mexikanischen Zeitschrift „Proceso“, daß die lateinamerikanischen Länder Gefahr liefen, durch die US-Eingriffe ihre nationale Würde zu verlieren. „Eine Mutter schickt ihre Kinder nicht zu den Nachbarn, um es von denen bestrafen zu lassen, sondern sie bestraft sie selbst, auch wenn sie das Geschirr der Nachbarn zerbrochen haben. So einfach ist das.“ Aber so einfach ist das nicht in Guatemala, wenn die Regierung ein Spielball der Interessen der USA und der eigentlichen Machthaber des Landes ist, der Streitkräfte und der Oligarchie.

Armut wächst – Mindestlöhne reichen nicht zum Überleben

(Guatemala, 1. Juli 1992, NG-POONAL).- Für die unteren Schichten wird es zunehmend schwieriger, den Lebensunterhalt zu sichern. Während sich im März dieses Jahres die Kosten des Basis-Warenkorbs an Lebensmitteln in Guatemala-Stadt auf 814.96 Quetzales (ca. 163 US-Dollar) beliefen, werden gegenwärtig 348 Quetzales (70 US- Dollar) als Mindestlöhne ausgezahlt. Dies geht aus Dokumenten des Nationalen Statistikinstituts INE hervorgeht. Für die übrigen Städte betragen die Kosten für den Basiswarenkorb 674.41 Q (135 US-Dollar), in den ländlichen Gebieten belaufen sie sich auf 569.86 Q (114 US-Dollar), was eine Steigerung von rund 20 Prozent bzw. 35 Prozent im Vergleich zu Dezember 1991 bedeutet. Seit Beginn des vergangenen Jahres liegt der Wechselkurs bei 5 Quetzales pro US-Dollar. Das INE hat berechnet, daß die Mindestlöhne für nicht- spezialisierte Arbeiter, inklusive zusätzlicher Vergütungen, im März des laufenden Jahres auf dem Land bei 585 Q (19.5 Q täglich) und in den Städten bei 766 Q, (25.53 täglich) hätten liegen müssen, um sich mit den Basiswaren versorgen zu können. Das Statistikinstitut geht davon aus, daß in Guatemala im Durchschnitt zwei Personen zu einem Familieneinkommen beitragen. Gegenwärtig liegt der Mindestlohn auf dem Land jedoch bei nur 300 Q und in den städtischen Gebieten bei 348 Q, damit also unter den Summen, die laut INE für die Grundversorgung notwendig sind. Am teuersten ist dieser Basiswarenkorb in der Hauptstadt. Dort kostet er 17.09 Prozent bzw. 29 Prozent mehr als in den übrigen Städten bzw. auf dem Land. Diese Kluft hat sich im Lauf der Zeit immer weiter geöffnet, was dazu führte, daß die Bewohner dieser beiden Zonen weniger für ihre Basisversorgung mit Lebensmitteln bezahlen. Gleichzeitig verfügen sie allerdings auch über geringere Einkommen und einen niedrigeren Lebensstandard als die hauptstädtische Bevölkerung. Die sozial am stärksten durchschlagenden halbjährlichen Steigerungen sind zwischen Juni und Dezember 1990 verzeichnet worden, mit einem Anstieg von 32 Prozent. Der so definierte Basiswarenkorb setzt sich aus folgenden Waren zusammen: Brot, Reis, Tortillas, Mais und Maisprodukte, Weizen, Kartoffeln, Yuca- Frucht und andere Knollenfrüchte, Zucker, Bohnen, Hülsenfrüchte, Tomaten, Guisquil, andere Gemüse, Bananen und andere Früchte, Fleisch, frischer Fisch, Milch, Käse, Eier, Kaffee, Kohlensäuregetränke, Öl, Fett und Margarine. In der zentralen städtischen Zone, sind die Kosten für den Basiswarenkorb für eine Familie im Durchschnitt von 268.5 im Juni 1986 auf 790.77 im Dezember 1991 angestiegen und haben sich damit im Laufe von fünfeinhalb Jahren verdreifacht, mit einem jährlichen Anstieg um 194.58 Q. Eine ähnliche Entwicklung konnte auch in dem ländlichen Gebiet beobachtet werden. Dort stiegen die Kosten von 157.05 auf 548.90 Quetzales im Monat an.

USA

Ist die SUPERMACHT am Ende?

(Ecuador, Juni 1992, alai-POONAL).-Die jüngsten Aufstände in den Vereinigten Staaten wurden ausgelöst durch vier weiße Polizisten, die den Schwarzen Rodney King in Los Angeles brutal zusammengeschlugen; ein vertrautes Bild – abgesehen von der Tatsache, daß der Vorfall gefilmt und so im ganzen Land von einem konsternierten Publikum auf den Fernsehbildschirmen verfolgt wurde. Die Unruhen in den nordamerikanischen Städten haben erneut die tiefliegenden sozialen Widersprüche zu Tage gefördert, die die mächtigste Nation der Welt teilen, jene Nation, die vorgibt, die Hauptdarstellerin der „Neuen Weltordnung“ zu sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben ihre Nachkriegsfeiern noch nicht beendet, die Zeitungen sind immer noch voll mit rührenden Bildern von triumphierenden Heimkehrern aus dem Irak und ihren Bräuten. Auf internationaler Ebene sind sie überzeugt davon, daß sie die einzigen sind, die die neue Weltordnung definieren können; eine Hegemonie, die sie mit dem Triumph im Mittleren Osten besiegelt haben. Als dann im eigenen Land – in den Armenvierteln der großen Städte – Aufstände ausbrachen, konnte der Analyse von Präsident George Bush („Wir haben uns in das gleichberechtigtste und eines der harmonischsten Systeme der Geschichte verwandelt“) kaum jemand mehr folgen. Die in den schwarzen, hispanischen und armen weißen Vierteln aufgestaute Wut über Verarmung und Rassismus – und über die Ignoranz des Establishments gegenüber der Misere – hatte sich eruptiv entladen. Polarisierung der Gesellschaft In den letzten zehn Jahren ist die Polarisierung der US- Gesellschaft drastisch vorangeschritten: 0,5 Prozent der Bevölkerung besitzen ein Viertel der Landesreichtümer (27 Prozent), und es wären die Löhne von 93 Arbeiter*innen notwendig, um das Gehalt eines Unternehmenschefs (einer Unternehmenschefin) zu bezahlen. Die Sektoren, die über keine Sozialversicherung, keine Erziehung und keine Arbeit verfügen, wachsen verstärkt innerhalb der schwarzen und hispanischen Minderheiten, aber auch unter den Weißen, die zwei Drittel der Armen bilden. Zu der wirtschaftlichen Regression (Verfall des Brutto- inlandproduktes; Verschlechterung des Außenmarktes; Verschuldung) kommt der Staatsrassismus und Klerikalismus hinzu, begünstigt durch den Triumph der extrem konservativen Kräfte in den achtziger Jahren. Das Zusammenspiel dieser Faktoren führte zu unübersehbaren sozialen Konsequenzen: die Kriminalität (1,15 Millionen der Amerikaner*innen sitzen im Gefängnis) und der Drogenkonsum stiegen an, das Erziehungssystem und die soziale Absicherung schlitterten immer tiefer in die Misere. Die Verringerung des Sozialetats steht in ursächlichem Zusammenhang mit der Aufstockung des Rüstungsetats, der ein Drittel des Bruttoinlandproduktes beträgt. Die USA befinden sich in der Krise: Während sie auf eine neue globale Hegemoniestellung pocht, zerbröckeln die inneren Basen.

Neue Feindbilder

Im politischen Bereich wird im Vorfeld der Wahlen der Mangel an Lösungsvorschlägen für die nationalen Probleme offensichtlich und nur notdürftig vertuscht. Die politische Debatte wird von den Werbeschlachten der Präsidentschaftskandidaten verdrängt. Nach dem einmal der Feind aus dem Osten (die UDSSR) als Vorwand für die kriegerischen Äußerungen der US-Außenpolitik verloren gegangen ist, wird jetzt händeringend nach einem neuen Feindbild (die nukleare Bedrohung Nordkorea; Gadhafi; Hussein; der Drogenhandel, die Dritte Welt) gesucht, das die Aufrüstung rechtfertigt und die Führungsrolle der USA neu begründet. Das am höchsten verschuldete Land der Welt (eine Billion US-Dollar) muß die Illusion der Supermacht aufrecht erhalten, um seine Währungsreferenz zu behalten; außerdem muß es um jeden Preis den Mythos des inneren Friedens aufrecht erhalten. Oder müssen die USA den Spuren der UDSSR folgen und sich ihrerseits auflösen?

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