Bergbau in Kolumbien: Gefahren, Illegalität und Armut

Gefährliche Arbeitsbedingungen

Illegaler Bergbau, der 60 Prozent der Förderung Kolumbiens darstellt (in Bogotá ist der Großteil der Baustellen illegal), hat von 2008 bis 2011 den Tod von mehr als 216 Personen verursacht. Allein 2014 starben mehr als 80 Bergarbeiter, einschließlich der jüngsten Tragödie am 30. Oktober: In der Kohlemine der Stadt Amagá im Departament Antioquia, 240 Kilometer von Bogotá entfernt, wurden zwölf Männer aufgrund von Überschwemmungen nach einer Explosion verschüttet.

Dies weist auf schwere Unregelmäßigkeiten sowie beunruhigende Gesundheits- und Arbeitsbedingungen hin, wie etwa der Einsatz von Kinderarbeit (im Jahr 2003 waren es 200.000 Kinder), mangelnde Ausrüstung und Programme für industrielle Sicherheit, fehlende Belüftung in den Kohlenhandlungen, die Verbreitung von Krankheiten und Zunahme von Arbeitsunfällen, der Mangel an IngeneurInnen oder GeologInnen zur Unterweisung des Arbeiterschutzes in den Minen, Schmuggel und Verhältnisse von Sklaverei, zunehmende Steuerflucht und schwere Umweltschäden, vor allem durch Gold und Quecksilber.

Kolumbien unter den Spitzenreitern im Bergbausektor

Dem Nationalen Entwicklungsplan (2010-2014) zufolge existieren in Kolumbien mehr als 14.000 Produktionsstätten für Bergbau. Während des vergangenen Jahrzehnts verzeichnete der Sektor ein mittleres Wachstum von jährlich 4,5 Prozent (allerdings nur 2,3 Prozent im Jahr 2012), mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von etwa 6,7 Prozent. Der Export von Mineralien lag im Jahr 2012 bei insgesamt 12,8 Millionen US-Dollar und stellte somit 21,3 Prozent der nationalen Exporte dar.

Laut den Daten des Sektors für Bergbau-Großprojekte SMGE (Sector de Minería en Gran Escala), liegt Kolumbien weltweit auf Platz eins beim Abbau von Smaragden, ist bei der Förderung von Kohle in Lateinamerika an erster Stelle (bzw. an neunter Stelle weltweit) und ist zudem weltweit der neuntgrößte Produzent von Nickel.

Landesweit sind mehr als 9.000 Förderlizenzen im Nationalen Bergbauregister (Registro Minero Nacional) verzeichnet. Einige davon befinden sich in Nationalparks und Reservaten der indigenen Bevölkerung. Insgesamt sind 19.000 Anträge in Bearbeitung, wobei die Nationale Bergbaubehörde ANM (Agencia Nacional de Minería) 90 Prozent davon ablehnt.

Die Gewinnung von Bergbauerzeugnissen konzentriert sich vor allem auf sieben der 33 Departaments des Landes: Erdöl in Casanare, Kohle in den Departaments Cesar und La Guajira, Gold in Antioquia und Chocó sowie Nickel-Eisen in Córdoba.

Illegaler Bergbau und kriminelle Organisationen

Vermutlich dient der illegale Bergbau als Mittel zur Geldwäsche krimineller Organisationen in Kolumbien. Es wird geschätzt, dass von den 36 Milliarden US-Dollar, die landesweit illegal im Umlauf sind, zehn Milliarden US-Dollar aus dem illegalen Bergbau stammen. Auch die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens FARC, die Nationale Befreiungsarmee ELN, paramilitärische Gruppen und neu entstehende kriminellen Banden, genannt Bacrim (Bandas criminales emergentes), scheinen zur Finanzierung ihrer Aktivitäten auf die illegale Förderung von Gold und Kohle zurück zu greifen.

Einer Studie der ehemaligen Sicherheitsbehörde DAS (Dirección Administrativa de Seguridad) zufolge seien die FARC für Erpressungen in den Departaments Bolívar, Caquetá, Casanare, Cauca, Guanía, Putumayo oder Tolima verantwortlich, die ELN fördere Minerale in den Departamentos Bolívar, Nariño und Santander, während paramilitärische Gruppen der Bacrim in den Departaments Antioquia, Córdoba, La Guajira und Valle del Cauca tätig seien.

Ebenso üblich sind Erpressungen, Entführungen von ArbeiterInnen oder Angriffe auf die Infrastruktur der Bergbaufirmen, aber auch der Einsatz von Druckmitteln der subtileren Art. Im Zuge der sogenannten “Kampagnen für soziale Säuberung” schließen Unternehmen beispielsweise Allianzen mit kriminellen Gruppen, die im Gegenzug für deren Schutz sorgen.

Zwischen Reichtum und Armut: Widersprüche des Bergbaus

Die hohen Summen, die aus dem Bergbausektor fließen, stehen im starken Kontrast zu der Armut in den Regionen der Bergbauförderung. Die Erzeugung [materiellen] Reichtums ist folglich nicht ausreichend, um eine ganzheitliche regionale Entwicklung zu garantieren. Damit die lokale Bevölkerung die herrschende Armut überwinden kann, müssen zudem die richtigen Bedingungen geschaffen werden.

Laut dem Bericht “Minería en Colombia: Institucionalidad y territorio, paradojas y conflictos” (dt. “Bergbau in Kolumbien: Institutionelle Grundlagen und [betroffene] Gebiete, Widersprüche und Konflikte”), welcher unter der Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Jorge Garay mit Unterstützung des Obersten Rechnungshofs der Republik Kolumbiens (Controladuría General de la República) erstellt wurde und zu neuen Einblicken in den Bergbau in Kolumbien beitragen soll, sind bestimmte Maßnahmen unverzichtbar. Etwa müsse der Staat die Zuständigkeit über den Bergbausektor wieder erlangen, zudem sei eine neue soziale Einigung zwischen Gesellschaft und Regierung nötig, wobei diese den verschiedenen politischen Positionen der jeweiligen Bevölkerungsschichten Gehör schenken müsse. Ebenso unentbehrlich seien ein integrativeres Bergbaumodell und eine Politik der Rohstofförderung, welche auch die Auswirkungen auf Umwelt, Soziales und Wirtschaft, sowie die ethischen und kulturellen Folgen im Blick haben müsse.

(Mit Informationen von Las 2 Orillas)

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