Trauer um „La Llorona“: Chavela Vargas (1919-2012)

von Gonzalo Curbelo

(Montevideo, 06. August 2012, la diaria).- Angesichts der jungsten Meldungen über ihren Gesundheitszustand und ihr fortgeschrittenes Alter kann man davon ausgehen, dass viele Medien bereits seit einigen Wochen ihren Nachruf in der Schublade hatten; doch obwohl Chavela Vargas in ihrer Vergangenheit stets sowohl mit ihrer Gesundheit als auch mit den guten Manieren zu kämpfen hatte, so war sie doch schon so oft für tot erklärt worden, dass niemand mehr daran glaubte, dass sie irgendwann einmal tatsächlich sterben würde.

Obwohl sie eine der bekanntesten Stimmen Mexikos war, wurde Vargas in Costa Rica geboren, wo sie bis zu ihrer Jugend lebte. Nachdem sie in Mexiko Wurzeln geschlagen hatte, war sie Straßensängerin, bis sie als über 30-jährige endlich vom Komponisten José Alfredo Jiménez entdeckt wurde, der für sie mehrere ihrer größten Erfolge komponierte. Als sie einmal angefangen hatte, aufzunehmen, konnte sie nicht mehr damit aufhören; ihre Diskografie zählt um die 80 Aufnahmen. Noch vor wenigen Wochen hatte die bereits 93-jährige eine Art Hörbuch veröffentlicht, La Luna Grande, in dem sie nicht nur einen Teil ihrer Klassiker zum Besten gibt, sondern auch die Texte eines weiteren großen anders denkenden Geistes des vergangenen Jahrhunderts vertont: Federico García Lorca.

Auftritte mit dem Revolver am Gürtel

Angesichts ihres Werkes sollte uns das Auf und Ab ihres Lebens nicht so wichtig sein; doch es ist unmöglich, sie als öffentliche Person zu umgehen und sie nicht als einen der großen Freigeister des 20. Jahrhunderts hervorzuheben. Ihr Image, das gerade für den mexikanischen Machismus schwer zu ertragen war, ist sogar denen vertraut, die ihre Erfolge wie „La Llorona“, „Paloma Negra“ oder „El Andariego“ nicht kennen: Vargas sang gewöhnlich mit einem Revolver am Gürtel, als Mann gekleidet, und sang fast ausschließlich Lieder, die Frauen gewidmet waren. Sie zeigte so ihr lesbisch-sein, das allgemein bekannt war, selbst wenn sie noch Jahre brauchte, um es auch öffentlich zuzugeben.

Bekannt war auch ihr Hang zu Tabak und Alkohol, wovon sie so viel konsumierte, dass es – zählt man ihre durch Kinderlähmung angeschlagene Gesundheit hinzu – kaum zu glauben ist, dass sie über neun Jahrzehnte gelebt hat. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn es auch dafür unkonventionelle Erklärungen gäbe, wurde sie doch schon in ihrer Kindheit von Hexen und Schamanen geheilt. Deshalb blieb sie auch ihr Leben lang deren Anhängerin (einer ihrer Spitznamen war „die Schamanin“) und trug überall alle möglichen magischen Amulette.

Liebe zum intensiven Leben

Rund um ihr Leben versammelte sich ein guter Teil der Kunstwelt der letzten Jahrzehnte. Alle möglichen Legenden über ihre Liebschaften, Laster und Waffen ließen ein beeindruckendes Bild entstehen von einer ewig währenden, leidenschaftlichen Rebellion, tragisch und voll von dieser Liebe für ein intensives Leben, die manchmal mit der Verachtung desselben verwechselt wird.

Obwohl sie natürlich ihre eigenen Verdienste und einen festen Platz in der mexikanischen Kultur hatte, ist ein guter Teil ihres späten Ruhmes und ihrer Wiederentdeckung nach Generationen dem Lied „Por el bulevar de los sueños rotos“ (auf dem Boulevard der zerbrochenen Träume) geschuldet. Dieses berühmte Stück wurde ihr zu Ehren von Joaquín Sabina und Álvaro Urquijo geschrieben und wurde zu einem der größten Erfolge des andalusischen Cantautors. Essentiell für ihr Comeback in den letzten Jahren wurde ebenfalls, dass der spanische Regisseur Pedro Almodóvar zu ihren größten Fans zählte, der ihr Freund war und einige ihrer Stücke immer wieder in seinen Filmen verwendete.

Eine lebende Legende

Aber Sabina und Almodóvar taten nichts anderes, als jemanden in Spanien zu legitimieren und anzuerkennen, der in großen Teilen Lateinamerikas (und vor allem im Norden Ecuadors) eine lebende Legende und ein Beispiel öffentlicher Unkorrektheit war; und zudem eine ständige Quelle witziger, treffender und mutiger Beobachtungen.

Chavela Vargas starb am 5. August in Cuernavaca. Bis zuletzt hatte sie sich mit eisernem Willen geweigert, sich mit aggressiven Medikamenten behandeln zu lassen und vertraute weiterhin ihren Schamanen. In ihren letzten Jahren war sie völlig versöhnt mit der Möglichkeit ihres baldigen Todes und mit ihrem unverwechselbaren Humor hatte sie erklärt, dass sie „als verrückte Alte, die 40 Flaschen Tequila getrunken hatte“ in Erinnerung bleiben wolle. Es ist jedoch viel einfacher, sich ihrer als große raue und weibliche Stimme zu erinnern, die sich durch pures Talent ihren Platz in einer Männerwelt geschaffen hat.

(siehe auch der Audiobeitrag über Vargas bei Radio onda: http://www.npla.de/de/onda/content/1245)

 

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