Poonal Nr. 606

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 20. Januar 2004

Inhalt


HAITI

MEXIKO

GUATEMALA

EL SALVADOR

NICARAGUA

DOMINICA

KOLUMBIEN

ECUADOR

ARGENTINIEN/BOLIVIEN/CHILE

ARGENTINIEN

URUGUAY

CHILE/URUGUAY

LATEINAMERIKA

LATEINAMERIKA/USA


HAITI

Aristide verspricht Parlamentswahlen

(Port-au-Prince, 18. Januar 2004, textosdom).- Innerhalb der kommenden sechs Monate sollen in Haiti Parlamentswahlen stattfinden. Dies kündigte Staatspräsident Jean-Bertrand Aristide am Montag (12. Januar) auf dem Gipfeltreffen der amerikanischen Staatschefs in der mexikanischen Stadt Monterrey an. Gleichzeitig bekräftigte er seine Absicht, nicht vorzeitig zurückzutreten. Er werde, wie es die Verfassung vorsehe, bis zum 7. Februar 2006 in seinem Amt bleiben, sagte Aristide.

Ein Sprecher der Opposition bezeichnete die Ankündigung als Täuschungsmanöver für die internationale Öffentlichkeit. „Aristide verspricht viel“, sagte Mischa Gaillard. Bereits im vergangenen Jahr hatte der umstrittene Staatschef mehrmals Neuwahlen versprochen, die genannten Termine dann jedoch verstreichen lassen.

Am Montag (12. Januar) war die offizielle Legislaturperiode des haitianischen Parlaments abgelaufen, dem 83 Abgeordnete angehören. Auch zwei Drittel der 27 Mitglieder des Senats hätten durch einen Urnengang neu bestimmt werden müssen. Die Anberaumung der Neuwahlen ist bisher auch an der Weigerung der Oppositionsgruppierungen gescheitert, Mitglieder einer Wahlkommission zu benennen. Nach Unregelmäßigkeiten und gewaltsamen Übergriffen von Aristide-Anhängern auf Parteibüros und Mitglieder der Opposition bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 verweigern diese jeden Dialog mit dem 50-Jährigen.

Bereits bei seiner Abreise zum „Amerika-Gipfel“ hatte Jean-Bertrand Aristide auf dem Flughafen von Port-au-Prince die haitianischen Bevölkerung zur Versöhnung aufgerufen und die politischen Akteure des Landes zur Wahrung des Friedens gemahnt. „Lasst Licht und Frieden überall im Land mit Weisheit scheinen“, wünschte der ehemalige römisch-katholische Priester den Zurückgebliebenen. „Nach meiner Rückkehr werden wir die Bemühungen für einen unverzichtbaren Frieden intensivieren“ versprach er.

Sein Wunsch blieb bisher ungehört – auf beiden Seiten. Kaum hatte die Maschine Richtung Monterrey von der Flugpiste abgehoben, flogen wieder Steine. Schimären genannte Anhänger von Aristide griffen am Wochenanfang Studenten der medizinischen Fakultät an. Diese wollten mit einem Gedenkmarsch durch die Strassen von Port-au-Prince und einer Messe in der wenige Autominuten entfernten Kleinstadt Petionville an die Ermordung eines Kommilitonen in Vorjahr erinnern.

In dem 80 Kilometer westlich der Hauptstadt gelegenen Städtchen Miragoane wurde am Wochenende ein Sympathisant der Regierungspartei Famni Lavalas, der Lavals-Familie, von Unbekannten bei einer Protestkundgebung der Opposition erschossen. Aus Rache übergossen daraufhin Parteigänger Aristides einen der Demonstranten mit Benzin und steckten ihn an – er schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. Und in der Hafenstadt Cap Haïtiene wurde von Unbekannten der neu ernannte Polizeichef des Nord-Departments Edner Jeanty erschossen.

Seit Anfang Dezember bei Studentenprotesten mehrere Demonstranten sowohl von Aristide-Anhängern als auch von Anti-Aufruhr-Einheiten der haitianischen Armee erschossen wurden, kommt das ärmste Land Lateinamerikas mit mehr zur Ruhe. Mehrere Minister, darunter die Erziehungsministerin, traten aus Protest gegen das brutale Vorgehen der Staatsmacht gegen die Studenten von ihrem Amt zurück.

Bei der Feier zur 200-jährigen Unabhängigkeit des Landes in der Hafenstadt Gonaïves, an der auch der südafrikanische Staatschef Thabo Mbeki teilnahm, wurde die Präsidentenkarawane von bewaffneten Anhängern der Anti-Aristide-Front beschossen. Bei Zusammenstößen im ganzen Land zwischen Regierungsanhängern und -gegnern sind in den letzten Monaten bereits mehr als 50 Personen ermordet worden.

Obwohl Oppositionsbündnisse wie die Demokratische Konvergenz oder der Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen zur „Gruppe der 184“ immer mehr Zulauf haben, verfügt Staatspräsident Jean-Bertrand Aristide noch über eine große Anhängerschar. Bisher ist es dem früheren Armenpriester und Anhänger der Befreiungstheologie immer wieder gelungen, seine gewalttätigen Schimären gegen Menschenrechtsgruppen, Feministinnen und Intellektuelle zu mobilisieren.

Bewaffnete zerstören Sendeanlagen

(Port-au-Prince, 14. Januar 2004, textosdom).- Eine Gruppe von neun Bewaffneten hat in Port-au-Prince und Umgebung die Sendeanlagen von acht Rundfunk- und Fernsehstationen zerstört. Die Sender, die der Oppositionsbewegung gegen den haitianischen Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide nahe stehen, werden mindestens zehn Tage keine Sendungen mehr ausstrahlen können, meldet „Radio Metropole“.

Der Inhaber von „Magik Stèreo“ berichtete, dass die bewaffnetem Männer mit zwei Pick-ups vorgefahren seien und mit Vorschlaghämmern und Macheten Leitung, Parabolantennen und Verstärker demoliert hätten. Außerdem wurden nach Informationen von „Radio Metropole“ die Sendeeinrichtungen „Galaxie“, „Melodie FM“, „Caraibes“, „Radio Kiskeya““, „Radio Ibo“ und „Signal FM“ völlig zerstört. Der Schaden wird auf mehrere zehntausend Dollar geschätzt.

Die Nachrichtensprecherin und stellvertretende Direktorin von „Radio Kiskeya“, Liliane Pierre-Paul, beschuldigte militante Anhänger von Staatspräsident Aristide, die Urheber der Zerstörungen zu sein. Die Journalisten seien jedoch, „mehr denn je entschlossen, ihre kritische Berichterstattung“ fortzusetzen, sagte Pierre-Paul.

Am Montag noch hatte der haitianische Staatschef zur Versöhnung zwischen seinen Anhängern und der immer lauter protestierenden Opposition aufgerufen, die seinen Rücktritt fordert. Rundfunkanstalten und Journalisten sind in den letzten Jahren immer wieder Ziel von Angriffen von Lavalas-Anhänger gewesen. Sie wollen damit eine regierungskritische Berichterstattung verhindern. Wenige Tage vor dem Überfall in Port-au-Prince hatten bereits Schimären genannte militante Anhänger Aristides in der nördlichen Hafenstadt Cap Haïtien die Belegschaft von mehreren Rundfunkanstalten bedroht. Bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Gegnern und Sympathisanten von Aristide sind in den letzten Monaten mindestens 59 Menschen gestorben.

Gewaltsame Angriffe gegen Trauerzug von Studenten

(Port-au-Prince, 18. Januar 2004, textosdom).- Eine Trauerfeier von Studenten vor der Zentralkirche Sacré-Coeur von Port-au-Prince ist am Freitagnachmittag von Mitgliedern der Regierungspartei Lavalas mit einem Steinhagel und scharfen Schüssen angegriffen worden. Eine Gruppe von Studenten der Sozialwissenschaftlichen Fakultät wollte mit dem Beerdigungszug ihrem Kommilitonen Máxime Deselmour die letzte Ehre erweisen.

Der 32 Jahre alte angehende Sozialwissenschaftler war bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern des haitianischen Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide und Mitgliedern der Opposition am 7. Januar erschossen worden. Mit ihm starben damals zwei weitere Personen, 25 Regierungsgegner wurden verletzt.

Auch Angehörige der „l'Unité de Sécurité Générale du Palais National“ hätten sich an den Übergriffen beteiligt, meldet die der Opposition nahe stehende Rundfunkstation Radio Metropole. Die Mitglieder der Palastwache von Staatschef Aristide hätten die Trauernden mit Tränengas beschossen und mit Knüppeln durch die umliegenden Strassen getrieben. Auch scharfe Schüsse seien abgegeben worden. Fünf Personen seien ins Krankenhaus eingeliefert worden, drei davon hätten Schussverletzungen erlitten.

MEXIKO

Sicherheit per Videoclip

(Montevideo, 12. Januar 2004, púlsar).- Der Gebrauch von Videofilmen zur Erfassung von Passagieren auf Reisen ist weder ein Vorrecht auf Flugreisen, noch ist sie ausschließlich Reisenden in die USA vorbehalten. Auch einige Fernbusbahnhöfe in Mexiko-Stadt bannen ihre Passagiere bereits auf Video.

Mit der Einführung des Programms zur Sicherheit der Passagiere zeichnen einige Busgesellschaften ihre Passagiere einzeln auf Video auf, um Überfälle während der Reise zu vermeiden. Dies geschieht bisher auf den Busstationen Nord und Süd (Tasqueña) der Metropole.

Die Reisenden werden während der Reise und vor dem Zustieg in die Busse von Mitarbeitern der Reiseunternehmen gefilmt. Ständig laufende Bildschirme sind zudem mit 16 Kameras vernetzt, die Wartesäle, die Busbahnsteige und die Passagierzugänge der Fernbusse überwachen.

Das Videomaterial wird bis zu zwei Monate lang archiviert. Diese Überwachung ergänzt die polizeilichen Maßnahmen.

Wiedereröffnung von Kommunalradios gefordert

(Montevideo, 8. Januar 2004, púlsar).- In mexikanischen Bundesstaat Jalisco wurde die Bundesregierung aufgefordert, ein Kommunalradio wiederzueröffnen, das vom Ministerium für Kommunikation und Verkehr (Secretaría de Comunicaciones y Transportes) am vergangenen 15. Dezember geschlossen worden war. Vertreter des Senders erklärten, dass dieser ein „unverzichtbares Medium im Landkreis“ sei. Gleichzeitig setzte die mexikanische Vertretung des Weltverbands der Basisradios AMARC (Asociación Mundial de Radios Comunitarias) die entsprechenden rechtlichen Mitteln ein, um die Entscheidung des Ministeriums rückgängig zu machen.

Nach Angaben der Sprecherin von AMARC-Mexiko Aleida Calleja sollten in diesem Monat die Gespräche mit dem Ministerium für Kommunikation und Verkehr als auch mit dem Innenministerium beginnen. Dort soll endlich geklärt werden, welche Auflagen Bürgerinitiativen zu erfüllen haben, um Basisradios zu betreiben. Das bisherige Nichtverhalten der Regierung habe auch die Wiederinbetriebnahme weiterer Radiostationen verhindert, sagte Calleja. So die des Radios Santa Maria in Zapotitlán, des Radios Zona Cero in Tonaya und des Radios Grafía in Tolimán.

Der Landkreis Zapotitlán de Vadillo im Bundesstaat Colima ist von der Schließung des Radios besonders betroffenen. Dort gibt es Kommunikationsprobleme zwischen den 24 Gemeinden, die gravierende Konsequenzen haben könnten. Die Gegend wird von einer möglichen Eruption des „Feuervulkans“ (Volcán de Fuego) bedroht.

Schildkröten und Tierschützer massakriert

(Montevideo, 12. Januar 2004, púlsar).- Obwohl in Mexiko die Schildkrötenjagd gesetzlich verboten ist, wurden in den vergangenen drei Monaten im Bundesstaat Guerrero ungefähr 500 Schildkröten illegal mit Macheten und Knüppeln geschlachtet, um das Fleisch zu vermarkten. Auch die Eier werden weiterhin verkauft.

Dies berichtet die mexikanische Tageszeitung „Reforma“, deren Reporter auf zwei Kilometern des zehn Kilometer langen Strandes von San Valentín 111 Schildkrötenpanzer fanden, die durch Macheten und Schläge auf den Kopf getötet worden waren. Zwei Exemplare davon gehören zu den Lederschildkröten, deren Skelett 1,70 Meter misst. Sie haben eine Länge von zwei Metern und sind vom Aussterben bedroht.

Die illegale Jagd auf Schildkröten führte außerdem zum Verschwinden von Menschen und zu mindestens einem Ermordeten. Vergangenen September verschwanden zwei Studenten der Tiermedizin, die das Abschlachten der Schildkröten untersucht hatten. Einer von ihnen wurde einige Wochen später tot aufgefunden. Der Körper befand sich bereits in Verwesung und wies Spuren von Folter auf. Von dem anderen verschwundenen Studenten fehlt bis jetzt jede Spur.

Drogen und Geld

(Lima, 14. Januar 2004, na).- In Mexiko werden jährlich zwischen 25 und 30 Milliarden US-Dollar gewaschen. Davon geht die US-amerikanische Antidrogenbehörde DEA aus. Das Geld stamme aus dem Drogenhandel. Dank einem finanziellen, politischen, militärischen und rechtlichen System, das diesem Delikt die Türen öffne, habe die USA Mexiko nun unter die „Sorgenländer“ eingeordnet.

GUATEMALA

Neuer Präsident übernimmt Land in ruinösem Zustand

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 12. Januar 2004, npl).- Der konservative Unternehmer Oscar Berger trat am vergangenen Mittwoch (14. Januar) offiziell sein Amt als neuer Präsident Guatemalas an. Der 57-jährige übernahm ein Land mit hohen Auslandsschulden, geplünderten Staatskassen und gut elf Millionen Einwohnern, von denen weit über die Hälfte in zum Teil extremer Armut lebt.

Außerdem hat die mittelamerikanische Nation trotz eines 1996 abgeschlossenen Friedensabkommen das Trauma eines über 30 Jahre dauernden Krieges zwischen der linksgerichteten Guerilla URNG und repressiven Militär- und Zivilregierungen noch lange nicht verarbeitet.

Trotz dieser Herausforderungen kann die Situation nach Ansicht der meisten Beobachter mit Berger zumindest nicht schlimmer werden. Zu sehr wurde das Land in den vergangenen vier Jahren in einer Mischung aus Korruption und Unfähigkeit von der ultrarechten FRG gebeutelt, in der neben Präsident Alfonso Portillo der Ex-Diktatur Ríos Montt die bestimmende Figur war.

In der Zeit zwischen der am 28. Dezember gewonnenen Stichwahl und dem Amtsantritt sandte Berger widersprüchliche Signale. Entgegen seiner Ankündigung, eine plurale Regierung zu bilden, sind in seinem vor wenigen Tage vorgestellten erweiterten 29-köpfigen Kabinett überwiegend Unternehmer aus der guatemaltekischen Oligarchie vertreten.

Zwar konnte der neue Präsident die Friedensnobelpreisträgerin und Maya-Indigena Rigoberta Menchú als außerordentliche Botschafterin für seine Regierung gewinnen. Doch ansonsten wurden die Indígenas, die gut Hälfte der Bevölkerung stellen, mit dem Sport- und dem Friedensministerium abgespeist. Frauen gibt es nur zwei im erweiterten Kabinett.

Die vorgesehene Militarisierung der Nationalpolizei hat bereits heftige Kritik verschiedener Menschenrechtsorganisationen geerntet. Andererseits gehört es zu den Versprechen Bergers, die bisher im wesentlichen nur auf dem Papier bestehenden Friedensabkommen von 1996 ernst zu nehmen und auch Verbrechen der Vergangenheit aufzuklären. Dazu gehört es, Ex-Diktatur Ríos Montt, der 1982/83 ein Politik der verbrannten Erde im Kampf gegen die Guerilla praktizierte, doch noch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

In einem vor knapp fünf Jahren veröffentlichten Bericht der so genannten Wahrheitskommission wird festgestellt, dass über 90 Prozent der guatemaltekischen Kriegsverbrechen auf das Konto des Staates gehen. Tom Koenigs, ehemaliger grüner Frankfurter Umweltdezernent und Stadtkämmerer und heute Chef der UNO-Überprüfungskommission der Friedensabkommen in Guatemala (Minugua) machte in diesen Tagen deutlich, dass die Mehrheit der Empfehlungen der Wahrheitskommission vom Staat nicht befolgt wurden. Ohne Aufklärung der Vergangenheit sei die Erinnerung an die mehr als 200 000 Toten im internen Krieg befleckt, so Koenigs.

Außenpolitisch will der neue Präsident vor allem die Beziehungen zum Nachbarn Mexiko verbessern. Berger äußert für dessen ebenfalls konservativen Unternehmerpräsidenten Vicente Fox Bewunderung. In den vergangenen Jahren herrschte zwischen beiden Ländern eine Nicht-Beziehung. Guatemalas scheidender Präsident Portillo lebte längere Zeit in Mexiko. Wiederholt brüstete er sich damit, dort in angeblicher Notwehr zwei Mexikaner erschossen zu haben.

Angesichts schwacher staatlicher Institutionen und fehlender absoluter Mehrheit im guatemaltekischen Kongress kann Berger nur mit Bündnissen regieren. Da die ideologische Distanz seiner Parteienallianz GANA zur UNE des in der Stichwahl unterlegenen Alvaro Colóm und der kleineren PAN nicht allzu groß ist, stehen die Chancen für eine Mehrheit in grundsätzlichen Fragen nicht schlecht. Will er wirklich demokratisch regieren, muss Berger allerdings auf mehr Stimmen hören. Denn die drei genannten Parteien repräsentieren im Wesentlichen verschiedene Interessen der guatemaltekischen Wirtschaft.

Erneute Drohungen der Ex-Paramilitärs

(Guatemala, 12. Januar 2004, cerigua-poonal).- Den Mitgliedern der ehemaligen Zivilpatrouille PAC (Patrullas de Autodefensa Civil) scheint jedes Mittel recht zu sein, um die von der Regierung Alfonso Portillos versprochenen Zahlungen zu erhalten. Dabei scheinen sie vor keinen möglichen Folgen zurückzuschrecken. So drohten sie kürzlich, die Machtübergabe an den neuen Staatschef Oscar Berger zu verhindern, um auf diesem Weg ihre Zahlungen zu erzwingen.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof CC (Corte de Constitucionalidad) in der vergangenen Woche die provisorische Aufhebung der zweiten und dritten Auszahlung an die Mitglieder dieser paramilitärischen Einheit angeordnet hatte, drohten führende PAC-Mitglieder damit, Maßnahmen zu ergreifen, um die Machtübergabe an die gewählte Regierung Bergers zu verhindern.

Laut Mitgliedern des Komitees für Frieden und Eintracht dieser Einheit würde man die Maßnahmen noch verschärfen, sollte das höchste Verfassungsorgan des Landes die von Ex-Präsident Portillo in Aussicht gestellten Zahlungen nicht genehmigen. Ähnliche Handlungen haben bei früheren Gelegenheiten zu wirtschaftlichen Verlusten geführt und Angst unter der Bevölkerung erzeugt.

Für einige Menschenrechtsaktivisten tragen diese Drohungen der früheren Patrouillisten den Stempel Portillos. Dieser hatte die PAC bei einem Besuch im Departamento Quiché am vorvergangenen Samstag dazu aufgerufen, ihre Entschädigungszahlungen einzufordern. Er meinte, sie sollten die „juristischen Spitzfindigkeiten“ vergessen und bekräftigte, dass „er nicht mehr Alfonso Portillo heißen wolle, wenn sie die Zahlungen nicht erhielten“.

Obwohl die ehemaligen Paramilitärs über das Gerichtsurteil gegen die Auszahlungen Bescheid wissen, wollen sie diese dennoch zu jedem Preis einfordern, vor allem, nachdem der scheidende Präsident sie indirekt dazu ermuntert hatte, sich über das Urteil des Verfassungsgerichtshofes hinwegzusetzen, meinte Carmen Aída Ibarra von der Stiftung Myrna Mack, die die Haltung der Patrouillisten verurteilte.

Nach Worten der Sprecherin der Stiftung Mack sei die Reorganisierung der PAC eines der Themen, die die neue Regierung Oscar Bergers von der Alfonso Portillos erben würde. Der ehemalige Staatschef habe den paramilitärischen Charakter dieser Einheit legitimiert und der PAC somit zu neuem Aufleben verholfen.

Die Entführung von vier Journalisten der Tageszeitung Prensa Libre gegen Ende Oktober vergangenen Jahres war der letzte Gewaltakt der ehemaligen PAC gewesen. Sie drohten damals, die Journalisten hinzurichten, sollte die Regierung das Geld nicht auszahlen, das ihnen als Entschädigung für ihre Teilnahme an der „Aufstandsbekämpfung“ während des bewaffneten internen Konflikts angeboten worden war.

Vox Latina: Portillo lieferte schlechteste der demokratischen Ära

(Guatemala, 13. Januar 2004, cerigua-poonal).- Die Regierungspartei Guatemaltekische Republikanische Front (FRG) wurde von der guatemaltekischen Bevölkerung als die „Schlechteste“ der demokratischen Ära eingeschätzt. Der gerade abgetretene Präsident Alfonso Portillo gilt nach einer Umfrage von Vox Latina als schlechter Regierender. Die Ergebnisse wurde am Dienstag (13. Januar) in einer lokalen Tageszeitung veröffentlicht.

Die Untersuchung wurde auf nationaler Ebene zwischen dem 6. und 9. Januar durchgeführt. 201 000 guatemaltekische Erwachsene wurden über die Aufgabenerfüllung von Präsident Portillo befragt. Die Umfrage ergab, dass 70 Prozent ihn für keinen guten Regierungschef halten. Dagegen schätzen ihn 20,9 Prozent als eine gute Wahl ein . 8,7 Prozent antworteten nicht.

Auf die Frage „wer der korrupteste Präsident gewesen sei“, erreichte der bislang amtierende Präsident 45,1 Prozent, gefolgt von Jorge Serrano Elías mit 33,8 Prozent. Serrano regierte zwischen 1991 und 1993 und lebt heute in Panama. Er wird vom guatemaltekischen Staat beschuldigt, sich in illegaler Weise mit nationalen Gütern bereichert zu haben.

54,6 Prozent der Befragten meinten, dass Alfonso Portillo ins Gefängnis gehen sollte, ebenso wie der Ex-Präsident von Nicaragua Arnoldo Alemán. Dieser wurde 2003 wegen Korruptionsdelikten verurteilt. Nach der Meinung von 78,5 der von Vox Latina befragten Guatemalteken hat sich die Situation von Guatemala in den letzten vier Jahren verschlechtert. Die negative Meinung ist unter den Menschen der Mittelschicht mit 81,1 Prozent höher als unter der indigenen Bevölkerung mit 73,5 Prozent.

EL SALVADOR

Pfarrer bezeichnen Bushs Einwanderungsangebot als Betrug

(San Salvador, 13. Januar 2004, alc-poonal).- „Mit Betrübnis und Empörung haben wir den Einwanderungsvorschlag des US-Präsidenten George Bush vom 7. Januar zur Kenntnis genommen. Er ist ein Betrug an unserem Volk“, erklärte der salvadorianische lutherische Pfarrer Roberto Pineda.

Pineda stellte klar, dass Tausende seiner Landsleute täglich die mexikanisch-amerikanische Grenze überquerten und sich in der Wüste der Gefahr des Hungertodes aussetzten. Einziger Antrieb sei der Traum, Arbeit zu finden und mit den Dollars ihre Familien ernähren zu können. „All dieses Leiden, diese Blutopfer werden von Bush nun für seine geplante Wiederwahl benutzt. Es ist traurig, diese plumpe Wahltaktik erleben zu müssen,“ so Pineda.

Der Lutheraner erklärte weiter, dass das Angebot lediglich die Arbeitgeber begünstigen werde, die es dazu benutzen würden, illegale Arbeiter in moderne Sklaven zu verwandeln, indem man damit drohe, ihnen jeden Schutz zu entziehen, sollten sie wegen der miserablen Bezahlung oder der elenden Arbeitsbedingungen protestieren. Vielmehr müsse eine generelle Amnestie gefordert werden, und „nicht diese zeitlich befristeten Tagelöhner-Visa“.

Der baptistische Pfarrer Alex Orantes sagte seinerseits: „Wir bedauern außerordentlich die kompromissbereite Haltung der salvadorianischen Regierung, die – Bush hatte seine Rede noch nicht beendet – schon ihre Unterstützung erklärt hatte, weil ihr wichtiger ist, ein Bild der Gefolgschaft und des Gehorsams abzugeben, als die Interessen unserer Landsleute zu verteidigen.“

Orantes wies darauf hin, dass die zweieinhalb Millionen Salvadorianer, die in den Vereinigten Staaten lebten, tatsächlich vom kapitalistischen System aus El Salvador vertrieben worden seien. Der Kapitalismus habe eine derart ungerechte, unmenschliche und gewinnorientierte Gesellschaft hervorgebracht, dass es in El Salvador weder Arbeit noch Entwicklungsmöglichkeiten gebe.

Der lutherische Pfarrer Ricardo Cornejo ermahnte alle in den USA lebenden Salvadorianer, d.h. einschließlich der vorübergehend Registrieren (Estado de Protección Temporal, TPS), der Illegalen, der Residenten und auch derjenigen, die inzwischen Staatsbürger geworden seien, sich nicht von diesem neuen Manöver täuschen zu lassen und weiterhin wachsam zu sein vor einer möglichen Ausweisung. Vielmehr sollten die Salvadorianer sich politisch organisieren, um die rassistischen Politiker bei den Präsidentschaftswahlen im November zu stürzen.

Migranten warten vergeblich auf Legalisierung in den USA

Von Edgardo Ayala und Roberto Roa

(San Salvador, Dezember 2003, npl-poonal).- 170.000 Salvadorianer haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren an einem zeitlich begrenzten Migrationsprogramm der USA teilgenommen, was ihnen erlaubt, dort zu leben und zu arbeiten. Doch diese Zahl täuscht darüber hinweg, dass das mittelamerikanische El Salvador kaum Aussicht auf eine langfristige Einwanderungsvereinbarung hat und die Lage der – zumeist illegalisierten – Auswanderer Richtung Norden trotz des jüngsten Vorstoßes des US-Präsidenten George W. Bush in Sachen Migrationspolitik nach wie vor prekär ist.

Zu dem zeitlich begrenzten Migrationsprogramm hatte sich die US-Regierung durchgerungen, um die Folgen von zwei verheerenden Erdbeben Anfang 2001 zu lindern. Es richtete sich an die Salvadorianer, die bereits in die USA ausgewandert waren und garantiert ihnen einen legalen Status bis März 2005. Was danach geschieht, weiß niemand. Viele befürchten, dass ihnen dann die sofortige Abschiebung droht. „Die Angst vor einer Deportation ist latent immer vorhanden. Deswegen ziehen es viele Migranten vor, sich nicht registrieren zu lassen, um nicht später von der Einwanderungspolizei vorgeladen zu werden,“ berichtet der salvadorianische Migrationsexperte Juan José García.

Von dem Migrationsprogramm hat nur eine kleine Minderheit der schätzungsweise 2,5 Millionen Salvadorianer in den USA profitiert. Von diesen gelang es bisher rund einer Million, einen Aufenthaltsstatus zu erlangen, die restlichen leben in völliger Illegalität. So leben und arbeiten sie im Geheimen, sind jeglicher Willkür von Arbeitgebern und anderen Profiteuren ausgesetzt und dienen vielen US-Amerikanern als Sündenböcke für alle möglichen Übel.

Trotz dieser Lasten schicken die emigrierten Salvadorianer jährlich rund zwei Milliarden US-Doller an Verwandte und Freunde in der Heimat. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft des kleinen Landes, der die Einnahmen aus dem Kaffeeexport oder dem Maquila-Sektor übertrifft.

Der Soziologe García meint, dass das zeitbegrenzte Migrationsprogramm einigen Familien vorrübergehend hilft, beklagt aber, dass die salvadorianische Regierung diese Zeit nicht nutzt, um mit den US-Behörden zu verhandeln und eine Lösung für das gesamte Problem zu suchen. „Wir reagieren nur auf das, was uns die USA zubilligen, anstatt dass El Salvador eigene Initiativen ergreift,“ kritisiert García.

Glaubt man allerdings dem salvadorianischer Botschafter in Washington, René León, werden die beiden Länder in naher Zukunft eine neue Vereinbarung beraten, die auf dem Nacara-Gesetz – einem Abkommen zur Migrationserleichterung für Mittelamerikaner – basieren soll. Das 1997 verabschiedete Nacara-Gesetz soll vor allem Kubanern und Nicaraguanern das Aufenthaltsrecht erleichtern. Aber auch Einwanderer aus Guatemala, Honduras und El Salvador, die vor 1991 in den USA ankamen, können von dem Gesetz profitieren. Ziel der Verhandlungen, so Botschafter León, sei es, den Kreis der Begünstigten zu erweitern, also auch später Angekommene mit einzubeziehen. Dies könnte bis zu 500.000 Migranten aus den drei Ländern Mittelamerikas betreffen.

Eine Option, auf die auch Reynaldo Alvergue, Direktor der Nichtregierungs-Organisation „S.O.S. Inmigración“ setzt. „Wir müssen kleine Schritte machen, und ein erster wäre eine Reform des Nacara-Gesetzes, das heute das einzige Instrument ist, mit dem ein permanentes Aufenthaltsrecht in den USA erreicht werden kann,“ führt Alvergue aus.

Trotz des Enthusiasmus seitens des Botschafters herrscht unter den Betroffenen Skepsis. Es ist bekannt, dass der Kongress in den USA kaum Interesse an solchen Reformen hat. Selbst der Vorschlag von Bush zur Legalisierung der illegalen Migranten könnte an dem Parlament scheitern. „In meinen Augen ist es sehr, sehr schwer,“ meint Juan José García resigniert.

NICARAGUA

Truppen gen Irak

(Montevideo, 12. Januar 2004, púlsar).- Die nicaraguanische Armee gab die Vorbereitung eines zweiten Kontingentes bekannt, das auf Anordnung des Präsidenten Enrique Bolaños in den Irak geschickt werden soll. Dabei wurde weder auf die ökonomischen Ressourcen noch auf die mehrheitliche Missbilligung des Einsatzes durch die nicaraguanische Bevölkerung Rücksicht genommen.

Selbst der Chef des militärischen Kontingentes gab zu, dass die Situation in dem arabischen Land aufgrund des gestiegenen Widerstandes äußerst gefährlich sei. Außerdem kritisierte er, dass man in diesem Moment die Mission weiterführe, ohne bisher nur einen einzigen Cent der 900 Millionen Dollar bekommen zu haben, die für die Vorbereitung und Erfüllung der zugewiesenen Mission erforderlich seien. Bisher gesichert seien lediglich die 200 Millionen Dollar für das derzeit aktive Kontingent. Dieses könne insofern seine sechs Monate dauernde Mission erfüllen. Dessen Rückkehr sei für Ende Februar und Anfang März vorgesehen.

Das neue Team wird zusammengestellt aus 115 Militärs, denen Ärzte, Brückenpioniere und Sicherheits – und Logistikpersonal angehören sollen. Diese werden wie das erste im spanischen Stützpunkt in der Nähe von Bagdad untergebracht.

Die Abgeordneten der sandinistischen FSLN („Frente Sandinista de Liberación Nacional“) haben dagegen einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, der den Rückzug der Militärs aus dem irakischen Territorium vorsieht.

DOMINICA

Premierminister Charles gestorben

(Lima, 14. Januar 2004, na-poonal).- Der Premierminister des kleinen karibischen Inselstaates Dominica, Pierre Charles, ist am 7. Januar in Folge eines Herzanfalls gestorben. Der 49jährige Staatschef war von Beruf Lehrer und gehörte der Labourparty an. 1985 hatte er einen Parlamentssitz erhalten. Im Jahre 2000 wurde er zum Premierminister ernannt, nachdem sein Vorgänger Roosevelt Douglas verstorben war. Auch dieser starb aufgrund eines Herzanfalls.

„Es ist ein schwerer Schlag für das Land“, äußerte der Minister für Tourismus, Charles Savarin. Pierre Charles war ein harter Kritiker der US-Politik. Er hatte den Einmarsch US-amerikanischer Truppen auf der Nachbarinsel Grananda 1983 verurteilt, den die damalige Premierministerin Eugenia Charles befürwortete. 2001 sprach er sich gegen die Invasion Afghanistans aus. Ebenso wandte er sich gegen das Wirtschaftsembargo gegen Kuba und in der jüngsten Vergangenheit gegen den Krieg gegen den Irak. Im Jahr 2000 war eine seiner ersten Amtshandlungen als Premierminister die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Libyen.

KOLUMBIEN

Verlautbarung der FARC zur Festnahme von Guerillero

(Bogota, 14. Januar 2004, adital-poonal).- Die kolumbianische Guerillagruppe FARC (Fuerzas Armadas Revolutionarias de Colombia) hat nach der Verhaftung von Simon Trinidad in Ecuador eine Stellungnahme veröffentlicht. Dort lässt die Gruppe wissen, dass die Vorkommnisse rund um die Verhaftung Trinidads zum Abbruch einer geheimen Mission geführt hätten, mit der die Gefangenschaft von Ingrid Betancourt und anderen Kriegsgefangenen durch Austausch hätte beendet werden sollen. Trinidad gilt als einer der ranghöchsten FARC-Kommandanten.

Gemäß der Verlautbarung hatte das Sekretariat der FARC in Ecuador einen angemessenen Platz für eine Zusammenkunft mit dem Generaldirektor der UNO, Kofi Annan, gesucht. Dort hätte, ähnlich wie bei einem Treffen mit der französischen Regierung, eine endgültige Lösung für die entführte Ex-Präsidentschaftskandidatin von Kolumbien, Ingrid Betancourt, gesucht werden sollen. Betancourt wurde vor mehr als eineinhalb Jahren von der Guerilla entführt. Auch andere Kriegsgefangene hätten demnach im Gegenzug für humanitäre Vereinbarungen ausgetauscht werden sollen.

Die FARC-Generalkommandantur kritisiert das Vorgehen der Sicherheitsbehörden der USA und Kolumbiens, die an der Gefangennahme von Trinidad beteiligt waren. In der Verlautbarung heißt es dazu: „In der Verletzung der Souveränität Ecuadors wird die Existenz einer schmutzigen Allianz zwischen (Ecuadors Präsident) Lucio Gutierrez, dem Faschisten (und kolumbianischen Präsidenten) Alvaro Uribe und dem Weißen Haus enthüllt, die sich im Rahmen des Plan Colombia gegen die revolutionären Führer unserer beiden Länder stellt. Das Verhalten dieser Regierenden, die sich den Hegemonieambitionen Washingtons fügten, würden aber nicht das historische bolivarianische Verhältnis verletzen, das immer zwischen den Brudervölkern Kolumbien und Ecuador bestanden habe.

Die Festnahme von Simon Trinidad erfolgte an der Grenze zwischen Ecuador und Kolumbien. Kolumbianische Autoritäten haben zugegeben, dass die USA an der Operation beteiligt war. Es wird jedoch nicht präzisiert, welche Art von Unterstützung die Vereinigten Staaten gewährt haben.

Die kolumbianische Regierung hat nachdrücklich betont, dass diese Festnahme der schwerste Schlag gegen die Aktivitäten der FARC gewesen sei. Bei Trinidad handele es sich um den Kommandanten der Karibik-Front und den Finanzchef der Organisation.

Seinerseits erklärte die Generalkommandantur der FARC, dass die Festnahme sehr aufsehenerregend dargestellt werde, damit Kolumbien von der US-Regierung noch mehr Hilfsmittel und Unterstützung durch den Plan Colombia erhalte, der den Kampf gegen den Drogenhandel und das Ende der Guerilla zum Gegenstand hat.

ECUADOR

Oppositionsbündnis will Präsident Lucio Gutierrez stürzen

Von Andreas Behn

(Berlin, 19. Januar 2004, npl).- „So kann es nicht weiter gehen, wir müssen 'ya basta' sagen und gegen diese Regierung rebellieren.“ Die Reaktion der Indígenas in Ecuador auf die einjährige Regierungsbilanz von Präsident Lucio Gutierrez ist Empörung und eine Kampfansage. „Die Regierungserklärung ist demagogisch und widersprüchlich,“ kritisiert der Indígena-Dachverband Conaie (Confederación de Nacionalidades Indígenas – Konföderation der Indígena-Völker) in einer Stellungnahme und fordert den Präsidenten auf, „zum Wohle der Armen“ sofort zurückzutreten.

Ende vergangener Woche hatte Regierungschef Lucio Gutierrez nach einjähriger Amtszeit Bilanz gezogen. Der 46-jährige ehemalige Militär beurteilte die Ergebnisse seiner Amtsführung als „außerordentlich positiv“, insbesondere die wirtschaftlichen Erfolge. Unternehmerkreise sowie die Mehrzahl der konservativen Parteien teilten diese Auffassung, vor allem was die niedrige Inflationsrate und die Stabilisierung der ökonomischen Indikatoren betraf.

Die Indígenas, die über ein Drittel der Bevölkerung des andinen Landes ausmachen, sehen gerade dies ganz anders. Die soziale Situation sei katastrophal und wirtschaftlich gehe es unter Gutierez genauso bergab wie unter den Vorgängerregierungen, so das einhellige Urteil von Bauern- und Indígena-Verbänden. Gutierrez verschweige, dass die Verarmung der Bevölkerungsmehrheit weiter zunehme, dass nach wie vor jeden Monat Tausende Ecuadorianer ihr Land aus wirtschaftlicher Not verlassen, um in Europa oder anderswo ihr Glück zu versuchen, und dass bislang keinerlei Maßnahmen zur Linderung der Not insbesondere der indigenen Bevölkerung eingeleitet wurden.

Einzige Priorität sei offenbar die pünktliche Leistung des Schuldendienstes, wodurch das so genannte Länderrisiko Ecuadors auf den internationalen Finanzmärkten künstlich niedrig gehalten werde. Ansonsten habe, so die Analysten der Oppositionsbewegung, die neoliberale Politik und die Dollarisierung der Wirtschaft vor allem negative Auswirkungen: Die ecuadorianische Wirtschaft ist ob ihrer starken Währung nicht konkurrenzfähig, was zu immer mehr Konkursen und Entlassungen führe. Ähnlich wie vor zwei Jahren in Argentinien, so die Befürchtung, werde die eigene Ökonomie systematisch ausgehöhlt, bis es zum Zusammenbruch kommt. Dieser könne bisher nur vermieden werden, weil der hohe Erdölpreis und die enorm gestiegenen Zahlungen von Auslands-Ecuadorianern an ihre Familienangehörigen die Krise vorübergehend entschärfen.

Die Basisbewegungen, denen es in den vergangenen Jahren bereits zwei Mal gelang, eine missliebige Regierung zu stürzen, nehmen die Regierungserklärung zum Anlass, eine breite Mobilisierung zu starten. Schon Mitte dieser Woche, so ein Conaie-Sprecher, soll es mit Demonstrationen von Bauernverbänden beginnen. Erklärtes Ziel sei es, Präsident Gutierrez zum Rücktritt zu zwingen.

Der Dachverband Fenocin (Confederación Nacional de Organizaciones Campesinas, Indígenas y Negras – Nationale Konföderation von Bauern-, Indígena- und Schwarzenorganisationen) hatte bereits vor zwei Wochen in der Hauptstadt Quito verkündet, dass sich alle wichtigen Gruppierungen in einer Oppositionsfront zusammengeschlossen hätten. Fenocin-Präsident Pedro de la Cruz begründete diesen Schritt mit den Worten: „Für den Präsidenten ist die Frist, die Richtung seiner Regierungspolitik zu verändern, abgelaufen.“

Inzwischen bezeichnet die Conaie das Staatoberhaupt nur noch als „Verräter“ und wirft ihm vor, dass all seine Versprechen zur Wahlkampfzeit nichts als Lügen gewesen seien. Damals hatte sich Gutierrez als Repräsentant der Armen bezeichnet und gegen neoliberale Wirtschaftspolitik polemisiert. Die Beteiligung von Pachacutik, dem politischen Arm der Conaie, an der Gutierrez-Regierung, war schon nach wenigen Wochen schwierig und im August schließlich vollständig beendet worden.

ARGENTINIEN/BOLIVIEN/CHILE

Argentinischer Vorstoß um Boliviens Meerzugang

(Buenos Aires, 14.Januar 2004, adital).- Der argentinische Außenminister Rafael Bielsa hat zugegeben, dass Argentinien sich seit Oktober in geheimen Verhandlungen einsetzt, um Bolivien einen Meerzugang zu ermöglichen. Darüber informierte vor wenigen Tagen Tagen die chilenische Tageszeitung La Tercera. Bielsa sagte, dass es an der Zeit sei, dem Wunsch Boliviens nach einem direkten Zugang zum Pazifischen Ozean stattzugeben.

Bolivien musste am Ende des gemeinsam mit Perú verlorenen Salpeterkrieges (1879-83) seine Küstengebiete in der an Bodenschätzen reichen Atacama-Region an Chile abgeben. Seitdem versuchen bolivianische Regierungen immer wieder, mal über Verhandlungen mit Chile, mal mit Perú, den nach eigenem Bekunden für die bolivianische Nation existenziell wichtigen direkten Zugang zum Meer zurückzugewinnen.

Der gegenwärtige Vorschlag der argentinischen Regierung zielt darauf ab, für Bolivien einen „Friedenskorridor“ zwischen der chilenischen und peruanischen Grenze einzurichten, der für 99 Jahre unter der Aufsicht der Administration des Mercosur mit Einbeziehung der drei betroffenen Länder stehen würde, informierte der Kanzler. Dieser Korridor würde es Bolivien ermöglichen, eine Zug- und eine Straßenverbindung sowie eine Gasleitung von der bolivianischen Grenze bis zum Meer anzulegen.

Aus dem argentinischen Außenministerium wurde bekannt, dass der diplomatische Vorstoß erstmals im vergangenen Oktober während des Sicherheitstreffen der lateinamerikanischen Außenminister in Mexiko auf den Tisch gebracht wurde. Bielsa soll dort erste Sondierungen bei den Ministern Alvear und Alan Wagner (Perú) durchgeführt haben. Kirchner sprach dann das Thema im November bei seinem Treffen mit Ricardo Lagos, Lula und Vicente Fox an. Die Krise der damaligen bolivianischen Regierung von Carlos Mesa hätte aber den Verhandlungen einen Dämpfer gegeben, erzählte Bielsa und betonte, dass die chilenische Botschaft in Buenos Aires jedoch weiterhin das chilenische Interesse an einer Lösung der bolivianischen Frage signalisiert.

ARGENTINIEN

Mutmaßlicher Folterer stellt sich der Justiz

(Montevideo, 12. Januar 2004, púlsar).- Juan Barrionuevo, gewählter Abgeordneter der Provinz Tierra del Fuego, stellte sich kürzlich den ordentlichen Gerichten von Buenos Aires, nachdem er wegen Mitwirkung an der Repression der argentinischen Militärdiktatur von 1976 – 1983 angezeigt worden war.

Der zuständige Strafrichter hatte Ende Dezember die Verhaftung Barrionuevos angeordnet. Er konnte sie jedoch nicht durchsetzen, da der Angeklagte durch seinen Abgeordnetenstatus geschützt war. Am 9. Januar hob dann aber das Provinzparlament von Tierra del Fuego Immunität Barrionuevos auf, woraufhin sich der mutmaßliche Folterer den Behörden stellte.

Barrionuevo wird der Folter an Gefangenen beschuldigt, die in der Mechanikerschule der Marine ESMA (Escuela de Mecánica de la Armada) untergebracht waren. Die ESMA war eines der größten geheimen Haft- und Vernichtungszentren während der Diktatur. Menschenrechtsorganisationen zufolge wurden dort etwa 3500 Menschen umgebracht.

Der Haftbefehl erging aufgrund der Anzeige eines Überlebenden der ESMA. Dieser hatte in Barrionuevo den Krankenpfleger wiedererkannt, der den Häftlingen ein Betäubungsmittel spritzte, bevor sie bei den sogenannten „Todesflügen“ vom Flugzeug aus in den Atlantik geworfen wurden.

Streit um Legalisierung von Prostitution

(Montevideo, 11. Januar 2004, comcosur-poonal).- Schon vor der eigentlichen Debatte in Parlament sorgte der Gesetzesentwurf von Elisa Carcas von der sozialdemokratischen „Radikalen Bürgerunion“ (Unión Cívica Radical, UCR) in der Provinz von Buenos Aires für Aufregung. Die Abgeordnete schlägt vor, Prostitution in dem Bundesland zu legalisieren.

In der Verteidigung ihres Vorschlags wies Carca öffentlich auf die Notwendigkeit hin, „das Strafrecht der Provinz zu erneuern“, denn bisher würden vom Staat lediglich die Opfer, nicht jedoch „die Unterstützer und Ausbeuter der Prostitution“ geahndet. „Das bisherige Gesetz verfolgt und bestraft das letzte Glied in der Kette der Prostitution: diejenigen, die gezwungen sind, sie auszuüben“, so die Parlamentarierin.

Ob und wie das Projekt durchgesetzt werden soll, wird in der nächsten Woche im Parlament der Provinz verhandelt. Der politische Streit ist unterdessen längst entbrannt. Der Staatsekretär für Innere Sicherheit der Provinz, Noberto Quantín, bezeichnete die Initiative von Carcas als „Schritt zurück“. Nicht desto trotz erkannte auch der ehemalige Staatsanwalt Quantín die Notwendigkeit, die „schmutzigen Geschäfte“ im Umfeld von Prostitution zu bekämpfen: „Zuallererst ist das die Ausbeutung der Frauen, daneben blüht der Drogenhandel und natürlich existiert weiterhin die Gefahr der Übertragung von Geschlechtskrankheiten wie Aids.“

Polizei auf Rädern

(Montevideo, 12. Januar 2004, púlsar-poonal).- Die Neuheit des Sommers 2004 in Sachen Sicherheit im Badeort Mar del Plata ist die „Rollerskates-Polizei“, deren Beamte auf Rollschuhen auf Streife gehen. Die Einheit umfasst fünf Männer und eine Frau, die allesamt von der mehrfachen Rollschuhweltmeisterin Nora Alicia Vega trainiert wurden. Die Einheit verrichtet ihren Dienst in Bereichen, die mit dem Auto nicht zugänglich sind. Etwa in Galerien, Fußgängerzonen und Küstenwanderwegen.

Die Rollschuheinheit gesellt sich damit zu den bereits existierenden Einheiten. Bislang patrouillieren Beamten auf vierrädrigen Motorrädern am Strand entlang, und eine 35-köpfige Fahrradstaffel wurde bereits vor fünf Jahren in den Dienst gestellt. Außerdem gibt es noch zahlreiche private Wachmannschaften, die in den nobelsten Bezirken ihre Runden drehen.

Auch in Amsterdam, London, Miami Beach, Stockholm und Paris gibt es solche Polizisten und Polizistinnen auf Rollschuhen, doch nur in Argentinien sind sie mit Schusswaffen ausgestattet. Ein Umstand, der gefährlich für Fußgänger werden könnte angesichts der Frage, wie sicher ein Schuss auf Rollschuhen stehend abgegeben werden kann.

URUGUAY

Mysteriöser Einbruch beim Senator Rafael Michelini

(Montevideo, 13. Januar 2004, comcosur-poonal).- Am Morgen des 6. Januar brachen vier Unbekannte in das Haus des Senators Rafael Michelini ein, der sich zu dieser Zeit mit seiner Familie im Urlaub befand. Der Lärm alarmierte die Nachbarn, und so riefen diese die Polizei. Als die Beamten eintrafen, hatten sich die Einbrecher bereits zurückgezogen.

Im Gebäude selbst war alles durchsucht worden, doch der zum Tatort gerufener Bruder des Senators konnte nicht feststellen, dass etwas entwendet worden sei. Der Fall wird sowohl von Polizei wie auch von Geheimdienstmitarbeitern untersucht, da bisher nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handelt, etwa mit dem Ziel, Dokumente aus der Untersuchung Michelinis über den Verbleib von Verhafteten-Verschwundenen während der Zeit der uruguayischen Militärdiktatur zu suchen. Nach einer Woche ist der Fall noch immer völlig offen.

Einer von drei Uruguayern ist arm

(Montevideo, 13. Januar 2004, comcosur-poonal).- Nach Angaben offizieller Daten des Nationalen Statistischen Instituts (INE) ist die Armut in den letzten vier Jahren um 45 Prozent gestiegen, und allein seit 2002 um 30 Prozent. Die Studie mit dem Titel „Annäherungen der Armut aufgrund des Einkommens im Jahr 2002“ (letzte zugängliche Daten) zeigt, dass die Armutszahlen höher sind, wenn sie pro Kopf und nicht pro Haushalt gemessen werden. Ein Haushalt von Nicht-Armen beträgt durchschnittlich 3,1 Personen, während ein armer Haushalt durchschnittlich 4,8 Personen aufweist.

Diese Prozentzahlen betreffen 1.024.353 Personen, also fast ein Drittel der Bevölkerung des ganzen Landes. Die Anzahl der Personen in armen Verhältnissen steigt beständig ohne Pause. Die meisten Armen sind Ältere Menschen. Im letzten Bereich (65 Jahre und mehr) fällt die Anzahl der Armen aber abrupt ab. Das bedeutet, dass dieses Alter der Lebenserwartung der Armen entspricht.

CHILE/URUGUAY

Chile fordert die Auslieferung von uruguayischen Militärs

Von Andrés Capelán

(Montevideo, 8. Januar 2004, alai-poonal).- Der chilenische Richter Alejandro Madrid fordert die Auslieferung von drei uruguayischen Militärs, die in die Entführung und Ermordung des chilenischen Biochemikers und Agenten des chilenischen Geheimdienstes unter Pinochet (DINA), Eugenio Berríos, in Uruguay verwickelt sein sollen. Dabei handelt es sich um den Oberstleutnant im Ruhestand Tomás Casella, den noch aktiven Oberst Eduardo Radaelli und den Oberstleutnant Wellington Sarli.

Casella wird der Mord an dem Biochemiker vorgeworfen, den anderen beiden Komplizenschaft bei der Tat. Der Richter Madrid hat im Vorfeld bereits verschiedene chilenische Militärs wegen desselben Deliktes angeklagt: den Major Arturo Silva, den Hauptmann Jaime Torres Gacitúa, den Hauptmann Pablo Rodríguez Márquez und den Kommandanten Manuel Pérez Santillán (alle im Ruhestand) sowie den Zivilbeamten Raúl Lillo Gutiérrez.

Der chilenische DINA-Agent wurde 1991 aus Chile entführt, als er im Prozess zum Mord am ehemaligen Kanzler unter Allende, Orlando Letelier, in Washington DC aussagen sollte. Mit Hilfe falscher Papiere wurde er nach Uruguay gebracht, wo er unter der Bewachung chilenischer und uruguayischer Militärs lebte, bis er 1992 aus dem Haus des Oberst Radaelli im Badeort „Parque del Plata“, etwa 50 km östlich von Montevideo entfernt, fliehen konnte. Er hatte im dortigen Kommissariat um Hilfe gebeten und angegeben, von uruguayischen und chilenischen Militärs entführt worden zu sein und in Lebensgefahr zu schweben. Nach einer kurzen Rücksprache mit der Heeresleitung wurde er jedoch an den Oberst Radaelli übergeben und niemals wieder lebend gesehen. Der Vorfall gelangte aufgrund der Aussage eines Polizeibeamten an die Öffentlichkeit und wurde mit der anschließenden Amtsenthebung des örtlichen Kommissars Elbio Hernández und des Polizeichefs des Bezirks Canelones Ramón Rivas zu den Akten gelegt.

Danach führte der militärische Geheimdienst eine Vertuschungsaktion durch. Zu dieser Aktion gehört nicht nur ein handschriftlicher Brief von Berríos, in dem dieser bestätigte, bei bester Gesundheit zu sein und in Italien zu leben. Auch ein (gefälschtes) Photo ist im Spiel, auf dem zu sehen ist, wie er in der aktuellen Ausgabe der mailändischen Tageszeitung „La Stampa“ liest. Polizeigraphologen bestätigten, dass der Brief von Berríos geschrieben worden sei und dabei blieb es.

Als drei Jahre später im Badeort „El Pinar“, etwa 30 Kilometer östlich von Montevideo entfernt, halb im Sand vergrabene menschliche Überreste gefunden wurden und diese Spuren eines Kopfschusses aufwiesen, vermutete der zuständige Richter, dass es sich um Berríos' Überreste handeln könnte und leitete eine Untersuchung ein. Darauffolgende anthropometrische und genetische Untersuchungen bestätigten die Vermutung des Richters. Dieser beschränkte sich aber darauf, die bereits erwähnten Casella, Radaelli, Posse, Hernández und Rivas als Zeugen vorzuladen.

Natürlich gaben alle an, wenig oder gar nichts von der Angelegenheit zu wissen. Sie wurden nie vor Gericht gestellt. Der Fall wurde über zehn Jahre hinweg von Richter zu Richter weitergegeben, ohne dass neue Untersuchungen in die Wege geleitet worden wären. Dessen ungeachtet hat die chilenische Justiz den Mord und die Entführung von Berríos soweit aufgeklärt und fordert nun die Auslieferung der uruguayischen Angeklagten, um den Fall abzuschließen. Jetzt hat der Oberste Gerichtshof Uruguays das Wort.

LATEINAMERIKA

Wirtschaft erholt sich, aber Armut und Arbeitslosigkeit bleiben

(Lima, 14. Januar 2004, na-poonal).- Die lateinamerikanische Wirtschaft wuchs letztes Jahr nach Angaben der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe) um 1,5 Prozent. Diese Daten wurden Ende vergangenen Jahres in einem Bilanzentwurf zur Wirtschaftsentwicklung veröffentlicht. Die Zahlen stellen eine Verbesserung gegenüber den 0,4 Prozent von 2002 dar. Sie reichen aber nicht aus, um die Stagnation der letzten Jahre umzukehren. Von der Armut sind noch mehr als 44 Prozent der 524 Millionen Lateinamerikaner und Lateinamerikanerinnen betroffen. Des weiteren sind 10,7 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung arbeitslos.

Der Direktor der CEPAL in Brasilien, Renato Baumann, erklärte, dass Lateinamerika während der nächsten acht Jahre mindestens vier Prozent jährlich wachsen müsse, um neue Arbeitstellen zu schaffen. „Wir sind allerdings Lichtjahre davon entfernt. Wir wachsen seit einiger Zeit nur ein Prozent jährlich“ fügte Baumann hinzu. Er meint, dass die lateinamerikanischen Länder eine ausgeglichene Finanzlage anstreben sollen. Sie müssten eine aktive Währungspolitik fördern, um die Exporte zu beleben, damit sie ein bedeutsames Wachstum erreichen können.

Argentinien erlebte eine deutliche Reaktivierung seiner Wirtschaft und wuchs um 7,3 Prozent nach einem Minus von 10,8 Prozent im Vorjahr. Die Wirtschaft in Chile, Costa Rica, Kolumbien und Peru stieg um mehr als drei Prozent an, während Brasilien einen minimalen Anstieg von 0,1 Prozent registrierte. Die Wirtschaft in Venezuela schrumpfte wie 2002 um 9,5 Prozent.

Die CEPAL erwähnte die innere Stärke der Länder als einen wichtigen Faktor für die ökonomische Erholung nach jahrelangen Turbulenzen. Viele Staaten hätten jetzt ihre Finanz- und Währungspolitik unter Kontrolle und besäßen einen wettbewerbsfähigen Währungskurs. Nationen wie Argentinien und Brasilien, die eine tiefe Wirtschaftskrise erlebten, seien schon auf dem Weg der Erholung.

Die brasilianische Investitionsberatungsfirma Global Invest sagte Brasilien für 2004 ein Wachstum von 4,1 Prozent voraus. Diese Daten, die auf den Internationalen Währungsfond (IWF) zurückgehen, würden die Lage der Region positiv beeinflussen. Argentinien, der wichtigste Handelspartner Brasiliens, werde am meisten davon profitieren.

Am anderen Extrem befindet sich Venezuela, dessen politische Turbulenzen und der damit zusammenhängende zweimonatige Streik der Opposition Ende 2002 zu einem Kollaps der Erdölindustrie führten. Diese Branche stellt die wichtigste Einkommensquelle des Landes dar.

Die CEPAL sagt für 2004 aufgrund der positiven Entwicklung der internationalen Märkte ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent voraus. „Die deutliche Senkung des Risikos der Darlehen an staatliche Kreditnehmer seit September – Oktober 2002 sowie die besseren Preise der Rohstoffe, das Wachstum des Tourismus und der Anstieg der Exporte in den USA stellt den besten Antrieb für das Wachstum dar,“ erklärte die CEPAL.

Die internationale Organisation zeigte sich aufgrund des Anstieges der Auslandsschulden von Lateinamerika und der Karibik besorgt. Diese stiegen im Dezember auf 744 Milliarden US-Dollar oder um 2,4 Prozent gegenüber 2002.

„Auch wenn der Anstieg der Auslandsschulden kurzfristig dank des niedrigen internationalen Zinssatzes noch steuerbar bleibt, muss man berücksichtigen, dass die Höhe der Restschulden uns noch Sorgen bereitet. Die Verschuldung kann wieder zu einem Problem werden, wenn die Zinsen in der Zukunft wieder steigen“, deutete die CEPAL an.

Exodus der Fachleute

(Buenos Aires, 14. Januar 2004, na-poonal).- Jährlich verlassen etwa 700.000 Fachkräfte Lateinamerika. Die meisten der Absolventen der Fachhochschulen, die keinen Arbeitsplatz haben, treibt es schnell in irgendeinem Teil der Welt, in dem mehr Wohlstand herrscht. Lateinamerikanische Organisationen wie die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL (Comisión Económica para América Latina y el Caribe) hatten bereits davor gewarnt, dass die Arbeitslosigkeit von Fachleuten und Technikern zu einer fortwährenden Abwanderung dieser qualifizierten Arbeitskräfte führen würde. Die Ausgebildeten nehmen nach ihrer Migration häufig Tätigkeiten an, die nicht ihrem Ausbildungsstand entsprechen.

CEPAL geht davon aus, das etwa 24 Prozent der Fachkräfte ihre Ausbildung nicht in Lateinamerika nutzen. Der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) zufolge hat der „grundlegende Mangel an anständigen Arbeitsplätzen“ zu einem bedeutenden Anstieg der Migration junger Fachleute geführt. Eine Konsequenz, die in den seltensten Fällen zu Sicherheit und Stabilität führt, erklärt die Kommunikationswissenschaftlerin Paula Rodríguez Marino. „Und wenn dies doch der Fall ist, dann erst nach langen Jahren des Fußfassens im Ausland,“ sagt sie. Die Hochschullehrerin hält eine grundlegende Analyse für notwendig, um all das zu beleuchten, was eine Auswanderung für einen Menschen bedeutet.

In die USA kommen eher wenig qualifizierte Arbeitskräfte, die aus Mexiko und Mittelamerika stammen. Diejenigen, die aus den englischsprachigen Karibikländern und aus Südamerika kommen, besitzen einen anderen Bildungsgrad. Das wird auch daran deutlich, dass sie andere Länder ansteuern, wie z.B. Spanien. „Die europäische Bevölkerung sinkt aufgrund der niedrigen Geburtenrate, aber das dortige kapitalistische Wirtschaftssystem benötigt – bereits jetzt und auch in der Zukunft – Arbeitskräfte im reproduktiven Bereich, den die europäischen Arbeiter*innen nicht abdecken“, so CEPAL-Mitarbeiter Novick. Der Strom der Fachkräfte aus Lateinamerika, der in den letzten Jahren ein großes Potential bietet, komme „dieser Situation auf positive Weise entgegen“.

Die Migration innerhalb Lateinamerikas ist in den vergangenen Jahren dagegen immer geringer geworden. Das sei zum Teil auf den Rückgang der Attraktivität der dafür beliebtesten Länder (Argentinien, Venezuela) zurückzuführen. Dieser Rückgang hat nach Einschätzung von CEPAL keinen adäquaten Ausgleich im Emporkommen anderer Länder (Costa Rica, Chile, Dominikanische Republik) gefunden.

LATEINAMERIKA/USA

Amerika-Gipfel ohne außerordentliche Ergebnisse

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 13. Januar 2004, npl-poonal).- „Wir kommen zum Gipfel, grüßen uns, halten einige Reden, unterschreiben eine Erklärung, machen den Fototermin mit, lächeln und reisen ab“. Mit kleinen Abstrichen sollte der unter anderem wegen seiner undiplomatischen Sprache nicht überall beliebte venezolanische Präsident Hugo Chávez im Grunde recht behalten. Das Endresultat des am Montag und Dienstag letzter Woche (12. und 13. Januar) in Monterrey im mexikanischen Bundesstaat Nuevo León abgehaltenen Außerordentlichen Amerika-Gipfels rechtfertigte die zweitägige Präsenz von 34 Staatsoberhäuptern des Kontinents mit zum Teil hochkarätigen Delegationen kaum.

In der von allen Staatschefs am Ende unterschriebenen „Erklärung von Nuevo León“ sind es nur zwei Aspekte, die größere Beachtung verdienen. Die USA konnte sich nicht gegen Brasilien, Argentinien und Venezuela durchsetzen und einen Termin für den Start des Gesamtamerikanischen Freihandelsabkommens (FTAA) festschreiben. Nun soll zwar nach Plan weiter an der FTAA gearbeitet werden, der vor zwei Monaten in Miami anvisierte 1. Januar 2005 steht aber nicht in der Erklärung von León. Zudem musste die USA einen weiteren Rückzug machen: Die US-Regierung wollte festschreiben lassen, „korrupte“ Mitgliedsländer zu bestrafen und sie von regionalen Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auszuschließen. Das ist nicht gelungen.

Viele Beobachter halten die Einhaltung des FTAA-Zeitplans wegen der bestehenden politischen Differenzen auf dem amerikanischen Kontinent ohnehin für wenig realistisch. Eine entscheidende Weichenstellung wird es voraussichtlich im Februar geben, wenn die FTAA-Verhandlungskomitees in der mexikanischen Stadt Puebla zusammen sitzen.

Im übrigen ist die Erklärung von Nuevo León sehr allgemein gefasst. Bei Themen wie der Bedeutung der kleinen und mittelständischen Unternehmen, verbilligten Geldsendungen von Migranten an ihre Familien, Vorgehen gegen die Korruption und Terrorismusbekämpfung „mit allen notwendigen Mitteln“ handelt es sich im Wesentlichen um Absichtserklärungen. Bei ihnen ist unverständlich, warum sie nicht genauso gut bis zum regulären IV. Amerika-Gipfel 2005 in Buenos Aires hätten warten können.

Es waren eher die bilateralen Begegnungen und Nicht-Begegnungen, die dem Sondergipfel Würze verliehen. Beispielsweise das Treffen zwischen Bush und dem argentinischen Präsidenten Nestor Kirchner. Nach heftiger US-Kritik im Vorfeld über die argentinische Finanz- und Außenpolitik versicherte Bush dem Vernehmen nach seinen Respekt vor den argentinischen Entscheidungen. Bush und Chávez, der den USA wegen seiner Nähe zum aus der OAS auf Washingtons Bestreben ausgeschlossenen Kuba mit seinem Präsidenten Fidel Castro ein Dorn im Auge ist, würdigten sich dagegen kaum eines Blickes.

Mexikos Staatschef Vicente Fox kam zum Vieraugengespräch mit Bush zusammen und tat sich als politischer Interpret der Äußerungen des Washingtoner Kollegen hervor. Vor der einheimischen Presse sah er sich genötigt, dem Eindruck zu widersprechen, immer mehr ein „Lakai“ der US-Politik zu sein.

Die angekündigten Proteste gegen Präsident Bush fielen geringer aus als erwartet. Auf dem alternativen Parallelforum „Eine andere Welt ist möglich“ gaben die teilnehmenden Organisationen bereits am Montag (12. Januar) ihre eigene Erklärung von Nuevo León heraus. Darin unterstreichen sie mit klarem FTAA-Bezug, dass „die Öffnung der Grenzen nicht funktionieren wird, wenn nur das Gewinnkriterium der USA anstelle gerechten und nachhaltigen Handels Bestand hat“.

 

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