Poonal Nr. 605

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen vom 13. Januar 2004

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

KUBA

KOLUMBIEN

VENEZUELA

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN

ECUADOR

BOLIVIEN

LATEINAMERIKA/USA


MEXIKO

Mehr als Zehntausend Vertriebene in Chiapas

(Mexiko-Stadt, 6. Januar 2004, adital).- Zehn Jahre nach dem Aufstand der Zapatisten in Chiapas sehen sich immer noch Tausende Familien genötigt, ihre Häuser und Dörfer zu verlassen. Auf Grund von politischen und religiösen Differenzen und gewaltsamen Zusammenstößen mit paramilitärischen Gruppen in den Gemeinden suchen viele Familien in benachbarten Dörfern Zuflucht.

Insgesamt gebe es mindestens 10.231 Personen, die von ihrem ursprünglichen Heimatdorf vertrieben wurden; davon seien allein 60 Prozent in die autonome zapatistische Gemeinde Polhó geflüchtet, berichtet Juan Gonzalez Esponda, Kommissar für Gemeindekonflikte. Bei seinem Amtsantritt im Dezember 2000 habe es mehr als 14.000 Vertriebene in Chiapas gegeben. Inzwischen habe der Staat die Rückkehr und Umsiedlung von mindestens 3.900 Personen erreicht.

In den Einrichtungen des ehemaligen staatlichen Indígena-Instituts (Instituto Nacional Indigenista, INI) von San Cristóbal de Las Casas leben beispielsweise elf Familien, die aus der Kommune Chenalhó vertrieben wurden. Diese Familien werden nach wie vor von der Regierung und zivilen Organisationen vergessen. Sie sind vor der politischen Gewalt in Chenalhó geflüchtet, die ihren Höhepunkt vor sechs Jahren im Massaker von Acteal fand. Am 22. Dezember 1997 hatten Paramilitärs das kleine Bergdorf im Hochland von Chiapas gestürmt und auf grausame Weise 45 Menschen ermordet.

Die Hütten, in denen die Flüchtlinge leben, sind nach wie vor improvisiert. Aus Holz, Plastikplanen und Wellblech werden notdürftige Unterkünfte zusammengebaut, die permanent vom Einbruch bedroht sind. Eine Situation, die sie ständigen Gefahren und den niedrigen Temperaturen der Region aussetzt.

Die 60 Flüchtlinge, die nach wie vor im Gebäude der INI wohnen, haben alles in ihren Gemeinden zurückgelassen: Land, Besitz, Haus und Angehörige. Für eine gewisse Zeit wurde ihnen von der Regierung Lebensmittelhilfe garantiert und darüber hinaus die Unterstützung vom Roten Kreuz zugesagt. Mittlerweile hilft ihnen jedoch niemand mehr.

Auswanderung mexikanischer Kinder in die USA geht zurück

(Mexiko-Stadt, 6. Januar 2004, adital).- In den letzten fünf Jahren sind die Grenzübertritte von mexikanischen Jungen und Mädchen in die Vereinigten Staaten um 20 Prozent zurückgegangen. Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die von Mónica Vargas, Wissenschaftlerin an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko-Stadt (UNAM), durchgeführt wurde.

Nach Angaben der Forscherin versuchten mehr als 6.000 mexikanische Mädchen und Jungen allein oder mit ihren Eltern die Grenze zu den Vereinigten Staaten zu überqueren. Auch wenn ihnen dies vereinzelt gelungen sei, wurden sie meist von den Einwanderungsbehörden festgenommen und ausgewiesen. Vargas führt im einzelnen auf, dass sich 1998 mehr als 8.000 Jugendliche in dieser Situation befunden hätten. Im Jahr 2001 sei die Zahl auf 7.620 gesunken und im vergangenen Jahr sogar auf 6.708 Kinder.

Mónica Vargas kritisiert die Unterbringungseinrichtungen der Staatlichen Familienhilfe (Desarrollo Integral de la Familia, DIF). Ihrer Meinung nach müsse der Schwerpunkt der Unterstützungsarbeit vielmehr in die Dörfer und Städte gelegt werden, aus denen die Kinder kommen. In den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres seien 3.852 Grenzkinder in den nördlichen Staaten der mexikanischen Bundesstaates in Übergangsunterkünften versorgt worden.

Die minderjährigen Grenzflüchtlinge werden in Migranten und Repatrianten eingeteilt. Als Migranten bezeichnet man diejenigen, die auf dem Weg in die Vereinigten Staaten noch vor dem Grenzübergang auf mexikanischem Gebiet aufgespürt werden, Repatrianten sind diejenigen, die nach ihrem Grenzübertritt von den US-amerikanischen Behörden aufgefunden und durch die staatliche Einwanderungsbehörde zurückgewiesen werden.

Die Untersuchung hat weiterhin ergeben, dass von den im vergangenen Jahr in den Unterkünften betreuten Minderjährigen 54 Prozent Repatrianten und 46 Prozent Migranten waren. 88 Prozent der Grenzgänger waren zwischen 13 und 17 Jahre, zehn Prozent zwischen sechs bis zwölf und zwei Prozent unter fünf Jahre alt. 66 Prozent davon waren Jungen und der Rest Mädchen.

Die Jugendlichen kämen hauptsächlich aus den Staaten Guanajuato (11 Prozent), Michoacán, Coahuila und Tamaulipas (jeweils sieben Prozent), Sonora (fünf Prozent), der Rest aus den übrigen Staaten Mexikos.

GUATEMALA

Sicherheitsstab EMP bleibt bestehen

(Guatemala, 7. Januar 2004, cerigua).- Obwohl seine offizielle Auflösung schon längst beschlossene Sache ist, behält der Sicherheitsstab des Präsidenten EMP (Estado Mayor Presidencial) weiterhin offizielle Aufgaben, während der Großteil der Mitarbeiter in das Sekretariat für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten SAAS (Secretaría de Asuntos Administrativos y de Seguridad), umgeschichtet wurde. Darüber informierte die Verifikations-Mission der Vereinten Nationen in Guatemala MINUGUA (Misión de Verificación de las Naciones Unidas en Guatemala).

Tom Koenigs, der Leiter der UNO-Mission, betonte, dass diese Situation alles andere als ein wertvoller Beitrag zur Demilitarisierung der staatlichen Institutionen sei und eine Verletzung der Friedensverträge darstelle. Noch dazu seien 54 Prozent des SAAS-Personals ehemalige Mitarbeiter des EMP.

Der Missionsleiter wies darauf hin, dass nach Angaben eines Verifikationsberichtes der Mission 29 frühere Mitglieder dieser militärischen Einheit weiterhin für die Sicherheit des Präsidenten der Republik und der First Lady verantwortlich seien. Dies sei ein klares Zeichen dafür, dass die Demobilisierung nicht stattgefunden habe.

Laut Koenigs wurde der gesamte logistische Bereich des EMP an das SAAS übertragen, nicht aber der Bereich Sicherheit. Dieser sei jedoch der wichtigste und bedeutendste. Aufgrund der angeblichen Demobilisierung der 842 Mitglieder der Eliteeinheit erhielten diese mehr als 67 Millionen Quetzales als Vergütung für von ihnen geleisteten Dienste zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen – und das, obwohl der Großteil von ihnen in anderen staatlichen Institutionen unterkam, meinte Koenigs, dem diese Vergütung viel zu hoch erscheint.

Dazu komme noch, dass der EMP einige Monate vor seiner angeblichen Deaktivierung dem Verteidigungsministerium seine modernen und hochentwickelten Kommunikationsgeräte übergeben und diese durch ältere ersetzt habe. Die älteren Geräte seien dann dem Sekretariat für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten übergeben worden, während die Akten und Dateien an die militärische Institution gegangen seien.

F?r den Missionsleiter wäre es das Beste, den Sicherheitsstab EMP endgültig abzuschaffen, da er immer noch ein Symbol für eine dunkle Zeit Guatemalas ist. Um dieses Kapitel der Vergangenheit zu überwinden, müsse auch der EMP ausgelöscht werden.

Oscar Berger stellt sein Kabinett vor

(Guatemala-Stadt, 7. Januar 2004, cerigua-poonal).- Oscar Berger, frisch gekürter Präsident von Guatemala, präsentierte am 7. Januar vor der Öffentlichkeit die Mitglieder seines neuen Kabinetts.

Der Wirtschaftsmensch Berger kandidierte für eine Parteien-Koalition namens Große Nationale Allianz (GANA) und erhielt am vergangenen 28. Dezember im zweiten Wahlgang eine knappe Mehrheit vor dem Unternehmer Álvaro Colom von der Nationalen Union der Hoffnung (UNE).

Die meisten der von Berger ernannten Minister und Staatssekretäre kommen, wie nicht anders zu erwarten war, aus der Wirtschaft. Sie verfügen über beeindruckende akademische Titel und wenig Erfahrung in der Politik. Nur zwei der Posten werden mit Frauen besetzt und zwei weitere mit Indígenas. Der Unternehmer Jorge Briz Abularach, der die Wahl um das Bürgermeisteramt der Hauptstadt verlor, wird neuer Außenminister.

KUBA

Verhandlungen über Einwanderungspolitik in die USA ausgesetzt

(Washington, 7. Januar 2004, adital-poonal).- Die neue Verhandlungsrunde zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Migrationsbewegung zwischen beiden Ländern, die diesen Donnerstag stattfinden sollte, ist von Washington ausgesetzt worden. Der kubanische Außenminister bezeichnete das US-amerikanische Verhalten in einer öffentlichen Erklärung als unverantwortlich.

Die Vereinigten Staaten beklagen, dass Kuba die wichtigen Aspekte für einen sichere Migration zwischen beiden Ländern in den seit 1994 stattfindenden Verhandlungsrunden nicht berücksichtige. Die Erklärung des kubanischen Außenministers hingegen unterstreicht, dass es sich bei diesen angeblich wichtigen Aspekten in Wirklichkeit um Vorschreibungen seitens der US-Amerikaner gegenüber der Insel handele.

Das Schreiben bezeichnet das US-amerikanische Verhalten als unverantwortlich, "denn es repräsentiert nicht die tatsächlichen Interessen der Vereinigten Staaten, sondern entspricht lediglich dem Wunsch nach Rache einer kleinen Gruppe von Reaktionären, in deren Interesse es liegt eine Politik der Ablehnung und Aggression gegenüber Kuba zu begünstigen".

Das Ministerium betont zudem ausdrücklich die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten die Migrationsverhandlungen gerade in einem Moment aussetzen würden, in dem sie enorme finanzielle und politische Anstrengungen unternehmen, um ihre Grenzen abzusichern und die illegale Einwanderung einzudämmen.

KOLUMBIEN

FARC- Anführer festgenommen

(Montevideo, 7. Januar 2004, pulsar-poonal).- Simón Trinidad, mit richtigem Namen Ricardo Palmera, ein Anführer der kolumbianischen Guerillabewegung FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) wurde in einer gemeinsamen Aktion der Polizei Ecuadors und Kolumbiens in Quito festgenommen.

"Es war eine gemeinsame Operation der ecuadorianischen und der kolumbianischen Behörden. Wir verfolgten ihn bereits seit Monaten und verhafteten ihn, als er krank war und ein Krankenhaus aufsuchte", informierte die Polizei vergangenen Sonnabend (3. Januar). Die FARC bestätigte die Festnahme von Simón Trinidad. "Auch wenn er in die Hände unseres Feindes gefallen ist, so zeigt Simón Trinidad Stolz und Stärke", erklärte Kommandant Raúl Reyes.

Die Regierung des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe war seit Jahren auf der Suche nach Simón Trinidad und hatte eine Belohnung von 820.000 Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zu seiner Verhaftung führen. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Kolumbiens wird der Festgenommene unter anderem wegen Aufruhr, Terrorismus und Entführung angeklagt werden.

Bogotá hat einen linken Bürgermeister

(Montevideo, 2. Januar 2004, comcosur).- Luis Eduardo Garzón hat an diesem Donnerstag sein Amt als Bürgermeister von Bogotá angetreten. Es ist ein historischer Tag, denn zum ersten Mal wird dieses Amt von jemandem besetzt, der aus den Reihen der Linken stammt. In seiner Antrittsrede vor einer Menschenmenge auf der Plaza Principal der kolumbianischen Hauptstadt erklärte Garzón, revolutionär zu sein bedeute heutzutage, gut zu regieren.

Garzón ist ein alter Gewerkschaftsführer bescheidener Herkunft. Gleichzeitig mit seinem Amtsantritt wurden auch in anderen Gemeinden und Bezirken neue Bürgermeister und Regierungen eingesetzt. Doch Garzón fällt nun die besondere Aufgabe zu, sich in der Regierung einer Sieben-Millionen-Einwohnerstadt zu bewähren, in der gravierende Kontraste zwischen Reichtum und Armut existieren und in der Tausende von Vertriebenen leben, die aus dem fast fünf Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg herrühren.

Nach ersten Äußerungen beabsichtigt Garzón zunächst, lokale und kommunale Suppenküchen zu eröffnen, um den Hunger und die Unterernährung zu bekämpfen. Dort sollen die Bedürftigsten eine tägliche Mahlzeit erhalten. Bis zum Ende seiner Amtszeit soll dies auf drei Mahlzeiten aufgestockt werden. Zu weiteren seiner Vorhaben befragt, sagte er, solange die Menschen Hunger hätten, könne es keine theoretische Diskussion geben.

VENEZUELA

Erdöl-Produktion ist fast auf dem Vorjahres-Niveau

Von Andreas Behn

(Caracas, 2. Januar 2004, npl).- Ein Jahr nach Beginn des Generalstreiks in Venezuela läuft die Ölproduktion in dem OPEC-Land wieder auf vollen Touren. Vor Jahresfrist waren alle Ölquellen vorübergehend versiegt, weil die Opposition des südamerikanischen Landes den umstrittenen Präsidenten Hugo Chávez zum Rücktritt zwingen wollte. Nach zwei Streikmonaten stand das Land wirtschaftlich vor dem Kollaps. Chávez aber ging gestärkt aus der Machtprobe hervor. Der staatliche Erdölkonzern wurde verschlankt und ist wieder zum wichtigsten Devisenbeschaffer Venezuelas avanciert.

"Am 31. Dezember 2002 haben wir nur noch 25.000 Barrel am Tag produziert. Das ist ein Prozent unserer normalen Produktion. Irgendwann war es soweit, dass alle Raffinerien im Land still standen, die Produktion war bei Null angelangt," erinnert sich Aries Barreto, Vizepräsident des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA.

Mit dem Stillstand in der Erdölproduktion drohte die gesamte Wirtschaft Venezuelas zusammenzubrechen: Der Ölsektor macht 80 Prozent des Exportvolumens und 50 Prozent der Staatseinnahmen Venezuelas aus. Benzin, das in Venezuela nur wenige Cent kostet, wurde knapp, der Transport und weite Teile der Industrie wurden in Mitleidenschaft gezogen.

Auch international litt der Ruf Venezuelas als verlässlicher Öllieferant. Von den über drei Millionen Barrel, die der Konzern PDVSA täglich förderte, wurden 2,2 Millionen exportiert, vor allem an die USA und Staaten der Karibik. An den gesamten Öl-Importen der Vereinigten Staaten hatte PDVSA einen Anteil von gut 13 Prozent. Angesichts der unsicheren Lage im Nahen Osten ließ die Krise in Venezuela den Ölpreis kurzfristig ansteigen.

Der Streik war allerdings kein Kampf um mehr Lohn oder Arbeitnehmerrechte. Es war der Versuch seitens der Opposition, den umstrittenen Präsidenten Chávez zum Rücktritt zu bewegen. In völliger Einigkeit riefen Unternehmerverbände und gelbe Gewerkschaften zu dem Ausstand auf. Sie werfen Chávez Inkompetenz, Populismus und seine enge Anlehnung an das sozialistische Kuba vor.

Aus Sicht der Regierung handelte es sich dabei um einen rein politischen Generalstreik, zu dem die ökonomisch starken Sektoren des Landes mobilisierten, um den Reformprozess unter Chávez zu stoppen, dessen soziale Basis die verarmte Mehrheit der Venezolaner bildet.

Allerdings ging es vielen bei dem Streik, der oft auch mit Sabotage-Akten einherging, auch darum, ihre Pfründe zu verteidigen. Das Erdöl hat Venezuela in den Siebzigerjahren zu einem reichen Land gemacht, doch 80 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut. Insbesondere der staatliche PDVSA-Konzern war ein Hort der Korruption, wo sich Unzählige an den Erdöleinnahmen bereicherten.

Kein Wunder also, dass auf die Angestellten Druck ausgeübt wurde, sich an dem "Streik" zu beteiligen: "Viele Arbeiter wurden von den Chefs manipuliert, ihnen wurde gesagt, sie würden bald wieder an ihrem Arbeitsplatz sein. Der Streik sei notwendig, um den Tyrannen Chávez los zu werden. Es sei ein Dienst für das Vaterland," berichtet Beatriz Hernandez von den damaligen Auseinandersetzungen.

Hernandez gehört zu denen, die sich nicht am Streik beteiligen wollten. Knapp die Hälfte der einst 40.000 PDVSA-Mitarbeiter streikten und wurden nach Ende des Ausstands entlassen – wegen wochenlanger Arbeitsverweigerung. Laut Angaben der Geschäftsführung handelte es sich bei ihnen fast ausschließlich um gutverdienende Manager, auf die das Unternehmen sowieso verzichten konnte. PDVSA-Vize Aries Barreto fasst zusammen: "Von den einst rund 1.200 Führungskräften sind 250, von den rund 18.000 Managern sind vielleicht fünf übrig geblieben. Und die 18.000 Arbeiter sind eigentlich alle geblieben. Normalerweise streiken die Arbeiter und die Chefs arbeiten weiter. In diesem Fall war es umgekehrt, die Chefs gingen und die Arbeiter machten weiter," erklärt Aries Barreto.

Mit der Hälfte der Belegschaft hat Venezuelas Ölkonzern mittlerweile fast wieder den Vorjahresstand erreicht. PDVSA spricht von täglich 3,1 Millionen Barrel, laut OPEC förderte das südamerikanische Land im November 2,8 Millionen Barrel. Bei nachgewiesenen Ölreserven von über 78 Milliarden Barrel setzt PDVSA-Vizepräsident Aries Barreto auf Expansion: "Der Export hat sich wieder erholt, im Durchschnitt sind wir fast wieder auf dem Vorjahresniveau angelangt. Wir planen, bis zum Jahr 2008 eine Kapazität von 5,8 Millionen Barrel Tagesproduktion zu haben und entsprechend der Marktlage 4,5 Millionen Barrel täglich zu fördern."

BRASILIEN

Verschärfte Kontrollen für US-Bürger

(Montevideo, 2. Januar 2004, comosur-poonal). Als Antwort auf die von US-Behörden geforderten Sicherheitskontrollen bei der Einreise in die USA haben brasilianische Behörden am 1. Januar begonnen, Fingerabdrücke und Fotos von nordamerikanischen Besuchern zu erfassen.

Der Bundesrichter des Staates Mato Grosso, Julier Sebastio da Silva, verglich die neuen Sicherheitsbestimmungen für die Einreise in die USA mit dem "Naziterrorregime". Der Richter betrachtet das Vorgehen als "absolut brutal". Es bedrohe die Menschenrechte, stelle einen Verstoß gegen die Würde des Menschen dar und sei als Fremdenfeindlichkeit einzustufen. Dies sei vergleichbar mit den schlimmsten begangenen Verbrechen der Nazis, fabulierte der Jurist.

Sebastio da Silva meint mit seinen Vergleichen die Pläne der US-Regierung, Fingerabdrücke und Fotos von Millionen von Besuchern bei der Einreise in US-amerikanisches Territorium zu registrieren. Ausgenommen von den Kontrollen der USA sind Bürger von 28 größtenteils europäischen Staaten, die auch keiner Visumspflicht unterliegen. Reisende aus Brasilien sind von den Maßnahmen betroffen.

Sebastio da Silva ordnete also den brasilianischen Behörden ähnliche Maßnahmen gegenüber US- amerikanischen Bürgern an. Die brasilianische Polizei hat diese Anordnung sofort umgesetzt. Diese könnte jedoch vom brasilianischen Justizsystem widerrufen werden, da das Urteil nicht in den Zuständigkeitsbereich der Rechtssprechung des Bundesrichters fällt. In Rio de Janeiro wurde die Maßnahme nach einer Intervention des Bürgermeisters der Stadt wieder zurückgenommen. Andere Städte blieben von dieser Entscheidung aber unberührt, erklärt das zuständige Gericht.

Festgenommene Migranten dürfen aus den USA ausreisen

(Sao Paolo, 7. Januar 2004, adital-poonal).- Eine parlamentarische Mission, die sich aus den Bundesabgeordneten Inácio Arruda und João Magno, dem Senator und Bischof Marcelo Crivella und dem Generalstaatsanwalt Guilherme Schelb zusammensetzt, erreichte die Freilassung von fast 200 Brasilianern, die in den USA wegen Immigrationsproblemen festgenommen worden waren. Innerhalb von 15 Tagen werden die Betroffenen mit einem Charterflug heimkehren. Die Flugkosten werden von der US-amerikanischen Regierung getragen.

Andere Gruppen von brasilianischen Migranten werden in den darauffolgenden Wochen zurückkehren. Die Übereinkunft wurde am ersten Arbeitstag der parlamentarischen Arbeitsgruppe des Nationalkongresses erreicht. Das Gremium hatte den US-amerikanischen Gefängnissen in Texas und Arizona einen Besuch abgestattet.

Die Mission nahm am Montag (5.Januar) den Kontakt zu US-amerikanischen Behörden und dem brasilianischen Konsulat in Houston auf. Begleitet vom Beamten des US-amerikanischen Innenministeriums John O'Malley besichtigten die Delegierten die Anstalt "Corrections Corporation of America". Dort sprachen sie direkt mit zwei Brasilianerinnen und 23 Brasilianern, die von der Einwanderungsbehörde der USA festgenommen worden waren.

"Im Allgemeinen klagen sie über die schlechte Ernährung und über die Behandlung auf dem Transport in die Gefängnisse, währenddem sie an Händen und Füßen mit Handschellen gefesselt waren", berichtete der Abgeordnete João Magno. "Gemäß den Informationen der US-amerikanischen Einwanderungsbehörde gelangen täglich zwanzigtausend Menschen aus aller Welt in die USA. Brasilien trägt daran einen Anteil von ca. 1,5 Prozent. Der konsularische Dienst Brasiliens verfügt nicht über ausreichend Struktur und ist nicht genügend vorbereitet, um diesem Problem die notwendige Aufmerksamkeit widmen zu können", stellt Magno fest.

URUGUAY

Privatisierung der Wasserreserven droht

Von Andrés Gaudin und Roberto Roa

(Montevideo, 10. Dezember 2003, npl).- Ein Bodenschatz der besonderen Art liegt unter der Erde von Uruguay versteckt. Eingebettet in ein Sandsteinlager finden sich dort das größte unterirdische Süßwasserreservoir der Welt. Guaraní nennt sich der Speicher von 37.000 Kubikmeter Grundwasser, das bis in die Nachbarländer Paraguay, Nordargentinien und Südbrasilien reicht. Pläne der uruguayischen Regierung, dieses bisher öffentliche Gut, mit dem 360 Millionen Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden können, teilweise zu privatisieren, führt zu einer zunehmenden Mobilisierung in dem kleinen südamerikanischen Land.

Das Problem wurde im Jahr 2002 akut, als Uruguay in eine schwere Finanzkrise geriet. Der Weltwährungsfonds IWF gewährte einen Sofortkredit, um die Wirtschaft des Landes vor einem Kollaps wie in Argentinien zu bewahren. Als "Bürgschaft" jedoch verlangte der IWF, dass das Wasserreservoir Guaraní der privaten Wirtschaft zugänglich gemacht wird. Die konservative Regierung stimmte bereitwillig zu und schrieb diesen Ausverkauf wenig später nochmals mittels eines speziellen Wassergesetzes fest. Dagegen stimmte lediglich das Mitte-Links-Bündnis "Encuentro Progresista – Frente Amplio". Es verwies unter anderem auf die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung in der Provinz Maldonado, in der auch die Touristenmetropole Punta del Este liegt. Hier stieg die monatliche Festgebühr für Wasser auf knapp 600 Pesos, während sie im restlichen Land generell unter 60 Pesos liegt.

Seit 1994 beschäftigt sich eine Arbeitsgruppen aus den vier Anrainerstaaten mit der Frage, wie der Bodenschatz ohne Konflikte untereinander am effektivsten genutzt werden kann. Derzeit nutzt Brasilien das Wasservorkommen am intensivsten, die Bewohner von 500 Städten, darunter 5,5 Millionen in der Metropole Sao Paulo, werden damit versorgt.

Das Interesse von IWF und Weltbank an dem Thema missfällt dabei vor allem Ökologen, aber auch Gewerkschaften und Nichtregierungs-Organisationen warnen vor neuen Interessenskonflikten. Im Mai dieses Jahres hatte die Weltbank angekündigt, den beteiligten Regierungen dabei zu helfen, die Entnahme von Wasser zu kontrollieren, eine Datenerhebung durchzuführen und Verschmutzungen vorzubeugen. Das gemeinsame Projekt soll 27 Millionen US-Dollar kosten und wird sowohl von der Organisation Amerikanischer Staaten OAS wie der Internationalen Atombehörde unterstützt.

Das Unterfangen löste vor allem Misstrauen aus. "Es ist gut, uns über den Erhalt dieser Vorräte zu verständigen, aber wir müssen aufpassen, dass damit nicht ein Privatisierungsversuch verbunden ist," erklärt die Gewerkschafterin Vilma Rosas. Sie erinnert daran, dass der IWF sich vor Jahresfrist versichern ließ, dass öffentliche Dienstleistungen in Uruguay "dereguliert" werden sollten, unter anderem die Wasserversorgung. Explizit sei es damals um das Wasserreservoir Guaraní gegangen, so Rosas.

"Um zu verhindern, dass uns unser Wasser geklaut wird, wie es in anderen Staaten mit dem Erdöl passiert, muss das Recht auf Wasser als ein Menschenrecht in der Verfassung festgeschrieben werden," fordert deswegen die "Kommission zur Verteidigung des Wassers und des Lebens" (CODAV). Sie sammelte bereits 280.000 Unterschriften, um eine Volksabstimmung zu dem umstrittenen Thema durchführen zu lassen. Schon mehrfach gelang es in Uruguay, Privatisierungsvorhaben per Volksabstimmung zu stoppen. Doch im Fall des Wassers geht es nicht um die Verhinderung eines einfachen Gesetzes, sondern um ein Plebiszit über eine Verfassungsänderung, das erst zur nächsten Parlamentswahl stattfinden kann.

Es wird befürchtet, dass die konservative Regierung bis dahin Fakten geschaffen hat. Zumal derzeit alles dafür spricht, dass die Frente Amplio, die bereits seit mehreren Legislaturperioden die Hauptstadt Montevideo regiert, dann auch die Präsidentschaft übernehmen wird.

ARGENTINIEN

Plan zugunsten von Einwanderern

(Montevideo, 7. Januar 2004, pulsar).- Am vergangenen Montag (5. Januar) bestätigte der argentinische Innenminister Aníbal Fernández, dass es ein Gesetz zur Regulierung der Situation von etwa 700.000 illegalen Einwanderer aus den Nachbarstaaten geben wird.

Der Politiker erklärte, dass in seinem Land viele illegale Einwanderer auf nicht rechtmäßige Weise Arbeitsverträge erhielten. So würden sie "ungeheuerlich ausgebeutet". Außerdem stelle dies einen "unlauteren Wettbewerb" gegenüber den argentinischen Arbeitslosen dar. Fernández versicherte, dass "viele Arbeiten von Ausländern verrichtet werden, die man schlecht bezahlt und zu fast sklavenartigen Bedingungen arbeiten lässt. Sie sind bekannt als `feuchte Rücken`, sie treten nicht rechtmäßig mit den Arbeitslosen in Konkurrenz und damit müssen wir Schluss machen".

Fernández wies darauf hin, dass die geplante Regulierung für die illegalen Einwanderer "dem Argentinier die gleichen Arbeitsmöglichkeiten bietet wie dem Ausländer, denn diese müssen durch Verträge festgelegt werden."

Die neue Einwanderungspolitik wird darin bestehen, den amtlichen Weg zu vereinfachen, der nötig ist, um als in Argentinien lebender Bürger aus den Mercosur-Staaten Arbeitspapiere zu erhalten. Der Legalisierungsplan für Einwanderer schließt die Länder Chile, Bolivien, Paraguay, Brasilien und Uruguay ein. Peru kann ab dem Zeitpunkt eingeschlossen werden, ab dem es assoziiertes Mitglied des Mercosur wird, oder durch ein Spezialabkommen mit Argentinien.

Gemäß einer statistischen Erhebung der Nationalen Migrationsbehörde aus dem Jahr 2002 leben in dem Land mehr als eine Million Ausländer, sowohl legal als auch illegal. Aus Paraguay, Chile, Bolivien und Uruguay stammen demnach 940.439 Migranten.

ECUADOR

Opposition geschlossen gegen Präsident Lucio Gutiérrez

(Quito, 7. Januar 2004, adital-poonal).- "Die Frist für den Präsidenten, seinen neoliberalen Kurs zu korrigieren, ist abgelaufen", erklärt Pedro de la Cruz, Vorsitzender des Dachverbandes von Organisationen der Bauern, Indianer und Schwarzen FENOCIN (Confederación Nacional de Organizaciones Campesinas, Indígenas y Negras). In Quito kündigte de la Cruz gestern (6. Januar) die Formierung einer Oppositionsfront gegen Lucio Gutiérrez an, die von seiner Organisation angeführt werde. Auf den Straßen äußerte sich jedoch bereits heute Protest.

Unter dem Motto "Raus mit Gutiérrez – wir wollen eine Volksregierung!" protestierten heute rund 3 000 Arbeiter*innen in Quito. Der Demonstrationszug hatte das Arbeitsministerium zum Ziel. Dort gelang es den Demonstrant*innen, die Polizeiketten zu durchbrechen und nach einigem Gerangel mit den Ordnungshütern in das Gebäude einzudringen. Sie forderten die Rücknahme des am 17. Dezember 2003 erlassenen Regierungsdekrets 197, das ein Einfrieren der Gehälter im Öffentlichen Dienst für dieses und das kommende Jahr vorsieht und das Recht auf Tarifverträge aufhebt. Das Dekret entspreche nicht den internationalen Abmachungen, wie sie von der Internationalen Arbeitsorganisation (OIT) festgelegt worden seien.

Auch in Guayaquil und in Cuenca, neben der Hauptstadt die zwei wichtigsten Städte Ecuadors, wurden Außenstellen des Arbeitsministeriums besetzt. Die Arbeitergewerkschaften UGTE (Unión General de Trabajadores de Ecuador) und CTE (Confederación de Trabajadores del Ecuador) hatten zu einem Protestmarsch aufgerufen. Aussagen dieser Organisationen zufolge ist dies "der Auftakt für weitere Mobilisierungen, die in diesem Monat verstärkt fortgesetzt werden".

Präsident Gutiérrez war zu Beginn des vergangenen Jahres mit Hilfe der Pachakutik-Bewegung, dem politischen Arm der Indígena-Organisation Confederación de Nacionalidades Indígenas des Ecuador (CONAIE), an die Macht gelangt. Für die Indígenas, die in Ecuador ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, hatte die Wahl Gutiérrez bedeutet, zum ersten Mal von einem Staatsmann repräsentiert zu werden. Verträge mit dem Internationalen Währungsfonds, die Dollarisierung, der Anschluss an den Plan Colombia und schließlich die prekäre Situation der Lehrer, die Ende letzten Jahres in Streik getreten waren, haben allerdings einen Bruch der sozialen Bewegungen mit dem Präsidenten bewirkt, den sie zuvor unterstützt hatten.

Auch die CONAIE hat auf einer Tagung während der Weihnachtszeit beschlossen, in Frontalopposition zu Gutiérrez zu gehen. Sie werfen ihm Verrat vor und haben eine Volksbefragung in Betracht gezogen. Auf der Tagung beschloss die CONAIE außerdem, am 14. Januar eine "Großversammlung der Arbeiter und Völker Ecuadors" zu veranstalten, um Aktionen gegen die Regierung zu vereinbaren.

BOLIVIEN

Soziale Bewegungen gehen auf Konfrontationskurs zu Präsident Mesa

(La Paz, 6. Januar 2004, adital-poonal). Die Rede von Präsident Carlos Mesa vom vergangenen Sonntag (4. Januar) ist bei den sozialen Bewegungen nicht gut angekommen. Und das, obwohl der Staatschef versprochen hat, ein Referendum über den Verkauf der nationalen Gas-Ressourcen einzuberufen. Denn die Bewegungen erwarten Antworten und Sofortmaßnahmen auf die soziale und ökonomische Krise, die zu den Protesten des vergangenen Jahres geführt hatte. Diese Proteste hatten den damaligen Präsidenten Sanchez Losada zum Rücktritt gezwungen. Losada befindet sich mittlerweile im Exil in Miami.

Am heftigsten reagierte die Zentrale der bolivianischen Arbeiter/innen (COB). Nach Angaben des Exekutiv-Sekretärs des COB Jaime Solares werden die Arbeiter/innen ab diesem Monat zu Protesten gegen die Regierung aufrufen. Sie verlangen die Aufhebung des Hohen Dekretes 21060 sowie die Rücknahme der Gesetze über Kohlenwasserstoffe und Pensionen. Diese haben seiner Meinung nach zu der aktuellen Krise geführt.

Das Hohe Dekret 21060 wurde 1985 von Präsident Víctor Paz Estensoro eingeführt. Es sieht den Rückzug des Staates aus dem wirtschaftlichen Bereich vor. Zu der damals formulierten "neuen ökonomischen Politik" gehörte die Einführung flexibler Wechselkurse, die Öffnung der Märkte für ausländische Importe und die Verringerung des staatlichen Engagements als wirtschaftlicher Akteur. 20.000 der 27.000 Beschäftigten der staatlichen Minengesellschaft Comibol und ein Drittel der Angestellten der staatlichen Erdölfirma (YPFB) wurden entlassen. Der Minensektor ist seither kollabiert. Die Minenstädte werden verlassen und die Menschen suchen ihr Glück in den Metropolen Boliviens.

Die wichtigste Forderung von COB ist die Wiederverstaatlichung der natürlichen Ressourcen und deren Ausbeutung durch die staatlichen Unternehmen YPFB und Comibol. Die COB ruft in diesem Zusammenhang zu einem breiten Bündnis auf, um ihre Forderungen gegenüber dem Präsidenten zu stärken. Die Führer der Bewegung zum Sozialismus (MAS) und der Vereinigten Arbeiter und Bauerngewerkschaft (CSUTCB) Evo Morales und Felipe Quispe werden aufgerufen, ihre Positionen zu verdeutlichen. Sie sollten klarstellen, "ob sie auf der Seite des Volkes oder der Regierung stehen".

Regierung diskutiert mit Chile und Peru über Zugang zum Meer

(La Paz, 7. Januar 2004, adital). – In seiner Rede vom Sonntag (4. Januar) appellierte der bolivianische Präsident Carlos Mesa an die chilenische Regierung, zur Lösung der Frage eines Meereszugangs für sein Land beizutragen. Bolivien hatte seine Pazifikküste im Salpeterkrieg (1879-1884) an Chile verloren. An die Regierung Perus wandte sich Mesa mit der Bitte um Unterstützung bei den Verhandlungen. Eine Verzögerung bei der Lösung dieses Problems könne, so der bolivianische Präsident, zu einem destabilisierenden Faktor in der Region werden.

In der chilenischen Presse hieß es daraufhin, die Erklärung habe bei Präsident Ricardo Lagos Unmut hervorgerufen. Auch die chilenische Außenministerin Soledad Alvear wies die Äußerung des bolivianischen Präsidenten zurück. "Unserer Meinung nach hängt die Stabilität eines Staates von internen Entscheidungen ab", so Alvear.

Dennoch hat die chilenische Regierung positiv auf die Einladung des bolivianischen Außenministers Juan Siles reagiert, an einem Treffen zu dem Thema teilzunehmen. Auch die peruanische Regierung hat die an sie gerichtete Einladung angenommen.

Sowohl der peruanische Präsident Alejandro Toledo als auch sein chilenischer Amtskollege Ricardo Lagos bestätigten die Teilnahme an bilateralen Gesprächen mit Bolivien. Die Gespräche sollen im Rahmen des Sondergipfels der Organisation Amerikanischer Staaten OAS (Cumbre Extraordinaria de las Américas) im mexikanischen Monterrey (12./13. Januar) stattfinden.

Wie aus jüngsten Stellungnahmen der Regierungen Perus und Boliviens hervorgeht, ist für die Unterredung Toledos und Mesas die Erörterung eines möglichen souveränen Meereszugangs Boliviens über Arica vorgesehen. Das ehemals zu Peru gehörende Arica war im Salpeterkrieg von Chile erobert worden.

"Wir wollen die ganze Torte"

(Quito, 8. Dezember 2003, adital).- Felipe Quispe ist Führer der indigenen Bewegung Pachakuti (MIP) und der Landarbeitergewerkschaft Confederación Sindical Única de Trabajadores Campesinos de Bolivia (CSUTCB). Das Interview führte Marcelo Larrea* für die Nachrichtenagentur adital.

Adital: Zeigt die Regierung des Präsidenten Carlos Mesa politischen Willen, mit der indigenen Bevölkerung zu reden?

Felipe Quispe: "Nein. Ich denke, dass Mesa von etwas anderem träumt. Ich bin der Meinung, dass er noch nicht begriffen hat, dass er im Präsidentenpalast sitzt. Seine Regierung ist nicht nur taub, sondern auch stumm. Sie denkt, dass wir schweigen und nicht protestieren werden. Der bolivianische Staat ist ein säumiger Schuldner in 72 Punkten, also den Forderungen, die wir einklagen. Außerdem steht ein Verhandlungstisch über indigene Politik aus, in dem die Erdgasthematik, das Gesamtamerikanische Freihandelsabkommen ALCA und die Abschaffung einiger Gesetze diskutiert werden muss. Nun müssen wir abwarten. Aber wir bleiben nicht untätig. In der Zwischenzeit besuchen wir die Gemeinden, unter anderem, um unserer Anhänger zu mobilisieren und zu organisieren, und um die Gewerkschaften wiederzubeleben. Wir müssen die Zeit gut nutzen, weil man nicht den Einsatz der Leute von heute auf morgen organisieren kann. Und wir sollten auch nicht darauf warten, dass er vom Himmel fällt oder dass er aus der Pacha Mama oder der Mutter Natur hervorquellt. Wir müssen ihn selber ganz sorgfältig vorbereiten.

Adital: Glauben Sie, dass Bolivien im neuen Jahr wieder in eine Krise geraten kann?

Felipe Quispe: Ich glaube, dass es bis April keine große Mobilmachung geben wird. Wir müssen den landwirtschaftlichen Zyklus berücksichtigen. Wir leben von dem Land, wir essen von der Mutter Erde, deswegen sind wir jetzt mit der Saat oder der Pflege der Felder beschäftigt. Außerdem müssen wir daran denken, dass nach Weihnachten und Silvester noch Karneval und Ostern kommen. Wenn alle diese Feierlichkeiten vorbei sind, werden die Indios Zeit haben, sich zu mobilisieren. Wir müssen uns klar machen und realistisch sein, dass erst ab Mitte April die Leute bereit sein werden. Danach können wir die Straßen sperren, den Transport der Agrarproduktion stoppen und die Kolonialstädte, die uns unterdrücken, belagern.

Adital: Das heißt, Sie planen eine Mobilisierung im April?

Felipe Quispe: Mehr oder weniger schon. Wir müssen strategisch kalkulieren, weil wir die Kräfte der Massen nicht verschwenden können. Wir müssen genau wissen, wann wir reagieren können und wann nicht. Wir sind wie eine Fußballmannschaft, wir greifen an und verteidigen uns zusammen. Alles ist Teil einer Strategie und einer Taktik. Es geht nicht darum, die Massen zur Rebellion aufzurufen, damit sie getötet werden und zum Schluss gar nichts erreichen. Solche Situationen könnten interne Spaltungen bewirken oder neue Politiker hervorbringen, die die Situation ausnutzen.

Der Kampf um die Macht

Adital: Was hat Sie die Mobilisierung des Septembers und Oktobers gelehrt?

Felipe Quispe: Um die Bewegung ins Rollen zu bekommen, mussten wir den Machiavellismus umgehen und gleichzeitig einige Ideen ‚des Prinzen' umsetzen. Da alle Kriege sich durch Täuschung charakterisieren, mussten wir auch den ‚Gringo' (den damaligen Präsidenten Sanchez de Lozada) täuschen. Zuerst organisierten wir einen bewaffneten Zusammenstoß in Warisata. Ich rede nicht von Steinen und Schlagstöcken, sondern von alten Gewehren, die wir aufbewahrt hatten.

Danach haben wir gesagt: wir könnten uns in Warisata mit der Regierung zusammen setzen. Aber sie kam nicht, da dort die Kämpfe stattfanden. Dann schlugen wir vor, an einem neutralen Platz wie zum Beispiel in Cuzco in Peru zu diskutieren. Wir schickten einen Führer und legten das Thema des Erdgases auf den Tisch. Wir wissen, dass die Bolivianer antichilenisch und antiperuanisch sind. Wir sind sehr nationalistisch, so sind wir erzogen worden.

Dann kam es zu einem Volksaufstand, bei dem sogar die bolivianische Arbeitergewerkschaft COB (Central Obrera Boliviana) unserer Landarbeiterorganisation CSUTCB folgte. Daraufhin beeilte sich die Regierung, den Dialog zu beginnen. Sie wollten sämtliche Forderungen akzeptieren. Doch dann war für uns klar, dass die Mobilisierung an Kraft verlieren könnte, wenn wir einen Dialog beginnen würden. Damit hätten wir Sanchez de Lozada nicht entmachten können, der den wichtigsten Teil der Regierung darstellte. Unsere Pläne basierten auf dem Rücktritt des Präsidenten, auch wenn das eine Niederlage für uns hätte bedeuten können. Sie riefen uns an und wir schalteten unsere Handys aus und sprachen mit niemanden mehr. Wir hatten keinen Führer mehr und konzentrierten uns auf die Analyse der Morddrohungen gegen unsere wichtigsten Führer. Sie riefen uns täglich an, um unseren Familien alles mögliche anzubieten.

Am 17. war der Rücktritt der Miristen, danach folgten die Republikaner. Einer nach dem anderen verließen die Regierung. Aber wir hatten einen anderen Plan. Keine Organisation kann für eine andere arbeiten. Wir arbeiten für uns selber: Die COB, das Bürgerkomitee in Sachen ALCA und die Transportunternehmer der Hochebene für die Machtübernahme. Wir hatten drei Pläne. Der Plan Eins: Vor- und Rückwärtsgehen. Das haben unsere Kameraden gemacht trotz der Militarisierung. Der Plan "Shigitite", rote Ameise, war, die ganze Stadt zu überfallen. Und drittens gab es den Plan "Paragcha", die Belagerung der Stadt zu verstärken. Wenn Sanchez de Lozada nicht zurück getreten wäre, hätten wir die Bevölkerung bewaffnet, um La Paz einzunehmen. Das wäre kein Problem gewesen, da die Mehrheit der Einwohner dort Indigene sind. Schließlich kam der Volksaufstand, der den Rücktritt des Präsidenten bewirkte. Nach der Amtsniederlegung wurden die Leute ruhig und alle fingen wie beim Karneval an zu feiern. Allerdings haben sie nur die Person gewechselt, nicht aber das System. Wir werden also weiter kämpfen und wissen schon, dass wir eines Tages den Sieg erreichen werden.

Adital: Was erwarten Sie von der Regierung Mesa Lago?

Felipe Quispe: Nichts. Er spricht nett, mit schönen Wörtern, theoretisiert und hebt einige Sachen hervor, aber für mich handelt es sich um eine nutzlose Regierung. Wir hatten Kontakt mit einigen Regierungsmitgliedern. Ich traf jeden einzelnen, als ob ich ein Psychologe wäre, um das Terrain kennen zu lernen. Dieses Regime führt zu nichts. Wir haben einen Minister für indigene Angelegenheiten, der zur MAS (Bewegung für den Sozialismus) gehört. Wir haben uns gefragt, was für Leute regieren uns und wir haben gedacht, dass vielleicht die Indigenen ein Minderwertigkeitskomplex haben und sich deswegen nicht trauen, das Land zu regieren. Andere fragen, ob wir bereit dafür sind. Jedenfalls sind wir nicht bereit zu klauen, uns bestechen zu lassen oder uns zu prostituieren. Jedoch sind wir bereit, ein Land zu regieren.

Adital: Sie erwarten gar nichts von der Regierung Mesa Lago. Wie schätzen Sie ihre politische Strategie ein?

Felipe Quispe: Sie erklären, dass sie politisch nicht festgelegt seien, aber in der Regierung gibt es Leute der Bewegung für ein freies Bolivien, der MNR, der MAS usw. Das sind Leute aus verschiedenen Gruppierungen. Mesas Regierung ist ein Hybrid ohne Horizont. Es ist nicht wie früher, nicht wie mit den alten Regierungen, die wir bisher kannten, etwa wie die des Ex-Präsidenten Banzer. Diese waren korrupt und hatten Macken, aber sie wussten, wie sie an Probleme herangehen können. Aber die neue Regierung weiß das nicht. Deswegen ist sie sehr schwach.

Adital: Die von der Verfassung bestimmte Abfolge des Präsidenten bedeutet, dass die Macht immer in den Händen der gleichen Leute bleibt. Stellt diese Situation für euch nicht ein Bedürfnis dar, neue, eigene, alternative Machtinstitutionen zu entwickeln, welche die Gesetzmäßigen ersetzen könnten?

Felipe Quispe: Nein. Dieses ist nur eine Übergangsregierung und die richtige Lösung ist, neue Präsidentschaftswahlen auszurufen, sowie einen Verfassungsausschuss. Aber dafür gibt es keinen Termin. Herr Mesa muss eine Lösung finden, aber wir selber müssen auch wissen, was wir machen werden und welchen Profit wir aus dieser Regierung schlagen können. Dafür müssen wir die Massen befragen, weil ich nicht beauftragt bin, alleine zu entscheiden.

Adital: Momentan profitieren Sie von einer Stärkung der Volks- und Bauernbewegung. Könnte eine Stabilisierung der Regierung von Präsident Mesa nicht diese Stärkung in Gefahr bringen?

Felipe Quispe: Wir sind eine Stufe höher geklettert, aber wir müssen aufpassen. Wenn wir wieder an Popularität verlieren, werden wir die politischen Folgen spüren. Aus diesem Grund muss ich mich als Führer dieser heiligen Bewegung, die zwischen September und Oktober erstarkt ist, um diese kümmern. Jeder Fehltritt kann zu einer Spaltung führen, die von Mesa und andere Politiker ausgenutzt werden kann. Deswegen müssen wir schlau sein, um die Bewegung stark zu halten. Die Gründungsmotive sind sehr wichtig für uns.

Die Unterschiede gegenüber Evo Morales

Adital: Wie bewerten Sie die Position der Bewegung für den Sozialismus MAS sowohl während des Volksaufstandes als auch jetzt, wo sie mit in der Regierung sitzt?

Felipe Quispe: Die MAS spielte keine Rolle während des Aufstandes, weil Evo in Libyen war, woanders eben. Sie machten sich über uns lustig, sie lachten, weil sie dachten, dass wir die Bewegung nicht ins Rollen bringen könnten. Wir opferten Menschen in Warisaba, El Alto von La Paz usw. In Cochabamba, der Region, in der Evo Morales den größten Einfluss hat, passierte gar nichts. Es scheint, dass es in Chaparenuma eine Mobilisierung gab, die einen Tag dauerte.

Evo kam im letzten Moment und erzählte den Medien, dass er alles organisiert habe. Er hat viele Kontakte und deswegen spricht er sogar mit dem CNN. Sie mussten eine Inszenierung machen, um ihn als Hauptdarsteller zu präsentieren. Zuletzt als Mitglied der Regierung sagte er, man solle der Regierung Zeit geben. Man müsse jetzt nicht reden, diesen schlecht erzogenen Indios der Hochebene sollte nichts gesagt werden, sie bekämen so viel Förderung. Ich denke, dass er einen Fehler macht. Man sollte nicht für ein Ministeramt, das nichts als ein Krümel ist, an der Regierung teilnehmen. Wozu? Wir wollen die ganze Torte. Alles oder gar nichts.

Adital: Wird diese Einstellung sowohl Evo als auch dem MAS politisch viel kosten?

Felipe Quispe: Ich glaube schon, weil er schon eine gute Chance verpasst hat. Er wurde Zweiter bei den letzten Wahlen. Damals erklärte er den Medien, dass er nicht bereit gewesen sei, dass er Angst hätte und deswegen mit niemanden koalieren wollte. Wenn er ein guter Politiker gewesen wäre, hätte er mit der neuen republikanischen Kraft (Nueva Fuerza Republicana) gesprochen, mit der MIR. Aufgrund unserer indigenen Disziplin hätten wir ihn unterstützt und er wäre Präsident geworden. Allerdings konnte er nicht verhandeln, weil er nichts über den Machiavellismus gelesen hat, obwohl alle Politiker von diesem profitieren. Warum sollten nicht auch wir von Machiavelli profitieren?

Adital: Welche sind die wichtigsten Unterschiede zwischen ihrer Bewegung und der von Evo?

Felipe Quispe: Sie wollen die Macht in den Bürgermeisterämtern und wollen die Bezirke kontrollieren. Sie arbeiten dafür, aber ihre Ideologie kommt aus einem christlichen Sozialismus. Die MAS entstand nicht aus dem Poncho der Indigenen, wir schon. Unsere Bewegung wurde am 14. November 2000 in Peñas gegründet. Dort wurde der Indigene Tupac Katari hingerichtet. Wir stammen aus dem Poncho der Landarbeiterorganisation und deswegen orientieren wir uns am Indigenismus. An der MAS nehmen unter anderem die Stiftung Che Guevara von Antonio Peredo, der sozialpatriotische Block von Manuel Morales Dávila und die Bewegung von Felix Vásquez teil. Sie haben verschiedene Einstellungen und stellen keine Einheit dar. Jeder spricht anders. Sie haben 27 Abgeordnete, unter anderem Vertreter der Mittelschicht und der Mestizen. Die Indigenen nehmen überhaupt nicht teil. Deswegen bleiben uns nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir sind im Parlament im Rahmen des Grundgesetzes vertreten oder wir äußern uns durch die Gremien, die Transportunternehmen und die Indigenen, führen Mobilisierungen durch und gehen mit ihnen zum Kampf. Wenn eine Position nicht funktioniert, dann benutzen wir die andere.

Die rote Fahne

Adital: Wie definieren Sie den Begriff des Indigenismus, der den Grundstein ihrer Bewegung darstellt und welches sind ihre strategischen Ziele?

Felipe Quispe: Der Grundsatz unserer Bewegung ist schon geschrieben. Der Indigenismus ist antikolonialistisch, antiimperialistisch und stellt sich sogar gegen den Rassismus. Dieser Indigenismus ist nicht neu. Er kam 1492 mit Kolumbus nach Mittelamerika. Dieser glaubte, dass er in Indien angekommen wäre. Seitdem wurden wir genauso wie unsere Vorfahren als ‚Indios' bezeichnet. Dieser Begriff wurde für die Misshandlung und Ausbeutung genutzt und wir wollen uns von ihm befreien. Unsere Bewegung ist nicht rassistisch und wir werden uns nicht rassistisch verhalten.

Adital: Wie wollen Sie die anderen nicht indigenen Gruppierungen in ihre Bewegung gegen den Antikolonialismus and Antiimperialismus miteinbeziehen?

Felipe Quispe: Das ist sehr einfach, weil wir den Klassenkampf berücksichtigen. Wir nehmen die rote Fahne als Stütze, weil sie den Klassenkampf darstellt, und daneben gibt es den Kampf zwischen den Nationen. Wir sprechen nicht nur über die Indios, sondern auch über die Armen, die Randgruppen, die Leute, die nichts besitzen, nicht mal genug zum Essen und arbeitslos sind. Diese Leute nehmen uns immer mehr wahr und werden militant. Diese Menschen nicht zu berücksichtigen stellt einen politischen Fehler dar.

Adital: Sie arbeiten mit den Begriffen des Klassenkampfes und des Kampfes für das Land. Wie definieren Sie die Ziele der nationalen Befreiung und der Entkolonialisierung?

Felipe Quispe: Ich glaube, dass wir durch die Wahlen nichts erreichen können. Wir können die Wahl gewinnen, aber damit werden wir nicht die Macht haben, weil sie von den Streitkräften überwacht wird. Sie sind die rechte Hand der Reichen. Wir müssen einen anderen Weg suchen. Als die Spanier kamen, brachten sie Pferde, Pulver und die Bibel. Damit wurden wir besiegt. Bolívar und Sucre töteten ihre Großeltern und die Großgrundbesitzer und wurden zu Republikanern. Víctor Paz, Siles Suazo und anderen machten 1952 eine Revolution und führten eine Agrarreform durch. Es gab Änderungen und deswegen reden wir jetzt spanisch. Wir sind auf dem gleichen Weg. Wir müssen kämpfen. Nur dadurch werden wir etwas ändern, werden wir das System "entneoliberalisieren" und unsere eigenen Gesetze schreiben können.

* Marcelo Larrea ist Korrespondent von adital in Ecuador und Chefredakteur der Zeitschrift "El Sucre".

LATEINAMERIKA/USA

Gipfeltreffen der OAS im mexikanischen Monterrey

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 9. Januar 2004, npl).- Dem mexikanischen Außenministerium zufolge soll alles ganz harmonisch ablaufen. "Denn wir sind alle aus derselben Familie" heißt es im Werbespot, der den Außerordentlichen Amerika-Gipfel in den vergangenen Tagen angekündigt hatte. Bis auf den nicht zur Familie zugelassenen kubanischen Staatschef Fidel Castro kamen am 12. und 13. Januar in Monterrey die 34 Staatschefs und Premierminister des amerikanischen Kontinentes zusammen. Umstrittenste Figur war zweifellos US-Präsident George W. Bush, gegen dessen Anwesenheit verschiedene Proteste in Monterrey und Mexiko-Stadt angekündigt worden waren.

Der reguläre vierte Gipfel findet erst 2005 in Buenos Aires statt. Doch die "geteilte Sorge" über die wirtschaftliche Situation der meisten Länder in der Region sowie die Persistenz politischer Krisen und wachsende soziale Bedürfnisse, machten den Sondergipfel notwendig, so Miguel Ruiz, mexikanischer Botschafter bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Spezielle Aktionen, um wirtschaftliches Wachstum mit Gerechtigkeit zu erreichen, sollten nach offizieller Lesart beschlossen werden. Im erwähnten Spot wird auf Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen abgehoben. Das Generalsekretariat der OAS sah das zwischengeschobene Treffen als "vernünftig" an, weil seit dem letzten Gipfel 2001 im kanadischen Quebec 14 Staatschefs neu ins Amt kamen und in den OAS-Prozess integriert werden könnten.

Ob es zu der propagierten Kohäsion der Vorstellungen kommt, war schon vorab fraglich. Die USA hatten im Vorfeld klar gemacht, dass es ihnen unabhängig von der offiziellen Agenda auch um die Diskussion des gesamtamerikanischen Freihandelsabkommen (FTAA) und die stockenden Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) geht.

Ebenso war zu erwarten, dass sie im Kontext ihrer Anti-Terrorismuskampagne wie bei früheren Gelegenheiten auf eine stärkere Zusammenarbeit im Militär- und Sicherheitsbereich auf dem Kontinent unter ihrer Führung drängen. Beispielsweise sähen die USA gerne eine aktivere Rolle des Interamerikanischen Verteidigungsrates, der bisher eine OAS-Beratungsinstanz in militärischen Fragen ist, aber keine eigenen Operationen durchführt. Damit nähren sie jedoch die Vorwürfe, nach denen die OAS ein reines Instrument im Dienste der politischen Interessen Washingtons ist.

"Familienmitglieder" wie Brasilien wehren sich zunehmend gegen eine Bevormundung aus dem Norden. Der Widerstand Brasiliens gegen US-Positionen hat entscheidenden Einfluss auf die WTO- und FTAA-Verhandlungen gehabt. Und gerade erst liegt Brasiliens Außenminister Celso Amorin im Streit mit seinem Kollegen Colin Powell. Auf die verschärften Einreisekontrollen in die USA mit obligatorischen Fingerabdrücken und Fotoablichtung der Ausländer will Brasilien an seinen Grenzen zum Unwillen Washingtons mit gleicher Münze für US-Bürger heimzahlen.

Argentiniens neuer Präsident Nestor Kirchner hat sich mehrmals gegen US-Ansinnen verwahrt, durch die er die Souveränität seines Landes gefährdet sah. Die politischen Differenzen zwischen Venezuelas Präsident Hugo Chávez und George W. Bush sind bekannt. Wichtige Länder wie Chile und Gastgeber Mexiko stehen dagegen eher auf der Seite der USA.

In den vergangenen Tagen sorgte die Bush-Administration noch einmal dafür, dass es im Kontext des OAS-Sondergipfels an Diskussionsstoff nicht fehlt. So hat die vom US-Präsidenten am 7. Januar verkündete Absicht, illegalen Einwanderern – das sind in erster Linie Lateinamerikaner – für begrenzte Zeit unter bestimmten Bedingungen eine Arbeitserlaubnis zu erteilen, breite Diskussionen ausgelöst. Kritiker unterstellen, die Initiative ziele vor allem auf das Wählerpotential der legalen "Hispanos", das für die Wiederwahl von Bush entscheidend sein könnte. Außerdem würde die Umsetzung des Plans einer besseren Erfassung der illegalen Einwanderer dienen, ohne deren rechtliche Situation endgültig zu klären.

In Mexiko haben breite Teile der Öffentlichkeit empört darauf reagiert, dass mit Zustimmung der mexikanischen Regierung die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Hauptstadt-Flughafen seit Jahresbeginn praktisch unter US-Kontrolle stehen. Bei Flügen in die USA sind es zum Teil FBI-Agenten, die die Passagiere ausgiebigen Sicherheitsprozeduren unterziehen. Während Präsident Fox diese Vereinbarung mit den USA für "völlig normal" erklärt hat, sehen andere darin einen Akt der Unterwürfigkeit.

Voraussetzungen für einen harmonischen Sondergipfel in Monterrey sind das nicht. An der Abschlusserklärung wird sich ablesen lassen, ob es für die "geteilten Sorgen" in "derselben Familie" ein Minimum an gemeinsamen Lösungsperspektiven gibt. Die jeweiligen Regierungsunterhändler verhandeln bereits seit vergangenem Donnerstag (8. Januar) intensiv über den Text.

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