Poonal Nr. 494

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischen Agenturen vom 21. September 2001

Inhalt


MEXIKO

PERU

BRASILIEN

BRASIL/VENEZUELA

URUGUAY

ARGENTINIEN


MEXIKO

Das bittere Ende der Schokolade – In Mexikos Süden geht eine Tradition verloren

Von Andreas Boueke

(Tapachula, September 2001, npl).- Dona Tinita war eine bekannte Frau in Mexikos südlichstem Bundesstaat Chiapas. Händler kamen von weither, um ihre Schokolade zu kaufen. Nie brauchte sie ihr kleines Dorf zu verlassen, denn die Käufer kamen zu ihr nach Hause. Ihre Schokolade war begehrt – in guten Zeiten konnte Dona Tinita an einem Tag bis zu fünfzig Kilo der braunen Masse verkaufen. Jahrzehntelang trocknete sie unzählige Kerne der Kakaofrucht. Sie hat sie geschält, gemahlen und mit Zucker zu Schokolade verarbeitet. So verdiente sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder, bis sie im November 1999 starb.

Auch Dona Tinitas Tochter, Dona Ana, hat ihr Leben lang Schokolade produziert. Die 72 Jahre alte Dame mit drei Zähnen im Mund und einem Zopf aus weißem Haar auf dem Rücken berichtet von den goldenen Zeiten des Kakaos, als ihre Mutter noch lebte: „Sie hat uns beigebracht, Schokolade herzustellen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Früher sind die Leute bis hierhergekommen, um zu kaufen. Sie hätten das sehen müssen! Manchmal haben drei Autos vor dem Haus gestanden, um Schokolade abzuholen.“

Die Hütte, in der Dona Ana lebt, hat sich seit dem Tod ihrer Mutter nicht verändert. Das Fundament aus Naturstein erinnert an die Mayaruinen im chiapanekischen Urwald. In die Bretterwände und Wellblechdächer hat sich die Verwesung der Zeit eingefressen. Der einzige große Raum der Hütte riecht süßlich, wie beim Imker. Hunderte Bienen umschwirren zahlreiche Eimer und eine alte Handmühle, mit der noch Dona Tinita den Kakao gemahlen hat. Alles ist überzogen von einer dicken Schokoladenkruste.

Das Dorf, in dem Dona Ana lebt, heißt Cacahoatan, das bedeutet „Ort des Kakao“. Während des gesamten vergangenen Jahrhunderts war das Leben der Menschen dort von der Schokoladenproduktion geprägt. Schon die Azteken kannten die Kakaofrucht, die sie „Cacahuatl“ nannten. Aus den gemahlenen Kernen stellten sie das Getränk „Xocoatl“ her.

Heutzutage stellen immer mehr landwirtschaftliche Betriebe in der Umgebung von Cacahoatan auf andere Produkte um. So auch der Kleinbauer Anselmo Zesma: „Die Traditionen gehen verloren und der Tag wird kommen, an dem der Kakao ganz aus der Region verschwunden sein wird. Nur noch die alten Leute kennen die manuelle Schokoladenproduktion, die früher vielen Familien ein Einkommen gegeben hat.“

Noch gibt es in der Umgebung von Cacahoatan rund siebenhundert Bauern, die Kakao ernten. Die Entscheidung, auf andere Produkte umzustellen, fällt ihnen nicht leicht, denn ein Kakaofeld produziert erst nach mehreren Jahren intensiver Pflege. Vor wenigen Jahren hat die Vereinigung der lokalen Kakaobauern noch eine Maschine zur Weiterverarbeitung des Kakao gekauft, um neue Absatzmöglichkeiten zu schaffen. Eine Fehlinvestition, denn die Zwischenhändler kaufen heute nur noch unverarbeitete Kakaokerne, wenn überhaupt. Den Profit an der Veredelung machen die Schokoladefabrikanten. Raul Guzman, Präsident der Kakaobauernvereinigung, hat resigniert: „Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre hat uns sehr geschadet. Die lokalen Bauern können auf dem offenen Markt nicht konkurrieren. Die Preise liegen unter den Produktionskosten.“

Seitdem in Brasilien und der Elfenbeinküste eine Überproduktion des Kakao gefördert wird, sind die Weltmarktpreise enorm gefallen. Früher wurden die mexikanischen Produzenten in einem vom Staat kontrollierten Markt mit festen Preisen geschützt. Heute können sie mit den Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrieren. „In den siebziger Jahren konnte eine Familie mit drei Kindern von einem hektargroßen Kakaofeld gut leben,“ erinnert sich Raul Guzman. „Heute sind die Verhältnisse andere. Von einem Hektar Land kann nicht einmal mehr eine Person leben.“

Lateinamerika, der Kontinent, aus dem der Kakao ursprünglich kommt, liefert heute nur noch 20 Prozent der Weltproduktion. Aus Westafrika stammen inzwischen 60 Prozent. Die jüngste Kakaoregion mit der schnellsten Wachstumsrate ist Südostasien, das innerhalb kurzer Zeit 20 Prozent des Marktes erobert hat. Auch die rund neun Kilo Schokolade, die sich die Deutschen pro Kopf und Jahr auf der Zunge zergehen lassen, kommen vorwiegend aus Brasilien und der Elfenbeinküste. Vermarktet wird das süße Pulver von multinationalen Konzernen wie Nestle, Jacobs-Suchard, Philip Morris oder Ferrero, die von dem sinkenden Rohstoffpreis zusätzlich profitieren.

Eine Tradition, aber auch eine Lebensgrundlage geht verloren. In Mexiko wird nur noch ein Prozent der Weltkakaoproduktion geerntet. Zu dem Niedergang haben auch Veränderungen der klimatischen Verhältnisse beigetragen. Seit einigen Jahren regnet es viel mehr als früher. Das hat zur Verbreitung von Pilzen geführt, die große Teile der Kakaoproduktion befallen.

Und die junge Generation in Chiapas setzt nicht mehr auf die Landwirtschaft. Nicht wenige verlassen die Region, um anderswo ihr Glück zu versuchen. Rodolfo Ramirez ist einer der letzten jungen Kakaopflücker. Er arbeitet für eine staatliche Versuchsplantage. „Die Leute wandern aus,“ berichtet er. „Viele lassen ihr Land brach liegen und suchen nach anderen Beschäftigungen. Sie versuchen, in die USA zu kommen. Man hört immer, dass es dort besser bezahlte Arbeit gibt.“

 

Katholiken und Protestanten nehmen an Versöhungsfeiern teil

(San Cristobal de las Casas, 11. September 2001, alc-Poonal).- Katholische und evangelische Indigenas nahmen am vergangenen Samstag, den 8. September, an einer Ökumenischen Feier für Frieden und Versöhnung in der Ortschaft Puebla teil. Die Gemeinde im Distrikt Chenalho, Chiapas, wird von politischen und religiösen Konflikten erschüttert.

Im Hof der Schule von Puebla vereint, beteten und sangen evangelische und katholische Tzotzil-Indigenas zusammen mit katholischen Priestern und Pastoren der Pfingst-, Baptisten- und Presbyterianerkirche sowie der katholische Bischof von San Cristobal de las Casas, Felipe Arizmendi Esquivel, mehr als zwei Stunden lang und baten Gott um Frieden und Versöhnung in diesem Landkreis, in dem seit 1997 Spannungen herrschen.

Bischof Arizmendi und weitere Pfarrer der evangelischen Kirchen beteten für Versöhnung zwischen den Indigenas, die vergangenen 28. August nach Puebla zurückkehrten, und den Bewohnern der Gemeinde. Die Initiative zu der Feier entstand nach der Rückkehr von 62 Familien mit insgesamt 333 Mitgliedern, die vor der Gewalt geflohen waren, in drei Gemeinden des Distrikts.

Alle Rückkehrer sind Mitglieder der Bürgerorganisaton Las Abejas (Die Bienen), die dem Erzbistum verbunden sind. Zu ihr gehörten auch die 45 Indigenas, die am 22. Dezember 1997 in Acteal ermordet wurden. Außerdem nahmen an der Versammlung Anhänger der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) teil, in ihrer Mehrzahl Frauen. Die Kaziken der PRI – der Partei, die Mexiko 60 Jahre lang regierte – werden beschuldigt, die Verfolgung von Protestanten in Chiapas zu fördern. Die Mehrzahl der Männer von Puebla blieb in ihren Häusern.

 

PERU

Erneuter Fall von Selbstbedienung aus der Biodiversität der Anden: Der Yacón-Skandal

(Montevideo, 15. September 2001, noticias verdes/comosur-Poonal).- Es gibt ein in Peru heimisches Knollengewächs, das zwar kaum bekannt ist, aber viele Eigenschaften besitzt, die dem Menschen sehr zuträglich sind. Diese mit der Sonnenblume verwandte Andenpflanze wurde bis vor kurzem ausschließlich von den Bauern der Anden angepflanzt, die die Tradition ihrer Kultivierung wie ein Vermächtnis bewahren. Die besonderen Eigenschaften dieser Pflanze weckten jedoch das Interesse anderer Länder wie Japan, das sie buchstäblich aus Peru entführte, um sie im eigenen Land anzubauen. Und das ist leider nur ein Beispiel für die systematische Bedienung aus dem „weltweit am stärksten von Biopiraterie betroffenen Teil der Erde“.

Yacón (smallantus sonchifolius) schmeckt süß, macht aber nicht dick. Da der menschliche Körper nicht in der Lage ist, den Zucker dieser Pflanze aufzunehmen, würde ihre Verwendung in Lebensmitteln für Menschen, die an eine Diät gebunden sind, unbedenklichen Süßgenuß ermöglichen. Dasselbe gilt für die weltweit ständig wachsende Zahl von Diabetikern. Der Einsatz von Yacón als nicht dick machender Süßstoff anstelle von Rohrzucker oder aus Mais gewonnener Fruktose wäre denkbar. In Anbetracht dieses enormen Marktpotentials haben die Japaner seit mehr als einem Jahrzehnt an Derivaten des Yacón geforscht und Patente erworben. Laut Angaben der Rural Advancement Foundation International (RAFI) wird in Japan zu Versuchszwecken bereits auf über hundert Hektar Land das begehrte Yacón angepflanzt.

Die Machenschaften um die Pflanze beginnen als zwei ehemalige Angestellte des Internationalen Forschungszentrums der Kartoffel (CIP) in Lima die Leiter dieser staatlichen Forschungseinrichtung des Schmuggels von Keimzellen der Yacónpflanze bezichtigen. Empfänger: die japanische Regierung. Um jedoch derlei Anschuldigungen zu entkräften reicht das CIP die Yacónproben beim der peruanischen Regierung unterstellten Institut INRENA ein, dessen Leiterin Josefina Takahashi kurz darauf das Pflanzenmaterial dem peruanischen Botschafter in Japan übergibt, der wenige Tage später damit nach Tokio fliegt. Beim genaueren Hinsehen kommt heraus, dass es sich bei der Leiterin des INRENA ausgerechnet um eine Person aus dem Umfeld Fujimoris handelt, und dass obendrein der peruanische Botschafter mit dem nach Japan geflüchteten Ex-Präsidenten verschwägert ist.

Ein klarer Fall von Raub, der für die Andenländer und für die Menschen, die seit Jahrhunderten vom Anbau dieser Pflanze lebten, einen großen Verlust bedeutet. Für den Leiter der RAFI, Pat Mooney, ist dies „ein weiteres trauriges Beispiel dafür, dass die Andenregion der „weltweit am stärksten von Biopiraterie betroffene Teil der Erde“ ist.

Die Regierungen der Andenländer haben in den letzten Jahren eine Reihe von Fällen von Bio-Raub einfach ignoriert:

-Anfang der neunziger Jahre zeigt die RAFI an, dass die USA mit einer veredelten Baumwollart eine Art Urheberrecht über die aus den Anden stammende naturfarbene Baumwolle gewonnen hatten. Die Regierungen unternehmen nichts.

-1996 macht die RAFi darauf aufmerksam, dass eine medizinische Forschungsstelle der US-Marine in Lima und in Iquito(Peru) genommene Blutproben verwendet. Die Regierung verhält sich passiv.

-1997 organisieren Bauernorganisationen zusammen mit der RAFI eine Kampagne zur Verhinderung eines Patents der Colorado State University (USA) auf Dutzende von ursprünglichen Quinoasorten aus den Anden. Die Regierungen der Andenländer tun so, als wüßten sie von nichts.

-1998 macht die RAFI darauf aufmerksam, dass die schwedische Firma Biogaia das Patent auf einen der Brust einer peruanischen Frau entnommenen Mikroorganismus bekommen hat. Der Pilz wird in Joghurt und anderen in Skandinavien vertriebenen Milchprodukten verwendet. Reaktionen von Regierungsseite bleiben aus.

-1999: Indigeneavölker der Amazonasregion üben aufgrund von Informationen der RAFI so starken Druck auf die Regierung aus, dass ein soeben vergebenes Patent auf die heilige Pflanze Ayahuasca zurückgezogen wird. Im Januar 2001 wird das Patent dann doch vergeben und zwar an jenen US-Bürger, der dies bereits zuvor versucht hatte. Von seiten der Regierung gibt es keinerlei Widerstand gegen diese Entscheidung.

-Im Jahr 2001 beginne der Verein Kechua-Aymara und die RAFI ihre Zusammenarbeit mit den Kallawaya in Bolivien und Peru, die mit Sorge der von der University of Texas (USA) sowie einem japanischen Pharmakonzern beabsichtigten Kommerzialisierung bestimmter Heilpflanzen gegenüberstehen. Die Regierungen nehmen nur ganz am Rande Notiz von dem Thema.

Aus „Noticias Verdes“, gestützt auf Berichte der Rural Advancement Foundation International (RAFI).

 

Wissenschaftlicher Rückschritt

(Lima, 17. September 2001, na/ips-Poonal).-. Peru ist das Land in Lateinamerika mit den geringsten Pro-Kopf-Ausgaben für Forschung. Das hat eine im August veröffentlichte Studie des wissenschaftlichen und technologischen Netzwerkes Iberoamérica festgestellt. Die Mittel, die für technologische und wissenschaftliche Forschung bereitgestellt werden, betragen 0,08 Prozent des internen Bruttosozialprodukts.

Eduardo Ismodes vom technischen Forschungszentrum der päpstlichen katholischen Universität Perus sagte, dass Peru „nur 1,65 US-Dollar pro Person ausgibt, während Bolivien 3,20 US-Dollar, Kolumbien 9 US-Dollar und Chile, sowie Argentinien 35 US-Dollar pro Einwohner ausgeben“.

Nach dem Hochschullehrer Edmundo Murrugarra, „wurden einige Forschungszentren geschlossen und die, die überlebt haben, haben auf ein Minimum eingeschränkte Budgets um die Verwaltungsabläufe zu gewährleisten. Denn der Staatshaushalt stellt lediglich die Summe von jährlich zwölf Millionen US-Dollar zur Verfügung“.

 

BRASILIEN

Neuer Sieg

(Brasilia, 17. September 2001, na-Poonal).- Die brasilianische Regierung erzielte am 31. August mit dem Pharmakonzern La Roche die Übereinkunft, dass Brasilien für das Medikament Nelfinavir einen Rabatt von 40 Prozent erhalten wird. Nelfinavir ist eines von zwölf Präparaten, die zusammen als „Cocktail“ gegen die Immunschwäche AIDS wirksam sind.

Der Gesundheitsminister José Serra hatte zuvor bekundet, dass die Regierung „aus humanitären Gründen“ bereit wäre, das Patent von Nelfinavir zu missachten. Brasilien wollte das Medikament selbst herstellen und der Allgemeinheit zur Verfügung stellen, nachdem die Pharmaindustrie es zuerst abgelehnt hatte, das Medikament zu einem günstigeren Preis abzugeben.

Sieben der zwölf Komponenten des „Cocktails“ gegen die Immunschwäche werden schon in Brasilien hergestellt. Die Patient*innen erhalten die Medikamente kostenlos. Für das Gesundheitsministerium entstehen dadurch jährliche Kosten von 303 Millionen US-Dollar.

Zur Zeit gibt die Regierung 88,5 Millionen US-Dollar für den Kauf von Nelfinavir aus. „Mit dem Kompromiss“, so Gesundheitsminister Serra, „werden jährlich 35,4 Millionen US-Dollar gespart werden“.

 

BRASIL/VENEZUELA

Es werde Licht!

(Brasilia, 17. September 2001, na/ips-Poonal).- Die Präsidenten aus Brasilien, Fernando Henrique Cardoso und Hugo Chavez aus Venezuela haben im August die 680 Kilometer lange Hochspannungsleitung zwischen dem Wasserkraftwerk von Guri, im Süden von Venezuela und Boa Vista, der Hauptstadt, des brasilianischen Bundesstaat Roraima, eröffnet.

Das Projekt, das etwas mehr als das Doppelte der veranschlagten 185 Millionen US-Dollar gekostet hat, wurde 1997 begonnen. Zwischen 1999 und 2000 verzögerte sich die Bauzeit, nachdem es zu Protesten indigener Gruppen in Venezuela kam, die sich dagegen wehrten, dass die das zugehörige Rohrsystem auf ihrem Gebiet gebaut wird.

Die Indigenas – unterstützt von Umweltgruppen – organisierten eindrucksvolle Demonstrationen und zerstörten zwölf Strommasten. Dabei entstand ein Sachschaden von 360.000 US-Dollar. Im April 2000 einigte sich die venezuelanische Regierung vorerst mit den Indigenas und ließ das Projekt fortführen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Hochspannungsleitung den Nationalpark Canaima, die Sierra de Imataca die Gran Sabanna und andere geschützte Regenwaldgebiete durchquert, ist der Widerstand der Indigenas und Umweltgruppen verständlich: sie fürchten, dass sich die Region touristisch und industriell entwickelt, nachdem das Gebiet mit Elektrizität versorgt ist. Das könnte irreparable Schäden an der empfindlichen Artenvielfalt verursachen.

 

URUGUAY

Community-Radios legalisieren? Regierung lädt AMARC zu Gesprächen

(Montevideo, 11. September 2001, comcosur-Poonal).- Der Präsident der jüngst eingerichteten Regulierungsbehörde für Kommunikation (URSEC), Fernando Pérez Tabó, versicherte, „sich dem Problem der Radios niedriger Frequenz und Kommunitärer Radios“ stellen zu wollen und „einen Rahmen zu finden, der das Phänomen berücksichtigt und sein Funktionieren regelt.“

Zu diesem Zweck, so erklärte der URSEC-Präsident, sollte ein Komitee geschaffen werden, an dem Techniker der Behörde, Andebu (der Zusammenschluss der Besitzer großer kommerzieller Radios), Rami (die Besitzer der uruguayischen Radios) und AMARC (Weltweiter Verband Kommunitärer Radios) teilnehmen sollen. Das Komitee soll einen gewissen Konsens derer, die direkt mit dem Thema befasst sind, und das Projekt eines Gesetzenwurfs zur geregelten Inbetriebnahme Radios niedriger Frequenz ermöglichen.

Der Vorsitzende wies darauf hin, dass „das einzige Land der Region, in dem keinerlei Regelung in dieser Hinsicht besteht, Uruguay“ ist. „Die Radios in Argentinien, Brasilien, Paraguay und Chile unterliegen legalen Bestimmungen,“, fügte er hinzu. Tabó erklärte, dass „derzeit es sich zwar um Radios ohne Genehmigung“ handele, jedoch „ein gewisser normativer Rahmen“ existiere. Außerdem hob er hervor, dass bis dato die Regulierungsbehörde „keinerlei Zusammenarbeit mit den Radios ohne Genehmigung“ eingegangen sei.

Die Regulierungsbehörde wurde im Zuge des Gesetzentwurfs gegründet und arbeitet im Umfeld des Büros für Planung und Etat (OPP). Sie stellt einen ausgelagerten Arm der Regierungskommission für Kommunikation dar.

Bis heute unterliegt die mediale Kommunikation in Uruguay der Nationalen Direktion für Kommunikation (DNC), die vom Kriegsministerium abhängt. Das Ministerium hat verschiedentlich Sender geschlossen und der Ausrüstung eingezogen. Um die jeweiligen Kompetenzen von URSEC und DNC sowie deren Verhältnis wird derzeit debattiert.

 

ARGENTINIEN

Gewalt gegen Transvestiten in Cordoba

(Buenos Aires, 16. September 2001, comcosur-Poonal).- Der Vorsitzende von Amnesty International Argentinien übersandte dem Gouverneur von Cordoba, José Manuel de la Sota, wegen der neuen Drohungen gegen Transvestiten in dieser Provinz einen Brief. Amnesty International hat eine weltweite Aktion zur Verteidigung von Vanessa Piedrabuena, einer Verteidigerin der Rechte der Transvestiten, gestartet. Diese hat neue Todesdrohungen von der Polizei erhalten, nachdem sie einer anderen Transvestitin geholfen hatte, gegen Polizeibeamte der Provinz Cordoba Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten. Amnesty International zeigte sich besorgt um die Sicherheit von Vanessa Piedrabuena, Tania Jaime und anderer Mitglieder des Bundes Vereinigter Transvestiten von Cordoba (ATUC).

Die Transvestitin Tania Jaime wurde am 13. Juni von einer Gummikugel, die von einem Polizisten abgefeuert wurde, am linken Auge getroffen. Laut den Berichten hat sie in Folge dessen die Sehkraft auf diesem Auge verloren. Tania Jaime erstattete mit Hilfe von Vanessa Piedrabuena bei den Justizbehörden von Cordoba Anzeige. Als Folge traten zwei Beamte der Provinzpolizei auf sie zu und sagten ihr, sie würden sie töten. Diese Drohungen wurden am 25. Juli und 17. August ausgesprochen. Vanessa Piedrabuena hat diese Drohungen bei den zuständigen Stellen angezeigt, aber nichts deutet darauf hin, dass der Vorfall, bei dem Tania Jaime durch das Gummigeschoss verletzt wurde, oder die Drohungen gegen Vanessa Piedrabuena untersucht werden. Amnesty International ruft die Behörden dazu auf, sofort der Polizeigewalt ein Ende zu setzen und so die legitimen Aktivitäten der Personen, die die Rechte der homosexuellen Gemeinschaft verteidigen, zu gewährleisten.

Vanessa Piedrabuena ist Vorsitzende des Bundes Vereinigter Transvestiten (ATUC). Seit ihre Mitstreiterin Vanessa Ledesma in Polizeihaft starb, führt sie eine Kampagne für Gerechtigkeit durch. Obbwohl sie wiederholt bedroht wurde, reagierten die Behörden nicht. Amnesty International fordert die Regierung dazu auf, die Kontrolle über die Sicherheitskräfte auf allen Ebenen wiedererlangen und zu garantieren, dass die Verletzung der Menschenrechte durch Mitglieder der Sicherheitskräfte nicht straffrei bleiben. Die Organisation ihrerseits weist auf die Gefahren hin, in die sich begibt, wer die Bestrafung der Urheber dieser Morde fordert: Drohungen sind für gewöhnlich die Folge.

 

Versammlung evangelischer Gläubiger in Buenos Aires noch größer als 1999

(Buenos Aires, 16. September 2001, alc-Poonal).- Am Samstag den 15.9. fand in Buenos Aires eine Zusammenkunft von 300.000 evangelischen Gläubigen statt, um für die Überwindung der argentinischen Wirtschaftskrise, den nationalen und internationalen Frieden und die religiöse Gleichheit zu beten. Die Abschlusskundgebung fand vor dem zentralen Obelisk in der argentinischen Hauptstadt statt.

Trotz massiver Kälte und Regen versammelten sich von der Mittagszeit an die Gläubigen an verschiedenen Plätzen der Hauptstadt, zu der der nationale evangelische christliche Rat (CNCE) unter dem Motto „Jesus Christus durch alle und für alle“ aufgerufen hatte.Die Zusammenkunft übertraf bei Weitem die Versammlung vom 11. September 1999, als sich 150.000 Gläubige versammelten und die bis dahin größte in der Geschichte Argentinien war.

Der CNCE vereinigt die drei größten evangelischen Kirchen des Landes, die Vereinigung der Evangelischen Kirchen (FAIE), die Vereinigung der Christlichen Allianz der Kirchen der Argentinischen Republik (FACIERA) und die Brüderlichen Pfingstgemeinden. Diese bilden wiederum Zusammenschlüsse aus mehr als 10.000 Gemeinden.

 

„Ich will der Sohn meiner Eltern sein“ Argentinische Jugendliche, die während der Diktatur als Kinder entführt wurden, entdecken ihre Identität

Von Dafne Sabanes Plou

(Buenos Aires, 10. Sepatember 2001, na-Poonal).- Rosa Roisinblit, die Vizepräsidentin der „Großmütter des Plaza de Mayo“, ist sichtlich bewegt, als sie sich daran erinnert, wie sie nach 22 Jahren ihren Enkel Rodolfo Pérez umarmen konnte. Das Kind ist in Gefangenschaft aufgewachsen, während seine Mutter in einem Haftlager der Militärdiktatur war. „Mir ist ein 22 jähriger Enkel geboren worden. Ich habe 22 Jahre gekämpft, um meinen Enkel umarmen zu können. Es war eine große emotionale, psychische und geistige Anstrengung. Es hat mich Geduld und viel Kraft gekostet. Als wir endlich zusammengekommen sind, haben wir gefeiert, obwohl ich weiß, dass für Rodolfo nichts einfach sein wird und er wichtige Entscheidungen für sein Leben treffen werden muss“ erläutert Roisinblit.

Die Geschichte Rodolfo Pérez' ist ein typischer Fall für die illegale Aneignung und Identitätsberaubung von Kindern während der Militärdiktatur, die in Argentinien zwischen 1976 und 1983 herrschte. Rodolfo wurde sofort nach der Geburt an Francisco Gómez, einem Zivilangestellten der Luftstreitkräfte und seiner Ehefrau gegeben, die keine Kinder bekommen konnten. Er bekam einen anderen Namen – Guillermo Francisco Gómez – und wuchs als Kind dieser Familie auf. Rodolfo wurde in Gefangenschaft geboren. Er hat eine zwei Jahre ältere Schwester namens Mariana Pérez, die nach der Entführung der Eltern 1978 ins Haus ihrer Großeltern gebracht wurde.

Die Mutter der Kinder, Patricia Roisinblit, war zum Zeitpunkt der Inhaftierung im achten Monat schwanger. und nach Aussagen von ehemaligen Gefangenen hat ihre Familie mitbekommen, dass sie einen Sohn geboren hatte, dem sie den Namen Rodolfo gaben. Mariana Pérez hat immer davon geträumt, ihren Bruder lebendig zu finden. Ihre Großmutter schloss sich der „Großmütter des Plaza de Mayo“ an, als sie die Entführung ihrer Tochter durchstehen musste, und machte auf die Suche nach dem Baby.

Erst vor wenigen Monaten hatten Großmutter und Schwester schließlich Gewissheit über die Identität von Rodolfo. Mariana selbst ging zu dessen Arbeitsstelle, und so lernte der Jugendliche seine Geschichte kennen. Im ersten Augenblick schien alles gut zu gehen, der junge Mann hatte eine ergreifende Begegnung mit seiner Großmutter und es begann eine gute Beziehung zu seiner ursprünglichen Familie. Aber dann musste sich der schon im Ruhestand befindliche Francisco Gómez wegen der unerlaubten Aneignung eines Minderjährigen vor der Justiz verantworten. Als er verhaftet wurde, führte dies zu einem tiefen Schock bei Rodolfo, der sich jetzt weigert, die endgültigen Untersuchungen zur zweifelsfreien Feststellung seiner Herkunft zu machen. „Ich will der Sohn meiner Eltern sein, nicht von Leuten die ich nicht kannte“, erklärte der Jugendliche gegenüber der Presse. Mariana zeigt sich gegenüber der Situation, die ihr Bruder durchzustehen hat, verständnisvoll. Roisinblit weiß, dass es seine Zeit dauern wird, bis ihr Enkel ein normale Beziehung zu ihnen finden wird, die er zu Anfang mit soviel Begeisterung akzeptierte. „Man muss warten können, man muss Geduld haben“ sagt sie.

„Diese Einstellung ist bei den „Großmüttern“ immer gegenwärtig. In einigen Fällen hat es mehr als fünf Jahre gedauert, bevor ein Ergebnis feststand. Aber ich weiß, dass er mein Enkel ist, und nun bleibt einem nur, zu hoffen, dass er die Situation akzeptiert, die für ihn sicherlich sehr hart ist. Er wurde sein ganzes Leben von denen, die er am meisten mochte, getäuscht. Das ist schlimm für jeden Menschen“. Einige der zurückgegebenen Kinder arbeiten jetzt im Büro der „Großmütter des Plaza de Mayo“. „Sie helfen uns bei vielen Aufgaben, speziell bei allem was mit Neuen Technologien und Kommunikation per Computer zu tun hat. Darüber hinaus erfüllt es uns mit Freude, sie so nah bei uns zu haben und von ihnen in unserer täglichen Arbeit unterstützt zu werden.“ versichert Rosa Roisinblit.

Etwa 350 Nachkommen von Opfern der Diktatur haben sich zur Gruppe „Hijos por la Identidad y Justicia, contra el Olvido y el Silencio“ (HIJOS, Nachkommen für die Identität und die Gerechtigkeit, gegen das Vergessen und Verschweigen) zusammengeschlossen. Vor einigen Monaten haben diese Gruppen eine Kampagne im Fernsehen und im Radio gestartet, in der sie die Bevölkerung aufrufen, sich mit ihren Ungewissheiten und Fragen an sie zu wenden. Roisinblit erzählt, dass viele Jugendliche Anfragen bezüglich ihrer Identität stellen. Zur Zeit finden einige Untersuchungen statt, um die Herkunft einiger dieser Jugendlicher zu bestätigen. Die „Großmütter“ arbeiten mit einem Psychologen-Team zusammen, die den Jugendlichen hilft, ihre neue Situation zu begreifen. Die meisten dieser jungen Menschen möchten unbeachtet bleiben. Sie merken, dass sie oft benachteiligt oder als Außenseiter angesehen werden.

Im allgemeinen sind es die Großmütter, die mit der Presse reden und den Kontakt zu den zahlreichen Ermittlern und Wissenschaftlern halten, die sich mit der Problematik beschäftigen. Die spontane und freiwillige Mitarbeit der Bevölkerung hat geholfen, die Mehrheit der 72 Kinder und Jugendlichen zu finden, die nun schon zu ihren ursprünglichen Familien und ihrer ursprünglichen Identität zurückgekehrt sind. Die „Großmütter gehen davon aus, dass etwa 300 Kinder in Gefangenschaft aufgewachsen sind, als sie mit ihren Eltern entführt oder ihre Eltern gewaltsam verschwanden. „In den ersten Jahren forderten die „Großmütter“, dass die Minderjährigen ihren Blutsverwandten zugeführt werden. Jetzt, da sie junge Erwachsene sind, die nach ihrer Identität suchen, liegt die Entscheidung bei ihnen“, erzählt sie. „Wir fordern nur, dass ihnen Dokumente auf ihren wirklichen Namen ausgestellt werden. Die jungen Leute, die sich heute bei uns melden, sind alle erwachsen und können selbst den Weg wählen, den sie gehen. Was sich zeigt ist, dass die meisten sich entscheiden, alleine zu leben, um der neuen Etappe ihres Lebens mit einer anderen Perspektive zu begegnen“. Die „Großmütter des Plaza de Mayo“, deren unerschöpfliche Arbeit ihnen die Kandidatur zum Friedensnobelpreis 2001 einbrachte, haben keine einfache Aufgabe gewählt. Sie wissen auch, dass ihre Arbeit sehr hinterfragt und manchmal zurückgewiesen wird. Aber sie verfolgen ihre Aufgabe weiter, weil sie eine tiefe Verpflichtung gegenüber der Wahrheit und der Gerechtigkeit haben und, weil die Freude vor jedem Treffen mit einem verloren geglaubten Kind – auch wenn das mit Schwierigkeiten verbunden ist – die Hoffnung erneuert, noch viele mehr wiederzufinden.

 

 

 

   

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