Poonal Nr. 451

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 451 vom 13. Oktober 2000

Inhalt


 

PERU


 

INHALT

 

HAITI – Aristide betritt offiziell die Wahlkampfbühne – Prozess zum Massaker von Raboteau läuft

MEXIKO – Auch im Bundesstaat Tabasco zerbröckelt die PRI

GUATEMALA – Die Präsidentschaft von Alfonso Portillo. Ein Resümee der ersten Regierungsmonate, Teil I

COSTA RICA – Frauen fordern „verantwortungsbewußte Vaterschaft“

EL SALVADOR – Hunderte Polizisten wegen Korruption und Vergehen suspendiert

NICARAGUA – Vizepräsident will Präsident werden

KOLUMBIEN – Friedensprozess in Kolumbien „schwer verwundet“ – Der Süden antwortet auf den Plan Colombia – Ungeklärter Tod von sechs Kindern durch die Armee – Handel mit Kolumbianerinnen

 VENEZUELA – Gewerkschaften stehen zur Disposition

CHILE – Margot Honecker stellt das Buch „Das andere Deutschland“ vor – Ozonloch erstmals direkt über einer Stadt

PERU -Fujimori will neue Partei für die kommende Wahl gründen ARGENTINIEN – Recht auf Identität – Vizepräsident Carlos Álvarez zurückgetreten

BRD – BUKO 23: Widerstand gegen neoliberale Globalisierung –

 

 

HAITI

Aristide betritt offiziell die Wahlkampfbühne

(Port-au-Prince, 9. Oktober 2000, sicrad-Poonal).- Ex-Präsident Jean Bertrand-Aristide machte es fast bis zur letzten Minute spannend. Kurz vor Ablauf der Einschreibefrist am 9. Oktober presentierte er offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 26. November. Mehrere tausend Anhänger und Mitglieder seiner Partei Fanmi Lavalas (Lavalas Familie) begleiteten Aristide zum Büro des provisorischen Wahlrates. Nach den Einschreibeformalitäten versprach er in einer kurzen Ansprache „ein neues Land“ und „den Frieden“.

Ein imposantes Sicherheitsaufgebot und die in den Nationalfarben blau und rot ausgeschmückten Straßen in der Umgebung des Wahlbüros zeigten, dass es sich nicht um irgendeinen Kandidaten handelte. Die Menge sang Slogans, in die Rückkehr Aristides an die Macht beschworen wird. Von 1991 bis 1996 -unterbrochen von einem dreijährigen Militärregime (1991-94)- regierte er das Land. Jetzt ist er der große Favorit in einem Wahlprozess, den die Opposition zur Farce erklärt hat und teilweise boykottiert. Von den sieben eingeschriebenen Kandidaten haben außer Jean-Bertrand Aristide nur zwei andere einen gewissen Bekanntheitsgrad. Bei den zuerst mehrfach verschobenen und dann wegen der Auszählungsmethode heftig kritisierten Parlaments- und Regionalwahlen im Mai und Juni sicherte sich Fanmi Lavalas bereits die absolute Mehrheit in Abgeordnetenhaus und Senat. Selbst wenn am 26. November überraschend alle restlichen neun zu vergebenden Senatsmandate an oppositionelle Kandidaten fallen würden, änderte sich daran nichts.

Auch wenn Aristide, der von der amtierenden Regierung um Präsident Rene Preval und Premier Alexis Unterstützung erhält, der Sieg kaum zu nehmen sein wird, so ist die große Begeisterung, die ihn 1991 ins Amt brachte, dahin. Die Lavalas-Bewegung vom Anfang der 90er Jahre ist inzwischen zerstritten und auseinander gefallen. Manche der früheren Mitstreiter sind inzwischen in der Opposition und werfen Fanmi Lavalas undemokratische Praktiken und Einschüchterungsversuche vor. Der gesamte Wahlprozess ist ein ständiges Streitthema. Anfang Oktober versuchte eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit mäßigem Erfolg, die verschiedenen Seiten zu Gesprächen zu bewegen.

 

HAITI

Prozess zum Massaker von Raboteau läuft

(Port-au-Prince, 9. Oktober 2000, sicrad-Poonal).- Nach mehrjährigen Verzögerungen ist inzwischen der Prozess über das Massaker von Raboteau angelaufen. Die ersten Zeugen sind vernommen worden. An das Verfahren werden hohe Erwartungen bezüglich der haitianischen Vergangenheitsbewältigung gerichtet. Es gilt ebenso als ein Test für die Straffreiheit, über die viele Menschenrechtsorganisationen des Landes klagen. Amnesty International misst dem Prozess „entscheidenden“ Charakter zu, was die Menschenrechtsverletzungen während der Putschzeit (1991-94) anbelangt.

Am 22. April 1994 hatten Soldaten des Putschregimes und Paramilitärs mehrere Dutzend Menschen in dem Armenviertel Raboteau in der 170 Kilometer nördlich von Port-au-Prince gelegenen Stadt Gonaives ermordet. Lange Zeit wurde das Verfahren gegen die Verantwortlichen hinausgezögert, im Regierungslager gab und gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie der Fall zu behandeln ist. Wichtige Details werden schwer aufzuklären sein, da sich ein Teil der Verantwortlichen für das Verbrechen im Exil befindet und die USA Dokumente über die paramilitärische Organisation FRAPH zurückhalten, die möglicherweise erhellend sein könnten. Präsident Rene Preval bedauerte dies ausdrücklich, sprach bei der Verfahrenseröffnung am 29. September aber dennoch von einem „Feiertag für das haitianische Volk“.

 

MEXIKO

Auch im Bundesstaat Tabasco zerbröckelt die PRI – Gouverneurswahlen am Sonntag markieren in mehrfacher Hinsicht die Zukunft der ehemaligen Staatspartei

Von Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt, 13. Oktober 2000, Poonal).- Vom mexikanischen Südosten aus wollten einige ihrer wichtigsten Mitglieder die Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI) wieder aufbauen. Dort hatte die Partei bei den für sie desaströsen Präsidentschaftswahlen am 2. Juli, die den Regierungsverlust nach 71 Jahren Herrschaft bedeuteten, noch die besten Ergebnisse erzielt. Doch die Rechnung scheint nicht aufzugehen. Nachdem die PRI vor knapp einem Monat bereits die Gouverneurswahlen im Bundesstaat Chiapas gegen den Einheitskandidaten der Opposition verlor, scheint ihr im Endspurt auch die Luft im angrenzenden Tabasco auszugehen, wo am Sonntag (15.10.) gewählt wird.

Hauptgrund für die mögliche Niederlage des PRI-Kandidaten Manuel Andrade gegen den Opponenten Raul Ojeda von der linksgemäßigten Partei der Demokratischen Revolution (PRD) ist nicht die Stärke der Opposition, sondern der interne Machtkampf der PRI. Der noch amtierende Gouverneur Roberto Madrazo hat sich im Laufe seiner sechsjährigen Amtszeit viele Feinde auch in der eigenen Partei gemacht und Andrade gilt als seine Marionette. Dessen Wahlsieg würde von den Kritikern als eine faktische Verlängerung der Amtszeit seines Mentors gewertet. Vetternwirtschaft, Stimmen- und Meinungskauf sowie die Verschwendung öffentlicher Gelder sind die zum Teil schwarz auf weiß belegten Vorwürfe, die Madrazo gemacht werden. Nach und nach distanzierten sich bekannte Parteimitglieder von ihm und kehrten der PRI den Rücken. Anfang dieser Woche rang sich mit Arturo Nuñez sogar die bis Ende August die PRI-Fraktion im Bundesparlament anführende Person dazu durch, zur Stimmabgabe für den PRD-Kandidaten aufzurufen. Nuñez selber war von Madrazo und seinem Apparat bei der Kandidatenwahl ausgebootet worden.

Das lokale Fernsehen, die Zeitungen und die Behörden sind fest in der Hand der Madrazo-Anhänger. Die Opposition kam vom Radio abgesehen in den örtlichen Medien während des Wahlkampfes kaum vor. Dennoch wäre der Ausgang des Wählervotums am Sonntag wohl schon im vorhinein entschieden gewesen, wenn sich wie in Chiapas die PRD und die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt hätten. Doch die PAN hoffte offenbar, ihr Sieg bei den Präsidentschaftswahlen könnte ausreichenden Schub geben, auch in Tabasco vorne zu liegen und der dort traditionell starken PRD wie auf Bundesebene den Rang abzulaufen. Da sich ihr Kandidat Jose Antonio de la Vega aber in den jüngsten Umfragen abgeschlagen auf dem dritten Platz befand, äußern sich nun auch einige prominente PAN-Mitglieder zugunsten der PRD-Kandidatur, um Madrazos Verbleib in den Zirkeln der Macht zu verhindern.

Für diesen steht mehr als nur Tabasco auf dem Spiel. Im internen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der PRI gescheitert, versucht er sich seit dem 2. Juli als der große Demokratisierer und Erneuerer seiner Partei zu profilieren, obwohl sein Verhalten diesem Anspruch oft gneug Hohn sprach. In der verunsicherten und uneinigen PRI hat er mit seinem draufgängerischen Vorpreschen aber durchaus gewissen Erfolg gehabt. Gewänne sein Schützling die Wahl in Tabasco, könnte sich Madrazo tatsächlich Chancen ausrechnen, die Gesamtpartei zu dominieren. Verliert Andrade, geht mit ihm Madrazo unter. In beiden Fällen ist eine weitere Fraktionierung der PRI nicht ausgeschlossen. Ganz bewusst hat die Partei die entscheidenden Richtungskämpfe bisher aufgeschoben.

Die PRD könnte bei einem Sieg in Tabasco nach ihrem Wahldebakel im Juli einen unerwarteten Trostpreis bekommen, der ihre Mitglieder neu motiviert. Die PAN muss unter Umständen erfahren, dass ihr im Präsidentschaftswahlkampf zu Lasten der PRD erfolgreiches Werben um die „nützlichen Stimmen“ sich erstmals gegen sie richtet. Für viele Bürger ist Ojeda nur deswegen erste Wahl, weil er die besten Chancen hat, Madrazos PRI zu schlagen. Zyniker allerdings sagen, dass am Sonntag auf jeden Fall die PRI gewinnt. Denn die Kandidaten von PAN und PRD hatten beide ihre politische Heimat vor wenigen Jahren noch bei dieser Partei.

 

GUATEMALA

Die faustianische Präsidentschaft von Alfonso Portillo. Ein Resümee der ersten Regierungsmonate, Teil I

Von Israel Cortez

(Guatemala-Stadt, Oktober 2000, infodesarrollo-Poonal).-Eins der größten Probleme der guatemaltekischen Regierung sind die Wahlversprechen: Es herrscht bereits allgemeine Enttäuschung darüber, dass die beiden Hauptversprechen bezüglich (nationaler) Sicherheit und Veränderungen offensichtlich nicht eingehalten werden. Stattdessen wird in beiden Fällen der Status Quo fortgesetzt bzw. verschlechtert: In der Wirtschaftspolitik gehen die Ankündigungen von Privatisierung, Freihandel und Globalisierung weiter; in bezug auf die Einhaltung der Friedensabkommen existiert überhaupt kein Fortkommen. Hinsichtlich der Sicherheit ist eine Verschlechterung wahrzunehmen. Dessen ungeachtet setzt Präsident Alfonso Portillo seine Angebote und Versprechungen weiter fort ( z.B. die Entschädigung für die Opfer des bewaffneten internen Konfliktes).

Die heterogene Zusammensetzung des Kabinetts stellt ein weiteres grundlegendes Problem dar: Die dort vertretenen unterschiedlichen Interessensgruppen versuchen jeweils ihre eigenen Anliegen durchzusetzen, was zu internen Auseinandersetzungen führt. Darüber hinaus fehlt ein kohärenter Führungsstil; die Gruppierungen, die den derzeitigen Präsidenten an die Macht brachten, behindern nun ein zielgerichtetes Regieren der Portillo-Adminstration.

Die internen Auseinandersetzungen der Regierungsparteien gehören zum Tagesgeschehen. Die Gruppen unter der Ägide von Francisco Alvarado MacDonald und General Francisco Ortega Menaldo einerseits und Oberst González und General Efraín Ríos Montt andrerseits (die Strömung der Guatematekischen Republikaner Front, FRG) können sich nicht über die Kontrolle von Posten und Geldern einigen.

Durch die Veränderungen in der Exekutive sind scheinbar ein paar "Neutrale" (Parteilose) und "Techniker" auf bestimmte Posten geraten, wie beispielsweise der Landwirtschaftsminister Leopoldo Sandoval; der Generalsekretär für wirtschaftliche Planung (SEGEPLAN) Arturo Montenegro und im Friedensministerium (SEPAZ) Gabriel Aguilera. Diese Nominierungen versuchen das Ausmaß interner Konflikte zu senken und die Effizienz besagter Institutionen zu verbessern.

Im Bereich des Innenministeriums geriet der FRG und General Ríos Montt zum Vorteil, dass sie Byron Barrientes an der Spitze platzieren konnten. Es ist bekannt, dass bis wenige Stunden zuvor, Portillos Wahl auf Ricardo Marroquín Rosada gefallen war. Daß er nachgeben musste, zeigt seine Schwäche und wie stark der Druck ist, dem er ausgesetzt ist. Besagte Nominierung von Barrientos wird aufgrund seines Vorlebens negative Folgen sowohl für die Innen- wie auch Außenpolitik der Regierung und des Landes nach sich ziehen.

Darüber hinaus kommt es auch zu externen Konflikten mit der Wirtschaftsmacht des Landes, der Unternehmerdachverband CACIF. Die Regierung mußte nahezu allen Forderungen und Bedingungen des CACIF nachgeben und Portillo hat einen hohen Preis dafür bezahlt. Seine Hauptschwäche hat sich aus seiner Unterstützung für im Entstehen begriffene Wirtschaftsgruppen ergeben, um so den CACIF konfrontieren zu können (sic!).

Mit dieser Regierung ist auch die nordamerikanische Präsenz in Guatemala wieder stärker geworden. Die USA haben die Schwäche des Präsidenten ausgenutzt um ihren militärischen, politischen und wirtschaftlichen Einfluß auszubauen – sie mischen sich ebenso in die außenpolitischen Entscheidungen ein, wie in die des Kongresses und der Ernennung von Regierungsmitgliedern. An die Unterstützung von Portillo haben sie bestimmte Bedingungen geknüpft: Dazu zählen die Forderung nach Verstärkung der Präsenz von US-Truppen in Guatemala, ein Abkommen über die Kontrolle des internationalen Flughafens, die Anerkennung des Gesetzes über industriellen Besitz ("Ley de Propiedad Industrial"), das Gesetz gegen die Geldwäsche, die Zustimmung der US-Intervention in ihrem Kampf gegen den Drogenhandel, der Absetzung von Militärs wie Oberst Jacobo Salán Sánchez vom Generalstab des Präsidenten (EMP) – die stattgefunden hat, wenngleich er auch noch seine Ämter bekleidet – und des Hauptmanns a.D. Medina von der zivilen Luftfahrtsdirektion.

Die Intervention der FRG in den Streitkräften verstärkte die internen Widersprüche, gegenwärtig gibt es keine Führungskraft innerhalb der Reihen des Militärs und die Konfrontationen der verschieden Gruppierungen untereinander gehen weiter. Ein Teil der Probleme haben sich aus der Verteilung bestimmter Ämter ergeben, wie im Fall der Ernennung und späteren Absetzung des Generalstabchefs der Nationalen Verteidigung (EMDN) Oberst Ruiz Morales und die Designierung von Salán Sánchez in den EMP. Es herrscht keine Stabilität. Die zuvor beschriebenen Vorfälle könnten zu einer Veränderung in der Auseinandersetzung zwischen dem Büro für Verwaltung und Sicherheit des Präsidenten (Secretaría de Asuntos Administrativos y de Seguridad de la Presidencia, SAAS) und seinem Generalstab führen.

Die bisher bedeutendsten Ergebnisse des Regierungsauftrags sind ein enormer und beschleunigter Verschleiß des Präsidenten Alfonso Portillo sowie eine profunde Wirtschafts- und Sicherheitskrise: Die Rückkehr von Personen und Taktiken der Vergangenheit, wie Provokationen, anonymen Drohungen, Diebstählen und Einschüchterungen der Linken und die latente Drohung eines Staatsstreichs.

 

COSTA RICA

Frauen fordern „verantwortungsbewußte Vaterschaft“

(San Jose, 3. Oktober 2000, sem-Poonal).-60,000 Frauen werden jährlich in Costa Rica Mütter, viele von ihnen sind unter 20 Jahre alt. 24,000 von ihnen erhalten weder Anerkennung noch finanzielle Unterstützung durch die Väter der Kinder. Etwa 50% aller costaricensischer Haushalte haben eine Frau als Familienoberhaupt, die mit großen Schwierigkeiten ihre Familie durchbringen muss, ohne die finanzielle und emotionale Unterstützung der Väter.Angesichts dieser Situation, hat das Frauenministerium den Gesetzesvorschlag „Beschleuningung der Verfahren für die Anerkennung der Herkunft und eine verantwortliche Vaterschaft“ ausgearbeitet, welches drei Artikel des Familienrechts verändern würde.

In Bezug auf die Anmeldung von außerehelich geborenen Kindern, würde die Mutter den Namen des Vaters angeben und, falls kein Einspruch durch den Mann erfolgt, wäre er innerhalb von 10 Tagen als offizieller Zeuger registriert. Das Kind würde die Namen beider Eltern tragen. Falls der genannte Mann die Vaterschaft nicht anerkennen will, beantragt der Familienrichter eine genetische Untersuchung, um die Wahrheit herauszufinden. Falls der Test positiv ist, wird der Vater dazu verpflichtet, der Mutter die Kosten der Schwangerschaft und die Alimente des Kindes für die nächsten 10 Jahre zu zahlen. Für den Fall, dass er sich weigern sollte, kann sein Besitz gepfändet werden, um den Unterhalt des Minderjährigen zu gewährleisten.

Für die Frauenministerin Gloria Valer¡n wäre dies eine Art, den Kindern einen Vater zu garantieren, der zumindestens finanziell gesehen für sie aufkäme. Der Gesetzesentwurf wird bald dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt werden; es gibt allerdings nicht viele Abgeordnete, die ihn unterstützen.

 

EL SALVADOR

Hunderte Polizisten wegen Korruption und Vergehen suspendiert

(San Salvador, 8. Oktober, pulsar-Poonal).- Mehr als Tausend Beamte der Nationalen Zivilpolizei (PNC) El Salvadors werden im Rahmen einer Überprüfung der bewaffneten Einheit vom Dienst suspendiert. Sie alle sind bereits von Disziplinarmassnahmen innerhalb der Behörde betroffen. Die Überprüfung begann im Mai dieses Jahres, nachdem es ständig Klagen über Vergehen der Polisten gab. Ihnen wird unter anderem Drogenhandel, Autodiebstahl, Banküberfälle und Übergriffe zur Last gelegt.

Die PNC war im Zuge der Friedensvereinbarung von 1992, mit der zwölf Jahre Bürgerkrieg beendet wurden, geschaffen worden. Zuvor hatten sich die „Sicherheitskräfte“ schweren Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Die PNC verfügt heute über 17.000 Uniformierte.

 

NICARARUA

Vizepräsident will Präsident werden

(Managua, 6. Oktober 200, pulsar-Poonal).- Der nicaraguanische Vizepräsident Enrique Bolaños hat seinen Rücktritt eingereicht, um bei den Wahlen im kommenden Jahr als Präsidentschaftskandidat für die Liberale Kostitutionalistische Partei antreten zu können. Sein Nachfolger ist der Fraktionsführer der Liberalen, Leopoldo Navarro. Der 72-jährige Bolaños ist heftig wegen seiner Untätigkeit als Vorsitzender des Anti-Korruptionskomitees der Regierung kritisiert worden. Als er noch Unternehmersprecher war, attakierte er vehement die linken Sandinisten, womit er bei den Rechten in Nicaragua punktete.

 

KOLUMBIEN

Friedensprozess in Kolumbien „schwer verwundet“ – Luftpirat sorgt für erneute Aussetzung des Dialoges

Von Laura Patricia Barros

(Bogota, 9. Oktober 2000, npl). – Intellektuelle, Publizisten und zivilgesellschaftliche Organisationen in Kolumbien äußerten in den vergangenen Tagen ihre „schwere Beunruhigung und Verzweiflung“ über den erneuten Stillstand der Friedensverhandlungenund zwischen Regierung und Guerilla-Organisationen des südamerikanischen Andenlandes. Sie rufen die Konfliktparteien auf, unter allen Umständen baldmöglichst an den Verhandlungstisch zurück zu kehren, um eine weitere Eskalation des bewaffneten Konfliktes undVerhärtung der Positionen zu vermeiden.Vergangene Woche veröffentlichten die Herausgeber der Tageszeitung „El Tiempo“ eine Sonderbeilage mit dem Titel „Ein schwer verwundeter Friedensprozess.“ Darin appellieren sie an die Regierung unter Präsident Andres Pastrana, „den Dialog mit den Guerillas nicht abreißen zu lassen, trotz des sinkenden Vertrauens breiter Teile der Bevölkerung in den Friedensprozess.“

Die Tiempo-Herausgeber fordern zudem „mehr Klarheit über die Spielregeln des Verhandlungsprozesses“, ebenso wie die sofortige Weiterführung der Gespräche, insbesondere mit der größten und einflussreichsten Rebellenorganisation des Landes – den FARC. Der Dialog müssen auch inmitten verstärkter bewaffneter Auseinandersetzungen fortgesetzt werden, schließen die Verfasser der Sonderbeilage. Hintergrund für dieses seit Wochen „beunruhigende Stadium der Festgefahrenheit“, wie es der renommierte Politologe Alejo Vargas in Bezug auf die Friedensverhandlungen ausdrückt, ist die erneute Verschärfung bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen kolumbianischer Armee und Paramilitärs einerseits und den Guerilla-Organisationen FARC und ELN andereseits, sowie die strikte Weigerung Pastranas die für den 22. September vorgesehene Wiederaufnahme der Gespräche mit den FARC umzusetzen.

Konkreter Auslöser für das Verhalten der Regierung war dieses Mal die Flucht eines FARC-Aktivisten vor einer Gefängnisstrafe Anfang September. Arnubio Ramos war festgenommen und verurteilt worden und sollte in eine Haftanstalt der Hauptstadt Bogota gebracht werden. Dabei gelang ihm die Flucht mit einem gestohlenen Transportflugzeug. Ramos landete in der der Nähe von San Vicente de Caguan und versteckt sich seitdem dort. San Vicente ist der Ort, in dem seit nunmehr 20 Monaten zwischen Regierung und den FARC verhandelt wird. Der Ort liegt in einer von den FARC kontrollierten Region im Süden Kolumbiens. Die Pastrana-

Administration ließ damals die Armee aus dem Gebiet von der Größe der Schweiz abziehen. Diese Maßnahme bildete die Voraussetzung für die Aufständischen, Friedensverhandlungen mit dem Staat aufzunehmen. Der „Luftpirat“ ließ zum wiederholten Male Kritik an der Art und Weise wie die FARC das demilitarisierte Gebiet verwalten laut werden. Vor allem die Armee wirft den Rebellen unter anderem vor, dort Minderjährigen zwangsweise zu rekrutieren, das Geschäft mit Entführungen zu organisieren, sowie die Gegend zur Vorbereitung von Angriffen auf ganze Dorfgemeinschaften zu nutzen. Die Vorwürfe sind allerdings schwer zu verifizieren, da das Militär keinen Zutritt zu besagtem Gebiet hat.

Pastrana seinerseits entschied sofort nach dem Ramos-Fall die Verhandlungen mit den FARC vorerst nicht wie geplant wieder aufzunehmen. Nur wenn die FARC Ramos an die kolumbianische Justiz ausliefere, werde er an den Verhandlungstisch zurück kehren, ließ der Staatschef in einem Kommunique verlauten. Nachdem sich die FARC-Führung geweigert hatte Ramos dem Staat zu übergeben, erklärte Pastrana: „Der Dialog wird unterbrochen, bis die Guerilla ernste Zeichen zugunsten einer wirklich friedlichen Lösung des bewaffenten Konfliktes zeigt“. Alejo Vargas fordert mehr Kompromissbereitschaft von den Konfliktparteien. Seiner Meinung nach steht der gesamte Friedensprozess kurz vor dem Aus. Mit Blick auf die Bevölkerung mahnte er, es sei „heute mehr denn je unumgänglich den Verhandlungspartnern zu vermitteln, dass sie die Verhandlungen ernst nehmen müssen und nicht straffrei mit den unvorhersehbaren sozialen Kosten einer Eskalation des Konfliktes spielen können“. In dem seit mehr als vierzig Jahren andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien werden jedes Jahr über 3.000 Menschen ermordet und hunderttausende vertrieben.

 

KOLUMBIEN

Der Süden antwortet auf den Plan Colombia

(Puerto Asis, 28. September 2000, ac-Poonal).- Anfang September wurde in Puerto Asis, Provinz Putumayo, ein Treffen mit dem Titel „Der Süden antwortet auf den Plan Colombia“ durchgeführt. Eingeladen dazu hatten der Bürgermeister der Stadt, der Provinzgouverneur und ein Bündnis von Nicht-Regierungsorganisationen rund um die Initiative „Paz Colombia“. Etwa 375 Personen, darunter auch eine Delegation aus Ecuador, versammelten sich, um über die angespannte Lage in den Provinzen Cauca, Valle, Nariño, Putumayo und Caquetá zu beraten, nachdem die erste Phase des Plan Colombia läuft. Nach Gesprächen in drei verschiedenen Arbeitsgruppen präsentierten die Organisatoren die Erklärung von Puerto Asis. Da wir die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe "Illegaler Drogenanbau, Umwelt und Entwicklung“ für besonders relevant betrachten, präsentieren wir einige davon.

Die Teilnehmenden stimmten darin überein, dass der Plan Colombia ohne Anhörung oder Beteiligung der Bevölkerung entworfen wurde und „die lokalen Realitäten wie auch die Initiativen der betroffenen Gemeinschaften und der lokalen und regionalen Behörden außer acht ließ“. Zudem betrachten sie den Plan Colombia als „eine Strategie, die darauf abzielt, die Übergangs- und Demokratisierungsprozesse in der andinen Region zu destabilisieren und rückgängig zu machen sowie repressive Maßnahmen gegen die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Proteste, ausgelöst durch die Globalisierung und die Durchsetzung des neoliberalen Modells zu treffen. Diese repressiven Maßnahmen werden zu einem Instrument der Aufstandsbekämpfung und werden sich negativ auf die Verschärfung und Ausweitung des Krieges auswirken, der seit 30 Jahren in Kolumbien im Gange ist“. Die Rolle der USA und ihre Militärhilfe bedeute eine „absolute Intoleranz“ gegenüber den Kokapflanzern.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt: „Anstelle der chemischen und biologischen Bekämpfung sollen manuelle Techniken zur Zerstörung von illegalen Drogenpflanzungen studiert werden.“ Die Zerstörung müsse freiwillig erfolgen und mit den Gemeinschaften vereinbart sein, graduell durchgeführt werden und „an die Bedingung nachhaltiger Investitionen im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich geknüpft“ sein. Es brauche „Aktionen zur Wiederherstellung der sozialen Netze, eine Ethik der Toleranz, des Respekts vor dem Leben und volle Garantien zur wirksamen Anwendung der Justiz.“

Hingewiesen wird auf das grundsätzliche Problem von Alternativen zum Koka-Anbau: „Das Problem der illegalen Drogenpflanzungen hat seinen Ursprung in der Krise des landwirtschaftlichen Sektors in Kolumbien, fehlenden Bedingungen zur Wahrung der Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft angesichts der wirtschaftlichen Öffnung, und fehlenden minimalen Bedingungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Landes. Diese Krise wurde durch die Gegenlandreform verschärft, wo aus dem Drogenhandel stammendes Kapital zur Konzentration von mehr als 4 Millionen. Hektar äußerst fruchtbaren Landes in wenigen Händen investiert wurde. Dieses Land wird praktisch ausschließlich für extensive Viehzucht verwendet, mit negativen Auswirkungen auf die Produktivität des Bodens und auf die Schaffung von Überschüssen zugunsten der Landbevölkerung.“

 

KOLUMBIEN

Ungeklärter Tod von sechs Kindern durch die Armee

(Bogota, 28. September 2000, ac-Poonal).- Vor mehr als einem Monat tötete die Armee sechs Kinder. Die Erklärungen hoher Funktionäre der Regierung, der Staatsanwaltschaft und der Aufsichtsbehörde, welche die Militärs von der vorsätzlichen Tötung freisprachen, besorgen die Menschenrechtsorganisationen. Am 15. August 2000 würden im Weiler La Pica in der Gemeinde Pueblorrico, Provinz Antioquia sechs Kinder von Soldaten erschossen. Weitere vier Kinder wurden verletzt. Sie waren mit 31 Klassenkolleg*innen und drei Erwachsenen auf einer ökologischen Exkursion. Seit dem Vorfall werden verschiede Versionen über das Geschehen verbreitet, einerseits durch die Armee, andrerseits durch die Bewohner*innen und die überlebenden Opfer selber.

Verschiedene Kommissionen, zusammengesetzt aus Vertretern der Staatsanwaltschaft, der Aufsichtsbehörde, der Ombudsstelle und des UNO-Menschenrechtsbüros besuchten den Ort des Geschehens, um die Ursachen aufzudecken. Die militärische Führung bekräftigte noch am gleichen Tag des Ereignisses, dass es zu einem Gefecht zwischen der Armee und Guerilleros des ELN gekommen sei und die Kinder in das Kreuzfeuer hineingeraten seien. Doch die Aussagen der Opfer wiesen dies völlig zurück und zwangen Verteidigungsminister Fernando Ramirez Acuña und den Generalstaatsanwalt Alfonso Gómez Méndez dazu, die Verantwortung der Armee anzuerkennen. Sie machten „menschliches Versagen“ für den Vorfall verantwortlich und wiesen eine Vorsätzlichkeit zurück.

Aufgrund dieser Erklärungen gab die Staatsanwaltschaft den Fall an die Militärjustiz weiter, welche den Prozess gegen die 23 involvierten Soldaten führen sollte. Die Aufsichtsbehörde ihrerseits eröffnete eine Disziplinaruntersuchung gegen acht für den Tod der sechs Kinder verantwortliche Soldaten, stimmte aber darin mit der Staatsanwaltschaft überein, dass es sich nicht um ein vorsätzlich begangenes Verbrechen gehandelt habe.

Doch es gibt mehr als ein Fragezeichen. Dies wird aus einem Bericht von zehn Menschenrechtsorganisationen deutlich, die den Ort des Geschehens am 16./17. August besuchten. Dabei nahmen sie die Zeugenaussagen von einigen am Ausflug teilnehmenden Kindern, Bewohner*innen des Weilers, Augenzeugen, Eltern und Angehörigen der Opfer wie auch von einigen Behördenmitgliedern der Gemeinde und der Hilfe leistenden Ärzte auf. Ihr Bericht stellt klar, dass es keinen Zusammenstoß mit dem ELN gegeben hat und die Kinder also nicht als lebende Schutzschilder benutzt worden waren.

Ebenso wurde die Hypothese eines „Fehlers“ der Armee, die von der Staatsanwaltschaft, der Aufsichtsbehörde und dem Verteidigungsministerium verbreitet wird, hinterfragt. Dies aus folgenden Gründen: In erster Linie kann sich die Armee nicht von der Verantwortung frei sprechen, da es eine Forderung an die gesetzliche Gewalt ausübenden Institutionen ist, möglichen mit der Gewaltanwendung verbundenen Folgen und Risiken vorzubeugen. Eine Unterlassung verstößt gegen das Genfer Protokoll, das Kolumbien unterzeichnet hat. In zweiter Linie ist es unverständlich, weshalb die Soldaten während mehr als 40 Minuten auf die Kinder schossen, und die Gruppe der unbewaffneten Kinder und Erwachsenen in Sportanzügen nicht von einer Gruppe von Guerilleros unterscheiden konnte. Genauso wenig hörten sie auf die Schreie der Kinder und der herbeigeeilten Bauern.

Nach dem Urteil der NGO-Kommission kann aufgrund der Zeugenaussagen und der erhobenen Beweise die Hypothese einer vorsätzlichen Aktion der Militärs nicht verworfen werden. In diesem Fall handelte es sich um einen mehrfachen Mord. Zudem wird die Handhabung der Untersuchung hinterfragt, da am Ort des Geschehens auch 72 Stunden nach der Tat weder die Staatsanwaltschaft noch die Aufsichtsbehörde Zeugenaussagen aufnahmen oder involvierte Militärs verhörten. Es wird befürchtet, dass auch diese Tat in der Straflosigkeit endet. Die Nicht-Regierungsorganisationen fordern eine Untersuchung durch die zivile Jusitz und rufen nationale und internationale Organisationen dazu auf, den Fall permanent zu verfolgen. Das UNO-Menschenrechtsbüro wird aufgefordert, eine analytische Arbeit zur Menschenrechtssituation in der Region durchzuführen und die Untersuchung des Vorfalls zu überwachen.

 

KOLUMBIEN

Handel mit Kolumbianerinnen

(Bogota, Oktober 2000, fempress-Poonal).- Die Stiftung Esperanza (Hoffnung) hat gerade das Buch „Internationaler Handel mit kolumbianischen Frauen. Eine Medienanalyse“ von Fanny Polania herausgegeben, welches nicht nur das Ausmass dieses Verbrechens beschreibt, sondern auch zu wichtigen Schlussfolgerungen kommt. Obwohl der Frauenhandel an dritter Stelle der internationalen Delikte in Kolumbien steht (nach dem Drogen- und Waffenhandel), gibt es wenig Information über diese Straftat. Fanny Polan¡a ist der Überzeugung, dass die internationale Zusammenarbeit unabdinglich ist, um diese moderne Form der Sklaverei auszumerzen. Weiterhin fordert sie, dass die Medien es zu ihrer Politik machen müßten, kontinuierlich über das Problem zu informieren, besonders über die übliche Vorgehensweise der Händler: Annoncen in Zeitungen, Model-Agenturen, Studien- oder Arbeitsangebote im Ausland, Ehevermittlungen, etc. Auch müßte Information über die Rechtssituation der Frauen, die sich dieser Situation befinden, verbreitet werden besonders in den Ländern, in die sie üblicherweise verschleppt werden.

 

VENEZUELA

Gewerkschaften stehen zur Disposition: Chavez greift die Führung der traditionellen Gewerkschaften an

Von Alvaro Cabrera

(Caracas, 9. Oktober 2000, na-Poonal). – Die Mehrzahl seiner politischenPläne hat der venezuelanische Präsident Hugo Chavez seit seinemAmtantritt im Februar des vergangenen Jahres umgesetzt. Innerhalb vonanderthalb Jahren hat er sich durch Wahlen am 27. Dezember 1999 und am 21. August 2000 eine solide Mehrheit sowohl im Parlament als auch in denRegionalregierungen geschaffen. Sein Verdienst ist es, dass die gesetzlichen Änderungen in sechs Abstimmungen innerhalb von 21 Monatendurch die Mehrheit der Bevölkerung angenommen wurden, womit er sich unbestreitbar eine breite Legitimierung geschaffen hat.Aber eines der Vorhaben seiner Regierung, das er als vorrangig bezeichnet hatte, hat sich schwieriger erwiesen als ursprünglich geplant: Es ist ihm nicht gelungen, die Repräsentation der Mehrheit der venezuelanischen Arbeiter durch die Confederaci¢n de Trabajadores de Venezuela (CTV), der Venezuelanischen Arbeiterföderation, die historisch der sozialdemokratischen Demokratischen Aktion, der Acci¢n Democraticanahe steht, zu brechen. Aus diesem Grund hat er bereits kurz nach seinenzweiten Amtsantritt, diesmal für sechs Regierungsjahre, eine neue Initiative in Richtung der Gewerkschaften unternommen, nachdem derProzess, der im März mit dem Dekret der Verfassungsgebenden Nationalversammlung zur gewerkschaftlichen Demokratisierung eingeleitet worden war, nicht vonder Stelle kam.

Durch die Gewerkschaftsdekrete versuchte die Nationalversammlung einen Erneuerungsprozess, um die traditionelle Gewerkschaftsführung abzusetzen. Die Verfassungsversammlung beendete ihre sechsmonatige Arbeit im Januar.Teil ihrer Tätigkeit war die Ausarbeitung einer neuen Carta Magna, die im Dezember des vergangenen Jahres angenommen wurde. „Es kann nicht angehen, dass in einem Prozess der Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen einer Nation, die gewerkschaftlichen Privilegien unangetastet bleiben“, begründeten die Autoren des Dekrets, Froilan Barrios, Pedro Ortega Diaz und Julio Alviarez den Schritt.Der Großteil ihrer Vorschläge findet sich in einer Verordnung, die sich auf die Durchführung von freien, allgemeinen, demokratischen, direkten und geheimen Wahlen für den Vorstand der Gewerkschaften bezieht. Dazu gehört auch die Befragung der Mitglieder über eine Vereinigung der einzelnen Gewerkschaftsbewegungen. Dazu wurde eine Nationale Wahlkommission der Gewerkschaften, Comision Nacional Electoral Sindical (CNES), einberufen, der Vertreter aller nationalen, regionalen Gewerkschaften sowie der wichtigsten Bewegungen der neuen Gewerkschaften, angehören. Die CTV weigerte sich allerdings in der Wahlkommission mitzuarbeiten. Sie bezeichnet das Dekret als illegal. Damit verlor der Prozess allerdings auch seine Grundlage. Dazu kam, dass die Nationale Wahlkommission Consejo Nacional Electoral (CNE) nicht in der Lage war, sich während der Vorbereitungen der Präsidentschaftswahlen im Juli, den Gewerkschaftswahlen so zu widmen, dass der Prozess vorangekommen wäre. Währenddessen hat die Venezuelanische Gewerkschaftskonföderation, die am5. Oktober ihren nationalen Kongress begann, es geschafft, ihre Positionzu stärken, indem sie Erklärungen über die Arbeits- und Einkommenssituation und über ihre Version der Vorbereitung eines gewerkschaftlichen Demokratisierungsprozesses abgab: ihre eigenenWahlen, an denen nur ihre Mitglieder teilnehmen werden. Allerdings steht die Gewerkschaft der Offensive Chavez mit einem zerstörten Ansehen nach Jahren der Klagen über mangelnde Transparenz ihrer Führungsriege und ihrer antidemokratischen Struktur gegenüber. „Sogar die kleinsten Gewerkschaften sind von Korruption durchdrungen“, bestätigt Alfredi Rama, führendes Mitglied der neuen Gewerkschatsbewegung „Nuevo Sindicalismo (Causa R)“.Die Schwäche des vor der Konstituierenden Nationalversammlung initiierten Prozesses hat die regierende Bewegung Fünfte Republik (Movimiento V Republica – MVR) dazu gebracht, eine neue Initiative zu ergreifen: die Bolivaristische Arbeiterkraft Fuerza Bolivariana de Trabajadores (FBT), die der Regierung nahe steht, soll die CTV als führende Gewerkschaftsorganisation ablösen.Um die FBT zu unterstützen, veranstaltete die MVR in den ersten Septembertagen eine Reihe von Veranstaltungen, an denen auch der Präsident Hugo Chavez teilnahm. In seiner Rede betonte er, dass „man dieCTV zerstören“ werde, um danach die Idee eines Referendums über den Zusammenschluss der Gewerkschaften wieder aufzugreifen. Diese sollen gleichzeitig mit den Regionalwahlen bis zum 3. Dezember stattfinden.Als erste Aktivität präsentierte die FBT der Nationalversammlung einen Gesetzesentwurf über Schutzgarantien und gewerkschaftliche Freiheiten, die zu einem Vereinigungsprozess nach den im Dezember stattfindenden Wahl führen soll. Danach soll dann eine Wahl zu einer konstituierendenVersammlung oder eines Kongresses durchgeführt werden, auf dem die neuen gewerkschaftlichen, sowohl die ethisch wie organisatorisch notwendigen Richtlinien festgelegt werden sollen.

Nach Meinung von Jose Ramon Padilla, Professor am Instituto de Estudios Superiores en Administracion (IESA), könnte die MRV dabei die Fehler von 1947 wiederholen. Damals bemächtigte sich die regierende Demokratische Aktion der von den Kommunisten dominierten Venezuelanischen Arbeiterkonförderation, durch Neugründungen, die dann in der Entstehung der CTV mündeten. „Der Präsident macht uns mit seiner Politik der Erpressung keine Angst. Was er sucht, ist eine willfährige CTV. Chavez und sein Hofstaat irrt sich. Wir brauchen nicht vor der Internationalen Arbeitsorganisation (OIT) zu klagen“, sagte der Präsident der CTV, Federico Ramirez Leon, „denn diese hat bereits Kenntnis von der Zerstörungspolitik, die die Regierung derzeit entwickelt.“ Die OIT sei, wie Ramirez Leon betont, im Hinblick auf die Entwicklung im Gewerkschaftsbereich in Venezuela aufgrund der Annahme des Dekretes der Verfassungsgebenden Nationalversammlung nicht untätig geblieben. Auf seiner 88. Sitzung, die am 15. Juni in Genf zu Ende ging, verwarnte die Normenkommission der OIT die venezuelanische Regierung. Diese habe dieVerpflichtung und die Aufgabe, jedes Gesetz zu verhindern, das Einfluss auf die Gewerkschaftsbewegung nehme, so zum Beispiel das Recht auf Kollektivverträge.Die Einberufung eines Referendums zur Zusammenlegung der verschiedenen Gewerkschaftsvereinigungen, hat eine neue Debatte hervorgerufen. Denn die Repräsentanten der FBT sind der Ansicht, dass alle Wähler befragt werden sollten, weil es sich um eine Thema von nationaler Tragweitehandele. Andere Stimmen sind dagegen der Ansicht, dass nur eingeschriebene Gewerkschaftsmitglieder ihre Stimmen abgeben dürfen.

Von den elf Millionen aktiv Beschäftigten in Venezuela sind gerade mal 2,2 Millionen, rund 20 Prozent, Mitglied einer Gewerkschaft. Weit überdie Hälfte, 53 Prozent der Gesamtbevölkerung, verdienen ihrenLebensunterhalt im informellen Sektor, ein Fünftel ist arbeitslos. Die Organisation „Nuevo Sindicalismo“, nach der CTV eine der einflussreichsten, hat eine Mittelposition zwischen CTV und FBTeingenommen. Sie wehrt sich wohl gegen eine offizielleEinheitsgewerkschaft als auch dagegen, dass die CTV diesen Prozess ansich reißt. Jetzt ist die Nationale Wahlkommission gefragt, darüber zu entscheiden, ob im Dezember eine Referendum stattfindet und wer wahlberechtigt ist. Während dessen berät die Nationalversammlung das Gesetz, dass einer konstitutionelle Gewerkschaft ihre Grundlage geben könnte.

 

PERU

Fujimori will neue Partei für die kommende Wahl gründen

(Lima, 8. Oktober 2000, pulsar-poonal).- Ablasón Vázquez, Abgeordneter von Fujimoris Regierungskoalition, kündigte an, dass Präsident Alberto Fujimori Ende dieses Jahres eine neue Partei mit dem Namen Vamos Vecino (ungefähr: Auf geht's, Nachbarn) gründen wird. Ziele der neuen Partei sollen die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Stärkung der Institutionen sein. Wahrscheinlich wird Fujimori einen Präsidentschaftskandidaten und eine Abgeordnetenliste für die vorgezogenen Wahlen im kommenden Jahr vorschlagen. Die Neuwahl hatte der Amtsinhaber als Ausweg aus der momentanen politischen Krise in Peru angeboten. Fujimori hatte zugesagt, bei dieser Wahl nicht zu kandidieren, dies aber für spätere Gelegenheiten nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

 

CHILE

Margot Honecker stellt das Buch „Das andere Deutschland“ vor

Von Leonel Yanez, npl

(Santiago de Chile, 14. Oktober 2000).- Aus dem fernen Chile hat sich Margot Honecker nach langem Schweigen zu Wort gemeldet. Die Witwe von Erich Honecker und frühere Erziehungsministerin der DDR wollte ihre Sicht der Geschichte schildern – aufgeschrieben vom frühren Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles, Luis Corvalan Lepe. Das Buch, in dem Corvalan seine Gespräche mit der 73jährigen Deutschen in ihrem chilenischen Exil niederschrieb, wurde am vergangenen Donnerstag (12.10.) in der Hauptstadt Santiago vorgestellt. Die Präsentation von „Das andere Deutschland. Die DDR – Gespräche mit Margot Honecker“ in der Nationalbibliothek nutzten einige Besucher für eine Huldigung des Sozialismus, und mehr noch als Danksagung der Chilenen, die nach dem Putsch von General Pinochet 1973 ins Exil gingen.

Der Tenor der Veranstaltung überraschte nicht. „Das andere Deutschland“, erklärte Frau Honecker, „sind heute die linken Kräfte, die leider uneinig und geschwächt sind. Dennoch sind sie eine Kraft in Osten wie im Westen. Sie kämpfen gegen den Abbau der sozialen Errungenschaften, gegen den Krieg und gegen den Neofaschismus.“ Der Autor Corvalan ergänzte, dass der deutsche Sozialismus zu Unrecht verleumdet würde. Worte, die in deutschen und chilenischen Ohren unterschiedlich klingen.

Die meisten Chilenen kennen die Familie Honecker nur aus der Presse. Die schrieb, dass ein ehemaliger Präsident eines ehemaligen Landes um Exil in der chilenischen Botschaft der ebenfalls ehemaligen UDSSR bat. Dort blieb das Ehepaar Honecker 232 Tage, bis die erste demokratische Regierung nach der Pinochet- Diktatur unter Präsident Patricio Aylwin ihnen Exil in Chile gewährte. Der damalige Botschafter in Moskau und persönliche Freund der Honeckers, Clodomiro Almeyda, spielte bei der Vermittlung eine entscheidende Rolle. Aus gesundheitlichen Gründen hatte die deutsche Justiz Ende 1993 die Ausreise Honeckers gestattet.

Was wissen wir Chilenen noch über die Honeckers? Sie gehörten zu denjenigen, die die Mauern in Berlin bauen ließen. Aus Sicht der (damals) oppositionellen Chilenen ist es nicht zu rechtfertigen, wenn ein Regime die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränkt. Gleichzeitig wissen wir, dass dieses Land vielen Oppositionellen und Aktivisten gegen die Militärs in Chile politisches Asyl gewährte, insbesondere Mitgliedern der Sozialistischen Partei, die inzwischen seit zehn Jahren an der Regierung in Santiago de Chile beteiligt ist. Erich Honecker starb 1994 an Krebs und ist in Chile begraben. Seine Tochter Sonia lebt hier, inzwischen getrennt von ihrem Mann, einem Chilenen, den sie in Berlin kennen lernte, wo er politisches Asyl genoss. Margot Honecker lebt zurückgezogen in der Hauptstadt und kümmert sich vor allem um ihre beiden Enkel, halb Chilenen, halb Deutsche.

Zum ersten öffentlichen Auftreten Margot Honeckers seit sechs Jahren kamen über 500 geladene Gäste, die meisten linke Aktivisten und alt genug, um ihre Erfahrungen mit dem Sozialismus oder dem Exil aufgrund der Diktaturen in Südamerika zu erzählen. Auf dem Podium nur ein Tisch und zwei Fahnen, die chilenische und die der Ex-DDR. Zu Wort kam die Vorsitzende des „Solidaritätskomitees mit Honecker“, das Anfang der 90er mit moralischem und politischem Druck für das Exil ihres Idols eintrat. Irma Caceres, Ehefrau des damaligen Botschafters in Moskau, bedankte sich für die Aufnahme von Tausenden chilenischen Flüchtlingen in der DDR. Die Ausnahme von soviel Huldigung bildete der sozialistische Politiker Osvaldo Puccio: Das Buch habe, so der renommierte Politikwissenschaftler, „eine wenig kritische Sicht auf das, was der reale Sozialismus war“.

Es wirkte wie eine schon abgeschlossene Diskussion – nichts desto trotz erfreute sich die Buchvorstellung eines regen Medieninteresses, insbesondere das chilenische Fernsehen berichtete ausführlich und zur besten Sendezeit. Mit getragener Stimme bedankte sich Margot Honecker bei ihren Gästen. Sie sprach auf deutsch und wurde ins Spanische übersetzt. Trotz aller Kritik am Sozialismus müssten die Erfahrungen dieser Gesellschaften bewahrt werden, zitierte sie die zentrale These des Buches.“

Das achte ist vielleicht das wichtigste von elf Kapiteln des Buches: Auf Seite 91 fragt Corvalan, warum die DDR zusammenbrach. Margot Honecker gibt keine klare Antwort: Ihr Mann habe nachvollziehbare Gründe gehabt, den Parteivorsitz abzugeben. Dann schildert sie die damaligen Ereignisse aus ihrer Sicht und kommt zu dem Schluss, Erich Honecker sei Opfer von immer mehr Verleumdungen geworden. In diesem Kontext sei auch die deutsche Einheit und die offizielle Geschichtsschreibung fragwürdig.

 

CHILE

Ozonloch erstmals direkt über einer Stadt

(Punta Arenas, 5. Oktober 2000, pulsar-Poonal).- Die südchilenische Stadt Punta Arenas liegt als erste weltweit unmittelbar unter dem Ozonloch. Das riesige Ozonloch über der Antarktis weitet sich offenbar immer weiter in Richtung des amerikanischen Kontinents aus. Neuseeländische Wissenschaftler, die das Phänomen entdeckten, warnten vor den großen Risiken, die damit auf die dortige Bevölkerung zukommen. Durch das gänzlich Fehlen der Ozonschicht könnten die UV-Strahlen Hautkrebs sowie Blindheit bei Menschen und Tieren hervorrufen. Der US-Weltraumbehörde NASA zufolge ist das Ozonloch bereits 30 Millionen Quadratkilometer groß, das ist dreimal so gross wie das Territorium der USA. Die Wissenschaftler befürchten, das Ozonloch könne demnächst auch Städte in Argentinien, Südafrika, Australien und Neuseeland erreichen.

 

ARGENTINIEN

Recht auf Identität

(Buenos Aires, Oktober 2000, fempress-Poonal).- Die Großmütter der Plaza de Mayo haben eine Medienkampagne gestartet, um Jungen und Mädchen zu identifizieren, die während der Militärdiktatur von den Henkern ihrer Eltern verschleppt worden waren. Der Fernsehspot mit dem Titel „die andere Seite des Spiegels“ zeigt einen Jugendlichen, der sich im Spiegel ansieht,während eine Stimme aus dem Off sagt „Mariano weiss nicht, dass Pedro existiert. Aber Pedro gibt es und seine Großmutter sucht ihn. Falls du Zweifel an deiner wahren Identität hast, oder glaubst, ein Kind von Verschwundenen zu sein, melde dich bei den Großmüttern der Plaza de Mayo.“ Der Radiospot ist kürzer aber ebenso direkt. Das Publikum reagierte schnell mit einer Welle von Anrufen. Jungen und Mädchen sprachen über sich selbst, äußerten Zweifel in Bezug auf ihre Herkunft oder die ihrer Freunde und Partner. In fast allen Fällen leben sie in Familien mit militärischem Hintergrund. Im Team der Großmütter arbeiten auch Jugendliche, die ihre Brüder und Schwestern suchen. Diese sind besonders in der neuen Kampagne, bzw. in der massiven Antwort auf sie, engagiert. Die Hilfe ist nötig, denn jeder Anruf ist der Beginn eines langen Prozesses an Nachforschungen. Die Blutprobenvergleiche sind hier nur ein, wenn auch sehr effektives Mittel auf dem Weg zu den gesuchten Enkeln und Enkelinnen.

 

ARGENTINIEN

Vizepräsident Carlos Álvarez zurückgetreten

(Buenos Aires, 6./7. Oktober 2000, pulsar-Poonal).- Der argentinische Vizepräsident Carlos Álvarez ist am Freitag vergangener Woche von seinem Amt zurückgetreten. Als Grund gab er die jüngsten Umbesetzungen im Kabinett an, die Präsident Fernando De la Rua aufgrund der Korruptionsaffäre im Senat vorgenommen hatte. Nachdem der Rücktritt bekannt wurde, drückten mehrere Politiker Álvarez ihre Solidarität aus. Der Vizepräsident hatte De la Rua erfolglos gedrängt, die Funktionäre zu entlassen, die in die Bestechung von Senatoren sowohl der Regierungspartei wie der Opposition verwickelt sind. Mit den Bestechungen war Einfluss auf die Reform der Arbeitsgesetzgebung im April dieses Jahren genommen worden. Am Donnerstag hatte der Präsident mehrere Umbesetzungen angekündigt, die unter Verdacht stehenden Funktionäre aber auf ihren Posten belassen. Carlos Álvarez erklärte, „Argentinien leide unter einer tiefen moralischen Krise“. Er sei zwar zurückgetreten, seinen Kampf aber werde er fortsetzen. Er habe eine neue Bewegung ins Leben gerufen, unter anderem um den Politikstil im Land zu verändern. Präsident De la Rua bedauerte den Rücktritt und erklärte, es gebe keine politische Krise im Land und die Regierung sei stabil.

 

BRD

Widerstand gegen neoliberale Globalisierung – BUKO 23 zwischen Spagatismus, Reformismus und radikaler Kritik

Von Boris Kanzleiter und Stefanie Kron

(Berlin, 8. Oktober 2000, npl). – Die Debatte um Widerstandsformen gegen „neoliberale Globalisierung“ stand im Mittelpunkt des diesjährigen Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO), der am Wochenende (6.-8. Oktober) in der Berliner Humboldt Universität tagte. „Die Mehrheit der Menschheit wird durch die Politik der Regierungen des Nordens und das Agieren transnationaler Konzerne jeglicher sozialer Rechte beraubt. Gleichzeitig konzentriert sich der wachsende Reichtum auf eine immer kleinere Gruppe von Privilegierten. Dieses Wirtschafts- und Politikmodell lehnen wir ab“, leitete BUKO-Sprecher Markus Wissen die Konferenz ein.

Über 300 Teilnehmer*innen entwicklungspolitischer Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet beschäftigten sich in zahreichen Arbeitsgruppen mit den Auswirkungen der Liberalisierung des Handels und Privatisierungspolitik auf die sozialen und politischen Verhältnissen weltweit. „Wir stellen fest, dass das

Entwicklungsmodell, welches uns von nationalen Regierungen und internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO) als 'Modernisierung' oder Naturgesetz verkauft wird, zur verstärkten Zementierung von Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen führt“, erklärte Wissen: „Der BUKO versteht sich als ein Forum, in dem politisch Aktive, kritische Wissenschaftler*innen und Vertreter von Basisbewegungen aus dem Süden gemeinsam überlegen können, wie Widerstand gegen das vorherrschende Politikmodell aussehen kann. Emanzipatives Handeln benötigt organisatorische Kontexte.“

Mit der inhaltlichen Schwerpunktsetzung reagierte der BUKO auf die wachsenden internationalen Proteste gegen die institutionellen Träger neoliberaler Globalisierungspolitik, wie sie sich zuletzt bei der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Prag Ende September unübersehbar artikulierten. Kontroversen hinsichtlich der analytischen Positionen und Strategien der BUKO-Mitglieder wurden allerdings schon auf der Podiumsdiskussion zur Eröffnung des BUKO am Freitag Abend deutlich.

Miriam Fischer vom internationalen Basisgruppen-Netzwerk Peoples Global Action (PGA), das unter anderem die Proteste gegen die WTO-Konferenz in Seattle mitgetragen hatte, betonte die Notwendigkeit

das herrschende Wirtschaftssystem grundsätzlich zu hinterfragen: „Wir wollen keine Re-Regulierung der Globalisierung über den Staat oder supra-staatliche Institutionen, sondern einen wirklichen Wandel von unten.“ Barbara Unmüssig von der Nichtregierungsoganisation WEED machte sich hingegen dafür stark,

auch „den Dialog mit den Entscheidungsträgern zu suchen, ohne sich für deren Interessen instrumentalisieren zu lassen.“ In der anschließenden Diskussion handelte sie sich dafür den Vorwurf der

„typisch spagatistischen Politik von NGOs“ ein.

Der Soziologe Alex Demirovic von der Universität Frankfurt/Main beklagte als eine Folge neoliberaler Politik im universitären Bereich die „Reduzierung kritischen Wissens“. Die „Reflexion der Globalisierung erfolgt nur noch unter technokratischen Gesichtspunkten der Notwendigkeit und nicht der Emanzipation.“

Christoph Scherrer von der Universität Kassel plädierte dafür, die Unterschiedlichkeit der Ansätze und Strategien sozialer Bewegungen als Bereicherung zu betrachten, sich durchaus auch wieder mehr mit

Gewerkschaften zu vernetzen sowie aus strategischen Gründen bestimmte Re-Regulierungsforderungen an den Staat zu stellen. Als Beispiel nannte er den erfolgreichen „Strategiemix“ der schwarzen US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung „Die Kunst der sozialen Bewegungen besteht darin, die verschiedenen Flügel in ein Konzert zu bringen“, erklärte er abschließend.

An der Abschlussdiskussion am Sonntag unter dem Motto „Widerstand weltweit von unten organisieren – Probleme internationalistischer Kämpfe“ nahmen, abgesehen von Thomas Seibert (medico international), ausschließlich Vertreter*innen von selbstorganisierten MigrantInnenzusammenschlüssen in der Bundesrepublik und Basisgruppen aus den Amerikas teil. Cheri Honkala vom Kensington Welfare Rights Committee, einer Basisbewegung von Obdachlosen in den USA, berichtete, dass auch in den Vereinigten Staaten immer breitere Bevölkerungsgruppen von Armut und Hunger betroffen seien. Es stehe eine „soziale

Explosion“ bevor, aufgrund der zunehmend massiven Verletzung ökonomischer Menschenrechte – eine Konsequenz der Auflösung des Wohlfahrtstaates.

Libia Grueso sprach für den Zusammenschluss afrokaribischer Gemeinschaften, den Proceso de la Comunidades Negras in Kolumbien. Sie datierte den Beginn der Globalisierung vor 400 Jahren, als ihre Vorfahren zur Sklaverei aus Afrika nach Lateinamerika verschleppt wurden. Grueso betonte, dass „die Autonomie und Identität der Kämpfe in ihrer Diversität erhalten bleiben müssen“, um nicht nur der neoliberalen-, sondern auch kulturellen Globalisierung eine widerständige Strategie entgegen zu setzen.

„Die Karawane ist die Antwort auf die rassistische Unterdrückung der Flüchtlinge in der Bundesrepublik“, lauteten die einführenden Worte von Sunny Omwenjeke, der die Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant*innen vertrat. Er legte den Schwerpunkt seines Beitrags auf den diskriminierenden Zwangscharakter der sogenannten Residenzpflicht, die es Asylbewerber*innen verbietet, sich außerhalb der Gemeinde, in der sie gemeldet sind, zu bewegen. „Die Residenzpflicht“, so Omwenjeke, „bedeutet für Flüchtlinge, sich nicht einmal als Bürger dritter oder vierter Klasse fühlen zu können, sondern als Untermenschen“. Vor allem aber verhindere diese rassistische Maßnahme jedwede Möglichkeit der

Selbstorganisierung von Migrant*innen. Omwenjeke forderte aktive Solidarität und Unterstützung für den Kampf der Karawane gegen die Residenzpflicht.

Der Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen fand dieses Jahr zum 23. Mal statt. Der BUKO versteht sich als ein Zusammenschluss vielfältiger internationalistischer Initiativen, denen die Kritik an bestehenden Macht- und Herrschaftsformen sowie die Thematisierung gesellschaftlicher Verhältnisse über Nord-Süd- Beziehungen hinaus gemeinsam sind. Insgesamt 170 Gruppen sind landesweit im BUKO organisiert. Auffällig dieses Jahr war vor allem die starke Beteiligung junger Aktivist*innen.

 

 

   

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