Poonal Nr. 401

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 401 vom 24. September 1999

Inhalt


HAITI

KUBA

MEXIKO

GUATEMALA

NICARAGUA

HONDURAS

COSTA RICA

PANAMA

KOLUMBIEN

BOLIVIEN

BRASILIEN

URUGUAY

ARGENTINIEN

LATEINAMERIKA – Der Mythen des Tourismus, II


HAITI

Parlamentsfreie Zeit wird noch lange dauern

Von Gotson Pierre

(Port-au-Prince, 15. September 1999, sicrad-Poonal).- Haiti muß sich darauf einrichten, länger als vorgesehen ohne Parlament auszukommen. Der von den Verfassungsvorschriften bestimmte Termin 10. Januar 2000 für den Beginn einer neuen Legislaturperiode kann aller Vorraussicht nach nicht eingehalten werden. Denn die Vorbereitungen für die Wahlen zu Senat, Abgeordnetenhaus, Gemeinderäten (CM) und Verwaltungsräten (CASEC) sind so schleppend, dass eine rechtzeitige ordnungsgemäße Durchführung und Auszählung kaum realistisch scheint. Der vorläufige Wahlrat hat noch keinen definitiven Wahltermin festgelegt, geht aber immer noch davon aus, Ende dieses Jahres einen ersten Wahlgang durchführen zu können. Insgesamt geht es darum, 83 Abgeordnete, 19 der 27 Senator*innen, 133 Gemeinderäte und 564 Mitglieder anderer lokaler Institutionen zu bestimmen.

Das Land funktioniert seit Januar 1999 ohne Parlament. Damals hatte Präsident Rene Preval die Amtszeit der Abgeordnetenkammer und eines Drittels der Senatoren für abgelaufen erklärt. Die Gemeinderäte wurden in einigen Fällen von Regierungsvertretern ersetzt. Ein Abkommen des Präsidenten mit den fünf wichtigsten Oppositionsparteien erlaubte am 16. März die Einrichtung des Vorlaufigen Wahlrates (CEP) unter dem Vorsitz von Leon Manus. Unter dem Vorsitz des amtierenden Premierministers Jaques Elouard Alexis bildete sich eine Regierung heraus, die das Vakuum füllte, welches nach dem Rücktritt des Ex-Premiers Rosny Smarth entstanden war. Smarth trat nach den umstrittenen Wahlen im April 1997 zurück, danach blieb das Amt über ein Jahr vakant.

Der CEP hat bisher unter großen Schwierigkeiten ein Wahlgesetz erarbeitet und elf Wahlbüros für die Nationalwahlen eingerichtet. Die Wahlbüros auf Gemeindeebene und die zahlreichen Stellen zur Einschreibung ins Wählerverzeichnis sind hingegen noch nicht etabliert. Drei Monate vor Jahresende tappt die Bevölkerung noch immer im Dunkeln, wenn es um konkrete Wahltermine geht. Gerüchteweise soll am 19. Dezember der erste und am 16. Januar der zweite Wahlgang durchgeführt werden. Von einem verspäteten Amtsantritt der gewählten Volksvertreter wird in politischen Kreisen bereits ausgegangen.

Ein wesentliches Problem bei der Durchführung der Wahlen ist die Erstellung eines vertrauenswürdigen Wählerverzeichnisses. Es gibt etwa 4,5 Millionen Wahlberechtigte, die alle einen Lichtbildausweis erhalten sollen. Dem CEP-Vorsitzenden Manus zufolge liegt die Langsamkeit des Prozesses an der Weigerung der internationalen Staatengemeinschaft, blockierte Hilfsgelder freizugeben. Bisher ist die umfangreichste Summe von der us- regierungsnahen Organisation AID gekommen, die 3,5 Millionen US- Dollar an die Internationale Stiftung für Wahlsysteme überwiesen hat. Damit sollen die Ausweise finanziert werden.

Premierminister Alexis hat wiederholt darauf hingewiesen, Hilfsgelder würden ausschließlich vom Finanzministerium und damit vom haitianischen Volk angenommen und verwaltet. Doch mit dieser Aussage hat er an der ablehnenden Haltung der Geberstaaten bisher nicht viel geändert. Umstritten ist auch die Auftragsvergabe für die Ausweiserstellung an eine kanadische Firma. Das hatitianische Konsortium Bise-Companet-Le Natal wirft dem Wahlrat Einseitigkeit vor und hat vor Gericht geklagt.

Obwohl noch kein Wahltermin feststeht, hat der Wahlkampf bereits begonnen. Die Partei des Ex-Präsidenten Jean-Betrand Aristide, Fanmi Lavalas, hat Massenkundgebungen in mehreren Provinzen abgehalten. Auf den Veranstaltungen wird der Wählerausweis mit Lichtbild heftig kritisiert. Nach Ansicht von Fanmi Lavalas könnte ein großer Teil der sowieso schon marginalisierten Bevölkerung auf diese Weise von ihrem Wahlrecht ausgeschlossen werden.

Die vor der Spaltung auch die Aristide-Anhänger einschließende Organisation der Bevölkerung im Kampf (OPL) hat ebenfalls einige Massenveranstaltungen außerhalb der Hauptstadt durchgeführt. Zur Zeit versucht sie, zusammen mit den der RNDP ein Wahlbündnis gegen Lavalas aufzustellen. Der RNDP sitzt der 1988 unter der Militärherrschaft gewählte Ex-Präsident Lesli Manigat vor. Auf der politischen Bühne sind noch zwei weitere Blöcke auszumachen. Zum einen ein Bündnis aus fünf Anti-Lavalas-Parteien, zum anderen die Nationale Rettungsbewegung MPSN, die die klassischen Rechtsparteien versammelt. Die Basisorganisationen der Bevölkerung, die sich Umfragen zufolge bei den letzten Wahlen benutzt fühlten, haben sind noch nicht entschlossen, ob sie diesmal zu einem Wahlboykott aufrufen sollen oder den Urnengang tolerieren wollen.

KUBA

Lateinamerikanische Universität für Medizin

(Havanna, September 1999, pl-Poonal).- Nach halbjährigem Vorlauf funktioniert in Havanna seit Monatsbeginn ein Projekt, mit dem Kuba seine Solidarität gegenüber anderen Ländern des Subkontinents zeigen will. An der Lateinamerikanischen Fakultät für Medizinwissenschaften werden Student*innen aus der Region mit geringen finanziellen Ressourcen sechs Jahre lang ausgebildet, um danach in ihren Heimatländern im Gesundheitswesen tätig zu sein. Ein erstes Kontigent mit 2.000 jungen Leuten aus 17 Ländern ist bereits in Havanna eingetroffen. Von den Student*innen wird erwartet, nach ihrer Rückkehr auch in entlegenen Gegenden zu arbeiten, „wo nie ein Spanier hinkam“.

Die Idee zur der medizinischen Universität entstand nach den verheerenden Spuren, die der Hurrikan Mitch vor knapp einem Jahr in Mittelamerika hinterließ. Vielfach konnte in den betroffenen Ländern eine medizinische Versorgung der Bevölkerung durch einheimisches Personal nur unzureichend oder überhaupt nicht gewährleistet werden. Kuba gehörte zu den ersten Nationen, die Hilfe sandten und mit Ärzt*innen und anderem medizinischen Personal die Engpässe verringerten.

MEXIKO

Über fünf Monate Streik an der größten Universität Lateinamerikas

Von Boris Kanzleiter und Gerold Schmidt

(Mexiko-Stadt/Berlin, 20. September 1999, Poonal). – Die Luft im überfüllten Hörsaal ist heiss und stickig. Nach stundenlangen erregten Diskussionen im Auditorium Maximum „Che Guevara“ an der Autonomen Nationaluniversität Mexikos (UNAM) kippt eine Mehrheit des Allgemeinen Streikrates wieder einmal die Beschlüsse der vorherigen Vollversammlung. Von den 40 Fakultäten und Studienzentren der UNAM stimmen 23 für eine Resolution, die Verhandlungen mit den Behörden begünstigt. An diesem Samstag siegen die „Moderaten“ gegen die „Ultras“. Vor wenigen Tagen war es noch umgekehrt. Die Situation vom vergangenen Wochenende ist symptomatisch für den inzwischen längsten Studentenstreik in der mexikanischen Universitätsgeschichte.

Was als Protest gegen eine Erhöhung der Studiengebühren begann, hat sich zu einem Konflikt ausgeweitet, dessen Lösung immer komplizierter erscheint. Seit dem 20. April finden an der UNAM in Mexiko-Stadt keine Lehrveranstaltungen mehr statt. Die Mehrheit der 270.000 Studierenden boykottiert den Unterricht, die Gebäude und Zufahrtswege auf dem Campus sind verbarrikadiert.

„Unser Protest richtete sich ursprünglich gegen die Anhebung der Gebühren“, erzält Karina, die an der UNAM Geschichte studiert. „Aber jetzt geht es uns um mehr.“ Der Forderungskatalog umfasst inzwischen eine tiefgreifende Demokratisierung der Hochschulstrukturen und die Garantie einer kostenlosen öffentlichen Bildung – letzteres ist sogar verfassungsmäßig verankert. Seit ein 1997 zwischen Weltbank und mexikanischer Regierung geschlossenes Abkommen bekannt ist, in dem die Gebührensteigerung als Bedingung für einen Kredit genannt und unverhohlen auf die Privatisierung des Bildungssystems abgezielt wird, sind die Fronten noch verhärteter.

Die Studierenden besetzten die Universitätsgebäude, nachdem Rektor Fransisco Barnes de Castro ankündigte, die Studiengebühren von 20 Centavos (4 Pfennig) auf 2.040 Pesos (400 Mark) pro Jahr zu erhöhen. Hatten die Gebühren bis dahin symbolischen Charakter, übersteigt der von der Universitätsleitung anvisierte Betrag das Budget der meisten Studierenden bei weitem. In Mexiko liegen die Durchschnittslöhne bei unter 500 Mark pro Monat. Die Streikenden fordern, dass Studiengebühren prinzipiell ausgeschlossen bleiben.

Auch die Art und Weise, wie die Anhebung von der Universitätsleitung beschlossen wurde, erregte die Wut der Studierenden. Der Universitätsrat, das oberste Gremium der UNAM, hatte die Maßnahme abgesegnet, ohne die zahlreichen Proteste im Vorfeld der Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Zur entscheidenden Sitzung wurden viele Delegierte, die als potentielle Gegner des Vorschlags galten, nicht rechtzeitig eingeladen. So nahmen nur 97 der 132 Abgeordnete an dem Treffen teil. 28 Vertreter der Studierenden fehlten. Nachdem sich Rektor Barnes geweigert hatte, einen Dialog über die Entscheidung zu führen, begann der Ausstand. Nach den Vorstellungen der Streikenden soll in Zukunft ein von Vertretern aller Statusgruppen an der Universität paritätisch gebildetes Gremium über die UNAM bestimmen.

Die Proteste gewannen schnell eine allgemein politische Dimension. Auch die 24.400 Verwaltungsbeamte und 5.000 in der Gewerkschaft organisierten Lehrkräfte schlossen sich dem Streik an. Andere Gewerkschaften, soziale Bewegungen und die Zapatista-Guerilla aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas bekunden ihre Solidarität. Im Lauf der vergangenen fünf Monate hat sich die Bewegung zunehmend polarisiert und radikalisiert. Seit Anfang August kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit den staatlichen Sicherheitskräften.

So verhaftete die Polizei über hundert Studierende, als diese versuchten, die Immatrikulation neuer Studierender zu verhindern. Einzelne Aktivisten werden immer wieder verprügelt und bedroht. Andererseits bröckelt die anfänglich geschlossene Bewegung zunehmend. Bei den Vollversammlungen des Allgemeinen Streikrates im Hörsaal „Che Guevara“ kam es zu Prügeleien zwischen Studierenden, die eine möglichst schnelle Verhandlungslösung fordern und einer radikalisierten Gruppe, den Ultras, die auf den Forderungen bestehen möchte.

Für viele sitzen die eigentlichen Ultras aber in der Regierung. So paradox es klingen mag, kann dieser ein Interesse an einem möglichst langen Konflikt und einer geschlossenen staatlichen Universität unterstellt werden. Dem Kabinett unter Präsident Ernesto Zedillo, die die in den 80er Jahren begonnene neoliberale Politik der Vorgängerregierung fortführt, ist die ohnehin faktisch schon eingeschränkte Autonomie der UNAM ein Dorn im Auge. Je mehr sich die Studierenden zerstreiten und je weniger Verständnis der andauernde Streik in der Öffentlichkeit findet, desto einfacher könnte die Regierung den Status der UNAM angreifen.

In dieses Bild passen auch die Berichte des anerkannten mexikanischen Wochenmagazins „proceso“, demnach Provakteure des Innenministeriums einen Grossteil der studentischen Ultras stellen und an den gewalttätigen Zusammenstössen mit der Polizei beteiligt sind. Ebenso auffällig ist die Haltung von Rektor Barnes, der seinerseits alles tut, Gespräche mit den Studenten im Vorfeld zu verhindern. Barnes gilt nicht nur den Streikbefürwortern inzwischen als Marionette von Präsident Zedillo.

Dieser hat unterdessen gedroht, er werde notfalls „legitime Schritte“ unternehmen, um die „Universität zu öffnen“. Die mexikanische Öffentlichkeit verstand dies als Warnung vor einer polizeilichen Räumung, was Erinnerungen an das Massaker von Tlatelolco im Oktober 1968 hervorrief. Damals schlug das Militär eine Studentendemonstration nieder und ermordete mehrere hundert Menschen.

Um zu verhindern, dass auch das nächste Semester ausfällt, gibt es nun von unabhängiger Seite eine verstärkte Suche nach Verhandlungslösungen. Die Fronten stehen sich jedoch so unversöhnlich gegenüber, dass selbst die Anstrengungen ehemaliger Professoren, die Streikenden und die Universitätsleitung mit einem Kompromissvorschlag an einen Tisch zu bringen, mehrmals gescheitert sind. Am Telefon des Streikkomitees wird man bereits mit den Worten „Guten Tag, Streik 1999-2000“ empfangen.

Regierung bietet Dialog in Chiapas an und verschärft Repression

Zapatisten antworten mit Forderung nach Entmilitarisierung

Von Boris Kanzleiter

(Berlin, 16. September 1999, Poonal).- Mit der Forderung nach Abzug des Militärs aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas antwortete die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) auf das jüngste Gesprächsangebot der Regierung. „Die Abgeordneten sollen erfahren, wie sehr die Menschen unter der 50.000 Mann starken Präsenz der Streitkräfte in Chiapas leiden“, erklärten die Teilnehmer einer Delegation der Zapatisten gestern (15.09.) bei einer Kundgebung vor dem Parlament in Mexiko-Stadt.

Während die mexikanische Bundesarmee in Chiapas eine neue Offensive gegen die zivile Basis der EZLN gestartet hat, unterbreitete die Regierung den Aufständischen vergangene Woche (7.09.) in einer öffentlichen Erklärung wieder einmal ein „Dialogangebot“. Die Initiative des Präsidenten Ernesto Zedillo von der seit 70 Jahren ununterbrochen regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) sorgt seitdem für erhitzte Debatten im ganzen Land. Die Regierung fordert die Zapatisten in einem „Offenen Brief“ auf, „guten Willen“ bei der Lösung der Probleme in Chiapas zu zeigen und an den Verhandlungstisch zurück zukehren, um über ein Gesetzespaket zu beraten, das eine Reihe sozialer und politischer Reformen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Partizipationsmöglichkeiten für die 10 Millionen Angehörigen indianischer Gruppen in Mexiko beinhaltet. Der Vorstoss Zedillos sieht zudem die Wiedereinrichtung einer Vermittlungskommission vor.

Um den Verhandlungswillen der Regierung zu unterstreichen, wurden am 13. September 24 mutmaßliche Paramilitärs zu teilweise langjährigen Haftstrafen verurteilt. Ihnen wurde die Beteiligung am Massaker von Acteal nachgewiesen. Am 22. Dezember 1997 erschossen Paramilitärs vor den Augen der Polizei und der Soldaten 45 Zivilisten, die als Sympathisanten der EZLN galten. Einer der Verurteilten ist der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Chenalho, Jacinto Arias Cruz, der mit 35 Jahren Gefängnis bestraft wurde. Menschenrechtsgruppen hatten in den letzten Monaten allerdings immer wieder betont, alle Umstände würden darauf hinweisen, dass das Massaker von höchsten Regierungsstellen in Mexiko-Stadt und der Hauptstadt von Chiapas – Tuxtla Gutierrez – organisiert wurde. Die Inhaftierten seien „Bauernopfer“, die von den eigentlichen Drahtzieher ablenken sollen.

Einen Tag nach der Verurteilung der Paramilitärs liess das Oberste Gericht des Bundesstaates Chiapas 70 Anhänger der EZLN frei. Sie waren bei Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und der EZLN- Basis im April und Mai dieses Jahres festgenommen worden. Auch dies sei ein Akt des „guten Willens seitens der Regierung“, betonte Zedillo in der Hauptstadt.

Viel „guter Willen“ wird notwendig sein, um wieder eine Basis für einen Dialog zwischen Regierung und EZLN herzustellen, der seit September 1996 auf Eis liegt. Damals brach die EZLN die Verhandlungen ab, weil sich die Regierung weigerte, das bereits im Februar 1996 beschlossene „Abkommen von San Andres“ über „Indianische Rechte und Kultur“ in die Praxis umzusetzen. Präsident Zedillo legte statt dessen einen Gesetzesentwurf zu indianischen Rechten vor, der im Parlament allerdings nie beschlossen wurde und weit hinter die ursprünglichen Zugeständnisse an die Zapatistas zurück fiel. Die Rebellen ihrerseits lehnten den Regierungsentwurf stets ab.

Innenminister Diodoro Carrasco betonte vergangene Woche, es sei „unabdingbar den Dialog wieder aufzunehmen, um Szenarien der Gewalt zu verhindern. Eine Delegation von vier Zapatistas, die sich zu den Feierlichkeiten anläßlich des mexikanischen Unabhängigkeitstages am 16. September in Mexiko-Stadt aufhält, forderte zum wiederholten Mal die Umsetzung des Abkommens von San Andres sowie die Entmilitarisierung von Chiapas. Auf den „Offenen Brief“ der Regierung gingen sie nicht ein.

Oppositionspolitiker bemängeln an dem Regierungsangebot, es fände sich darin kein Hinweis auf eine Veränderung der Militärstrategie in Chiapas, die seit dem Ausbruch des indianischen Aufstandes zum Jahresbeginn 1994 darin bestehe, den Bundesstaat völlig unter militärische Kontrolle zu bringen. Zahlreiche Armeestützpunkte wurden seit 1994 errichtet, um den Bewegungsspielraum der Zapatistas einzuengen. Gleichzeitig begannen Regierungsfunktionäre und Militärs mit dem Aufbau paramilitärischer Gruppen, die immer wieder brutal gegen die zivile Basis der Zapatistas vorgehen. Gilberto Lopez y Rivas, Abgeordneter der links-oppositionellen Partei der Demokratischen Revolution (PRD) erklärte: „Ich sehe den Vorschlag Zedillos als Nebelwerferei, um den Konflikt zu verschleiern und Wahlkampf zu betreiben.“ Das Angebot setze sich „einfach darüber hinweg, dass die tägliche Botschaft an die Zapatistas Kriegsführung niedriger Intensität“ sei.

Erst in den vergangenen Wochen kam es in den chiapanekischen Ortschaften Amador Hernandez, San Jose la Esperanza und Morelia wiederholt zu massiven Auseinandersetzungen zwischen der Bundesarmee und Angehörigen der zivilen Basisgemeinden der EZLN, von denen viele verletzt oder inhaftiert wurden. Das Militär setzte Tränengas und scharfe Munition ein. Hintergrund der Zusammenstösse war der Protest der Zapatistas gegen ein Strassenbauprojekt der Armee, das offensichtlich militärischen Zwecken dienen sollte. Mittlerweile wurde der Bau der Landstrasse gestoppt, allerdings nur vorübergehend.

GUATEMALA

Paramilitares hoffen auf ultrarechten Präsidenten

(Guatemala-Stadt, 18. September 1999, cerigua-Poonal).- Die Vereinigung der Familienangehörigen der Verhafteten und Verschwundenen (GAM) berichtet über verstärkte Morddrohungen von Paramilitärs in den Provinzen Peten, Alta Verapaz und Quiche. Die ehemaligen Mitglieder der mit der Armee kollaborierenden Zivilpatrouillen hätten mehrfach erklärt, diejenigen Personen umzubringen, die Menschenrechtsverletzungen anklagten. Bei den allgemeinen Wahlen im November werden der ultrarechten FRG des Ex- Diktators Efraín Ríos Montt gute Siegchancen eingeräumt. Sollte ihr Kandidat Alfonso Portillo zum Präsidenten gewählt werden, so befürchten viele Menschenrechtler, könnten die Paramilitärs freie Hand bekommen.

Erst vor wenigen Tagen mußte ein Prozeß gegen drei Paramilitärs in der Stadt Salama suspendiert werden, weil 300 Personen vor dem Gericht ihre Freilassung forderten. In dem Verfahren, bei dem es um zwei mit besonderer Bestialität durchgeführte Massaker an mehreren hundert Personen in den 80er Jahren geht, müssen die Angeklagten mit der Todesstrafe rechnen. Nach Aussagen des zuständigen Richters wurde die Demonstration zugunsten der Paramilitärs von Militärs in Zivil geleitet.

NICARAGUA

Eigenartiges Schuldenbewußtsein

(Managua, 17. September 1999, alc-Poonal).- Per Dekret erklärte die nicaraguanische Regierung einen halben Tag des vergangenen 16. September zum Feiertag. Der Grund: das Land wird neuerdings zu den ärmsten und verschuldetsten Nationen der Welt gerechnet. Damit kann es in den Genuß von Schuldennachlässen und Vergünstigungen im Rahmen der HIPC-Initiative kommen. Auch die katholische Kirche fiel in den offiziellen Jubel ein. Sie hielt in der Kathedrale von Managua eine Messe ab, an der Präsident Arnoldo Aleman und mehrere seiner Minister teilnahmen. Anschließend gab es auf dem Platz der Revolution eine Party mit Musikdarbietungen.

Der Rat der Privatwirtschaft, der Rat der evangelischen Kirchen und verschiedene zivile Organisationen hatten wenig Verständnis für die überschwengliche Freude auf Regierungsseite. Sie sprachen sich dafür aus, auf die Aufnahme in den Club der ärmsten Länder mit mehr Arbeit und nicht mit Festen zu reagieren. Zwei Wirtschaftswissenschaftler rechneten aus, dass der halbe Feiertag dem Land Verluste von 2,7 Millionen Dollar zufügte. Präsident Aleman störte sich daran aber nicht. Er wies auf den nun möglichen Erlaß der Auslandsschuld Nicaraguas hin. Es könne eine neue Etappe sozialer Entwicklung beginnen.

HONDURAS

Eine verlassene US-Militärbase weckt die Geister der Vergangenheit

Von Paul Jeffrey

(Tegucigalpa, 20. September 1999, na-Poonal).- „EL AGUACATE“ war fast vergessen, die Geheimnisse der früheren Militärbasis in dem mittelamerikanischen Land Honduras schienen zwischen Gestrüpp und verrotteten Gebäuden verloren. Aber ein Streit zwischen zwei Campesinogruppen, wer auf dem Gelände, das der Armee ehemals auch als Flugplatz diente, Mais aussähen dürfe, hat schmerzhafte Fragen über die Massaker und Folterungen in den 80er Jahren ausgelöst.

130 Kilometer östlich der Hauptstadt Tegucigalpa gelegen, wurde El Aguacate 1983 von den Streitkräften der USA als Versorgungslager für die Contra-Rebellen des Nachbarlandes Nicaragua errichtet, die gegen die sandinistische Revolutionsregierung kämpften. Contras und honduranische Militärs nutzten die Base den Rest der Dekade. Die Rebellen verließen sie, als 1990 ihr Krieg mit der Abwahl der Sandinisten endete.

Seitdem kontrollierten Offiziere der honduranischen Armee das Areal. Einige von ihnen entschlossen sich, Teile an Bauern aus der Umgebung zu verpachten. Dies zog den Zorn der ursprünglichen Besitzer nach sich. Diese, ebenfalls Campesinos, waren zu Beginn der 80er Jahre gegen eine lächerliche Entschädigung enteignet worden.

„Sie zahlten uns in Scheinen von einer und zwei Lempiras (das sind wenige US-Cents; die Red.), damit wir Idioten sähen, dass es viel Geld wäre. Die Übergabe machten sie mit Plastiksäcken und wir dachten, darin seien große Summen“, erinnert sich Juan Villalobos, einer der Bauern, die zum Verkauf von Landstücken für die Militärbase gezwungen wurden. Die betrogenen Campesinos waren es, die den Ermittlern der heutigen Zivilregierung, die die politische Gewalt der 80er Jahre untersuchen, den Hinweis gaben, sich El Aguacate doch einmal genauer anzusehen.

Am 12. August dieses Jahres erklärte Sandra Ponce, Sonderstaatsanwältin der Regierung in Menschenrechtsangelegenheiten, sie habe in El Aguacate mindestens sechs enge Metallzellen entdeckt, der Wände mit Blut befleckt sind. Offensichtlich seien dort politische Gefangene gefoltert und ermordet worden. Ponce informierte ebenfalls über den Fund von 48 Gräbern. Eines davon habe eine Länge von fast 500 Metern und es könnte mehrere hundert Personen dort begraben sein.

Die Staatsanwältin zeigte sich darüber verärgert, dass die Militärs erst kürzlich Beweise über die Aktivitäten in der Base vernichtet hätten. Sie ordnete der Polizei an, das Gelände zu versiegeln. Jetzt wartet sie auf die Ankunft von erfahrenen Gerichtsmedizinern aus Deutschland und den USA, um ihre Untersuchung fortführen zu können. Journalisten ist der Zugang zu den meisten Teilen des Areals derzeit verboten. Die Zellen und die Gräbern sind mit gelbem Band markiert.

Falls Leichen gefunden werden, so können sie von verschiedenen Gruppen stammen. Die Base diente den Contras auch als Krankenhaus. Einige Körper könnten daher von Rebellen stammen, die dort starben. Bei anderen wiederum kann es sich um gefangene und in El Aguacate zu Tode gefolterte Sandinisten aus dem Nachbarland handeln. Menschenrechtsaktivisten sind davon überzeugt, dass zumindest die Skelette eines Teils der 184 verschwundenen Honduranern auftauchen können, die damals der politischen Opposition angehörten. Sie üben Druck auf die Regierung aus, den in die Enge getriebenen Militärs keinen Ausweg zu lassen.

Genau dies versucht momentan Verteidigungsminister Edgardo Dumas. Er praktiziert die gespielte Unschuld, die über Jahre hinweg die Regierungserklärungen bezüglich der nicaraguanischen Contras auf ihrem Territorium charakterisierte. „Das Gelände gehörte zu einem bestimmten Zeitpunkt einer Organisation, die nicht unbedingt von den Streitkräften abhing. Für ihre Taten können wir in keinster Weise die Verantwortung übernehmen“, so Dumas.

Unter den vergrabenen Leichen in El Aguacate könnten die Überreste des US-Bürgers James Carney sein. Der Jesuitenpriester verschwand 1983 in Honduras, als er einer Guerillagruppe als Kaplan diente. Einige Zeugen berichten, die hätten Carney nach seiner Gefangennahme durch honduranische Truppen auf der Militärbase gesehen.

Am 25. August besichtigte Thomas Gumbleton, der Weihbischof von Detroit aus dem US-Bundesstaat Michigan, Bereiche von El Aguacate. Die Untersuchung über die Base „hat eine gute Möglichkeit geschaffen, dass wir dieser Sache auf den Grund gehen können“, sagte Gumbleton. Er kehrte mit medizinischen Fragebogen für die Familienangehörigen von Carney in die USA zurück. Die Informationen der Familie könnten helfen, den Leichnam des Priesters zu identifizieren.

Der Bischof hofft auch, die Ermittlungen über die Ereignisse in Honduras könnten der Wahrheit in seinem eigenen Land eine Bresche schlagen. „Wenn die honduranischen Behörden den Körper (von Carney) ausgraben können, dann könnte die US-Regierung sich gezwungen sehen, Information freizugeben“, meint Gumbleton. „Die USA haben zweifellos sehr viel mehr Information über den Fall, als sie bisher zu enthüllen bereit waren.“

Weitere Daten trägt auch der in Honduras bekannte Campesino-Führer Jorge Ulloa bei. Das Mitglied der Nationalen Campesinovereinigung wandte sich nach Gesprächen mit Bauern und früheren Militärs im August an die Öffentlichkeit. Nach seiner Version wurde der Jesuitenpriester lebend von Soldaten gefangen, in El Aguacate gefoltert und später von einem Helikopter aus über dem naheliegenden Urwald abgeworfen. Andere Aussagen, darunter die eines ehemaligen Offiziers, stimmen mit dieser Erklärung weitgehend überein.

Ulloa, der damals Koordinator seiner Organisation in der Region war, nennt ein weiteres makabres Detail. Demnach ist der Kopf des Jesuitenpriesters in einem Tunnel nahe des zentralen Eingangs des Oberkommandos der Streitkräfte in der Tegucigalpa vergraben. Da in der Hauptstadt ein Beweis für die Hinrichtung von Carney verlangt worden sei, hätten die Militärs die Leiche im Urwald aufgespürt und den Kopf an das Oberkommando geschickt. In dem Tunnel sollen sich auch Körperteile anderer ermorderter politischer Häftlinge befinden.

Der Militärsprecher Oberst Danilo Soto qualifiziert diese Beschuldigung als „absurd“. Sonderstaatsanwältin Ponce dagegen nimmt sie ernst und hofft, die Militäreinrichtung bald gründlich untersuchen zu können. Verteidigungsminister Dumas bleibt nach dem Stand der Dinge nichts anderes übrig als dem zuzustimmen.

COSTA RICA

Ausbeutung im Bananensektor

(San Jose, 21. September 1999, pulsar-Poonal).- Mehrere Hundert Bananenarbeiter zogen in einem Protestmarsch gegen die Verletzung ihrer Rechte durch die costarikanische Hauptstadt. In den vergangenen Wochen sind etwa 1.200 Arbeiter auf den Plantagen entlassen worden, weitere 1.000 stehen vor dem gleichen Schicksal. Zwar werden einige von ihnen wieder eingestellt, aber mit geringerem Lohn ohne mit beschränkten Arbeitsplatzgarantien.

Die Produzenten begründen ihr Verhalten mit den niedrigen Preisen für Bananen auf dem internationalen Markt. Die neuen Preise seien von den transnationalen Handelsunternehmen (die aber zugleich meist die Produzenten sind; die Red.) durchgesetzt worden. Gilberth Bermúdez von der Koordination der Bananengewerkschaften versichert, dass die Unternehmen mit dem Schicksal von etwa 52.000 Arbeitern spielen, indem sie ihnen nur Verträge mit zwei Monaten Laufzeit geben. Die Entlassung und anschließende Neuverpflichtung befreit die Plantagenbesitzer in vielen Fäll von Sozialleistungen. Es fällt ihnen so auch leichter, sich mißliebige Arbeiter, die sich beispielsweise der Gewerkschaft anschließen, vom Hals zu schaffen.

PANAMA

Indígenas hoffen auf mehr Beteiligung

(Panama-Stadt, 16. September 1999, alai-Poonal).- In Panama hat die indigene Bevölkerung im Laufe dieses Jahrhunderts immer wieder darauf gedrängt, größeres politisches Gewicht zu erhalten. Die Schaffung der indigenen Regionen Kuna Yala, Ember'a Wounaan, Madungandi und Ng“b'e Bugl'e ist direktes Resultat dieses Druck. Obwohl der Staat Panama es bisher abgelehnt hat, die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation OIT zu ratifizieren, die auf die Rechte der Indígenas Bezug nimmt, so hat er doch in Gesetzen jüngeren Datums die indigene Bevölkerung besonders berücksichtigt, was Beteiligung und Befragung angeht.

Diese Fortschritte auf legalem Gebiet stellen die indigenen Völker aber noch nicht zufrieden. Vor allem die praktische Umsetzung der Gesetzesvorhaben wird immer wieder eingeklagt und bemängelt. Die am 1. September ausgeschiedende Regierung hat es verstanden, die Teilung der indigenen Bevölkerung für sich auszunutzen und beispielsweise ein Ng“b'e-Gesetz verabschiedet, welches keinesfalls die ursprünglichen Absichten dieser Bevölkerungsgruppe berücksichtigt. In dem noch vier Tage vor Ende der Amtszeit durchgepeitschten Gesetz wurde nicht einmal der Kongreß angehört. Darin finden sich viel eher die politischen Interessen einiger indigener Politiker wieder als die Interessen der indigenen Bevölkerung allgemein.

Die neue Regierung von Präsidentin Moscoso ist auf Konsens und Pakte angewiesen, um eine Mehrheit in der Gesetzgebenden Versammlung zu erhalten. Das führte unter anderem zur Wahl eines Kuna als Parlamentpräsidenten. Dies hat die Position der Kommission für Indigene Angelegenheiten gestärkt, in der auch die Gouverneure der indigenen Regionen vertreten sind. Die Behörde für indigene Politik wurde mit einer Mestizin besetzt, die in ersten Treffen mit der indigenen Bevölkerung ihr Interesse an der Bekämpfung der Armut und einer Neuorientierung der indigenen Politik geäußert hat. All dies weist auf eine stärkere Bedeutung indigener Aspekte in der nationalen Politik hin. Ob die indigenen Funktionäre es tatsachlich schaffen, die Instanzen zu stärken und tatsächlich mehr indigene Interessen im Staat zu vertreten, bliebt hingegen abzuwarten.

KOLUMBIEN

Anzeichen für eine internationale Eingreiftruppe verdichten sich

Von Raul Zelik

(Bogotá, September 1999, npl).- Die Gerüchte über eine bevorstehende militärische Intervention der USA in Kolumbien reißen nicht ab. Vor allem die intensive Reisediplomatie der umstrittenen Regierung Venezuelas verweist auf die Sorgen der umliegenden Länder. Präsident Hugo Chavez beriet sich kürzlich mit seinem brasilianischen Amtskollegen Fernando Cardoso, der bislang jegliche Einmischung von außen ablehnt. Venezuelas Außenminister Jose Rangel reiste nach Argentinien, um Carlos Menem – wie Perus Präsident Alberto Fujimori einer der wichtigsten Verbündeten der US-Militärs – zu konsultieren.

„Eine Intervention wäre verhängnisvoll und würde auch Venezuela in den seit fast vier Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien hineinziehen,“ erklärte Chavez. Ende September will sich der venezolanische Präsident auch mit den Generalsekretären der UNO, der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) sowie dem Papst treffen, um über Friedensinitiativen für Kolumbien zu beraten. Chavez schwebt nach eigenen Angaben eine internationale Konferenz unter UN-Regie vor.

Hintergrund der Bedenken aus Caracas ist das zunehmende Interesse der USA am kolumbianischen Bürgerkrieg. Ende August war der „Anti- Drogenzar“ der USA, Barry McCaffrey, nach Argentinien gereist, um Präsident Menem für eine Militäroperation in Kolumbien zu gewinnen. Auch aus Peru und Ecuador wird berichtet, daß US- Gesandte Absprachen über eine militärische Beteiligung in Kolumbien getroffen haben. Tatsächlich sind seit 1996 hochrangige US-Delegationen in der Region aktiv und bereiten unter dem Vorwand der „Drogenbekämpfung“ eine Verstärkung des US-Engagements vor. Nach den überraschenden Erfolge der Guerilla im vergangenen Jahr haben die USA ihre Bemühungen noch intensiviert.

Kolumbien ist inzwischen zum drittgrößten Empfänger von US- Militärhilfe aufgestiegen. McCaffrey verkündete, die von Kolumbien angeforderten zusätzlichen 500 Millionen Dollar seien in Anbetracht der katastrophalen Lage in dem Andenland nicht genug. Jetzt ist von bis zu 1,3 Milliarden Dollar jährlich die Rede. US- Presseberichten zufolge haben McCaffrey sowie der Chef des US- Kommandos Süd, Charles E. Wilhelm, bei ihren Rundreisen konkrete Pläne für eine multinationale Eingreiftruppe vorgelegt. Gegenüber der Tageszeitung Clarin erklärte McCaffrey bei seinem Besuch in Buenos Aires, „die FARC haben kein Interesse an einer friedlichen Lösung“ und die US-Regierung müsse bis Weihnachten eine Entscheidung getroffen haben.

Um nicht in ein Abenteuer a la Vietnam hineinzuschliddern, hofft die Clinton-Administration, dass lateinamerikanische Staaten die Verantwortung übernehmen. Unter der Regie von US-Militärberatern sollen Soldaten aus Peru, Ecuador und Argentinien die Eingreiftruppe bilden. Die kolumbianische Presseagentur „Anncol“ zitierte den peruanischen Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos mit den Worten, es werde an den „Einsatz von 120.000 Soldaten gegen Guerilla-Camps in der Grenzregion“ gedacht.

Bereits ohne eine direkte Invasion ist die US-Präsenz in der Region erheblich. Die an Kolumbien angrenzenden Militärstützpunkte in Riverine (Peru) und El Coca (Ecuador) werden vom US- Verteidigungsministerium finanziert und von US-amerikanischen „Special Operation Forces“ genutzt. In Kolumbien selbst sollen nach Vorstellungen von General Wilhelm in den nächsten Monaten 2.000 Militärberater stationiert werden. US-Spionageflugzeuge flogen mehrfach Einsätze über den Guerillagebieten. Erst im August war eine US-Militärmaschine unter ungeklärten Umständen über Südkolumbien abgestürzt.

BOLIVIEN

Medien beklagen Spionage in ihren Einrichtungen

(La Paz, 16. September 1999, recosur-Poonal).- Eigentlich wollten die Zeitung „La Razon“ und der Fernsehsender „ATB“ mit Hilfe ausländischer Experten nur ihre Telefoninstallationen überprüfen lassen. Dabei machten die Techniker eine überraschende Entdeckung. In den Räumlichkeiten der beiden Medien fanden sich acht versteckte Mikrofone, nicht größer als eine Erbse. Wer für die Spionage verantwortlich ist, bleibt vorerst im Unklaren. Die Polizei hofft, über die Sicherung von Fingerspuren Erkenntnisse zu gewinnen. Von der Mediengewerkschaft bis hin zu Präsident Hugo Banzer gab es Proteste gegen den offensichtlichen Abhörversuch. Nicht auszuschließen ist, dass die Mikrofone von staatlichen Behörden angebracht wurden. Das bolivianische Telekommunikationsgesetz erlaubt ein solches Vorgehen in Ausnahmefällen. Mehrere Mediengremien und -Verbände haben das Parlament aufgefordert, den entsprechenden Abschnitt aus dem Gesetz zu streichen.

BRASILIEN

Plünderungen aus Notwehr angekündigt

(Sao Paulo, 21. September 1999, pulsar-Poonal).- Im Bundesstaat Pernambuco demonstrierten insgesamt mehr als 100.000 Personen und machten mit Straßenblockaden auf ihre Situation aufmerksam. Sie verlangen Hilfe von der Zentralregierung, nachdem eine lange Trockenperiode die landwirtschaftliche Produktion weitgehend zerstört hat. Mehrere Organisationen hatten zu den Protesten aufgerufen, an denen auch öffentliche Bedienstete teilnahmen.

Manuel dos Santos, einer der Koordinatoren kündigte weitere Aktionen an. Wenn die Regierung nicht antworte, bestehe die Gefahr der Plünderung von Supermärkten und Lebensmittellagern, um gegen den Hunger vorzugehen. Falls es soweit komme, liege die Verantwortung einzig bei der Regierung. Pernambuco liegt im Norden Brasiliens. Dort wird vor allem Baumwolle, Zuckerrohr, Maniok und Kaffee angebaut sowie Viehzucht betrieben. Probleme wegen der Dürre gibt es auch in anderen Landesteilen. Besonders angespannt ist die Lage ebenfalls in den südöstlichen Bundesstaaten Minas Gerais und Espíritu Santo. Dort spricht man von der schlimmsten Trockenperiode in 20 Jahren.

URUGUAY

Afro-Indigene Zusammenarbeit

(Montevideo, 19. September 1999, comcosur-Poonal).- Die Organisationen „Afro Welt“ und „Landesweite Vereinigung Amerikanischer Indígena-Nachfahren“ (INDIA) wollen eine gemeinsame Einrichtung gründen und Datenbanken über die Geschichte der Schwarzen und der Indígenas in Uruguay zusammenstellen. In Afro Welt haben sich viele schwarze Uruguayer organisiert, in INDIA gruppieren sich die Nachfahren der ursprünglichen Völker der Region. Dies waren hauptsächlich die Charrúas und die Guaraníes. In den offiziellen Geschichtsbüchern Uruguays werden die Indígenas so gut wie nicht erwähnt.

ARGENTINIEN

Balza bittet erneut um Vergebung

(Buenos Aires, 18. September 1999, comcosur-Poonal).- Armeechef General Martín Balsa bat die Gesellschaft ein weiteres Mal um Perdon für die Menschenrechtsverletzungen, die unter der Militärdiktatur (1976-83) begangen wurden. Den schmutzigen Krieg seiner Kollegen gegen die Opposition nannte er „unmoralische Repression“. Wie bei einer vorherigen Gelegenheit kritisierten mehrere Generäle im Ruhestand, die an der Unterdrückung durch die Diktatur direkt beteiligt waren, die Äußerungen von Balza. Dieser erklärt, „die Reue über die Irrtümer ist ein Akt der Treue und des Mutes der Streitkräfte, der uns Argentinien hilft, uns zu versöhnen“.

Endrunde für die Wahlen eingeläutet

Von Seraffín Ilvay

(Buenos Aires, 13. September 1999, alai-Poonal).- Am 24. Oktober diesen Jahres werden die Argentinier*innen zu den Urnen gehen, um den kommenden Präsidenten ihrer Republik zu küren. Die nach den Umfragen einzigen aussichtsreichen Kandidaten, die ebenfalls in der Medienpräsenz und den Wahlkampfausgaben führend sind, heißen Fernando de la Rua von der Allianz aus Radikaler Bürgerunion (UCR) und dem Bündnis Solidarisches Land (FREPASO) sowie Eduardo Duhalde von der regierenden Justizialistischen Partei (PJ). Dem ehemaligen Wirtschaftsminister und PJ-Dissidenten Domingo Cavallo von der Aktion für die Republik (AR) werden zwar keine Chancen eingeräumt, dennoch erregt er als voraussichtlich Drittplazierter noch einige Aufmerksamkeit.

Die restlichen der neun Kandidat*innen, unter ihnen zwei Frauen, dümpeln nahezu unbemerkt am Rande der politischen Landschaft dahin und sind weder in Argentinien noch außerhalb des Landes bekannt. Dies liegt aber nicht so sehr an einer fehlenden politischen Aussage oder einer geringen Beliebtheit unter den Wähler*innen, sondern an den eher beschränkten ökonomischen Mitteln, die ihnen für den Wahlkampf zur Verfügung stehen.

Zwischen den Programmen von Fernando de la Rua und Eduardo Duhalde ist es schwierig, grundlegende Unterschiede zu finden. Der erste bietet Beschäftigung, Gesundheit, Bildung, Chancengleichheit, einen Staat ohne Korruption und eine Gemeinschaft ohne Angst. Der zweite setzt auf Arbeit, Ausbildung, Wohnungsbau, Kredite und Kinderbetreuung. Beide sind in engem Kontakt mit den internationalen Finanzierungs-Einrichtungen und Gläubiger- Organisationen.

Im Stil versuchen sie sich zu unterscheiden, indem sie sich gegenseitig angreifen. So wird Duhalde beispielsweise vorgeworfen, er finanziere seinen Wahlkampf mit Mitteln aus seinem derzeitigen Amt als Gouverneur der Provinz Buenos Aires. De la Rua muß sich gegen Vorwürfe wehren, die ihn mit der vergangenen Militärdiktatur in Verbindung bringen. Beider Versprechen gehen im Kern nicht darüber hinaus, alles zu tun, falls sie einmal auf dem Präsidentenstuhl sitzen.

Andere Positionen gehen dabei unter. Die Kandidatin der Vereinigten Linken (IU), Patricia Walch, schlägt beispielsweise vor, an allererster Stelle das Problem der Auslandsschuld anzugehen. Die Journalistin und Schwester von zwei während der Diktatur Gefolterten und Verschwundenen tritt auch für ein vollkommen anderes als das herrschende sozial-ökonomische Modell ein und will gegen die Straffreiheit angehen.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den unterschiedlichen Wahlkampagnen sind die Investitionen, die getätigt werden. Einige Kandidaten können Geld in astronomischen Höhen ausgegeben, was große Menschenansammlungen, Werbespots in allen Medien, internationale Berater, Internet-Seiten, riesige Banketts und Luxus-Faltblätter usw. erlaubt. Die anderen Kandidaten können nur auf die Mitglieder der eigenen Partei und ihre eigenen ökonomischen Reserven zurückgreifen.

Medien und Parteien geben Umfragen in Auftrag oder führen selbst welche durch, an die die Mehrheit der Bevölkerung glaubt und die letztendlich die Stimmen in eine Richtung bringen. Nach den Umfragen liegt der 62-jährige Rechtanwalt und derzeitige Bürgermeister von Buenos Aires, Fernando de la Rua, mit 40 bis 45 Prozent vorn. Der 58-jährige Rechtsanwalt Duhalde folgt danach mit knapp 40 Prozent, während der 53-jährige Cavallo danach nicht über zehn Prozent kommt. Der Rest der Kandidat*innen teilt sich die übrigen 10 Prozent. Da wahrscheinlich weder de la Rua noch Duhalde im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit auf sich vereinigen können, bilden sich bereits jetzt Koalitionen für den zweiten Wahlgang am 14. November. Der gewählte Präsident soll am 10. Dezember sein Amt antreten.

LATEINAMERIKA – Der Mythen des Tourismus, II

Schädlicher Ökotourismus in Bolivien

Von Mike Ceaser

(La Paz, 13. September 1999, na-Poonal).- Als die englischen Touristen Oliver Flower und Christine Bowles den bolivianischen Urwald von Rurrenabaque besuchten, war nicht alles so echt, wie sie sich das vorgestellt hatten. „Manchmal stehen die Führer hinter einer Ecke und lassen die angeblich vorkommenden Schlangen aus einer Plastiktüte gleiten“, erzählt Flower. „Andere jagen die Krokodile mit Netzen und die Tiere sterben bald darauf.“ Das Paar fand auch heraus, dass der Tourismus im Urwald von Rurrenabaque in der Provinz Beni nicht reguliert ist. Es gibt zuviele Besucher in einem kleinen Gebiet und die Unternehmen unterbieten sich gegenseitig, um die Touristen auf ihre Seite zu locken.

Ökotourismus ist in den vergangenen Jahren in Bolivien expandiert. Jedoch gibt es weder Kontrollen noch Grenzen für die Touristen. Das Land läuft Gefahr, sein ökologisches Erbe zu verlieren. Rurrenbaque ist dafür ein gutes Beispiel. 1982 verlor sich der israelische Tourist Yossi Ghinsberg in diesem Urwald. Nach haarsträubenden Abenteuern, die ihn an den Rand des Todes brachten, fand er drei Wochen später in die Zivilisation zurück. Anschließend schrieb er ein erfolgreiches Buch über seine Erfahrung. Mit verheerenden Folgen: Der Tourismus intensivierte sich, inzwischen kommen jährlich 12.000 Besucher nach Rurrenbaque. Die Vorschriften sind aber nicht entsprechend angepaßt worden.

Jüngst konnte sich der stellvertretende Tourismusminister Edgar Torres selbst ein Bild vor Ort machen. Unter anderem sah er Boote ohne Schwimmwesten, mit veralteten und lärmenden Motoren, die Treibstoff und Öl in die Urwaldgewässer ablassen. An den Anlegestellen fehlen sanitäre Einrichtungen und Müllbehälter. Torres macht den Preiskampf der um die Rucksacktouristen streitenden Reiseagenturen für diesen Zustand verantwortlich. Doch sein Ministerium will nur einige Regulierungen durchsetzen. So sollen die Boote ihre Motoren nur bei Fahrten flußaufwärts benutzen dürfen und der Müll soll eingesammelt werden. „Wenn wir alles verlangten, was wir wünschen, wäre das sehr viel und könnte nicht erfüllt werden“, meint der stellvertretende Minister.

Seiner Meinung nach hält das Gebiet 12.000 Besucher im Jahr aus. Dennoch will er andere Reiseziele fördern, damit die Einwirkung nicht so konzentriert ist. Denn auch die Salzseen im südöstlichen Hochland weisen ähnliche Probleme auf, wie er zugibt. Kaum sanitäre Einrichtungen, wenig geeignete Unterkünfte und zuviel Müll. Die vorkolumbianischen Weg sind mit Abfällen übersät.

Alfredo Villca gehört dem Andenclub an. Seit 20 Jahren besteigt er die Berge der Region. In dieser Zeit hat er dramatische und unerfreuliche Entwicklungen beobachtet. Mit Müll vollgepropfte Lager sind ihm allzu bekannt. Villca wünscht sich eine Reglementierung für das Bergsteigen. Er tritt für Kontrollen und Eintrittspreise in der Zone der Salzseen ein. Touristen könnten so die Bezahlung von Führen sowie den Bau von Toiletten und Hütten finanzieren. Außerdem müßten sie gezwungen werden, ihren Müll wieder mitzunehmen.

Das erneuerte Interesse an der Umwelt hat es zur Mode werden lassen, jede Aktivität unter freiem Himmel mit dem Etikett „ökologisch“ zu bezeichnen. Sogar Reisevermittler lassen wissen, dass einige selbsternannte ökologische Hotels an den Ufern des Titicaca verschmutztes Wasser direkt in den See leiten. In der tropischen Region des Chapare, wo die Stadt Cochabamba liegt, ist eine riesige Urwaldfläche gerodet worden, um dort für ein „ökologisches“ Fünf-Sternehotel einen Golfplatz anzulegen.

Ernesto Rodas Riveras, Geschäftsführer der Reiseagentur Moxos, gibt zu, einen legitimen Ökotourismus anzubieten, sei schwierig. „Wenn ich danach gefragt werde, sage ich nein, aber wir versuchen es.“ Zu den Agenturen, die den Ruf haben, der Umwelt und der Bevölkerung gegenüber verantwortlich zu sein, gehört das Unternehmen Fremen mit Sitz in La Paz. Dieser Reiseanbieter führt Bootsfahrten im nördlichen Urwaldgebiet Boliviens durch. Statt dass die Touristen weit an den Dörfern vorbei fahren oder Fotos von Indígenas schießen, die dafür bezahlt werden, zu tanzen, fördert Fremen den Kontakt zwischen Besuchern und Bevölkerung.

Vor fünf Jahren setzte sich die Agentur mit den Gemeinden zusammen und entwickelte ein Konzept. Es schließt Spar- und Investionspläne für das Geld ein, dass die Einheimischen durch den Verkauf von Kunsthandwerk und die Zutrittsgebühren zu ihren Gemeinden erzielen. Bisher konnten sich die Gemeinden einen Ofen für die Keramikproduktion kaufen und einen Fonds für Medikamente einrichten. Weitere Projekte befinden sich im Aufbau.

Verantwortlicher Tourismus hat seine Tücken. So trennt Fremen den biologische abbaubaren Müll von anderem Abfall. Letzterer wird in der Urwaldstadt Trinidad abgeliefert. „Das Schlimme ist, wenn wir ihn der Kommune übergeben haben, schmeißen sie den Müll in den Fluß oder an den Seitenrand der Straße nach Santa Cruz“, sagt Geschäftsführer Michel Livet. Das sein Unternehmen dennoch verantwortlicher als andere agieren kann, führt er auf die hohen Preise für die Reisen zurück, die Fremen anbietet. In diesem Punkt sieht sich auch Vizeminister Torres bestätigt:“Es kann kein guter Service zu niedrigen Preisen geboten werden.“

CC BY-SA 4.0 Poonal Nr. 401 von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

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