Poonal Nr. 304

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 304 vom 28. August 1997

Inhalt


ECUADOR/USA

ARGENTINIEN

GUATEMALA

PANAMA/GUATEMALA

MEXIKO

HONDURAS

HONDURAS/MITTELAMERIKA

BRASILIEN

Der Kandidat

CHILE

NICARAGUA

PARAGUAY

PARAGUAY/LATEINAMERIKA

KUBA/NORDAMERIKA

URUGUAY


ECUADOR/USA

Texaco-Prozeß: Rückschlag für Indígenas

(Quito/New York, 25. August 1997, pulsar-Poonal).- Ein US-Richter entschied gegen die ecuadoreanischen Indígenas aus der Amazonasregion, die den Ölmulti Texaco verklagt haben. Er erklärte den Prozeß der Indígena-Gemeinden gegen den Konzern für ungültig, weil der ecuadoreanische Staat nicht als Teil der klagenden Seite hätte auftreten dürfen. Der Indígena-Führer Sergio Uchim versicherte, das Verhalten des Richters nicht nachvollziehen zu können. Dieser selbst habe zuvor damit gedroht, das Verfahren zu annullieren, falls die Gemeinden nicht die Unterstützung ihrer Regierung hätten. Die 112 Gemeinden aus dem Amazonasgebiet, die Texaco wegen angerichteter ökologischer und sozialer Schäden verklagen, werden vor ein Berufungsgericht in den USA gehen. Ihr Anwalt Cristobal Bonifaz äußerte, das vor drei Jahren begonnene Verfahren werde immer komplizierter. Falls das Berufungsgericht den Gemeinden, in denen 30.000 Indígenas leben, Recht gibt, wird der Prozeß neu aufgerollt. Ein neues Verfahren könnte jedoch mindestens ein Jahr dauern. Die Indígenas fordern eine Entschädigung von 1,5 Milliarden Dollar. Texaco beutete 24 Jahre lang die Ölvorkommen im ecuadoreanischen Amazonas aus und förderte dabei 1,4 Milliarden Barrel Röhöl.

ARGENTINIEN

Erster Wahlerfolg für neues Oppositionsbündnis

(Mexiko-Stadt, 26. August 1997, Poonal).- In der Provinz El Chaco bestand die vor wenigen Wochen gegründete Oppositionsallianz aus Radikaler Bürgerunion (UCR) und Frepaso ihre erste Bewährungsprobe besser als erwartet. Bei den dortigen Parlamentswahlen gewann sie mit 57 Prozent der Stimmen gegen die in El Chaco sowie in ganz Argentinien regierende Partido Justicialista wesentlich deutlicher als vorausgesagt. Frepaso-Führer Carlos Alvarez wertet dieses Ergebnis als den „Beginn einer Welle“, die der geeinten Opposition den Sieg bei den Teilwahlen für das Bundesparlament und den gleichzeitigen Gemeindewahlen im Oktober dieses Jahres bringen soll. Umfragen im größten Wahldistrikt, der Provinz Buenos Aires, sehen die Opposition auch dort vorn. Der Vorsprung ist mit nur zwei Prozent allerdings sehr knapp und läßt alle Prognosen offen.

GUATEMALA

Soziale Säuberung

(Guatemala-Stadt, 22. August 1997, pulsar-Poonal).- Die Gruppe für gegenseitige Hilfe von Familienangehörigen Verhafteter und Verschwundener (GAM) geht von 50 außergerichtlichen Hinrichtungen im Monat Juli aus. Der politische Experte Miguel Angel Sandoval meint, angesichts dieser Zahl müsse man auf eine versteckte Kampagne sozialer Säuberung schlußfolgern. Mitte dieses Monats fanden Ambulanzkräfte innerhalb von nur 48 Stunden 13 Personen, die durch Schüsse umgebracht wurden. Angel Conte, der Direktor der zivilen Nationalpolizei maß dem allerdings keine Bedeutung bei. Er erklärte, in Guatemala gäbe es keine einzige Todesschwadron. Er glaube auch nicht an irgendeine soziale Säuberung, von der die Menschenrechtsgruppen sprächen. Die GAM hob die ansteigende Gewalt im ganzen Land, besonders an der Südküste, hervor. Dort herrscht eine faktische Ausgangssperre, da die Bevölkerung sich nachts nicht aus dem Haus traut. Täglich tauchen Leichen auf. Die meisten von ihnen weisen Folterspuren, den „Gnadenschuss“ sowie gefesselte Hände und Füsse auf. Die Mehrheit der Opfer ist zwischen 16 und 22 Jahren alt. Für die GAM ist es klar, daß die Urheber dieser Morde Angst in der Bevölkerung schaffen wollen, da die Opfer an öffentlichen Plätzen zurückgelassen werden.

Streit mit Belize lebt wieder auf

(Guatemala-Stadt, 26. August 1997, cerigua-Poonal).- Präsident Alvaro Arzú ordnete verstärkte Militärkontrollen an der Grenze zu Belize an. Damit soll nach Angaben des Außenministers Eduardo Stein das Eindringen von Einheiten des Nachbarlandes auf guatemaltekisches Gebiet verhindert werden. Wenige Tage zuvor hatten einheimische Campesinos aus der Gemeinde Carrizal in der Provinz Petén darüber berichtet, Soldaten aus Belize hätten ihre Ernte mit dem Argument verbrannt, die Felder befänden sich auf dem Territorium von Belize. Die Grenze zwischen beiden Staaten besteht in einer imaginären Linie, die immer noch von einem internationalen Gericht konkretisiert werden muss. Im konkreten Fall erklären die geschädigten Campesinos, seit Jahren auf dem – guatemaltekischen – Boden zu leben und zu arbeiten. Außenminister Stein versicherte, die Armeepatrouillen seien eine reine Vorsorgemaßnahme, um einseitige Aktionen wie in der Provinz Petén zu vermeiden.

PANAMA/GUATEMALA

Lob für den Unternehmer und erfolglosen Putschisten Jorge Serrano

(Panama-Stadt, 21. August 1997, pulsar-Poonal).- Panama könne keine Person lobpreisen, die von der guatemaltekischen Justiz verfolgt werde“, erinnerte Guatemalas Präsident Alvaro Arzú seinen Amtskollegen Ernesto Perez Balladares. Das panamaisiche Außenministerium antwortete, es habe dem Guatemalteken Jorge Serrano keine politische Unterstützung gegeben, sondern der Privatinvestition ihre Anerkennung ausgesprochen. Der Hintergrund: Bei der Einweihung eines Touristenzentrums lobte Ernesto Balladares den Eigentümer Jorge Serrano, seines Zeichens ehemaliger guatemaltekischer Präsident und im Frühjahr 1993 gescheiterter Putschist. Er lebt seitdem im Exil in Panama, das ihn als politisch Verfolgten anerkannt hat und im Asyl gewährt. Zwei Auslieferungsanträge der guatemaltekischen Justiz sind bereits abgelehnt worden. Alvaro Arzú hat unterdessen aus Protest gegen die überfreundliche Behandlung Serranos seine Botschafterin aus Panama abberufen.

MEXIKO

Zapatist*innen versuchten Wiederaufbau von Militärcamp zu

verhindern

(San Cayetano, 26. August 1997, pulsar-Poonal).- Mit den Rufen „Armee raus aus den Indígena-Gemeinden!“ und „Wir wollen weder Prostitution noch Alkoholismus!“ begegneten Zapatist*innen im Landkreis San Andrés den Soldaten. Diese wollten in dem Ort San Cayetano ein Camp wieder aufbauen, daß sie zwei Wochen zuvor erst verlassen hatten (vgl. Poonal 303). Angesichts der Menschenkette von mehr als tausend unbewaffneten aber maskierten Mitglieder der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) machte sich unter den etwa 250 Militärs Nervösität breit. Die Zapatist*innen riefen ihnen immer wieder zu, die Soldaten seien in Chiapas unerwünscht, sie seien Mörder, verteidigten die schlechte Regierung und griffen das Volk an. Die Spannung erhöhte sich, als vier Hubschraubern mit Eliteeinheiten die Truppen der Bundesarmee verstärkten. Zu einem Zustammenstoß kam es jedoch nicht. In der Nacht auf den Montag zogen sich die Zapatist*innen zurück. Die Soldaten begannen daraufhin, das Gelände einzuzäunen und Schützengräben auszuheben. Ein Militärsprecher begründete die erneute Truppenpräsenz damit, diese sei auf Bitten der nicht- zapatistischen Bevölkerung des Ortes erfolgt. Zudem existiere in der Zone ein starker Drogenhandel.

Interview-Versuch mit der Pyramide von Cuicuilco

(Mexiko-Stadt, August 1997, Poonal).- Schon der Anfang der 40er Jahre in Mexiko exilierte rasende Reporter Egon Erwin Kisch wußte, daß der Beruf des Pyramiden-Interviewers ein schwieriger ist. Dennoch ließ er sich nicht abschrecken, denn man muß „daran denken, daß eine Pyramide immer etwas zu sagen hat“, meinte er. So führte ihn sein erstes Interview zur 1922 wiederentdeckten Rundpyramide Cuicuilco im Süden von Mexiko-Stadt. Vor etwa 2500 Jahren war Cuicuilco Zeremonienzentrum, das älteste bisher bekannte in ganz Amerika. Kischs Erfahrungen mit der ehrwürdigen Gesprächspartnerin waren wenig ermutigend. Fauchend teilte die Pyramide ihm nur mit, der wenige Kilometer entfernte und einige hundert Meter höher gelegene Vulkan Xitli habe sie in siedender Lava zu ertränken versucht. Dabei wurde auf dem Altar in der Mitte des Rundbaus doch dem Gott des Feuers gehuldigt. Der Vulkanausbrauch bedeutete 200 vor Christus das Ende der Ansiedlung von Cuicuilco. Den 20 Meter hohen Pyramidenbau mauerte die Lava bis in zehn Meter Höhe ein, über den Rest wuchs das Gras der Geschichte. Die Kränkung muß ernorm gewesen sein, denn selbst der große Kisch konnte der Pyramide keine weiteren Informationen entlocken. Sie hüllte sich in Schweigen.

Trotzdem bleibt mehr als 50 Jahre später nichts anderes übrig, als einen erneuten Interview-Versuch zu wagen. Denn auf dem Gelände direkt neben der Pyramide von Cuicuilco will Carlos Slim, mit einem geschätzten Privatvermögen von gut 6 Milliarden Dollar der reichste Mensch Mexikos, ein Geschäftszentrum mit einem 22stöckigen Hochhausturm im Mittelpunkt bauen. Seit die Pläne vor einigen Wochen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden, tobt die Diskussion. Kulturschändung rufen die einen, Arbeitsplatzsicherung schreien die anderen. Was meint die Pyramide zum Turmbau zu Cuicuilco, „hätte nicht das als ärchälogische Zone ausgewiesene Gebiet von Anfang weiter gefaßt sein sollen, um Neubauten zu verhindern?“ Keine Reaktion, offenbar eine dumme und überholte Frage. Schließlich war die Entwicklung genau umgekehrt. Die meisten Überreste des Siedlungsbaus von Cuicuilco verschwanden 1967 unter dem olympischen Dorf. Die Avenida Insurgentes, die die archälogische Zone nach Westen abgrenzt, wurde von Kisch noch als Landstraße gekennzeichnet. Heute ist sie in Höhe der Pyramide sechs bis achspurig ausgebaut. Rechtwinklig geschnitten vom genauso breiten Umgehungsring, dem Periferico, der das Gelande um die Pyramide nach Norden hin begrenzt.

Im Süden droht nun das Hochhaus. Als die Papierfabrik Loreto y Pobre vor Jahren konkurs ging, bekamen Carlos Slim und sein Unternehmen Inbursa das Grundstück anfangs nur unter starken Bebauungsauflagen. Doch die wurden nach und nach gelockert, unter anderem fast am letzten Tag der Regierung von Präsident Salinas de Gortari. „Geschätzte Pyramide, hoffen Sie nicht, das Nationalinstitut für Anthropologie und Geschichte (INAH) könne mit Protesten etwas gegen das geplante Hochhaus erreichen?“ Ein kaum vernehmbares Grollen interpretiert der Interviewer als Verneinung. Vielleicht hat die Befragte etwas von der Empfehlung einer Oppositionsabgeordneten an die INAH-Direktorin Teresa Franco gehört. Franco solle es nicht persönlich nehmen, aber doch besser als Geschäftsführerin den Vergnügungspark Reino Aventura leiten, meinte die Abgeordnete. Das mag überzogen sein, aber Zivilcourage wird der Direktorin im Fall Cuicuilco im Gegensatz zu einigen ihrer untergebenen Mitarbeiter so schnell niemand nachsagen können. Sie sieht ihre Hände durch das Gesetz gebunden. „Und die Proteste der Schriftstellerin Elena Poniatowska, von Architekten, Schauspielern, Anwohnern, Anthropologiestudenten, die öffentlichen Foren, die regelmässigen Blockaden des Firmeneingangs von Inbursa an der Avenida Insurgentes?“ Wieder Schweigen. Die Pyramide scheint nicht zu glauben, daß ein Carlos Slim sich kleinkriegen läßt. Da mögen sich die Demonstranten einen noch so origenellen Namen ausdenken wie den der „Koordination nur über meine Leiche, für ein lebendiges Cuicuilco“ oder „das ganze Volk“ aufforden, zur nächsten Blockade von Inbursa zu kommen.

Ein letzter Versuch, die Pyramide mit einer eher abstrakten Frage aus der Reserve zu locken: „Wie sehen Sie Ihren Fall im allgemeinen Kontext?“ Erneut das gesammelte Schweigen der Pyramide von Cuicuilco. Dann muß eben der Architekt Carlos González Lobo herhalten. Ohne sich grundlegende Gedanken über das Wachstumsproblem von Mexiko-Stadt und die Bodennutzung zu machen, erklärt Lobo, sei die Diskussion um Cuicuilco eine „wahrhaftige Albernheit“. Mit diesen Worten im Sinn kehrt der Interviewer der Pyramide den Rücken. Nicht, ohne noch einen Blick in die Richtung zu werfen, wo wahrscheinlich in absehbarer Zeit ein 22stöckiges Hochhaus stehen wird. Beim Davongehen hört er auf einmal ein Gemurmel. „Ihr könnt mich doch alle mal“, sagt jemand auf neumexikanisch. „Das Hochhaus überlebt allenfalls bis zum nächsten großen Erdbeben, Ihr alle einschließlich Carlos Slim schafft es kaum länger. Ich aber werde in 2500 Jahren noch hier stehen.“

HONDURAS

Bischof will kein Polizeichef sein

(Tegucigalpa, 22. August 1997, pulsar-Poonal).- Einen ungewöhnlichen Schritt unternahm die honduranische Parlamentsmehrheit: sie schlug Bischof Monseñor Oscar Rodríguez für eine Übergangszeit von acht Monaten zum Polizeichef des Landes vor. Rodríguez ist nicht nur die höchste kirchliche Autorität seines Landes, sondern auch Vorsitzender der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz. Der Geistliche lehnte das Angebot jedoch ab. Diese Aufgabe sei nicht mit seiner Priestermission vereinbar. Schon zuvor hatte es heftige Diskussionen um die Initiative gegeben. So verbietet es die Verfassung von Honduras den Priestern, irgendein öffentliches Amt zu übernehmen. Zudem verbietet der Vatikan einen solchen Schritt, solange nicht die ausdrückliche Genehmigung des Papstes dazu vorliegt.

Gegen den Vorschlag äußerte sich aus anderen Gründen beispielsweise der Campesinoführer Rafael Alegria. Ein Priester könne nicht an der Spitze einer von Lastern geplagten Polizei sein. Personen aus dem Menschenrechtsbereich äußerten Zweifel daran, daß der Bischof die nötige Zeit haben werden, sich zwei Ämtern zu widmen. Abgeordnete und ein Teil der Presse verwiesen dagegen auf das enorme Charisma und das moralische Gewicht von Oscar Rodríguez. Dies sei angesichts der so schweren Kriminalität in Honduras notwendig. Alle bisherigen Maßnahmen hätten versagt, es müßten neue Lösungen gesucht werden. Derzeit wird die Polizei noch von den Militärs geleitet. Wegen zahlreicher Korruptionsfälle und Machtmißbrauchs hat sie einen äußerst schlechten Ruf.

HONDURAS/MITTELAMERIKA

Entspannende Maßnahmen

(Tegucigalpa, 25. August 1997, pulsar-Poonal).- Honduras, Nicaragua und El Salvador wollen die Spannungen im Golf von Fonseca an der Pazifikküste abbauen. Dort hatte es in den vergangenen Monate wiederholt Streitereien über die Fischereirechte gegeben. Die Kommandanten der Marinestreitkräfte der drei Länder kamen auf der honduranischen Insel Amapala überein, die Festnahmen von Fischern aus den jeweils anderen Staaten soweit wie möglich einzuschränken. Die Militärs wollen gemeinsam Patrouillenfahrten an der Pazifikküste durchführen. Zuletzt waren vor allem honduranische und salvadoreanische Kleinfischer von nicaraguanischen Marineeinheiten festgehalten worden. Die Diskussion über die Fangrechte kommt immer wieder auf, weil sich Honduras, Nicaragua und El Salvador den Golf von Fonseca teilen, ohne daß es eine endgültige Grenzziehung bezüglich der Hoheitsgewässer gibt. Aus dem honduranischen Außenministerium kommt der Vorschlag für eine Drei-Parteien-Institution, die die Ressourcen des Golfes verwaltet.

BRASILIEN

Empörung über Prozeß gegen die Mörder von Galdino Jesus do Santos

(Brasilia, 21. August 1997, pulsar-Poonal).- Warum sollen die Mörder von Galdino Jesus do Santos begünstigt werden? Diese Frage stellen sich die Angehörigen von do Santos, die Gerechtigkeit fordern. Nachdem die Anklage zuerst auf vorsätzlichen Mord lautete, änderte die verantwortliche Richterin sie um. Jetzt sind die Täter nur noch wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht. Die Richterin vertritt die Ansicht, die fünf jugendlichen Täter hätten kein Verbrechen begehen wollen. Die Anwältin der Kläger*innen hat sofortigen Einspruch eingelegt. Vor vier Monaten hatte der Indígena Galdino Jesus do Santos an einer Demonstration der Landlosenbewegung MST teilgenommen. Im Anschluß daran übernachtete er auf der Straße. Die fünf Täter übergossen den Schlafenden mit Benzin und verbrannten in bei lebendigem Leib (vgl. Poonal 288). Am 20. August besuchten 15 Familienangehörige von do Santos Präsident Fernando Henrique Cardoso und forderten seine Intervention in dem Fall.

Für den Papst bleibt die Zeit stehen

(Brasilia, 15. August 1997, alc-Poonal).- Der baldige Besuch des Papstes Johannes Paul II. wird nicht nur Einfluß auf das religiöse Leben der Bürger*innen des Landes haben, sondern auch ihren Zeitplan ändern. Das Energie- und Minenministerium kündigte an, den für den 5. Oktober, einen Sonntag, vorgesehenen Beginn der Sommerzeit in fast ganz Brasilien um 24 Stunden auf den Montag zu verschieben. Dann werden die Uhren eine Stunde vorgestellt. Der Papst wird vom 2. bis zum 5. Oktober in Rio de Janeiro sein. Für den Morgen des 5. Oktober ist eine von ihm zelebrierte Messe im Parque de Flamengo vorgesehen, die in Dutzende Länder via Satellit übertragen werden soll. Als die entsprechenden Verträge für die Übertragung per Satellit vor sechs Monaten abgeschlossen wurden, dachte niemand an den Beginn der Sommerzeit in Brasilien. Eine Vorverlegung der Übertragungszeiten um eine Stunde würde große technische und operative Probleme mit sich bringen. Der Papst macht es möglich: Erstmals seit der Einführung der Sommerzeit in Brasilien werden die Uhren nicht an einem Sonntag vorgestellt.

Kommission soll Frauengesetze überprüfen und beschleunigen

(Brasilia, August 1997, fempress-Poonal).- Fast zwei Jahre nach der IV. Weltfrauenkonferenz in Peking setzte sich im brasilianischen Abgeordnetenhaus eine Sonderkommission zusammen. Sie soll die Gesetzesmaßnahmen untersuchen, die für die Umsetzung der Entscheidungen von Peking notwendig sind und die bei der öffentlichen Politik die Genus-Perspektive beachten. In der Kommission nehmen Mitglieder aller Parlamentsparteien teil. Priorität wird die große Anzahl der die Frauen betreffenden Gesetzesinitiativen haben, die das Parlament noch nicht verabschiedet hat. Nicht zum Aufgabenfeld der Kommission gehört es, die Situation der Frauen zu analysieren.

Der Kandidat

Von Eduardo Galeano

Er weinte nicht, indem er seine entbehrungsreiche Kindheit in Erinnerung brachte, er küßte keine Kinder, er tätschelte keine Alten, er ließ sich nicht neben den Gelähmten fotografieren. Er bat um nichts, er versprach nichts. Er bestrafte die Wähler*innen nicht mit endlosen Reden. Er hatte weder die Ideen der Linken, noch der Rechten, noch des Zentrums. Er war unbestechlich, verachtete das Geld, obgleich er sich offenkundig durch dichtbeblätterte Blumensträuße geehrt fühlte.

Federico führte die Umfragen an. Die Leute, überdrüssig der Betrügereien, glaubten an diesen jungen Paarzeher, vulgär auch Ziegenbock genannt, der weißfarben, mit gestutztem Bart bei seinen öffentlichen Auftritten tanzte, aufgerichtet auf zwei Pfoten seine Bocksprünge zum Rhytmus der Musikband machte, die ihn durch die Stadtviertel begleitete.

Am Vortag der Wahlen, wachte Federico, der aussichtsreichste Kandidat auf das Bürgermeisteramt des Ortes Pilar, nicht mehr auf. Der Bart war rot von getrocknetem Blut. Er war vergiftet worden.

Der Bürger Petrucio Maia, der die Kandidatur von Federico lanciert und seine erfolgreiche Kampagne organisiert hatte, beschuldigte seine politischen Gegner, konnte aber keinen einzigen Beweis vorlegen.

Das Opfer des Sündenbocks geschah am 2. Oktober 1996, im Nordosten Brasiliens.

CHILE

Weggefährte Allendes gestorben

(Mexiko-Stadt, 26. August 1997, Poonal).- Am Montag starb 74jährig Clodomiro Almeyda Medina, eine der führenden Persönlichkeiten der chilenischen Sozialisten und unabhängiger marxistischer Denker. Er war Abgeordneter, mehrmals Minister und Vizepräsident in der Regierung von Salvador Allende. Zuletzt leitete er als Dekan die soziologische Fakultät der Universidad de Chile. In Deutschland erlangte Almeyda Bekanntheit, weil er in seiner Zeit als chilenischer Botschafter in der ehemaligen Sowjetunion Erich Honecker in seiner offiziellen Residenz aufnahm und so die eigene Regierung unter Führung des Christdemokraten Patricio Aylwin zwang, dem DDR-Politiker Asyl zu gewähren. Selbst die Christdemokratische Partei bezeugt jedoch den Respekt vor der Figur Almeydas. Sie nennt ihn in ihrem Nachruf „einen Mann mit klarem und aufrechtem Werdegang, der Spuren in allen Bereichen hinterließ, wo er agierte“. Die Regierung ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.

Almeyda wurde 1923 in Santiago de Chile geboren, studierte Recht an der Universität und übernahm dort eine Professur für Philosophie. 1952 übernahm er als Mitglied der damaligen Sozialistischen Volkspartei erstmals Ministerverantwortung. Aus dem Arbeitsministerium wechselte er 1953 ins Minenministerium. Später war er Parlamentsabgeordneter. Allende machte ihn nach seinem Wahlsieg zum Außenminister, später zum Verteidigungs- und Innenminister. Als Außenminister beteiligte sich „Don Clodomiro“ aktiv an der Blockfreienbewegung und er organisierte die UNCTAD III-Konferenz in der chilenischen Hauptstadt. Nach dem Staatstreich 1973 verhafteten ihn die Militärs und brachten ihn zuerst auf die Dawson-Insel, um ihn von dort ins Ausland abzuschieben. Lange Zeit hielt er sich in der DDR und Mexiko auf, wo er neben der politischen Arbeit als Dozent tätig war. Bei seiner Rückkehr nach Chile im Jahr 1987 wurde Almeyda umgehend verhaftet. Gerüchte, die Diktatur wolle ihn in der Haft umkommen lassen, initiierten eine internationale Solidaritätskampagne, die mit der Freilassung des Sozialisten endete. Die dreitägige Staatstrauer verpflichtet nun die chilenischen Streitkräfte, in allen Kasernen die Nationalflagge auf Halbmast zu hängen.

Kein Wunderland für Peruanerinnen

(Santiago de Chile, August 1997, fempress-Poonal).- Angezogen vom chilenischen Wirtschaftsaufschwung und vor allem der Propaganda, die darüber im Ausland verbreitet wird, kommen tausende Peruaner*innen in das Nachbarland. Sie suchen Arbeit und eine bessere Lebensqualität. Die Mehrheit kommt ohne Papiere. Einen Großteil der Einwanderer sind Frauen, die hauptsächlich als Hausangestellte, in der Teilfertigungsindustrie und als Prostituierte Arbeit finden. Der „Boom“ von Niedriglohnbeschäftigten ist von betrügerischen Organisationen ausgenutzt worden, die Personen mit falschen Versprechungen anwerben. In einigen Fällen wird, ganz nach nordamerikanischer Art, die Heirat auf dem Papier angeboten. Mit dem Unterschied, daß in Chile die Scheidung nicht existiert. Dies schafft für die Peruanerinnen schreckliche Situationen, die sie in einigen Fällen der völligen Ausbeutung preisgeben. Zum Teil werden sie zur Prostitution gezwungen. Als Hausangestellte verdient eine Peruanerin in der Regel die Hälfte einer Chilenin. Viele Peruanerinnen Mißhandlungen ausgesetzt oder werden mit ihrer illegalen Stellung vor dem chilenischen Gesetz und den Behörden erpreßt.

NICARAGUA

Polemik über Umfrageresultate zur Männermißhandlung

(Managua, 15. August 1997, alc-Poonal).- Die Veröffentlichung einer Umfrage, nach der die Hälfte der Männer der Stadt Somoto von ihren Ehefrauen oder Partnerinnen mißhandelt werden, hat Ungläubigkeit und eine Diskussion in verschiedenen Gesellschaftsgruppen ausgelöst. Somoto liegt 160 Kilometer nördlich der Hauptstadt Managua. Die Umfrage wurde von der Kommune und der Vereinigung für Nachhaltige Entwicklung der Region Las Segovias organisiert. Einige der Befragten meinten, die Bewegung Liberación Femenina, während der Regierungszeit der Sandinisten gefördert, habe den Frauen die Augen geöffnet. Diejenigen, die von ihren Männern geschlagen worden seien, würden nun selber (zurück- )schlagen und die Männer ins Gefängnis schicken, indem sie sie psychischer und physischer Aggressionen anklagten.

PARAGUAY

Pakt gegen sexuelle Aggression

(Asunción, August 1997, fempress-Poonal).- Mit dem Ziel, die gerichtlichen Klagen gegen sexuelle Belästigungen zu unterstützen, wollen das Frauensekretariat der Einheitszentrale der Arbeiter*innen (CUT), das Frauenkollektiv 25. November, das Dokumentations- und Studienzentrum (MxD) sowie der Ausbildungs- und Studiendienst für die Frau (Sefem) einen gemeinsamen Aktionsplan festlegen. Dazu soll eine Informationskampagne über diese Art der Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen gehören. Das Delikt der sexuellen Belästigung ist im Arbeitsgesetzbuch seit 1995 aufgenommen, aber zu Anklagen kommt es selten. Das gemeinsame Vorgehen der vier Organisationen und Einrichtungen soll die Frauen mobilisieren. Die CUT hat sich in einem ersten Schritt verpflichtet, die Kosten für die Gerichtsklagen zu übernehmen, die von ihren weiblichen Mitgliedern eingereicht werden.

PARAGUAY/LATEINAMERIKA

Rio-Gruppe: Sicherheitsfragen verdrängen Bildung

(Asunción, 26. August 1997, pulsar-Poonal).- Eigentlich sollte es ein Gipfel zum Thema Bildung sein. Doch die 14 Mitgliedsländer der Rio-Gruppe verbrachten einen Großteils ihres diesjährigen Gippfeltreffens damit, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Grund waren unter anderem die Spannungen zwischen Argentinien und Brasilien, nachdem die USA das erstgenannte Land zu ihrem Sicherheits-Wunschpartner in Lateinamerika erklärt hatten und Präsident Clinton vor wenigen Wochen den Verkauf modernster Waffentechnologie nach Lateinamerika freigegeben hatten. Zu den wichtigsten Vereinbarungen zum Ende des Treffens gehört die gemeinsame Forderung nach einem Platz für Lateinamerika im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In dem entsprechenden Passus in der abschließenden Erklärung heißt es dazu: „Wegen seiner Rechtstradition und seines Beitrags für die Sache des Friedens muß die Region Lateinamerikas und der Karibik bei jeder Erweiterung des Sicherheitsrates berücksichtigt werden.“

Der paraguayische Präsident und diesmalige Gastgeber Juan Carlos Wasmosy erklärte, bisher sei der ständige Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ausschließlich von den Industrieländern geformt, während die armen Länder immer marginalisiert wurden. Er faßte auch den Wunsch seiner Kollegen zusammen, das Vetorecht für die ständigen Mitglieder im Weltsicherheitsrat – USA, Frankreich, Großbritannien, Rußland und China – abzuschaffen. Allerdings gab es Unstimmigkeiten innerhalb der Rio-Gruppe, als Brasilien einen festen Platz in einem erweiterten Sicherheitsrat als stellvertretendes Land für Lateinamerika in Anspruch nahm. Die Mehrheit sprach sich für den Gegenvorschlag Argentiniens aus, der eine Rotation zwischen allen Ländern der Region vorsieht. Brasilien akzeptierte dies am Ende unter der Bedingung, als erstes lateinamerikanisches Land den Platz zu bekommen.

In einem weiteren Abschnitt der Abschlußerklärung weisen die Mitgliedsländer der Rio-Gruppe das Helms-Burton-Gesetz gegen Kuba und ähnliche Gesetzesinitiativen der USA zurück, die die nationale Gesetzgebung einseitig und über die eigenen Grenzen hinaus anwenden wollen. Für verschiedene Beobachter*innen blieben viele der auf dem Gipfel angeschnittenen Themen ungelöst. Auf den Folgetreffen muß sich zeigen, ob die Rio-Gruppe mehr sein kann als ein reiner Gesrächstreff und einen Ausweg für die politischen Probleme der Region aufzeigen kann.

KUBA/NORDAMERIKA

USA wollen mehr Druck auf Kuba

(Mittelamerika, 22. August 1997, pulsar-Poonal).- Auf einer Rundreise durch El Salvador, Nicaragua, Honduras und Guatemala versuchte der US-Abgesandte Stuart Einzenstat die mittelamerikanischen Regierungen von einer härteren Haltung gegenüber Kuba zu überzeugen. Der Staatssekretär für Wirtschaftsangelegenheiten begründet dies in El Salvador damit, Kuba müsse „zur Demokratie zurückkehren“. In Nicaragua kündigte der US-Funktionär an, während des ibero-amerikanischen Gipfels im November in Venezuela die lateinamerikanischen Regierungen zu einer Erklärung gegen Kuba aufzuforden. Einzenstat verbarg nicht seine Genugtung über die Unterstützung der anti-kubanischen Politik durch die neue nicaraguanische Regierung. Er versprach als Gegenleistung seine Hilfe bei den Verhandlungen über die Auslandsschuld. Beobachter*innen vermuten, daß der US-Gesandte auch die Botschaft mitbrachte, die Politik der USA gegenüber den mittelamerikanischen Migrant*innen könne verhandelt werden, falls die Länder die Kuba-Politik Washingtons mittragen. In Nicaragua kritisierten verschiedene Persönlichkeiten und Organisationen Präsident Arnoldo Alemán wegen seiner Äußerungen gegenüber als unterwürfig. In Costa Rica sagte dagegen Präsident Figueres, seine Regierung sei nicht einverstanden mit dieser (US-)Politik und der Intervention ausländischer Mächte in die inneren Angelegenheiten eines jeden Landes. Die Rundreise von Stuart Einzenstat findet statt, nachdem im vergangenen Juli der kubanische Aussenminister Roberto Robaina Mittelamerika besuchte.

Kanada „unterläuft“ Embargo

(Havanna, 26. August 1997, prensa latina-Poonal).- Die kanadische Regierung schenkte Kuba im Rahmen der wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit mit der Karibikinsel eine umfangreiche Ladung Speiseöl. Der Wert dieser Lebensmittelhilfe beträgt umgerechnet 3,6 Millionen US-Dollar. Keith Christie, kanadischer Botschafter in Havanna betonte, seine Regierung wolle die wirtschaftlichen und sozialen Kontakte mit Kuba weiter ausbauen. Er erwähnte die Zusammenarbeit kanadischer Behörden und Nicht- Regierungsorganisationen bei der finanziellen und technischen Hilfe für die Neugestaltung des Parqü Metropolitano in der kubanischen Hauptstadt sowie den Beitrag des kanadischen Bildungsministerium zur ausreichenden Versorgung der Schüler*innen auf der Karibikinsel mit Schulheften (das neue Schuljahr beginnt im September). Für die kubanische Seite versicherte Raul Taladrid aus dem Ministerium für Auslandsinvestitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, vom Umfang und Wert her seien die Beziehungen mit Kanada derzeit das kompletteste Programm internationaler Zusammenarbeit auf Kuba. Der Funktionär hob bei seinen Dankesworten besonders die kanadische Hilfe für das öffentliche Gesundheitswesen hervor.

URUGUAY

Rückblick: Vor drei Jahren schloß die Regierung Radio Panamericana

(Montevideo, 27. August 1994, comcosur-Poonal).- Am 26. August 1994 ordnete der uruguayische Präsident die Schließung von Radio Panamericana CX 44 mit Sitz in Montevideo an. Dies geschah, nachdem der Sender live über die gewaltsame Zerstreuung einer friedlichen Demonstration mit tausenden von Teilnehmer*innen durch die Polizei berichtet hatte. Die Demonstration richtete sich gegen die Auslieferung von drei baskischen Häftlingen an Spanien. Zwei Personen starben damals durch den Polizeieinsatz. Zum Zeitpunkt der Schließung war Radio Panamericana ein Phänomen in der lateinamerikanischen Rundfunkwelt. Als nicht-kommerzieller Sender zählte der Sender zu den drei Radios mit der größten HörerInnenschaft im Land und rief den Neid mehrerer kommerzieller Sender hervor, die mit wesentlich größeren ökonomischen Mitteln ausgestattet waren.

Gegründet von der ehemaligen uruguayischen Guerillabewegung „Tupamaros“ war Radio Panamericana eines von verschiedenen Projekten der Volkskommunikation, die die Bewegung nach der Generalamnestie von 1985 als Teil ihrer politischen Aktivität in der neuen Konjunktur nach dem Ende der Militärdiktatur begann. Ironischerweise berief sich Präsident Luis Alberto Lacalle am 26. August 1994 bei seinem Vorgehen gegen Radio Panamericana auf ein Dekret aus dem Jahr 1978, der Zeit der Militärdiktatur. In seinem eigenen Dekret erklärte der Präsident, der Kauf des Radios durch seine aktuellen Eigentümer sei nicht rechtmäßig, da es nie die offizielle Zustimmung gegeben habe. Die Tatsache, daß der Verkauf niemals zuvor in Frage gestellt wurde, deutete aber darauf hin, daß die Begründung der Regierung nur ein Vorwand war, um eine unbotmäßige Stimme im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zum Schweigen zu bringen. Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit übergab der Präsident durch das Verteidigungsministerium die Frequenz 1.410 Mhz, auf der Radio Panamericana gesendet hatte, an den im nahestehenden Unternehmer Nelson Marroco. Das Pressebüro seines bereits gewählten Nachfolgers Julio Sanguinetti verbreitete damals: „… die vom Verteidigungsministerium getroffene Maßnahme, mit der Unterschrift des Präsidenten Lacalle, ist voll von Verwicklungen, die das Bild der Regierung und des Landes schädigen. Es kann nicht sein, daß – während das Thema noch strittig ist – die Frequenz eines Senders an eine mit dem Präsidenten persönlich befreundete Person vergeben wird,… die zudem einen Posten in der Pressebehörde des Präsidenten der Republik besetzt.“

Die Radiobetreiber*innen legten vor Gericht Einspruch ein. Drei Jahre später sind zwei Gerichtsverfahren immer noch nicht endgültig entschieden: Die Klage gegen die Schließung von Radio Panamericana und die Klage gegen die Lizenzvergabe für die Frequenz 1.410 Mhz an einen neuen Betreiber. Zum dritten Jahrestag der Schließung erinnert sich Carlos Casares, der Direktor der Nachrichtenagentur Comcosur und damals bei Radio Panamericana dabei: „Die Emotion der Erinnerung wandelt sich bei mir in Wut, denn ich bin überzeugt, daß dieses beeindruckende Kommunikationsphänomen, das Radio Panamericana darstellte, der eigentliche Schließungsgrund war und immer noch ist. Radio Panamericana, da bin ich mir sicher, kann heute nicht senden, weil es bis zum letzten Tag das Radio der Leute war. Aber trotz der Dekrete finden die Leute neue Wege, seien es die Programme in Radio Centenario und Radio Nacional, in den Community Radios oder seien es andere neue Kommunikationsformen. Aber wir haben eine Rechnung ausstehen: Wir wollen Radio Panamericana CX 44zurückgewinnen. Ich hoffe wir müssen nicht darauf warten, daß Tabaré Vázquez (linker Oppositonspolitiker der Frente Amplio; die Red.) ins Präsidentenamt kommt, damit es Gerechtigkeit gibt.“

Bei der Rechten liegen die Nerven blank

Von Andrés Capelán

(Montevideo, 22. August 1997, comcosur/alai-Poonal).- Angesichts des Stimmenzuwachses der oppositionellen Frente Amplio-Encuentro Progresista in den Umfragen hat die uruguayische Rechte eine wütende Medienkampagne gegen die politischen Kontrahenten begonnen. Unfähig, die wirklichen Probleme des Landes zu lösen, entschließen sich die regierenden Partido Blanco (offizieller Name Partido Nacional, im täglichen Sprachgebrauch aber „los Blancos“, die Weissen, in Abgrenzung zur den „Colorados“, den Farbigen; die Redaktion) und Partido Colorado, ihre Gegner*innen herabzusetzen.

Zuweilen nimmt die Kampagne paradoxe Züge an. So kritisieren die Rechtsparteien die Übergabe des größten Hotels der Stadt Montevideo (die von der linken Opposition regiert wird; die Red.) an private Betreiber, obwohl ihre Regierung die Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe zum Kern ihrer Wirtschaftspolitik gemacht hat. Verantwortlich für die Unterdrückung von Demonstrationen der Bevölkerung, finden sie es nun „autoritär“, daß im Parkverbot stehende Autos in Montevideo abgeschleppt werden. Minister aus den eigenen Reihen stehen wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder vor Gericht, sie empören sich stattdessen über angeblichliche Unregelmäßigkeiten auf dem Obstmarkt der Kommune Montevideo.

Koalition des Vergessens“

Die Massenmedien stützen die Kampagne der Koalition, zu den Korruptionsaffären der Regierung aber schweigen sie, etwa zum „Fall Svetogorisky“. Der Unternehmer Svetogorisky zahlte Bestechungsgelder an Blancos, Colorados und Mitglieder der Partei „Nuevos Pacifistas“ (Neue Pazifisten), um die Aufträge für verschiedene öffentliche Arbeiten zu bekommen. Ebensowenig wird vom „Fall FOCÖX“ gesprochen, bei dem die Regierung der Partido Blanco von der spanischen Vermittlerfirma unbrauchbare und überteuerte Materialien für die Ministerien für Bildung und Gesundheit kaufte. Außerdem gingen dabei Millionen Dollar Kommission an eine Person, die sich zufällig als Freund des Präsidenten entpuppte.

Und fast nichts wird über den Aufkauf der bankrotten Banco Pan de Azúcar durch den Staat und ihren anschließenden Wiederverkauf für einen Spottpreis gesagt. Diese Aktion brachte immerhin einen Ex-Wirtschaftsminister und den früheren Vorsitzenden der uruguayischen Zentralbank ins Gefängnis. Kein Thema ist die Verwicklung des ehemaligen Regierungschefs Luis Lacalle von der weißen Partei in trübe Geschäfte mit dem Waldgesetz, die ihm persönlich als Unternehmer Vorteile einbrachten. Die jüngst nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung des Bahnverkehrs – öffentlich gemacht von Direktor der staatlichen Eisenbahn, dem Colorado Víctor Vaillant – werden nur am Rande erwähnt.

Die Strategie der uruguayischen Rechten ist eindeutig: die tatsächlichen oder angeblichen Fehler der Stadtverwaltung von Montevideo, die dem Bündnis Frente Amplio-Encuentro Progresista untersteht, aufzubauschen und die eigenen Schiebereien zu minimieren. Die Blancos und Colorados suchen den Konflikt. Sie fühlen sich unter Druck, weil die fortschrittlichen Kräfte von Links und Mitte-Links sich zusammenschließen wollen und dadurch eine ernsthafte Gefahr für sie werden können.

Alle Munition auf den Arzt

Präsident Julio Sanguinetti selbst hat wiederholt den Führer von Frente Amplio-Encüntro Progresista, den Arzt Tabaré Vásquez zum Hauptfeind der Regierungskoalition erklärt und seine Abgeordneten aufgefordert, ihn ohne viel Federlesens zu attackieren. Vor zwei Jahren scheitere der Versuch, Vázquez Berufsethos als Onkologe in Frage zu stellen. Jetzt steht die indirekte Annäherung im Vordergrund, indem sich die Attacken auf die zwei wichtigsten Figuren seiner politischen Umgebung richten: es handelt sich um den Bürgermeister von Montevideo, Mariano Arana und den ehemaligen Kandidaten für den Gouverneursposten der Provinz Canelones (nach Montevideo die bevölkerungsreichste Provinz), Angel Spinoglio. In Montevideo und Canelones leben 60 Prozent der Wähler. Dort werden die nächsten Wahlen entschieden. Wenn die Rechte dort mit ihren Manövern Erfolg hat, wird sich der angekündigte Sieg der Opposition wie Zigarettenqualm in Luft auflösen.

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