Poonal Nr. 294

Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen Nr. 294 vom 19. Juni 1997

Inhalt


MEXIKO

GUATEMALA

PANAMA

HONDURAS

KOLUMBIEN

BRASILIEN

PERU

CHILE

EL SALVADOR


MEXIKO

Arbeiterbuslinie wird ein Jahr alt

(Mexiko-Stadt, Juni 1997, Poonal).- Wer heute auf der Avenida Xola, die einen großen Teil von Mexiko-Stadt in Ost-West-Richtung durchschneidet, in einen der auf dieser Strecke verkehrenden modernen Großbusse steigt, weiß wahrscheinlich nicht, daß er damit das Unternehmen „17 de marzo“ unterstützt. 17 de marzo wird in einigen Wochen seinen einjährigen Betrieb feiern können. Es ist kein beliebiges Unternehmen, sondern gehört der Gewerkschaft SUTAUR (Sindicato Unico de Trabajadores de Autrotransportes Urbanos Ruta-100). Wäre es vor zwei Jahren nach dem Willen der Stadtregierung gegangen, gäbe es SUTAUR nicht mehr. So ist jeder Bus von 17 de marzo nicht nur einfach ein Transportmittel, sondern gleichfalls ein Widerstandssymbol einer Organisation, die die Transport- und Stadtgeschichte der letzten Jahre mitgeprägt hat.

Die Gewerkschaft SUTAUR entstand 1981, nachdem die Stadtregierung das private Busmonopol für den Personentransport übernommen hatte und daraus die Ruta-100 machte. Entgegen der offiziellen Absichten ging die Gewerkschaft SUTUAR von Anfang an eigene Wege. Statt sich dem landesweiten regierungsnahen Dachverband CTM anzuschließen, behauptete sich die SUTAUR binnen kurzer Zeit als eine der größten und militantesten unabhängigen Gewerkschaften im ganzen Land. Mit der MPI, der Unabhängigen Proletarischen Bewegung, schaffte sie sich zudem eine Art politischen Arm, dem maoistische Tendenzen nachgesagt wurden. 1994 waren von den 14.000 Beschäftigten der Ruta-100 mehr als 12.000 in der Gewerkschaft und fast ebensoviele in der MPI – ein Organisationsgrad von knapp 90 Prozent. Führender Kopf sowohl in der SUTAUR als auch in der MPI war Ricardo Barco. Im ersten Fall als juristischer Berater, im zweiten Fall als Vorsitzender. Barco ist durchaus eine ambivalente Figur. Trotz aller verbalen Radikalität suchte er doch immer wieder, den Kontakt zur regierenden Revolutionären Institutionellen Partei (PRI) zu halten. Lange Zeit bestand zwischen (Stadt-)Regierung und der SUTAUR ein Nicht-Angriffspakt: Die Gewerkschaft hielt sich mit Streiks zurück, ihre Mitglieder genossen dafür eine Reihe von Privilegien und hatten die Ruta-100 fest in ihrer Hand. Es galt: Wenn die SUTAUR nicht will, stehen (fast) alle Räder still.

Doch den Politikern in der Hauptstadt wurde die mächtige Gewerkschaft immer mehr ein Dorn im Auge. Allen Reprivatisierungsplänen der Buslinie erteilte die SUTAUR eine eindeutige Absage. Als erste größere Organisation stellte sie sich zu Beginn des Aufstandes in Chiapas vorbehaltlos hinter die Forderungen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN). Oscar Espinosa Villareal, der 1994 sein Amt als Regent der Metropole antrat, machte die Zerschlagung der SUTAUR zu einem seiner Hauptanliegen. Am 8. April 1995 holte er zum großen Schlag aus: Die städtischen Behörden erklärten die Ruta-100 über Nacht für bankrott. Die 14.000 Beschäftigten standen ohne Ankündigung auf der Straße, die angebotenen Abfindungen waren kaum der Rede wert, die millionenschweren Konten der Gewerkschaft wurden eingefroren. Einen Tag später verhafteten 60 schwerbewaffnete Polizisten Ricardo Barco und schlugen ihn dabei bewußtlos. Gegen Barco und elf weitere in der Folgezeit verhaftete Mitglieder der Gewerkschaftsführung frischte die Staatsanwaltschaft Jahre zurückliegende Korruptionsvorwürfe wieder auf. Begleitet wurde diese Attacke gegen SUTAUR von bis heute nicht aufgeklärten Todesfällen. Am 11. April 1995 beging der Direktor der Transportbehörde von Mexiko-Stadt nach offizieller Darstellung Selbstmord. Niemand konnte allerdings so recht erklären, wie er es schaffte, sich zweimal hintereinander direkt ins Herz zu schießen. Der Richter Abraham Polo Uzcanga, der sich wegender mangelnder Beweise nicht dazu hergegeben hatte, die Haftbefehle gegen die Gewerkschaftsführung zu unterzeichnen, wurde Mitte Juni in seinem Büro erschossen. Nur Tage später wurde ein junger Staatsanwalt ermordet, der die Anhörungen gegen SUTAUR koordinierte.

Hoffnungen der SUTAUR-Gegner auf eine schnelle Kapitulation erfüllten sich nicht. Wiederholt brachte die Kombination Gewerkschaft/MPI mehrere zehntausend Menschen auf die Beine. Mit spektakulären Blockadeaktionen, Informationsveranstaltungen und Spendensammlungen im gesamten Stadtgebiet kämpfte die Gewerkschaft um ihr Überleben und das der Ruta-100. Die zunehmenden Lockgebote der Stadtverwaltung an „Streikbrecher“ konnte die Solidarität innerhalb der SUTAUR nur begrenzt brechen. Dennoch mußte die Gewerkschaft ihren Kraftakten immer stärker Tribut zollen. Die finanzielle Lage der Mitglieder wurde immer prekärer. Im April 1996 waren noch 8.340 Personen in der SUTAUR organisiert. Als sich die Stadtgewaltigen unter anderem durch die Vermittlung einer städtischen Abgeordnetenkommission endlich zu größeren Zugeständnissen bereit zeigten, willigte die SUTAUR Ende April 1995 in einen Kompromiß ein. Die Mitglieder bekamen Abfindungszahlen in Höhe von insgesamt einer halben Milliarde Pesos (damals etwa 130 Millionen Mark). Die Stadt sagte zu, zwei der zehn alten Linien der Ruta-100 in Konzession an die SUTAUR zu übergeben sowie der Gewerkschaft ein eigenes Taxiunternehmen zu genehmigen. Außerdem sicherten die Behörden zu, sich für die Freilassung von Ricardo Barco und elf Haftgefährten einzusetzen. Letzteres geschah im Juli 1996, als das zuständige Gericht für jeden einzelnen der zwölf die Kaution von knapp sechs Millionen Pesos ohne weitere Begründung auf 150.000 Pesos herabsetzte.

Heute ist die Bilanz des Arbeitskampfes gemischt, ein eindeutiger Sieger nicht auszumachen. Nach wie vor ist das Gewerkschaftsvermögen eingefroren. Es wird dringend für Investitionen benötigt, denn Ziel von SUTAUR ist es, allen Mitgliedern Arbeitsplätze in „produktiven Projekten“ anbieten zu können. Der Strafprozeß gegen die Gewerkschaftsführung ist nicht abgeschlossen. Wie viele andere Prozesse mit politischem Hintergrund wurde er einfach archiviert. Daß die politische Absicht bei der Zerschlagung der alten Ruta-100 wichtiger war als die wirtschaftliche ist heute ganz deutlich. Statt die zehn Linien der Ruta-100 wie breit angekündigt so schnell wie möglich gewinnbringend zu privatisieren, ist neben den beiden SUTAUR überlassenen Linien nun eine weitere privatisiert worden. Für die übrigen Linien ist nach wie vor die Stadt Mexiko verantwortlich. SUTAUR versucht sich derweil in der Unternehmerrolle: Das Taxi- Unternehmen und das Busunternehmen „17 de marzo“ – zum Teil mit modernster Technik ausgerüstet – funktionieren nach einigen Verzögerungen inzwischen. Das Startkapital von 170 Millionen Pesos kam dadurch zusammen, daß die SUTAUR-Mitglieder 30 Prozent ihrer Abfindungszahlungen in einen Fonds einzahlten. Das zweite Busunternehmen steckt noch in den Kinderschuhen. Von der anvisierten Zahl von mindestens 1.500 Bussen und mehreren hundert Taxis ist SUTAUR noch weit entfernt. Ob die Gewerkschaft betriebswirtschaftlich überleben kann, ist nicht ausgeschlossen, aber ebensowenig sicher. Derzeit haben nur 3.000 der 8.000 Mitglieder eine direkte Beschäftigung bei den drei eigenen Unternehmen. Mitbesitzer sind alle. Der Politik haben SUTAUR und MPI nicht entsagt. Zuletzt stellten sie ein mehrere tausend Menschen großes Kontingent bei der 1.Mai-Demonstration der unabhängigen Gewerkschaften. Wie es Ricardo Barco während seiner Haftzeit wiederholte: „Hier sind wir und kämpfen weiter“.

GUATEMALA

Kein Sitz in Menschenrechtskommission

(Guatemala-Stadt, 5. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Die Interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) wird auch während ihrer kommenden Amtszeit keine guatemaltekische Stimme haben. Der von der guatemaltekischen Regierung vorgeschlagene Kandidat Francisco Villagrán Kramer wurde auf dem Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Peru auf keine der drei freigewordenen Stellen in der Kommission gewählt und mußte den Mitbewerbern aus Chile, Barbados und Brasilien den Vortritt lassen. Gegen Villagrán Kramer hatte es im eigenen Land größere Vorbehalte gegeben (vgl. Poonal Nr. 292). Er hat sowohl als Vizepräsident unter dem Diktator Lucas García als auch als Vertrauter des Ex- Diktators Ríos Montt wenig rühmliche Rollen gespielt. Ronalth Ochaeta, der Leiter des erzbischöflichen Menschenrechtsbüros in Guatemala-Stadt verurteilte die Regierung, weil sie nicht auf die Empfehlungen sowohl einheimischer wie auch internationaler Menschenrechtsorganisationen gehört habe.

Europäische Union gibt Geld frei

(Guatemala-Stadt, 7. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Die Europäische Union hat 260 Millionen Dollar für Wiederaufbauprojekte im Land im Rahmen des Friedensprozesses zugesagt. Während einer Zeremonie im Nationalpalast unterzeichnete Manuel Martin, Vizepräsident der Europäischen Kommission, eine Vereinbarung mit Guatemalas Außenminister Eduardo Stein. Das Geld soll über vier Jahre verteilt für sechs Schlüsselbereiche verwendet werden. Dazu gehören Jobausbildung und andere Hilfeleistungen für demobilisierte Guerilla- und Regierungstruppen, die Schaffung der Nationalen Zivilpolizei, die Reform des Justizwesens und der Abschluß des nationalen Landkatastersystems. 30 Prozent der Hilfe sind für dieses Jahr vorgesehen. Die Vereinbarung formalisiert eine mündliche Zusage, die die EU im vergangenen Januar auf einem Treffen guatemaltekischer Autoritäten mit internationalen Geldgebern machte. Damals versprach die internationale Gemeinschaft Kredite, Spenden und technische Hilfe im Wert von insgesamt 1,9 Milliarden US-Dollar. Guatemala ist der größte Nutznießer europäischer Geldhilfe in Mittelamerika und hat in den zurückliegenden zehn Jahren 337 Millionen Dollar zur Unterstützung erhalten.

Kanada übernimmt das Ölgeschäft, USA sichert sich die Eisenbahn

(Guatemala-Stadt, 6. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Kanadische Unternehmen haben in der guatemaltekischen Ölproduktion die führende Rolle übernommen. Im Mai kaufte die Gesellschaft „Norcen Energy Resources Ltd“ die Mehrheitsbeteiligung bei der französischen Firma „Basic Resources“, die derzeit als einzige größere Gesellschaft tatsächlich Öl fördert und die bisher umfangreichsten vergebenen Förderkonzessionen besitzt. Basic Resources operiert vor allem in den ölreichen Provinzen Petén und Alta Verapaz und verfügt über eine Fläche von insgesamt etwa 600.000 Hektar. Im letzten Jahr produzierte das Unternehmen täglich 20.000 Barrel Öl. Am 6. Juni verkündete die „Enterprise Development Corp.“ aus dem kanadischen Alberta, sie werde alle Öl- und Gasaktiva der „Mexpetrol Guatemala Corp.“ kaufen, falls die guatemaltekische Regierung zustimme. Mexpetrol war ein joint venture von Mexiko und den USA. Die Gesellschaft kam im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen, als sie plötzlich ihr Konzessionsgebiet von 120.000 Hektar verließ, 100 Arbeitern keinen Lohn mehr zahlte und örtliche Zulieferer auf offenen Rechnungen sitzen ließ. Weitere kanadische Gesellschaften mit Ölinteressen in Guatemala sind „New Arcadia Resources Ltd.“ aus Vancouver sowie „Petroleum and Gas“ und „Ranking Resources Inc.“. Aus den USA engagierte sich kürzlich der Öl- und Gasgigant „Parker & Parsley“ in einem joint venture. Auch „Oil and Technology Services“ aus den USA und die argentinische „General Fuels Company“ haben Schürfkonzessionen beantragt. Für das guatemaltekische Eisenbahnwesen erhielt übrigens die „Railroad Development Corp.“ (RDC) aus Pittsburgh den Zuschlag für die nächsten 50 Jahren. Sie versprach der Regierung für die ersten fünf Jahre einen Gewinanteil von fünf Prozent auf das Bruttoeinkommen und von zehn Prozent für die restlichen 45 Jahre. Mitbewerber war „Agenda 2000“ ein Tochterunternehmen der „Ventro Petroleum Consortium“. Das staatliche Eisenbahnnetz Guatemalas ist nur 504 Meilen lang und wird seit drei Jahren nicht mehr genutzt. RDC will zuerst die Strecke von Guatemala-Stadt zum Atlantik reaktivieren. Die Strecken zur mexikanischen und salvadoreanischen Grenze sowie die Verbindung zum Pazifik sollen folgen. Der Kongreß muß dem Vertrag noch zustimmen. Der Oppositionsabgeordnete Hector Klee warnte, die Überlassung auch von Bodenrechten anstelle der reinen Streckennutzung könne die Regierung daran hindern, die Bahnlinien für andere Infrastrukturmaßnahmen wie Stromversorgung und Telekommunikation zu nutzen.

Massengrab entdeckt – Großgrundbesitzer ließ Arbeiter massakrieren

(Cahabón, Alta Verapaz, 8. Juni 1997, cerigua-Poonal).- Gerichtsmediziner*innen haben auf zwei Plantagen 20 weitere Opfer des Bürgerkrieges ausgegraben. In diesem Fall wurden die Campesinos jedoch nicht wegen angeblicher Verbindungen zur Guerilla umgebracht. Sie starben, weil sie von ihrem Arbeitgeber dreijährige Lohnrückstände einforderten. Nach Aussagen von Bewohner*innen der Gegend geschah das Verbrechen auf den Plantagen Dinelda und Tusbilpec im Jahr 1982 und wurde von den Soldaten der nahen Militärkaserne in Cobán ausgeführt. Die Familien der ermordeten Männer – die sterblichen Überreste eines Campesinos werden noch gesucht – geben an, der Großgrundbesitzer habe nur umgerechnet 20 Cents Lohn am Tag gezahlt, weit unter dem gesetzlichen Minimum. Als die Arbeiter sich beschwerten und anbaten, Land statt der geschuldeten Löhne zu akzeptieren, habe der Großgrundbesitzer gedroht, ihnen „ein Stück Erde“ für ihre Gräber zu geben. Später wurden die Campesinos von den Militärs zusammengetrieben, gefoltert und hingerichtet.

PANAMA

Proteste gegen Minen

(Panama-Stadt, 17. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Etwa 20 Gruppen aus dem Campesino-, Indígena-, Kirchen- und Menschenrechtsbereich protestieren zusammen gegen die Probleme, die Gemeinden in der Nähe von Goldminen haben. Vertreter*innen der Orte Maracas und Tonosi aus der Provinz Los Santos erklärten, die Minenausbeutung habe die Flüsse und Schluchten der Zone verseucht. Dies geschehe, weil die Minengesellschaft Ölnebenprodukte benutze, um Gras und Gestrüpp unter dem Vorwand zu vernichten, so besser arbeiten zu können. Die Campesinos klagten ebenfalls darüber, daß die benutzten Chemikalien die Böden ausgetrocknet haben. Außerdem sei durch das Fällen zahlreicher Bäume die Vegetation zerstört worden. Mitglieder des Ministeriums für Handel und Industrie prüften die Vorwürfe nach und sind mit der Bevölkerung einig, daß das Unternehmen „Cerro Qüma“ die Umweltgesetzgebung nicht beachtete. Nach Angaben aus Menschenrechtskreisen beuten die großen Gesellschaften die Minen in Panama oft aus, ohne überhaupt eine Erlaubnis dazu zu haben.

HONDURAS

Bananenunternehmen lenken ein – Entschädigungen für Pestizidopfer

(Tegucigalpa, 17. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Nachdem tausende Bananenarbeiter*innen in Guatemala, Honduras, Costa Rica, Nicaragua, Ecuador und auf den Philippinen die Unternehmen wegen der benutzten Pestizide angeklagt haben, haben sich einige Gesellschaften jetzt bereit erklärt, Entschädigungen für die schweren Gesundheitsschäden der Arbeiter*innen zu zahlen. Die „Standard Fruit Company“ und die „Occidental Chemical Corporation“, die das Pestizid Nemagon produziert, haben Geld für 3.000 honduranische Arbeiter versprochen. Beide Unternehmen haben ihren Sitz in den USA. Auf der Anklagebank sitzen auch die „Shell Oil Company“ und die Bananengesellschaften „Del Monte“, „Chiquita Brands“ und „Dole“. Diese wollen den von ihnen verursachten Schaden aber nicht anerkennen. Insgesamt sind etwa 25.000 Arbeiter*innen betroffen. Die große Mehrheit von ihnen kann keine Kinder zeugen oder hat Kinder gehabt, die mit Schäden zur Welt gekommen sind. Das Pestizid Nemagon hat für Hautkrebsfälle gesorgt. Mit der jetzt gefundenen Teillösung sind nicht alle zufrieden. So sollen beispielsweise nur die Männer die Entschädigungszahlungen erhalten. Für die Frauen, die auf den honduranischen Bananenplantagen gearbeitet und genauso unter den Pestiziden gelitten haben, ist kein Geld vorgesehen. Die Anwälte rechtfertigten das Ergebnis nach dem Motto „besser als Nichts“. Standard Fruit und Occidental Chemical haben eine Zahlung von 22 Millionen Dollar akzeptiert.

KOLUMBIEN

Soldaten frei

(Bogotá, 16. Juni 1997, pulsar-Poonal).- Die Freilassung der 70 Soldaten in der Gewalt der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) ging am Sonntag ohne Zwischenfälle vonstatten. Die Soldaten waren neun bzw. fünf Monate in der Gefangenschaft der Guerilla gewesen. Das Internationale Rote Kreuz nahm sie in der von der Bundesarmee geräumten Kaserne von Cartagena del Chairá in Empfang. Etwa 15.000 Zivilist*innen wohnten dem Ereingnis bei. Die kolumbianische Regierung interpretierte den Vorgang als ein Zeichen, daß es Lösungen für den Frieden gebe. Die Guerilla warnte jedoch, Verhandlungen seien nur möglich, wenn im politischen und legalen System demokratische Änderungen durchgeführt würden. Die freigelassenen Soldaten erklärten übereinstimmend, in der Gefangenschaft gut behandelt zu worden sein. Sie dementierten Äußerungen, nach denen einige daran gedacht hätten, sich der Guerilla anzuschließen.

BRASILIEN

Proteste gegen Verurteilung von Landlosenführer

(Sao Paulo, 13. Juni 1997, pulsar-Poonal).- José Rainhá Junior, einer der bekanntesten Führer der Lndlosenbewegung MST ist zu 26 Jahren Haft für seine angebliche Beteiligung an einem Landkonflikt verurteilt worden, bei dem im Junio 1989 ein Grossgrundbesitzer und ein Militärpolizist umgebracht wurden. Der 36jährige hat jedoch nach dem brasilianischen Gesetz das Recht auf einen zweiten Prozeß, da die Strafe mehr als 20 Jahre beträgt. Der Termin ist bereits auf den 16. September festgesetzt. Bis dahin wird Rainhá Junior in Freiheit bleiben. Die Gerichtsentscheidung ist in Brasilien auf vielfache Kritik gestoßen. So konnte die Verteidigung des MST-Führers fünf Zeugen präsentieren, die versicherten, Rainhá sei am Tag der Tat – der Landbesitzer und die Militärpolizei gerieten damals auf einer besetzten Finca in einen Hinterhalt – in einem tausend Kilometer entfernten Ort gewesen. Die Staatsanwaltschaft dagegen hatte keine Zeugen vorgeladen, sondern präsentierte nur verschiedene schriftliche Erklärungen, nach denen der Angeklagte zwei Tage vor den Morden die Landbesetzung auf der Finca mitorganisierte. Für das siebenköpfige Gericht reichte dies aus, Rainhá zum Verantwortlichen für die Morde zu machen.

Sowohl Vertreter der katholischen Kirche als von amnesty international (ai) drückten ihr Unverständnis über das Urteil aus. Die Anklage gegen Rainhá „war deutlich politisch motiviert und offenbar darauf ausgerichtet, die Mitglieder der MST einzuschüchtern“, so ai in einem von der Londoner Zentrale aus verbreiteten Kommuniqué. Auch die pastorale Landkommission (CPT) der katholischen Kirche bezeichnete den Prozeß als „dem Wesen nach politisch“. Die CPT unterstrich, daß in den vergangenen zwölf Jahren 976 Campesinoführer*innen und Siedler*innen ermordet wurden. In nur 58 Fälle sei es zu Prozessen gekommen, in nur 15 Fällen zu Verurteilungen. „Wie immer, gibt es in Brasilien zweierlei Gewichte und Maße, wenn die Justiz, alles andere als blind, Großgrundbesitzer*innen und Landarbeiter*innen vor Gericht bringt“, erklärte die Kommissioin. Selbst der Vorsitzende der Demokratischen Ruralistischen Union, in der die Grossgrundbesitzer zusammengeschlossen sind, äußerte sich besorgt über das Urteil, allerdings aus anderem Grund. Die Strafe könne ein Ansteigen der Landbesetzungen bewirken.

Interview: Die Frauen ohne Land, Teil 1

(Quito, 12. Juni 1997, alai-Poonal).- Unter den Besonderheiten, die der Bewegung der Landlosen (MST) einen erneuernden Charakter im Kampf für die Agrarreform geben, sticht die aktive Beteiligung der Frauen heervor. Sowohl bei den Besetzungen als auch bei der Verteidigung der Rechte. Um die Prioritäten und Träume dieser Frauen kennenzulernen, sprach Irene León für ALAI mit Dilei Aparecida Schiochtet, die Mitglieder der MST ausbildet und für die Agrarreform im Bundesstaat Bahia kämpft.

Welche Beteiligung haben die Frauen im Kampf um die Agrarreform?

Für uns ist die Agrarreform das Ziel Nummer Eins. Angesichts dieser Voraussetzung, wegen der sozialen Bedürfnisse im Brasilien von heute, gibt es eine effektive Beteiligung der Frauen. Im Durchschnitt nehmen an der Koordinierung der Camps 30 Prozent Frauen teil, es gibt einen ständigen Anreiz für ihre Teilnahme. Ein großer Teil der Frauen wirkt unabhängig von ihren Compañeros bei den Landbesetzungen und den Camps mit. Vor allem in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und Produktion. Zusätzlich, trotz der bereits gewichtigen weiblichen Mitarbeit, fördert die Bewegung der Landlosen (MST) die Teilnahme der Frauen in den Instanzen innerhalb der Organisation, sowohl auf landesweiter wie auch auf untergeordneter Ebene.

Welche sind die Prioritäten für die Frauen?

Zuerst das Recht auf Land, das ist der Traum. Zweitens das Recht auf bessere soziale Bedingungen, das schließt Gesundheitsversorgung, Bildung und den Zugang zu den Produktionsmitteln ein. In politischer Hinsicht möchten wir vor allem eine wirksame Beteiligung in der eigenen Organisation und in den Leitungen unserer Siedlungen erreichen, aber auch die Beteiligung am politischen Leben erhöhen. Zum Beispiel Frauen in den Gemeindeführungen zu haben, wirklich bei den Wahlen vertreten zu sein, im gesellschaftlichen Leben insgesamt. Heute gibt es wenige Frauen, die in den Vewaltungseinrichtungen des Landes und des Bundesstaates sitzen. Wir wollen für die Beibehaltung der Garantie auf Rente mit 55 Jahren und das Mutterschaftsgeld für Landfrauen eintreten, was kürzlich erreicht wurde.

Was bedeutet für die Frauen die Teilnahme an diesem Kampf, gibt es spezielle Lasten für sie?

Für viele bringt die einfache Tatsache, Frau zu sein, eine größere Verpflichtung mit sich. Historisch gesehen mußten sie die Kinder großziehen und von daher mehr Zeit dem Haushalt widmen. Das ist einer der Faktoren, warum die Frauen eher als Hausfrauen gelten. Aufgrund der Situation des brasilianischen Volkes müssen Männer und Frauen außer Haus arbeiten, die Frauen sind gezwungen, in irgendeinem Bereich der Produktion mitzumachen. Klar ist, daß Kinder eine gleichberechtigte Beteiligung am Erwerbsleben erschweren. Wenn es Schulen oder Kindergärten gäbe, hätten sie mehr Zeit, sich der Organisation zu widmen. Darum hat die MST die Absicht, ein Kindergartensystem in den Siedlungen zu entwickeln.

Wenn Frauen nicht die schwere Landarbeit verrichten müßten, wenn sie Zugang zur Bildung hätten, dann könnten sie ihre Träume verwirklichen. Sie könnten, Tierärztinnen werden, Agronominnen, ihre Beziehung zum Land auf andere Art leben. Die Frauen ohne Land müßten auch das Recht haben, ihren Raum zu erobern, einen Beruf zu schaffen. Es gäbe keinen Grund zu glauben, daß der Traum der Frau vom Land darin besteht, sich mit 15 Jahren zu verheiraten. Sie könnten einen weiteren Horizont haben und sich im Beruf verwirklichen. In diesem Sinne bemerken wir landlosen Frauen heute einen großen Fortschritt. Auf nationaler Ebene haben wir Lehrerinnenschulen, eine im Süden, eine im Bundesstaat Espíritu Santo, die zur berufsmäßigen Entwicklung beitragen. Wir haben eine Fachschule für Genossenschaftswesen. Wir suchen auch weitergehende Ausbildungswege, obwohl wir noch keine Universität gefunden haben, die uns Platz bietet, damit wir von der MST eine Ausbildung anbieten können – für angesiedelte junge Leute, die als Anwält*innen, Agronom*innen oder Techniker*innen im Kampf um das Land mithelfen können. Die MST braucht Fachkräfte im Journalismus, in der Agronomie, in der Medizin, im Recht, es besteht eine Notwendigkeit, daß die jungen Leute diese Berufe ergreifen, um auch innerhalb der Organisation stärker zu werden.

Welche Arbeiten machen die Frauen in den Ansiedlungen, welche Möglichkeiten haben sie?

Das ist sehr unterschiedlich. In meiner Ansiedlung arbeiten einige in der Produktion: Sie pflanzen Bohnen, Mais, machen das Land von Gestrüpp frei. Derzeit sind wir in der Besiedlungsphase. Aber woanders arbeiten die Frauen auch in Fabriken, Schulen, in der landwirtschaftlichen Produktion, besonders im Gartenanbau, je nachdem, wie die Situation ist. Es gibt Siedlungen, die schon eine Agro-Industrie haben und das macht den Unterschied aus. Natürlich existiert in den Siedlungen, wie überall, in der Praxis eine Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, obwohl die Frau die Hacke genauso anfaßt wie der Mann… es gibt da eher subtile Unterschiede. Eine Arbeitsteilung, die nicht so offensichtlich ist. Bei der Bohnenernte beispielsweise, ernten die Frauen ab, die Männern schlagen (die Schoten), die Kinder arbeiten auch mit.

Wie drücken sich die Unterschiede in dem Kampf um das Land aus?

In dem Moment des Kampfes, besonders bei der Besetzung, kann ich nicht von Unterschieden sprechen, denn es besteht nur ein Ziel. Auch bei den Konfrontationen mit der Polizei sind Frauen dabei. Die Repression betrifft Männer und Frauen gleicherweise. Manchmal schreien die Frauen mehr, zeigen sich stärker, fordern direkt heraus, während sich die Männer in der Nachhut tummeln. Beim Kampf und bei den Besetzungen spielen die Frauen eine fundamentale Rolle. Manchmal können sie die Polizei mit dem Hinweis auf die Situation ihrer Kinder sensibilisieren und in gewisser Weise, in bestimmten Momenten, wird so eine geringere Konfrontation zwischen den landlosen Arbeiter*innen und der Polizei erreicht.

PERU

Besorgnis unter den Medien

(Lima, 9. Juni 1997, alc-Poonal).- Ein Dutzend Kommunikationsorganisationen aus dem sozialen, kommunalen und ökumenischen Bereich drückten in einem offenen Brief an Präsident Alberto Fujimori, das Parlament und die Bürger*innen ihre Sorge über die Situation des Landes aus. „Die Anstrengung aller Peruaner*innen in den vergangenen Jahren hat erlaubt, allmählich die Lage von wirtschaftlicher Krise und politischer Gewalt zu überwinden, aber dieses Opfer läuft Gefahr, vergeblich zu sein, wenn wir nicht das demokratische System in Peru festigen“, so die unterzeichnenden Institutionen. Die jüngsten Vorkommnisse (vgl. Poonaldienste der vergangenen Wochen) „sind keine isolierten Vorgänge und zeigen, wie die Macht auf wenig demokratische Weise ausgeübt wird“, heißt es weiter. Das demokratische System sei genauso in Frage gestellt wie „wie unsere Möglichkeit und Zukunft als freies Land, das in die internationale Gemeinschaft integriert ist… Wir verlangen den uneingeschränkten Respekt vor der Presse- , Meinungs- und Ausdrucksfreiheit und rufen zu Dialog und Reflexion auf, damit wir Peruaner*innen unserer Differenzen lösen, klarstellen oder zurückstellen können für ein gemeinsames Ziel: das Peru aus dieser politischen Krise gestärkt hervorgeht.“ Das Dokument ist von den Organisationen Amaru, Amakella, Amauta, Calandria, der Coordinadora Nacional de Radio, dem Centro Cristiano de Promocion y Servicios, dem Servicio Ecumenico de Pastoral de la Comunicacion und JournalistInnengruppen unterschrieben.

CHILE

Kaum Berichte in den Medien über Indígenas

Von Juan Schilling

(Concepción, 12. Juni 1997, alc-Poonal).- Ein Treffen von indigenen Medienmitarbeiter*innen kam zu dem Ergebnis, daß über die ursprünglichen Völker des Landes in den chilenischen Massenmedien so gut wie überhaupt nicht berichtet wird. Wenn es einmal der Fall sei, dann würde ein Bild von konfliktiven Gruppen vermittelt, die der Entwicklung im Weg stünden. Das Treffen fand unter der Schirmherrschaft der Weltvereinigung für die christliche Kommunikation (WACC) statt. Es ist Teil einer Reihe von Regionaltreffen indigener Medienmitarbeiter*innen, mit denen ein internationales Seminar für die zweite Jahrehälfte mit wahrscheinlichem Tagungsort in Mexiko vorbereitet werden soll. Für die WACC ist die Indígena-Kommunikation einer ihrer drei Arbeitsschwerpunkte. Sie hofft nach Aussagen ihrer Vertreter*innen die Einflußmöglichkeiten zu erkunden, die Indígena-Organisationen in den Massenmedien haben können. Gleichzeitig sollen diese Organisationen unterstützt werden, ihr eigenes Image zu schaffen, um ihre Identität und Kosmovision zu stärken. In Chile belegten die Teilnehmer*innen die fehlende Präsenz in den Massenmedien anhand von Beispielen: in der Hauptstadt Santiago gibt es nur ein Radioprogramm der Mapuche, was täglich sendet. Gesetzliche Beschränkungen zwingen Indígena-Sender wie Tralcanmapu und Nutram, mit einer Leistung von nur einem Watt auszustrahlen.

EL SALVADOR

Demokratisierung der Radiolandschaft in Sicht

Von Oscar Vigil

(San Salvador, 10. Juni 1997, alai-Poonal).- Die jüngsten politischen Ereignisse im Land könnten erreichen, was lange Jahre intensiver nationaler und internationaler Anstrengungen nicht geschafft haben: das Radiospektrum in El Salvador zu demokratisieren. Die internen Streitigkeiten des regierenden Republikanisch-Nationalistischen Bündnisses (ARENA) und vor allem die neue Arithmetik im Parlament sind die Grundlage dafür, daß in den kommenden Wochen weitgehende Änderungen des Allgemeinen Telekommunikationsgesetzes diskutiert werden. Die Reformen betreffen „Radiobetreiber ohne Gewinnabsichten“. Auf gut salvadoreanisch heißt das nichts anderes, als die „Community Radios“, „Alternativradios“ oder „Volksradios“, um nur einige Bezeichnungen zu nennen, zu legalisieren. In der Realität gibt es bereits ein Dutzend solcher Sender mit kurzer Reichweite. Mehrfach hatten sie vergeblich bei der Nationalen Telekommunikationsbehörde (ANTEL) die Sendeerlaubnis beantragt. Doch ANTEL ordnete im Gegenteil die Beschlagnahme der Ausrüstung an, mußte diese nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aber wieder herausrücken. Inzwischen ist für die Legalisierung die Oberaufsicht für Energiewesen und Telekommunikation (SYGET) zuständig. Zuletzt waren die Genehmigungsverfahren unter dem vorletzten Direktor eingeleitet worden, liegen aber derzeit auf Anweisung der Regierung auf Eis.

Das zahlenpolitische Kalkül

Der Kampf wird aber an verschiedenen Fronten geführt. Die Community Radios sind mit anderen landesweit operierenden Sendern in der Vereinigung von Radios und Partizipativen Programme El Salvadors (ARPAS) zusammengeschlossen. ARPAS präsentierte den erwähnten Gesetzentwurf. Die Initiative zählt grundsätzlich auf die Unterstützung aller Oppositionsparteien im Parlament. Sie schlägt unter anderem vor, 30 Prozent der Frequenzbereiche für die ausschließliche Benutzung durch Betreiber ohne Gewinnabsichten zu bewilligen. Für Oscar Pérez, den Vorsitzenden von ARPAS, geht es darum, „Wort und Bild in diesem Land zu demokratisieren, der Zivilgesellschaft, den Gemeinden das Wort zu geben. Denn wenn es sicherlich auch viele Kommunikationsmedien gibt, so hörte man in diesen nur eine Stimme. Diejenigen, die immer schon das Wort hatten, sind dieselben, die sich jetzt gegen mehr Stimmen wehren.“ Pérez fährt fort: „Im Wesentlichen schlagen wir vor, die Meinungsfreiheit, Wahrheit und Demokratie zu stärken. Für diese Sache unterstützt uns die Mehrheit der Oppositionsparteien, die gemeinsam im Parlament über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen. Wir erwarten daher ein positives Endergebnis zugunsten der Demokratisierung des Wortes.“

Aus Parlamentskreisen verlautete, der von ARPAS vorgelegte Entwurf werde in Kürze in der entsprechenden Kommission diskutiert. Dort könnte er die notwendigen Stimmen bekommen (um im Plenum des Kongresses zur Abstimmung gestellt zu werden die Red.). Zustimmung ist von der rechten Partei der Nationalen Versöhnung (PCN), der linken Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN), der Christdemokratischen Partei (PDC) und den übrigen Minderheitenparteien gekommen, es handelt sich also um eine wahrhaftige „Pluralität“ der Ideologien.

Demokratischer Wille?

Auf den ersten Blick scheint es sich um eine kollektive Interessenaktion von Gruppen äußerst unterschiedlicher politischer und ideologischer Auffassung zu handeln, um die Massenmedien zu demokratisieren. Hintergrund ist jedoch die heftige Debatte, die über den Privatisierungsprozeß der audiovisuellen Medien im Land geführt wird. So legte sich der Präsident der Republik, Armando Calderón Sol, mit dem SYGET-Direktor Orlando De Sola an, den er gerade erst ernannt hatte. De Sola ist ein mächtiger Unternehmer, der während des bewaffneten Konfliktes Verbindungen zu den paramilitärischen Todesschwadronen hatte. Die Auseinandersetzung begann, als De Sola die Frequenz des staatlichen Fernsehsenders „Canal 8“ als frei ausschrieb. Er argumentierte, der Sender sei mehr als drei Jahre außer Betrieb, daß verbiete das Telekommunikationsgesetz. Dieses Vorgehen wurde von dem Regierungschef scharf zurückgewiesen, er suspendierte den Vorgang sofort und versicherte, die Fernsehfrequenz würde bald vom Staat zu Erziehungszwecken neu genutzt.

Um sich durchzusetzten, sah sich die ARENA-Partei gezwungen, unter Zeitdruck einige Gesetzesartikel zu ändern, bevor das alte Parlament mit absoluter ARENA-Mehrheit seine Legislaturperiode beendete. Unter den neuen Gesetzesregelungen, die von der Bevölkerung kaum wahrgenommen wurden, befand sich auch die Möglichkeit, den Chef der SYGET von der Regierung absetzen zu lassen. Das geschah denn auch, als De Sola mehrere Radio- Frequenzen ausschrieb, von denen ein gutes Dutzend durch Mitglieder der ARPAS beantragt worden waren. Das Entgegenkommen gegenüber der alternativen Radio-Organisation sorgte für die wutschäumende Reaktion der mächtigen Salvadoreanischen Vereinigung der Radiobetreiber (ASDER). Offiziell werden verschiedene Gründe für die Absetzung De Solas genannt und gründen sich auf fachlichen Fehlern, die der Unternehmer begangen haben soll. Dieser jedoch legte den Finger in die Wunde: „In Übereinstimmung mit den vom Präsidenten) veränderten Dekrete und aufgrund der Falschinformation wird eine Marionette gebraucht werden, ein ergebener Oberaufseher… denn mit einem Marionettenaufseher können die neuen Besitzer von (der noch staatlichen) ANTEL und (der noch staatlichen) Energiegesellschaft ihr Spiel treiben.“

Das Monopol hinter dem Thron

De Sola erklärte diesbezüglich weiter, der Regierungschef sei von dem de facto im Land bestehenden Fernseh- und Radiomonopol unter Druck gesetzt worden. Dieses widersetzt sich mit einer merkantilistischen Vision dem freien Markt und möchte die Privilegien nicht verlieren, die aus der fehlenden Konkurrenz resultieren. Die VHF-Fernsehfrequenzen werden von der Salvadoreanischen Televisionsgesellschaft (TCS) beherrscht, die die Kanäle 2,4 und 6 belegt. Die einzige Konkurrenz stellt der Kanal 12 da, der vor kurzem zu 75 Prozent vom mexikanischen Fernsehsender „Televisión Azteca“ gekauft worden ist. Die übrigen Kanäle 8 und 10 gehören dem Staat.

Beim Radio sieht es ähnlich aus. Mehrere Wirtschaftsgruppen, darunter wohl auch TCS (das ist nicht eindeutig belegt), üben die Kontrolle über die Radiostationen aus und hatten bisher die besten Chancen, neue Frequenzen zugesprochen zu bekommen. Für die mögliche Demokratisierung der Radiowellen hätte das einen totalen Rückschlag bedeutet. Die Situation ist kompliziert, vor allem, nachdem die Oppositionsparteien mit ihrer absoluten Mehrheit zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Privatisierung des Telekommunikationsbereiches außer Kraft setzten. Dieser harte Schlag für ARENA läßt darauf hoffen, daß die von der ARPAS präsentierten Reformen tatsächlich verabschiedet werden. Aber zuviel Optimismus wäre falsch. Vor allem wenn man weiß, daß Politiker vor allem Politiker sind.

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