Parteikongress der PT kürt Dilma Rousseff zur Präsidentschaftskandidatin

von Andreas Behn

(Berlin, 20. Februar 2010, npl).- (Rio de Janeiro, 20. Februar 2010).- Offiziell hat der Wahlkampf noch lange nicht begonnen. Erst im Juni sollen die Kandidat*innen nominiert werden, im Oktober schließlich wird an den Urnen über die Nachfolge von Präsident Inácio Lula da Silva entschieden. Dieser hat jedoch schon vor langem entschieden, wer sein Projekt eines wirtschaftlich erfolgreichen sowie sozialen Brasiliens fortführen soll: Dilma Rousseff, derzeit Kanzleramtsministerin und als langjährige politische Weggefährtin eine der engsten Vertrauen des scheidenden Präsidenten.

Auf dem 4. Nationalen Kongress der regierenden Arbeiterpartei PT von 18. bis 20. Februar wurde Dilma per Akklamation zur Vorkandidatin für die Präsidentschaft gekürt. Doch ihr Weg in das höchste Staatsamt ist noch weit, denn der trockenen Politikerin aus dem südlichen Bundesstaat Rio Grande do Sul fehlt es an Charisma und politischer Überzeugungskraft. Um sie bei den Wähler*innen bekannter zu machen, erklärte Lula sie vergangenes Jahr zur Chefin des Wachstums-Beschleunigungs-Programms PAC. Seitdem touren beide gemeinsam durch das Land und weihen neue Schulen, Straßen und Großbauwerke ein.

Die rechte Opposition und ein Großteil der Presse bemühen sich derweil, Dilma als konturlosen Schatten Lulas in Misskredit zu bringen. Sie habe kein Profil und kein eigenes Programm, das über die Vorgaben der Regierung Lula hinaus gehe, so der Tenor. Zudem wird der ehemaligen Guerillera unterstellt, die Rolle des Staates in Wirtschaft und Politik ausbauen und das Land weiter nach links rücken zu wollen. PT-Parteichef José Eduardo Dutra kontert: “Wir wollen die Staatsbetriebe stärken, wie wir es seit Beginn unserer Regierung tun. Sie (die Opposition) sprechen von chinesischen Komponenten oder dass wir uns an Venezuela orientieren. Kann es sein, dass die Opposition gegen die Stärkung des (staatlichen Erdölkonzerns) Petrobras ist?”

Auch die Linke in Brasilien ist keineswegs überzeugt von Dilma Rousseff. Im Gegensatz zur Propaganda der Rechten fürchtet sie zurecht, dass sie bis ins Detail die Politik Lulas fortsetzen wird, die auf unbedingte Entwicklung und Wirtschaftswachstum setzt. Also großzügige Staatshilfen für die Großindustrie, Bevorzugung der Agrobusiness und keinerlei Umweltskrupel, wenn es um umstrittene Staudammprojekte geht.

Lula hingegen ist sich seiner Sache sicher. Nach wie vor erfreut sich seine Politik im Inland unglaublicher Beliebtheitswerte, im Ausland gilt er als der große Macher. Die Kandidatin der Kontinuität, so sein Kalkül, kann nur verlieren, wenn sie sich richtig große Patzer erlaubt. Uneingeschränkte Unterstützung kommt von der verarmten Mehrheit der Brasilianer*innen, vor allem im Norden und Nordosten, denen seine Sozialprogramme ein etwas angenehmeres leben beschert haben. Und auch die Unternehmer*innen wie die Finanzwelt stehen seiner Politik wohlwollend gegenüber, da sie ihnen in den vergangenen Jahren Stabilität und große Gewinne gebracht hat.

Selbstbewusst setzt der Präsident darauf, die kommenden Wahlen in ein Plebiszit zu verwandeln: Seine Politik gegen die seiner Vorgänger, oder das Modell Lula gegen das Modell von Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso von der rechten PSDB. Seit Wochen wetteifern die beiden darum, wessen Regierung erfolgreicher gewesen ist, wer mehr gebaut hat, wer einfach recht hat — Lulas Kapitalismus mit starkem Staat oder Cardosos Neoliberalismus.

Für die PSDB wird voraussichtlich Cardosos Ex-Gesundheitsminister José Serra zum Duell antreten. Die anderen Vorkandidat*innen haben kaum eine Chance, die Stichwahl zu erreichen. Auch nicht die beliebte Marina Silva, die nach Jahren an der Spitze des Umweltministeriums der Lula-Regierung vergangenes Jahr den Rücken kehrte, just weil Dilmas PAC-Politik ihr jeden politischen Spielraum genommen hatte.

Dennoch gab es für die PT-Strateg*innen auf dem Parteikongress noch Herausforderungen. Vor allem muss die breite Bündnispolitik — das Erfolgsrezept der zweiten Legislaturperiode Lulas — gegen Regionalinteressen in einigen Bundesstaaten durchgesetzt werden. Ohne das breite Bündnis, das rechte wie linke Parteien und korrupte wie integere Politiker*innen aller Couleur umfasst, könnte Dilma Rousseff keine stabile Regierung bilden. Wichtigster Koalitionspartner wird die Mitte-Rechts-Partei PMDB bleiben, so der Konsens der Parteikongresses.

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