Ohne ideologische Grenzen

von Andrea Martínez

(Montevideo, 05. November 2012, la diaria).- Die Militärapparate Argentiniens und Brasiliens arbeiteten aktiv bei der Unterdrückung der Bevölkerung während der Diktaturen beider Länder zusammen. Brasilien hatte sich trotz der Bitte der Vereinten Nationen geweigert, den Verfolgten der Diktaturregime seiner Nachbarstaaten Schutz und Zuflucht zu gewähren.

 

Kein Asyl für politisch Verfolgte

Es gestattete sogar dem argentinischen Militär zwei Stützpunkte zu errichten, um Regimegegner*innen, die sich auf brasilianischem Gebiet befanden, aufspüren und verhaften zu können.

Die brasilianische Tageszeitung O Estado de São Paulo gelangte an Dokumente des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), die offenlegten, dass die Militärregierung Brasiliens sich während der letzten Militärdiktaturen Südamerikas geweigert hatte, den politisch Verfolgten aus Uruguay, Argentinien und Chile Schutz zu gewähren. Gleichzeitig wurden mehr als 1.000 Personen aus Brasilien abgeschoben, die Anspruch auf Asyl gehabt hätten.

Alles weist darauf hin, dass kraft eines Abkommens beider Regierungen im Rahmen der Operation Condor, Brasilien die vom UNHCR unterstützten Schutzgesuche ablehnte und Hunderte politischer Flüchtlinge zurück nach Argentinien schickte, was laut der Vereinten Nationen als Verletzung der Menschenrechte gilt.

Nur vorübergehender Aufenthalt gewährt

Zwischen 1977 und 1982 hatten 3.300 Personen aus ganz Lateinamerika in Brasilien Asyl gesucht, davon kamen 90 Prozent aus Argentinien und Uruguay. Davon erhielten jedoch nur 1.380 Personen einen Status als politische Flüchtlinge unter der Bedingung, dass die UNO diese an „sichere Zufluchtsorte“ außerhalb des Landes bringen würde. Brasilien gestand dem UNHCR lediglich einen Zeitraum von sechs Monaten zu, um ein besseres Ziel für die Flüchtlinge zu finden, die währenddessen als „personas en tránsito“ („Personen auf der Durchreise“) galten.

„Die Regierung lehnt es weiterhin ab, unseren Flüchtlingen in Brasilien Asyl oder andere Arten von Aufenthalt zu gewähren“, beschwerte sich im Jahr 1979 der Vizepräsident des UNHCR, Rolf Jenny. Aus verschiedenen Dokumenten geht hervor, dass die brasilianische Regierung von den Repressionen wusste, denen die Regimegegner*innen der jeweiligen Länder unterworfen waren. Dennoch weigerte sie sich, den Betroffenen Schutz zu gewähren und empfahl dem UNHCR, diese woanders hin zu bringen, um sich der Verantwortung zu entziehen.

Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung verteidigt

Jair Krischke, Vorsitzender der Bewegung für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Brasilien (Movimiento de Justicia y Derechos Humanos de Brasil), wies in einem Interview mit la diaria daraufhin, dass sein Land „keiner Person Lateinamerikas Zuflucht oder Exil gewährte“, hingegen jedoch beispielsweise kubanischen Dissidenten. Er erinnerte sich, dass er 1981 zusammen mit dem UNHCR ein Schutzgesuch für vier Familien aus Uruguay, Chile, Argentinien und Paraguay eingereicht hatte, die „bis heute noch keine Antwort erhalten haben“.

Die brasilianische Regierung argumentierte damals, dass Brasilien kein Einwanderungsland mehr gewesen sei und die Integration der Flüchtlinge schwierig gewesen wäre. „In Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des Landes, dem Anstieg der Arbeitslosigkeit, der bereits hohen Zahl der illegalisierten Personen in Brasilien und der Tausende Kilometer langen Grenze, die Brasilien überwachen muss (um illegale Einwanderung zu verhindern), kommt die Regierung zu dem Schluss, dass es unangebracht wäre, den Flüchtlingen eine entgültige Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen“, erklärte 1984 ein brasilianischer Diplomat vor dem UNHCR.

Verfolgung auf brasilianischem Gebiet

Unter den internen Meldungen des UNHCR, an die O Estado de São Paulo gelangte, befinden sich Beschwerden von Personen „auf der Durchreise“, die in Brasilien verfolgt wurden. Zum Beispiel gaben die Argentinier*innen Horacio de la Paz und Laura de Carli an, dass sie von Soldaten ihres Landes auf brasilianischem Gebiet verfolgt worden seien. Der UNHCR bat daraufhin die holländische Regierung um Aufnahme der Verfolgten.

„Argentinien hatte zwei Stützpunkte in Brasilien, einen in Rio de Janeiro und einen weiteren in São Paulo“, so Krischke. In Uruguayana, im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Uruguay, „musste ganz einfach die Brücke überquert werden“. Die Existenz von argentinischen Stützpunkten in Brasilien geht auch aus den Dokumenten des UNHCR hervor.

In einer weiteren Meldung gab das Flüchtlingswerk der UNO zu verstehen, dass ein uruguayisches Paar in Porto Alegre eine ähnliche Situation erlebt hatte wie die beiden Argentinier*innen. Ihnen sei damit gedroht worden, zurück nach Uruguay geschickt zu werden, bis der UNHCR sie an einen anderen Ort gesendet hatte. Krischke meinte, es lägen zwar Informationen über den Fall des uruguayischen Paares vor, ihre Identität sei jedoch unbekannt.

Kaum Rücksendungen von Verfolgten nach Uruguay

Der Menschenrechtsaktivist wies darauf hin, dass der einzig bekannte Fall eines Uruguayers, der zurück nach Uruguay geschickt wurde, Óscar Pérez gewesen sei, der vom brasilianischen Militär verhaftet und „gegen Beleg“ der uruguayischen Polizei übergeben worden sei. Desweiteren habe seine Bewegung keinerlei Informationen über Uruguayer*innen, die in Brasilien verschwunden seien.

Einzige Ausnahme seien Lilián Celiberti und Universindo Rodríguez, die 1978 in Porto Alegre von uruguayischen Soldaten verhaftet worden waren und anschließend nach Montevideo gebracht werden sollten. Jedoch hätte das mutige Einschreiten von Journalist*innen der Zeitschrift Veja das Vorhaben zum Scheitern gebracht, als diese nach Erhalt eines Hinweises am Ort des Geschehens auftauchten und anschließend die Informationen veröffentlichten.

 

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