Menschenrechtspreis Gilberto Bosques verliehen

von Gerd Goertz

(Berlin, 01. Oktober 2013, poonal).- Am vergangenen Mittwoch, 25. September, wurde erstmals der gemeinsam von der französischen und deutschen Botschaft in Mexiko ins Leben gerufene Menschenrechtspreis Gilberto Bosques vergeben. Die Auszeichnung ging an Fray Tomás González Castillo, den Leiter der unten dem Namen „La 72” bekannten MigrantInnenherberge in Tenosique im Bundesstaat Tabasco.

Besondere Erwähnung für Gobixha und Felítcitas Martínez Solano

Keinen Preis, aber eine besondere Erwähnung gab es für die im Bundesstaat Oaxaca arbeitende Organisation „Komitee für die integrale Verteidigung der Menschenrechte Gobixha (Codigo DH)“ sowie für Felítcitas Martínez Solano, die sich als regionale Koordinatorin der Gemeindebehörden von San Luis Acatlán im Bundesstaat Guerrero ganz besonders für die Rechte der indigenen Frauen einsetzt. Alle drei Auszeichnungen gingen damit an Personen und Organisationen, die im Süden Mexikos arbeiten.

Die MigrantInnenherberge „La 72” liegt an einer Güterzugstrecke, die Richtung Landesnorden führt. Die mittelamerikanischen MigrantInnen, deren Ziel die USA sind, kommen meist zu Fuß über die nahe liegende Grenze mit Guatemala. Sie versuchen, in Tenosique auf die Güterzüge zu gelangen. Oft sind sie systematischen Menschenrechtsverletzungen durch das organisierte Verbrechen, aber auch Polizei und Migrationsbehörde ausgesetzt. In „La 72”, die unter anderem von der deutschen Hilfsorganisation medico international unterstützt wird, können sie sich bis zu drei Tagen von Erschöpfung, Krankheit oder Verletzungen erholen.

„Wahrer Katalog an Tragödien und Massakern“

Es gibt dort einen Schlafplatz für sie, medizinische Grundversorgung, Essen, Trinken und Kleidung. Sie können Wäsche waschen und mit ihren Angehörigen telefonieren. Aufgrund ihrer Arbeit vor Ort und ihrer öffentlichen Anklage der Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Migrant*innen hat es wiederholt Drohungen gegen Franziskanerpater Tomás und weitere Mitarbeiter*innen von „La 72” gegeben.

Fray Tomás nahm in seiner kurzen Dankesrede kein Blatt vor den Mund. Er sprach von einem „wahren Katalog an Tragödien und Massakern”, der die Migrant*innen nach dem Grenzübertritt erwarte. „Entführungen in verschiedenen Formen, Missbrauch und sexuelle Gewalt, Erpressung, … Tod und geheime Massengräber, Paramilitärs, die wie Hunde auf den Zug losgelassen werden, um den Weg dieser Bevölkerung zu stoppen, ständige Entgleisungen dieses Zuges, der die Menschen verstümmelt, umbringt und unter sich begräbt, die Liste ist lang. Und das Skandalöseste: All dies geschieht unter Einwilligung, Mithilfe, Gleichgültigkeit und Kollusion der Behörden. Von Unten angefangen bis in die höchste Spitze.”

Diplomat Gilberto Bosques rettete Menschen vor den Nazis

Sowohl die französische Botschafterin Elisabeth Beton Delègue als auch der deutsche Botschafter Edmund Duckwitz drückten sich bezüglich der Rolle der mexikanischen Behörden zwar diplomatischer aus. Doch auch sie erwähnten Folter, Mord, Missbrauch und Vergewaltigungen als Menschenrechtsverletzungen, die im aktuellen Mexiko keine Ausnahme sind. Unter diesen Umständen ließ sich lieber kein hochrangiger offizieller Vertreter der mexikanischen Regierung blicken.

Der Menschenrechtspreis wurde am Sitz der Menschenrechtskommission von Mexiko-Stadt verliehen. Der große Vorplatz der Kommission trägt wie der Menschenrechtspreis den Namen Gilberto Bosques. Bosques stellte als mexikanischer Konsul im nicht besetzten Teil Frankreichs von 1939 bis 1942 tausende Mexiko-Visa für Menschen aus, die vor den Nazis flüchteten oder sich nach der Niederlage der spanischen Republik vor dem Franco-Regime in Sicherheit zu bringen suchten.

Dabei setzte er sein eigenes Leben einem erheblichen Risiko aus. Ein 2010 über ihn gedrehter Film drückt in seinem Titel die Hoffnung der damaligen Migrant*innen aus: “Visum ins Paradies” (Visa al Paraíso). Die Zeiten ändern sich.

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