Die Diktatur lässt grüßen

von Markus Plate, Mexiko-Stadt

(Berlin, 06. September 2011, npl).- In Guatemala stehen mal wieder Präsidentschafts- und Kongresswahlen an. Das nächste Staatsoberhaupt wird in jedem Falle ein anderes sein. Alvaro Colom muss gemäß Verfassung nach vier Jahren seinen Hut nehmen.

 

 

 

 

Das Wahlvolk in Guatemala hat diese Ausgangslage seit Ende der Diktatur regelmäßig zum Anlass genommen, gleich die Regierungspartei mit auszuwechseln, die Wahlvereine Partei des Nationalen Fortschritts PAN (Partido de Avanzada Nacional), Guatemaltekische Republikanische Front FRG (Frente Repúblicano Guatemalteco), Große Nationala Allianz GANA (Gran Alianza Nacional) und jetzt die Nationale Union der Hoffnung UNE (Unidad Nacional de la Esperanza) durften bereits vier Jahre an Macht und Geldtöpfen schnuppern, die Patriotische Partei PP (Partido Patriota) steht mit dem Ex-General Otto Pérez Molina in den Startlöchern.
 

Beste Chancen für Ex-Militär und Genozid-Leugner Molina

Seit Sandra Torres, Ex-Gattin von Noch Präsident Colom, von Präsidentschaftswahlen am 11. September ausgeschlossen wurde, ist Ex-Militär, Harte-Hand-Rabauke und Genozid-Leugner Otto Pérez Molina einsamer Favorit.

Lange sah es so aus, als ob die Kandidatin der aktuellen Regierungspartei UNE, Sandra Torres, bis vor kurzem noch Ehefrau des amtierenden Präsidenten Alvaro Colom, eine reale Chance gegen den vor vier Jahren knapp unterlegenen Otto Pérez Molina haben würde, den Politrambo und Chef der Patriotischen Partei. Doch im Juli bestätigte nach langem juristischen Hickhack der Oberste Verfassungsgerichtshof endgültig die Entscheidung des Wahlrates, Sandra Torres eine Kandidatur bei den Wahlen zu verwehren. Es verwies auf Artikel 186 der Verfassung, der es allen mit dem aktuellen Staatschef verwandten Familienangehörigen verbietet, für die Präsidentschaft zu kandidieren. Die Coloms hatten versucht, über eine Last-Minute-Scheidung ein als Verwandtschaft interpretierbares Verhältnis zu beenden. Doch dieser Schachzug wurde weder von der Öffentlichkeit, noch von der Justiz goutiert.

„General des Friedens“ hat einiges auf dem Kerbholz

Seit die einzige ernstzunehmende Konkurrentin für den Umfragekönig Otto Pérez Molina aus dem Rennen ist, ist der Weg wohl frei für den „General des Friedens“, als der sich der Ex-General gerne bezeichnet, seit er bei den Friedensabkommen 1996 den guatemaltekischen Staat repräsentierte. Zumal die guatemaltekischen Medien mit dem 60-Jährigen mehr als gutmütig umgehen. Dabei scheint diese Personalie erheblich fragwürdiger als die nun als Kandidatin eliminierte Sandra Torres.

Ein Blick in den Lebenslauf von Otto Pérez lässt doch ernsthafte Zweifel an dessen Demokratiefähigkeit aufkommen: Seine Karriere begann 1973 mit dem Abschluss der Militärausbildung an der Escuela Politécnica. In der dunkelsten Zeit der Militärdiktatur 1978-1982 galt er als einer der Vertrauten des damaligen Junta-Chefs, General Lucas García. Danach, zu Beginn der 1980er Jahre kommandierte der angebliche „General des Friedens“ die Militärbasis El Quiché, die Region, in der in der Zeit danach die meisten Massaker an der indigenen Bevölkerung verübt wurden.

Er war zwischen 1991 und 1993 Chef des Militärgeheimdienstes G-2, der Terrormaschine während der Diktatur. Und auch der Posten als Chef des Estado Mayor Presidencial“ (EMP) von 1993-1996, der Sondereinheit des Militärs zum Schutz des Präsidenten und seiner Familie, wirft Fragen auf: Während des bewaffneten Konfliktes war die EMP neben der G-2 einer der wichtigsten staatlichen Einheiten, denen Entführungen, Folter und Morde vorgeworfen wurden. Im Jahr 2000 war Pérez Molina dann Gründungsmitglied der Patriotischen Partei, einem Zusammenschluss aus (Ex)Militärs und extrem rechten Politikern, seit 2004 ist er Kongressabgeordneter und im Jahr 2007 unterlag er als Kandidat um die Präsidentschaft Guatemalas.

Molina leugnet Genozid im Bürgerkrieg

Für den Kandidaten Otto Perez Molina sind Vorwürfe mit Blick auf seine Vergangenheit nichts als Schmutzkampagnen, die interessierte Kreise auch dieses Jahr wieder hervorholten, um ihn um jeden Preis von der Präsidentschaft fernzuhalten. Perez Molina bestreitet, an Menschenrechtsverbrechen beteiligt gewesen zu sein und fordert diejenigen, die ihn anklagen auf, Beweise vorzubringen und Zeug*innen zu nennen.

Oder er leugnet, wie im Falle des Vorwurfs, verantwortlich für Massaker im indigenen Department Quiché gewesen zu sein, dass es in Guatemala überhaupt einen Völkermord gegeben hat. In einem der wenigen kritischen Interviews, dass das Internetmedium „PlazaPública.com.gt“ mit dem Kandidaten gelang sagt er, Die EGP, die innerhalb der URNG-Guerrilla operierende Guerilla-Armee der Armen, habe ganze Familien in ihren Reihen gehabt, sogar Kinder und Frauen und somit die Bevölkerung bewaffnet. Die Massaker in Quiché seien geschehen, „weil dort Menschen an Guerilla-Aktionen beteiligt und auf dem Schlachtfeld waren.“ Da also die hingemetzelten Dorfbewohner*innen bewaffnete Guerilleros und direkte Kriegsteilnehmer*innen waren, habe es keinen Genozid gegeben, so die Logik des Ex-Generals. Und er, Pérez Molina, der damalige Kommandeur, habe niemals einen Befehl zur Auslöschung indigener Dörfer erhalten und hätte eine solchen, wie die Mehrheit der Offiziere, auch niemals ausgeführt.

Politik der „harten Hand“ findet Anklang

Dass sich die veröffentlichte Meinung in Guatemala monatelang über die Kandidatin Sandra Torres empört, und sich nur in seltenen Ausnahmen um die Rolle eines der Aushängeschilder der Diktatur kümmert, wirft einen weiteren dunklen Schatten auf die Verfasstheit der guatemaltekischen Demokratie. So darf der Kandidat Pérez Molina die Armee auch weiterhin als einzige ehrenwerte Institution des Landes loben, auch wenn sich die Indizien verdichten, dass diese Institution ebenfalls nicht nur punktuell mit den Drogenkartellen zusammenarbeitet.

Da mögen Armeewaffen in den Händen der Narcos auftauchen, da mag gesichert sein, dass zumindest eine Landebahn der Luftstreitkräfte regelmäßig von Narcos benutzt worden ist: Für Otto Pérez Molina werde da wieder einmal an dem „großen Mythos“ gestrickt, „dass die Armee ein Hort der organisierten Kriminalität sei.“ Es gelte Unschuldsvermutung, sagt der Kandidat, fordert Beweise und verspricht, dass diese dann auch zu Urteilen führen würden. Ganz die harte Hand, die „Mano Dura“, hundert Prozent Rechtsstaat und Null Prozent Straflosigkeit, für die Pérez Molina auch diesmal sorgen will, so er denn endlich Präsident wird. Nach dem Vorbild Álvaro Uribes, als dessen großer Bewunderer sich Pérez Molina outet. Das freut die Mittelschicht, die sich ein bisschen Sicherheit vor der überbordenden Gewalt erhofft.

PP glänzt mit Blockade-Politik gegen die Regierung Colom

Die Rhetorik erfreut viele in Guatemala: Ehemalige und aktuelle Militärs, die wenig zu befürchten haben unter einem Präsidenten Otto Pérez. Oder die Unternehmer*innen, denen die aktuelle UNE-Regierung ein Graus ist – viele wichtige Geschäftsleute stehen auf der Kandidatenliste der PP für den Kongress. Ihnen allen hat die Partei des Kandidaten Otto Pérez Molina in der aktuellen Legislaturperiode wertvolle Dienste geleistet: Ob die Gesetzesinitiative zur Eindämmung der Steuerhinterziehung oder zur Reform der Einkommenssteuer, ob eine Besteuerung von Telekommunikationsunternehmen, wie auch jeder Fortschritt in der Strafverfolgung, die Pérez Molina angeblich so am Herzen liegt: Nicht wenige guatemaltekische Beobachter*innen analysieren, dass die patriotische Partei bei allen Initiativen mauerte und dabei so erfolgreich mit Regierungsabweichler*innen und anderen Oppositionsparteien kungelte, dass gesetzlich kaum etwas lief in der Regierungszeit von Alvaro Colom.

Kaum Gegenwind

Nach dem Ausschluss von Sandra Torres von der (noch) regierenden UNE käme es einem Wunder gleich, wenn bei einer so nachsichtigen Öffentlichkeit der ehemalige General die Wahl noch verlöre. Allein Manuel Baldizón scheint im Stande, Otto Pérez zumindest in eine Stichwahl zu zwingen. Baldizón ist einer der wenigen Politiker, die nicht aus der Hauptstadt stammen, sondern aus der Provinz. Als Kongressabgeordneter und jetzt Kandidat genießt er eine gewisse Bekanntheit vor allem durch seinen Einsatz für ein Gesetz zur Unterstützung von Pensionären.

Er gilt als einer der profiliertesten und gemessen an Gesetzesinitiativen auch fleißigsten Politiker. Und er kann, als ehemaliges UNE-Mitglied, auf nennenswerte Unterstützung aus dem gegenwärtigen Regierungslager zählen, seit dieses ohne Kandidatin dasteht. Alle anderen Kandidat*innen, auch die Trägerin des Friedensnobelpreises Rigoberta Menchú, gelten als chancenlos. Seit dem Ausschluss von Sandra Torres ist es daher gut möglich, dass Otto Pérez Molina bereits in der ersten Runde am 11. September das Rennen macht, dann nämlich, wenn er aus dem Stand die 50 Prozent-Marke knackt.

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