Pantanal – Unruhe im Paradies

von José Pedro Martins

(Fortaleza, 16. Februar 2011, adital).- Das Pantanal ist ein riesiges Sumpfgebiet von 147,574 km² Fläche und Teil eines noch größeren Gebietes: des Beckens von El Alto Paraguay. Allein in Brasilien nimmt letzteres eine Fläche von 362,376 km² ein und ist damit doppelt so groß wie Uruguay.

Auch wenn im Pantanal bisher nur 15 Prozent der ursprünglichen Vegetation abgeholzt wurden und es damit das am besten erhaltene der sechs in Brasilien vorkommenden Makro-Ökosysteme (Biome) ist – andere Biome sind etwa Amazonien oder die Pampa – so weist es dennoch bereits ernstzunehmende Zeichen der Zerstörung auf. So werden Kaimane weiterhin rücksichtslos abgeschlachtet und das Fehlen einer sachgerechten Müllentsorgung eines Großteils der städtischen Abfälle ist ein großes Problem.

Wirtschaftliches Interesse am UNESCO-Weltnaturerbe nimmt zu

Das zunehmende wirtschaftliche Interesse an der südwestlichen Region des Landes beunruhigt Umweltschützer*innen, Wissenschaftler*innen und vor allem deren Bewohner*innen, die gemeinsam auf der Suche nach einer nachhaltigen Entwicklung für diesen Teil Brasiliens sind. Im Gegensatz zum Amazonasgebiet wird dem Pantanal – dem größten Feuchtgebiet der Erde, das sich über die Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul erstreckt – sowohl international als auch seitens der brasilianischen Gesellschaft bisher leider nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Und dies, obwohl das Pantanal als Weltnaturerbe und Biosphärenreservat der UNESCO gilt.

Allerdings hat das Ministerium für Wissenschaft und Technologie in den letzten Jahren zwei neue wissenschaftliche Einrichtungen geschaffen, die direkt oder indirekt auf die Region ausgerichtet sind. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass das Pantanal einen immer wichtigeren Stellenwert in der wissenschaftlichen Agenda Brasiliens einnimmt. Bei den neu gegründeten Institutionen handelt es sich um das Forschungszentrum des Pantanal mit Sitz an der Universität von Mato Grosso UFMT (Universidade Federal de Mato Grosso) in Cuiabá und das Institut für Wissenschaft und Technologie in Feuchtgebieten, ebenfalls koordiniert durch die UFMT.

Die große Frage ist allerdings, wie sich das Pantanal auf nachhaltiger Basis entwickeln könnte und dabei seine beeindruckende Biodiversität und die natürlichen Ressourcen erhalten bleiben. Zudem muss festgelegt werden, wie die Viehzucht in der Region weiterentwickelt werden soll.

Potential ökologisch-zertifizierter Viehzucht

Viehzucht gibt es im Pantanal bereits seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Doch anders als im Amazonasbecken kam es im Pantanal nicht zur intensiven Abholzung, um Weideflächen zu gewinnen. Dies zeigt eine Studie des brasilianischen landwirtschaftlichen Forschungsunternehmens Emprapa – Pantanal (Empresa Brasileira de Pesquisa Agropecuaria), an der verschiedene Nichtregierungsorganisationen (NRO) teilgenommen haben. Der Viehbestand des Pantanal zählt fast vier Millionen Tiere. Zwei Prozent des brasilianischen Rindfleischs werden hier produziert. Insgesamt weist Brasilien mit 200 Millionen Rindern einen der größten Bestände weltweit auf.

Das Vieh in den Sumpfgebieten ernährt sich von natürlichem und angebautem Weidegras, aber auch in der Trockenzeit ist das Nahrungsangebot groß. Die Tiere suchen ihre Nahrung sogar in den „capões“, den verstreuten, inselartigen Baumgruppen, die Dutzende von Pflanzenarten beherbergen.

Auch ökologische Viehzucht werde im Pantanal bereits betrieben und es zeige sich eine starke Tendenz, diese auszubauen, so Leonardo Leite de Barros, Präsident des brasilianischen Verbands für ökologische Viehzucht ABPO (Associação Brasileira de Pecuária Orgânica). „Der bewusste Konsum ist hierher gelangt, um zu bleiben“, unterstrich er während eines runden Tisches des V. Symposiums über natürliche und sozioökonomische Ressourcen im Pantanal, das Ende 2010 in Corumbá, im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, stattfand.

“Fische haben mich schon immer begeistert”

„Fische haben mich immer schon begeistert“, gesteht die Wissenschaftlerin Dr. Emiko Kawakami de Resende, die 1985 für das Unternehmen Embrapa – Pantanal zu arbeiten begann und heute die Einrichtung leitet. Kawakami erklärt, dass es in jenen Jahren zu großen Fortschritten im Wissen um das Pantanal gekommen sei, dank der Anstrengungen von Forscher*innen und Einrichtungen wie Embrapa – Pantanal, der Universität von Mato Grosso do Sul UFMS (Universidade Federal de Mato Grosso do Sul), der UFMT aber auch anonym gebliebenen Personen oder solch großherzigen Naturen wie Américo Sousa.

Der 62-jährige Sousa, Fischer seit seinem zwölften Lebensjahr, weiß „alles“ über die Dynamik der Flüsse des Pantanal. Sein Wissen teilt er seit mehr als zwei Jahrzehnten mit den Forscher*innen, die er bei ihren Untersuchungen unterstützt. Den Flüssen und den Fischen, sagt Sousa, Vater von sieben Kindern, habe er „alles zu verdanken“.

Hoffnung auf nachhaltige Entwicklung

Es sind Personen wie er, die neue Perspektiven für das Pantanal begünstigt haben. Damit bietet sich die Chance, Wege wirklich nachhaltiger Entwicklung zu gehen und die Besonderheiten des Bioms und wie auch die Bedürfnisse, Träume und Herausforderungen seiner Bevölkerung dabei zu berücksichtigen. Die Bewohner*innen des Pantanal lieben dessen Flüsse, Tiere und das Leben in der Region – doch gibt es zahlreiche Problemfelder.

Diese traten bei einer Umfrage der UFMS, die der Agraringenieur Marcos García de Henrique dos Anjos unter 35 Familien und weiteren 198 Einzelpersonen durchführte, deutlich hervor. Die Interviewpartner*innen von García lebten direkt oder indirekt vom traditionellen Fischfang in Porto Murtinho, im Bundesstaat Mato Grosso do Sul.

Stadt-Land-Gefälle und fehlende Eigentumstitel

Dort hatten 57 Prozent der Landbevölkerung kein Eigentumszertifikat für ihre Häuser, 21 Prozent der Bewohner*innen lebten in Häusern, die ihnen überlassen worden waren. In den Stadtgebieten besaßen 57 Prozent der Einwohner*innen über ein Eigenheim, doch nur 5 Prozent der Häuser verfügte über einen Anschluss an ein Abwassersystem. Fast die Hälfte der Häuser hat Klärgruben. Ähnlich drastisch sind die Unterschiede auch bei der Trinkwasserversorgung: 64 Prozent der ländlichen Bevölkerung konsumierten Brunnenwasser, in der Stadt hingegen bezogen 95 Prozent der Befragten ihr Trinkwasser über die staatliche Trinkwasserversorgung.

Immer öfter kommt im Zusammenhang mit der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen in Biomen wie dem Pantanal die sozioökonomische Kartierung zur Anwendung. Eine derartige Arbeit wurde von Cristhiane Oliveira de Graça Amânciom und weiteren Autorinnen aus dem Bereich Agrarbiologie des Forschungsunternehmens Embrapa über die Bevölkerung der Ufergemeinde Castelo in Corumbá verfasst. Dabei wurde festgestellt, dass 59 Prozent der Befragten nur die Grundschule besucht hatten, der lokale Markt noch immer hauptsächlich auf dem Tauschhandel basiert und Fisch aufgrund des Rückgangs der Viehzucht zu einer immer wichtigeren Quelle für tierisches Eiweiß wird.

„Wie auch andere befragte Gemeinden, hat diese Gemeinde unter dem Fehlen einer öffentlichen Politik im Interesse der Uferbewohner*innen gelitten“, so das Resümee der Autorinnen der Studie.

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