Biopiraterie: Nagoya-Protokoll mit Schlupflöchern

von Andreas Behn, Nagoya

(Berlin, 29. Oktober 2010, npl).- Nach zähen Verhandlungen ist es bei der UN-Konferenz über Artenschutz in Nagoya doch noch zu einem Durchbruch gekommen. In einem Gesamtpaket wurden ein strategischer Plan bis 2010, Finanzierungsmechanismen und das Protokoll über Biopiraterie verabschiedet. Letzteres war in Verlauf des Freitags nach einem Konsensvorschlag von Gastgeber Japan möglich geworden. Das sogenannte Nagoya-Protokoll soll den Zugang und die Vorteilsaufteilung bei genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen rechtlich bindend regeln. Das Feilschen um Formulierungen und konkrete Zielvorgaben hat allerdings zur Folge, dass die Richtlinien für zukünftige ökologische Maßnahmen großen Spielraum für Interpretationen lassen.

Inhaltsleere Kompromisse

Schon lange vor Ende dieser 10. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zu Biologischer Vielfalt CBD war abzusehen, dass nur wenig konkrete Ergebnisse, aber viele inhaltsleere Kompromisse von den 193 Delegationen beschlossen werden würden. Insbesondere der zentrale Interessenkonflikt zwischen Entwicklungs- und Industrieländern konnte nicht überwunden werden.

Aber auch diverse nationale Sonderwünsche erschwerten die Verhandlungen der COP-10. So wurde beispielsweise tagelang über das Problem debattiert, wie damit umgegangen werden kann, dass Indien und China als einzige Staaten das traditionelle Wissen indigener Gemeinden als öffentliches Gut definieren, weswegen kommerzielle Gewinne daraus nicht den spezifischen Gruppen, sondern dem Staat als ganzes zugute kommen.

Indigene Rechte erstmals in Abschlussdokument

Karmen Boscán, kolumbianische Vertreterin der Indigenen und der lokalen Gemeinden während der COP-10, sieht einen Erfolg ihrer Lobbyarbeit darin, dass ihre Rechte und ihr Beitrag zum Erhalt der Biodiversität an mehreren Stellen des Abschlussdokuments erwähnt werden: „Erstmals sind indigene Rechte und traditionelles Wissen im Rahmen einer völkerrechtlichen Konvention wie der CBD in einem solchen Ausmaß zur Kenntnis genommen worden“, so Boscán. Allerdings sei ein effektiver Schutz dieser traditionellen Kenntnisse und der genetischen Ressourcen vor kommerzieller Ausbeutung und Biopiraterie mit den Beschlüssen von Nagoya keineswegs gesichert.

Der strategische Plan zum Erhalt der Biologischen Vielfalt bis 2020 ist nach Meinung von Beobachter*innen aus dem NRO-Spektrum in vieler Hinsicht unzureichend, um das rasante Artensterben auf dem Planeten aufzuhalten. Zwar gebe es Einigkeit über Maßnahmen wie die Einrichtung von Naturschutzgebieten, den Schutz der Meere und Küsten und Anreize für einen nachhaltigen Umgang mit Wäldern und ökologischen Nischen. Das Maß jedoch, in dem sich die Vertragsstaaten zu solchen Schutzmaßnahmen verpflichten wollen, sei nicht auf einen Nenner zu bringen, beklagt die CBD-Alliance, ein Netzwerk von NROs und Umweltaktivist*innen.

Finanzierung des Aktionsplans unklar

Dieser zumindest teilweise ambitionierte Aktionsplan 2020 leidet vor allem daran, dass sich die Staaten nicht auf die Bereitstellung ausreichend neuer Mittel für dessen Umsetzung einigen konnten. Stattdessen wurde die Definition solcher Finanzierungsmechanismen schlicht bis zum COP-11 verschoben, die in zwei Jahren in Indien stattfinden wird. „Obwohl allen bewusst ist, dass das Scheitern des Aktionsplans 2010, der das Artensterben seit dem Jahr 2000 bremsen sollte, auf fehlende Finanzmittel zurückzuführen ist, gab es in dieser Frage nur wenige Fortschritte,“ beklagt die CBD-Alliance. Die Forderung Brasiliens, sich auf 200 Milliarden jährlich festzulegen, wurde insbesondere von der EU mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass eine Festlegung auf konkrete Zahlen nicht machbar sei.

Zwiespältige Rolle Brasiliens

In der Frage der Agrotreibstoffe konnten sich die großen Agrarexporteure wie Brasilien durchsetzen. Der Konsenstext enthält nur noch im Ansatz den Hinweis, dass bei der Förderung dieses Sektors das Vorsichtsprinzip beachtet werden sollte. Damit fällt der Beschluss hinter die Richtlinien der COP-9 2008 in Bonn zurück, obwohl sich die Umweltschäden durch Monokulturen – wie vorhergesagt – ausgebreitet haben.

Zugleich hat diese zwiespältige Haltung Brasiliens die Gruppe der Länder des Südens geschwächt. Die Strategie, beim Agrosprit gemeinsame Sache mit den Industriestaaten zu machen, hat seine Verhandlungsposition als Sprecher der Staaten, in denen die meisten biologischen Ressourcen beheimatet sind, beispielsweise beim Thema Biopiraterie, geschwächt.

So endeten die intensiven Verhandlungen um das internationale Gesetzeswerk zur Biopiraterie nun mit einem Kompromiss. „Das Protokoll ist so löchrig, dass es in der Praxis Biopiraterie legalisieren wird. Und statt die indigenen Gemeinden gerecht an den Gewinnen aus dem Handel mit ihren Ressourcen zu beteiligen, wird das Patentrecht gestärkt“, fasst die CBD-Alliance das Ergebnis zusammen.

Tipp: Radioreportage (Von Andreas Behn)

UN-Konferenz streitet über Biopiraterie

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