Die politische und sozioökonomische Krise in Haiti

(Caracas, 14. Februar 2019, teleSUR).- Seit dem 7. Februar 2019 erlebt Haiti abermals heftige Proteste, zu denen die Opposition der Regierung von Jovenel Moise aufgerufen hat. Die Proteste finden ihm Rahmen der politischen und sozioökonomischen Krise statt, die das karibische Land durchlebt. Einer Krise, die durch Fälle von Korruption und Verschwendung sozialer staatlicher Mittel hervorgerufen wurde.

Momentan wird von acht Todesopfern berichtet, die Opposition spricht von 50 Toten. Die Zahlen sind aber noch nicht bestätigt. Von offiziellen Stellen wurden bisher auch keine Aussagen über die Anzahl der Toten und die Todesursachen gemacht. Währenddessen gehen die Proteste weiter. Einige Botschaften haben die Evakuierung ihres diplomatischen Personals angekündigt.

Gründe und Forderungen der Proteste

Die Demonstrierende verlangen den sofortigen Rücktritt von Präsident Jovenel Moise und seiner Regierung. Außerdem fordern sie umgehende Maßnahmen zur Bekämpfung der wichtigsten Probleme, unter denen die Bürger*innen leiden. Die Demonstrant*innen prangern die schlimme soziale Situation an und die Verschlechterung der öffentlichen Versorgung, die im direkten Zusammenhang mit der Misswirtschaft der Regierung stehen. Ende November 2018 bestätigte ein Bericht des Obersten Rechnungshofes, dass mehr als zwei Milliarden US-Dollar, die für Sozialausgaben bestimmt waren, von ca. 15 Ex-Regierungsbeamt*innen Haitis veruntreut worden waren.

Außerdem fordern die Demonstrierenden die Senkung der Lebenshaltungskosten. „Die Haitianer*innen leben von der Hand in den Mund. Ich bekomme sehr viel Druck von meinen Wähler*innen, die mich um Hilfe bitten und mich darauf aufmerksam machen, dass ihre Vorräte an Trinkwasser und Essen zu Ende gehen. Sie bekommen Panik. Es kann sein, dass wir nicht weit von einer Art humanitärer Krise entfernt sind. Das ist eine Tatsache. Und es ist ernst“, erklärte Jerry Tardieu, Abgeordneter der Gemeinde Pétionville, einem Vorort der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince.

Hintergrund: Erhöhung der Benzinpreise

Im Juli 2018 gingen die Haitianer*innen auf die Straße, um gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise zu demonstrieren. Diese Maßnahme hatte die Regierung im Februar 2018 mit dem Internationalen Währungsfond vereinbart. Die Situation führte zum Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten Jack Guy Lafontant. Im August ernannte Präsident Jovenel Moise den Notar und Ex-Präsidentschaftskandidaten Jean-Henry Céant zu dessen Nachfolger.

Aktuelle sozioökonomische Situation Haitis

Haiti ist auch weiterhin das ärmste Land Amerikas. Laut Daten der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik Cepal (Comisión Económica para America Latina y el Caribe) wuchs die haitianische Wirtschaft um nur 1,4 Prozent und verzeichnet damit eine der geringsten Wachstumsraten der Region. Seit Jovenel Moise an die Macht gekommen ist, beklagt das karibische Land ein Haushaltsdefizit von mehr als 86 Millionen US-Dollar. Die Inflation liegt bei mehr als 15 Prozent und der Verlust der Landeswährung gegenüber dem US-Dollar bei mehr als 20 Prozent. Dem Präsidenten gemäß erhalte das Land mehr als drei Milliarden Dollar, während es für ungefähr eine Milliarde Dollar importiert. Zu all dem kommt eine permanente, politische Instabilität und humanitäre Katastrophen, wie das Erdbeben im Jahr 2010, welches einen großen Teil der Infrastruktur das Landes zerstört hat.

Haiti – ein Land unter Verwaltung anderer

Seit 2004 wurde die karibische Nation mehrfach Opfer von Missbrauch durch internationale Missionen – unter anderem von der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti MINUSTAH (Mission des Nations Unies pour la stabilisation en Haïti). Nach dem Erdbeben im Jahr 2010 brach eine Cholera-Epidemie aus, die nepalesische Blauhelm-Soldaten eingeschleppt hatten.

„Die MINUSTAH ist eine Besatzungstruppe, die zum Ziel hat, den Transnationalen institutionelle Stabilität und den Fortbestand des Modells der Rohstoffausbeutung zu garantieren“, erklärte der Journalist Fernando Vicente Prieto dem russischen Fernsehsender Russia Today. Er fügte hinzu, dass die Anwesenheit der Blauhelme auch die „Nichtregierungsorganisationen begünstigt, da diese diejenigen sind, die die vermeintlich humanitären Hilfsfonds verteilen“. Tausende US-Dollar aus dem Ausland kommen jedoch nie bei der Bevölkerung an, sondern bleiben in Händen von Unternehmern, Zivilbehörden und dem ausländischen Militär. So zum Beispiel im Falle der Clinton-Stiftung, die bereits mehrfach beschuldigt wurde, 30 Millionen US-Dollar, die für den Fonds zum Wiederaufbau von Haiti bestimmt waren, unterschlagen zu haben.

Der haitianische Anführer der Bauernbewegung Jean-Baptiste Chavanne, erklärte seinerseits, dass das Land „vollkommen abhängig ist von internationaler Hilfe. Zum einen von imperialistischen Regierungen und zum anderen von internationalen Finanzinstitutionen“. Er sagte, es handele sich um eine strukturelle Krise „des kapitalistischen Systems sowie der Regierung Haitis“. „Die Vorgänger-Regierungen haben alles privatisiert. Jetzt soll der Rest folgen – bis hin zu Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung“, fügte Chavanne hinzu.

Die Antwort der Regierung auf die Proteste

Der Präsident Haitis, Jovenel Moise, hat die Opposition zum Dialog aufgefordert, um einen Ausweg aus der politischen und sozioökonomischen Krise zu suchen. „Wir müssen offen diskutieren. Ich möchte heute sowohl der radikalen als auch der gemäßigten Opposition meine Hand reichen, um Lösungen für den Frieden und die Stabilität zu finden“, sagte er am 9. Februar 2018. „Ich habe die Wahlen gewonnen und wenn jemand die Macht übernehmen möchte, muss er sich zur Wahl stellen“, fügte er hinzu. „Wir können handeln und Schritte unternehmen, um den Spekulationen Einhalt zu gebieten. Wir haben bereits Maßnahmen ergriffen, um das Haushaltsdefizit zu senken. Ich bin bereit zu diskutieren, um die Stabilität zu bewahren“, versicherte der Präsident.

Am 6. Februar hat die Regierung den wirtschaftlichen Notstand ausgerufen. Diese Maßnahme beinhaltete die Senkung der Kosten für Grundnahrungsmittel und den verbesserten Zugang zu Krediten für Kleinunternehmer*innen, um die Folgen der Krise abzufedern.

Übersetzung: Heike Ermert

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