Zeitbombe: anhaltender Gold- und Silberrausch in Mexiko

von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt

(Berlin, 11. September 2011, npl).- Fortuna Silver Mines hatte am 1. September eine gute Nachricht für seine Aktionär*innen und Kund*innen. In einer Presserklärung gab sich der kanadische Konzern erfreut, dass die „die kommerzielle Produktion in der Gold- und Silbermine San José in Oaxaca begann“. Noch in diesem Jahr sollen dort 520 000 Unzen Silber und 4 600 Unzen Gold gefördert werden. Für 2012 ist die dreifache Menge anvisiert. „Dies ist ein Meilenstein für Fortuna. Unser gesamtes Unternehmen hat eine außergewöhnliche Performance gezeigt. Besonders erwähnen wir unser Team in San José.“

Goldsegen für Silver Mines in San José Progreso

Die Euphorie verwundert wenig. Bei den aktuellen Gold- und Silberpreisen ist die Gewinnspanne riesig. Fortuna Silver Mines gibt die eigenen Kosten pro Unze Silber mit 5,04 US-Dollar an. Derzeit erzielt die Unze Silber einen Marktpreis von etwa 40 US-Dollar. Der Preis für die Feinunze Gold erreichte in den vergangenen Monaten immer neue Rekordhöhen und pendelt derzeit um 1800 US-Dollar, während die Produktionskosten leicht über 300 US-Dollar liegen dürften. Es lässt sich ausrechnen, dass die Konzerninvestion von 55 Millionen US-Dollar sich bereits im kommenden Jahr amortisiert haben wird.

Was die Presseerklärung von Fortuna Silver Mines nicht erwähnt: Die Förderung der Edelmetalle geschieht gegen den Willen eines großen Teils der BewohnerInnen von San José Progreso. Deren Proteste wurden in den zurückliegenden Jahren mehrfach gewaltsam von Polizeikräften unterdrückt. Erst vor wenigen Tagen gab es passend zum Förderbeginn wieder vorübergehende Verhaftungen.

Bergbau mit Trickserei und Polizei durchgesetzt

Der Konflikt hat eine gespaltene Dorfgemeinschaft hinterlassen. Viele, die ihre Grundstücke dem Konzern verkauft oder auf 30 Jahre für relativ wenig Geld verpachtet haben, fühlen sich heute ausgetrickst. Sauber wolle das Unternehmen produzieren und die täglich benötigten 600 000 Liter Wasser dem Wasserkreislauf wieder zu 100 Prozent zuführen, versicherte der Manager Manuel Ruiz Conejo im August der Tageszeitung La Jornada. Angesichts der Erfahrungen mit anderen Bergbauprojekten in Mexiko eine Aussage, an der Zweifel erlaubt sind.

Die Mine in San José ist ein Beispiel von vielen. Es gibt nun schon über mehrere Jahre hinweg eine wahre Offensive vor allem internationaler Bergbaukonzerne in Mexiko. Von den knapp 300 im Land operierenden ausländischen Unternehmen mit Minenkonzessionen kommen etwa drei Viertel aus Kanada. Diese Zahlen vermitteln allerdings einen ungenauen Eindruck. Die Unternehmen sind untereinander stark verflochten. Hinter einer Vielfalt von Namen verbergen sich oft wenige große Konzerne.

Wegen der aktuellen Weltmarktpreise steht die Ausbeutung der Gold- und Silbervorkommen eindeutig im Vordergrund. Sie beschränkt sich jedoch nicht darauf. Auf den ersten Blick handelt es sich vielfach um die Reaktivierung alter Gold- und Silberminen. Deren Geschichte reicht zum Teil bis auf die Kolonialzeit zurück. Doch die neuen Konzessionen umfassen viel umfangreichere Gebiete. Es scheint so, als könne die mexikanische Regierung das nationale Territorium nicht schnell genug in Konzession vergeben.

Bereits Konzessionen für 50 Mio. Hektar Land vergeben

Alejandro Villamar von der Koordination des Mexikanischen Netzwerkes der Bergbaugeschädigten (REMA) rechnete bereits im vergangenen Jahr die offiziellen Zahlen nach. Aufgrund des Vergabewahns bestehen inzwischen für etwa 50 bis 55 Millionen Hektar des mexikanischen Bodens Schürfrechte. Gut 13 Millionen Hektar betreffen direkt – das heißt ohne vorgeschobene Unternehmen und Strohmänner – die Rechte ausländischer Konzerne. Um sich die Dimensionen klar zu machen: 50 Millionen Hektar entsprechen etwas mehr als einem Viertel des gesamten Staatsgebietes und deutlich mehr als beispielsweise der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Würden die Schürfrechte alle genutzt, gliche Mexiko heute schon einer einzigen Stollen- und Kraterlandschaft.

Trend geht zum offenen Tagebau

Aus dem Ausland kommt eine Technologie, die die koloniale Minenausbeutung wie eine Sandkastenbuddelei erscheinen lässt. Statt Stollen zu treiben, wird heute der weitaus radikalere und die Umwelt stärker schädigende offene Tagebau bevorzugt. Ganze Berge werden innerhalb kurzer Zeit von riesigen Schaufelradbaggern abgetragen, gesprengt und zermahlen – in den großen Minen mehrere tausend Tonnen pro Tag. Die Edelmetalle werden unter hohem Wasserverbrauch mit giftigen Substanzen wie Blausalzsäure (Zyanid) und Quecksilber aus dem Gestein gelöst. Die neue Technologie verlangt vor allen Dingen den intensiven Einsatz von Maschinen, der Personaleinsatz dagegen ist relativ gering. Die von Unternehmen und Regierungspolitikern behaupteten positiven Auswirkungen auf die Beschäftigung sind daher mehr als zweifelhaft.

Dennoch können die Konzerne letztendlich immer auf das Entgegenkommen und maßgeschneiderte Lösungen der staatlichen Autoritäten hoffen. Dem Bergau wird Priorität vor der Landwirtschaft eingeräumt. Umweltauflagen werden mit Duldung der Behörden verletzt oder sind nur ein vorübergehendes Hindernis.

Naturschutzgebiete einfach umdeklariert

So im Falle der Gold- und Silbermine Cerro de San Pedro im Bundesstaat San Luis Potosí. Eine breite Protestbewegung kämpft dort seit Jahren gegen das Unternehmen Minera San Xavier, eine Tochter des kanadischen Konzerns New Gold. Gegen die Schließung durch die mexikanische Umweltschutzbehörde Profepa erwirkte Minera San Xavier eine einstweilige Verfügung. Im März 2011 nahm die Regierung von San Luis Potosí dann eine Bodenumwidmung des Areals vor. Seitdem gilt es nicht mehr als Umweltschutzgebiet. Folgerichtig autorisierte das mexikanische Bundesumweltministerium im August offiziell die nie wirklich unterbrochene Gold- und Silberförderung. Praktisch in jedem Bundesstaat, in dem Minen betrieben werden, ließe sich ein ähnliches Beispiel finden.

Seit 1992 hat es wiederholt Gesetzesänderungen gegeben, die den mexikanischen Bergbau zunehmend dem ausländischen Kapital öffneten. War dessen Beteiligung anfangs auf 49 Prozent begrenzt, so bedeuteten weitere Reformen in 2005 eine völlige Öffnung für die internationalen Konzerne. Bergbaukonzessionen gibt es inzwischen für einen Zeitraum von bis zu 50 Jahren. Sie sind danach noch einmal um maximal 50 Jahre verlängerbar. Die Inhaber*innen dieser Konzessionen können also in aller Ruhe darauf warten, dass der Marktpreis von Gold, Silber, anderen Metallen oder auch Mineralen ihnen Rentabilität garantiert.

Gefährdung des Wasserhaushalts

Kritiker*innen dieser Entwicklung warnen vor einer ökologischen und sozialen Zeitbombe. Dass der Tagebau riesige Löcher in die Landschaft reißt, ist noch das geringste Problem. Nach Daten der mexikanischen Statistikbehörde INEGI ist die Bergbauindustrie für den überwältigen Teil freigesetzter Giftstoffe wie Blei, Arsen, Kadmium und Blausäure verantwortlich.

Dramatische Konsequenzen werden für den Wasserhaushalt befürchtet. Einerseits glauben weder betroffene Bevölkerung noch Umweltschützer den Beteuerungen der Bergbauunternehmen, das Grundwasser sei vor Vergiftung sicher. Andererseits findet der extrem viel Wasser konsumierende Tagebau vielfach in sehr trockenen Regionen statt, in denen die Bevölkerung unter Wassermangel leidet.

Versprechen und Spaltung von Dorfgemeinschaften

Mit den Bergbaukonzernen kommt vielfach auch die Zerstörung des sozialen Gefüges in der lokalen Bevölkerung. Die Konzessionen für Schürfrechte sind keine Eigentumstitel. Um ungestört arbeiten zu können, gehen nationale wie internationale Minenunternehmen überall ziemlich gleich vor: mit einem Mix aus Versprechen, Spaltungen von Dorfgemeinschaften, auf den ersten Blick großzügigen Angeboten für den Ankauf oder die Pacht von Land, mit Drohungen und Bestechungen.

So gelingt es ihnen häufig, ehemaliges Gemeinde- sowie nach dem Nießbrauchsrecht genutztes Ejido-Land unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ein düsteres Panorama, das wenig vom Glanz der Edelmetalle hat.

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