Yasunisieren – ein neues Verb

von Gustavo Duch Guillot

(Quito, 23. September 2010, alai).- Endlich, nach großen Anstrengungen vieler Beteiligter, kann in Ecuador „yasunisiert werden“. Auch im Nigerdelta, in der Laguna del Tigre in Guatemala, im Nationalpark Madidi in Bolivien, in den peruanischen Regenwäldern, im kolumbianischen Páramo will die Zivilgesellschaft „yasunisieren“. Unsere Zivilisation sollte so bald als möglich „yasunisieren“. Der ecuadorianische Vizepräsident Lenín Moreno hatte im August vorgeschlagen, das Wort „yasunizar“ in das Wörterbuch der Real Academia Española aufzunehmen, als Ausdruck für „die Natur schützen“.

Während im Golf von Mexiko nach Angaben von Wissenschaftler*innen fast fünf Millionen Barrel Rohöl beim schlimmsten Erdöl-Leck der Geschichte ausgelaufen sind, unterzeichnete die ecuadorianische Regierung am 3. August mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP ein Abkommen über einen Treuhandfonds für die Initiative Yasuní. Dies ist ein erster, fundamental wichtiger Schritt, um 850 Millionen Barrel Rohöl unter der Erde zu lassen, so dass es weder zu Lecks kommen kann, noch zur Verseuchung von Flüssen und der Luft, auch nicht zur Versklavung von Menschen durch Unternehmen oder zur Zerschneidung von Territorien durch Ölpipelines, auch werden keine Schornsteine gebaut, die auf Herzen zielen … Yasuní, ein Nationalpark im ecuadorianischen Amazonastiefland von unschätzbarem ökologischem Wert, beherbergt eines der bedeutendsten Erdölvorkommen der Erde. Die Initiative Yasuní beabsichtigt, diese Vorkommen nicht auszubeuten, und mit dem von der UNO verwalteten Treuhandfonds kommt man diesem Traum ein Stück näher. Obwohl sich der ökologische Wert der Region nicht in Zahlen ausdrücken lässt, hat man zur Umsetzung dieses Projekts einige Berechnungen angestellt: Ecuador verzichtet auf die Erdölausbeutung, wenn die internationale Gemeinschaft sich verpflichtet, die Hälfte des Geldwertes, der durch die Förderung erzielt werden könnte (3,5 Milliarden Dollar in zehn Jahren) als Entschädigung zu zahlen, entsprechend der vermiedenen (globalen) ökologischen Folgekosten, die aus der Verbrennung dieser Menge Erdöl resultieren würden – allein die Kohlendioxid-Emissionen sänken um 410 Millionen Tonnen. Außerdem kann diese Geldmenge, die hoffentlich aufgebracht wird, als Anzahlung für die Begleichung der ökologischen Schulden angesehen werden, die der reiche Norden bei den ökologisch ausgebeuteten Staaten wie Ecuador hat. So bereichern sich zum Beispiel große Konzerne am Garnelenexport von Ecuador nach Europa, auf Kosten der Zerstörung riesiger Mangrovenwälder.

Die Yasuní-Initiative hat eine herausragende Bedeutung, denn sie ist das erste Vorhaben dieser Art. Sie entstand als Ergebnis jahrelangen Widerstands von Gemeinschaften des Amazonastieflands gegen die Aggression von Erdölgesellschaften und auch auf Druck von ecuadorianischen Umweltbewegungen. Hinzu kam das Engagement von Persönlichkeiten wie dem ehemaligen ecuadorianischen Außenminister Fánder Falconí, dem ehemaligen Minister und Präsidenten der Verfassunggebenden Versammlung Ecuadors Alberto Acosta oder von Esperanza Martínez, der Mitbegründerin der ecuadorianischen Umweltschutzorganisation Acción Ecológica und des internationalen Netzwerks Oilwatch. Auch internationale Unterstützer*innen wie der katalanische Ökonomieprofessor Joan Martínez Alier haben sich in entscheidenden Momenten für das Projekt eingesetzt. So kann nun, nach der Unterzeichnung des Vertrags über den Treuhandfonds, die gesamte Gesellschaft kontrollieren, ob das Vorhaben wie geplant umgesetzt wird. Das Erdöl von Yasuní nicht zu fördern, erfordert nur wenige Opfer. Opfer sind lediglich die Erdölkonzerne – die allerdings sind schlechte Verlierer.

Wenn das Wort “yasunisieren” einmal in den Wörterbüchern steht, wird es einen etymologischen Verweis auf das Volk der Huaorani geben, die im Yasuní wohnen. Die Huaorani sagen, dass sie in einer Gesellschaft des Reichtums leben, da sie gerade soviel produzieren, wie sie zum Leben benötigen.

Yasunisieren bedeutet einen evolutionären Fortschritt einer Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Yasunisieren bezieht sich auf mutige Handlungen, die aus freiem Denken entstehen, das sich nicht kontaminieren lässt. Yasunisieren heißt: einen realen und möglichen Paradigmenwechsel anbieten.

(PS: Die deutsche Bundesregierung hatte 2008 zugesagt, in besagten Fonds einzuzahlen. Nun hat sie einen Rückzieher gemacht: Entwicklungshilfeminister Niebel (FDP) lehnte im September Zahlungen in den Treuhandfonds ab. Hierzu ein Kommentar von Gerhard Dilger: http://womblog.de/2010/09/20/yasun-darf-nicht-sterben/)

Weiterführende Links: http://gustavoduch.wordpress.com http://loquehayquetragar.wordpress.com/

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