Wirtschaftswissenschaftler kritisieren offizielle Daten zur Wirtschaftsleistung

von Lateinamerikanachrichten

(Berlin, 26. Mai 2009, npl).- In Peru gibt es Kritik an den offiziellen Daten zum Wirtschaftswachstum. Nach Angaben des Nationalen Statistikinstitutes INEI wuchs die Wirtschaft des Andenlandes trotz der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise sowohl im Januar als auch im März dieses Jahres weiter mit mehr als drei Prozent, während sie im Februar stagnierte. Perus Wirtschaftsleistung hängt stark vom Export und von den Weltmarktpreisen für Metallerze ab: Und die sind seit dem letzten Jahr massiv eingebrochen. Zugleich wurden allein im Bergbausektor mehr als 10.000 Arbeiter*innen entlassen, Projekte und Investitionen verzögern sich. Nicht anders ist die Situation beim wirtschaftlich leistungsfähigeren südlichen Nachbarn Chile, dessen Ökonomie sich im wesentlichen auf die Förderung und den Export von Kupfer stützt. Doch Chile verzeichnet nun erstmalig seit 1999 im ersten Quartal eines Jahres mit einem Minus von knapp zwei Prozent eine schrumpfende Wirtschaftsleistung.

Länger schon bezweifelt Farid Matuk, der ehemalige Direktor des INEI, die peruanischen Zahlenwerte und bezeichnet sie als aufgeblasen. Wirtschaftssektoren wie Handel, Bauwesen und ‚Andere Dienstleistungen‘ würden intransparent innerhalb des INEI ‚gemessen‘. Er kritisiert, dass relevante Datensätze auf der Basis von Schätzungen anstatt von aktuellen Umfragen kalkuliert würden. Matuk wurde 2006 vom neu ins Amt gewählten Präsidenten Alan García von seinem Posten entfernt. Das INEI führte 2007 eine neue Berechnungsmethode für das Bruttoinlandsprodukt ein, anhand dessen die Wirtschaftsleistung gemessen wird.

Zu Wort meldete sich jetzt auch Bruno Seminario, Ökonomieprofessor an der wirtschaftsfreundlichen Universidad del Pacífico in Lima. Nach seinen Kalkulationen auf der Grundlage des bis 2007 genutzten alten Berechnungsmodells hätte sich Peru in den ersten drei Monaten des Jahres in einer Rezession befunden. Im März wäre die Wirtschaft demnach um 1,7 Prozent geschrumpft. Seminario verweist auf verschiedene Indikatoren und die Situation anderer krisengeschüttelter Länder, die stark vom Rohstoffexport abhängen, die den offiziellen INEI-Daten zuwider laufen würden. Für andere peruanische Wirtschaftswissenschaftler*innen ist die aktuell genutzte Berechnungsmethode eine ‚black box‘, die nie öffentlich mit unabhängigen Statistikexpert*innen diskutiert wurde. Die produzierten offiziellen Resultate ließen vermuten, dass fadenscheinige Annahmen im Berechnungsmodell genutzt werden.

Der jetzige Direktor des INEI, Renan Quispe, hat in der Vergangenheit wiederholt gesagt, die neue Methode sei gegenüber der alten besser geeignet, das Bruttoinlandsprodukt zu ermitteln. Zu den geäußerten Kritiken und erhobenen Vorwürfen äußerte er sich bisher nicht.

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