Wildwachsende mexikanische Baumwolle mit Transgenen

von Elena Álvarez-Buylla Roces und Alma Piñeyro*

(Mexiko-Stadt, 11. Oktober 2011, la jornada/npl).- Kontaminierte mexikanische Baumwolle: In einem jüngst in Molecular Ecology veröffentlichten Artikel berichten wir über das Vorhandensein von Transgenen aus genveränderter Baumwolle in wildwachsenden Beständen dieser Kulturpflanze in Mexiko. Dieser Genfluss kam zustande, obwohl die wildwachsenden Bestände sich tausende Kilometer von den Standorten entfernt befinden, an denen Genbaumwolle ausgesät wurde.

Warnungen vor Freisetzung ignoriert

Mexiko ist das Zentrum für Ursprung und Vielfalt der weltweit am meisten angebauten Baumwollart (Gossypium hirsutum) und vieler anderer Anbaukulturen (Chili, Kakao, Kürbisgewächse, Bohnen, Chía, Mais, Tomaten, und viele mehr). Darum gilt das Land als eine der Wiegen der Landwirtschaft. Seit die ersten genveränderten Pflanzen freigesetzt wurden, haben wir Wissenschaftler*innen vor den Risiken des Entweichens von Transgenen in nicht dafür vorgesehene Gebiete und den zusätzlichen Gefahren für die Ursprungszonen gewarnt. Dennoch wurde ab 1996 genveränderte Baumwolle in einer „experimentellen“ Phase im Norden des Landes freigesetzt. Heute bedeckt sie mehrere tausend Hektar Fläche.

Der eingangs zitierte Artikel ist aus folgenden Gründen wichtig und besonders besorgniserregend:

1) Er belegt, dass die Baumwollgene und -Transgene sich von einem Bestand zu einem anderen über eine Distanz von mehreren tausend Kilometern bewegen können. Dies legt nahe, dass die Bewegung der Transgene über die Samen erfolgt, nachdem die Fasern entfernt sind.

2) Die Bestände von wildwachsender mexikanischer Baumwolle, in der sich Transgene anhäufen, wachsen schnell an. Damit erhöhen sich die Möglichkeiten unerwünschter und unvorhersehbarer Folgen. Wir haben bereits wildwachsende Baumwollpflanzen mit neuartigen Kombinationen von Transgenen gefunden, die in der ursprünglich genveränderten Baumwolle nicht vorkommen.

Lektionen für den Mais

Warum sind diese Ergebnisse so relevant und besorgniserregend? Dieser Fall ist der dritte weltweit, in dem Transgene aus genverändertem Anbau entwichen und in natürliche Bestände eingetreten sind. Es handelt sich um den ersten Fall in einem Entwicklungsland. Er zeigt die Bedeutung der Streuung von Samen bei der Bewegung von Transgenen über sehr weite Distanzen. Dieser Verbreitungsweg ist bei Diskussionen über den Genfluss, die sich auf die Kontrolle der Pollenmobilität konzentrieren, bisher kaum berücksichtigt worden [1].

Lektionen für den Mais: Diese Resultate, zu denen noch die Informationen über den Transgenfluss bei genverändertem Mais hinzugerechnet werden müssen, zeigen, dass eine auf bestimmte Regionen oder Bundesstaaten des Landes beschränkte Aussaat von genveränderten Organismen keine Maßnahme darstellt, die die Streuung, Anhäufung und Einkreuzung von Transgenen in angebaute einheimische Sorten oder ihre wildwachsenden Verwandten verhindern kann.

Der Austausch und die Mobilität von Samen sind im Gegenteil unvermeidbar und unverzichtbar für das langfristige Überleben der genetischen Vielfalt der Anbaukulturen in ihren Ursprungs- und Diversitätszentren. Die Genehmigung von Genmais in egal welchem Teil Mexikos wird den Transgenfluss, hin zu einheimischen Maiskulturen an entfernt gelegenen Orten, sowie hin zu den wildwachsenden Verwandten, den Teosintes, implizieren. Diese Transgene werden sich anhäufen, einkreuzen und gegebenenfalls unerwünschte Folgen verursachen.

Regierung kann Biosicherheit nicht gewähren

Biosicherheit auf wissenschaftlicher Grundlage: Der Fall der Baumwolle belegt, dass die mexikanische Regierung nicht in der Lage war, die Biosicherheit von einer der in Mexiko entstandenen und diversifizierten Anbaukultur zu garantieren. Die Biosicherheit beim Mais beinhaltet noch größere Herausforderungen, weil hier Fremdbefruchtung besteht: Die Transgene dieser Pflanze sind nicht nur über das Saatgut, sondern auch über den Pollen mobil.

Zwar sind bereits Transgene in Beständen von einheimischen Mais gefunden worden, doch diese Fälle zeigten sich an schwer zugänglichen Orten und in niedrigen Mengen. Daher ist es dringlich und noch möglich, den Anhäufungsprozess von Transgenen in diesen Beständen umzukehren. Der Transgenfluss verletzt das Recht der Landwirt*innen, ihr eigenes Saatgut frei von Transgenen aufzubewahren. Er setzt sie der Gnade von Konzernen aus, die Eigentümer der Patente auf die Transgene sind. Diese Situation bedroht die Ernährungssouveränität und die Nachbauformen der indigenen und kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Diese sind unverzichtbar, um die Saatgutvielfalt zu garantieren, auf der unsere Eigenversorgung im Ernährungsbereich und die nachhaltige Nahrungsmittelproduktion beruhen.

Rechtliche Grundlagen fehlen

Auf der anderen Seite sind zahlreiche Risiken für Gesundheit, Umwelt und Lebensmittelsysteme sowie technologische Unzulänglichkeiten (die Erträge werden nicht gesteigert) dokumentiert worden, die der Verwendung von Genmais inhärent sind. Diese Risiken werden noch besorgniserregendere Implikationen in einem Land haben, in dem der Mais in großen Mengen und fast ohne Weiterverarbeitung konsumiert wird.

Um die Biosicherheit jeder Anbaukultur, für die Mexiko ein Zentrum des Ursprungs und der Artenvielfalt ist, zu garantieren, muss die Freisetzung von transgenen Pflanzungen im gesamten nationalen Territorium verboten werden. Die Daten der Bundeskommission für die Erforschung und Nutzung der Biodiversität Conabio (Comisión Nacional de Biodiversidad) belegen zudem, dass die Gesamtheit des mexikanischen Territoriums Ursprungs- und Diverstätszentrum ist. Dies muss gesetzlich verankert werden! Gleichfalls benötigen wir dringend Maßnahmen, die sowohl das Einsickern von Gensaatgut durch Sendungen, die als nicht genveränderte hybride Handelssorten gekennzeichnet als auch von saatfähigem Genmais, über unsere Grenzen verhindern.

 

[1] Anmerkung der poonal-Redaktion: Die Autorinnen beziehen sich hier implizit darauf, dass Baumwolle vorwiegend ein Selbstbestäuber ist, obwohl Fremdbestäubung durch Insekten auch vorkommt. Deshalb ist die Kontamination von wildwachsender Baumwolle, die tausende Kilometer entfernt von genveränderter Baumwolle wächst, anders zu bewerten als bei Pflanzen, die vorwiegend von Insekten bestäubt werden.

*Mitglieder des Programms Landwirtschaft und Ernährung der Vereinigung gesellschaftlich engagierter Wissenschaftler*innen (Programa de Agricultura y Alimentación, Unión de Científicos Comprometidos con la Sociedad)

 

[Der Originalartikel erschien am 11. Oktober 2011 in der mexikanischen Tageszeitung „La Jornada“]

Übersetzung: „Entre Campos & Entre Pueblos – Zwischen Land und Leuten“

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