Wie indigene Kleidung zu politischen Zwecken missbraucht wird

von Louisa Reynolds

(Lima, 24. September 2011, noticias aliadas).- Otto Pérez Molina, der am 11. September 2011 den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen in Guatemala gewonnen hat, ist während der Wahlkampagne häufig mit einer traditionellen gewebten Tasche fotografiert worden, die als Jagdtasche bekannt ist.

 

Während die politischen Bestrebungen von Rigoberta Menchú erneut gescheitert sind und sich Indigene weiterhin unbeachtet fühlen, sprangen weitere Politiker*innen auf den fahrenden Zug auf: Patricia de Arzú von der Unionspartei trug regelmäßig die bunten und auffälligen handgewebten Maya-Blusen, die man als Huipiles kennt. Der rechtsgerichtete Populist Manuel Baldizón, Kandidat der Partei LIDER (Libertad Democrática Renovada), der gegen Pérez Molina im zweiten Wahlgang am 6. November 2011 antreten wird, trug mit Maya-Motiven bestickte Guayaberas.

Die Botschaft, die die Kandidat*innen vermitteln wollen ist: “Schaut, ich bin einer von euch” – etwas, das die indigenen Organisationen als “rassistisch” und “beleidigend” empfinden. Vor allem, wenn sich Politiker*innen wie Pérez Molina von der rechtsorientierten Patriotischen Partei PP (Partido Patriota) mit Maya-Kleidungsstücken schmücken. Der ehemalige General der Armee ist mutmaßlich in Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen die indigene Bevölkerung während des 36-jährigen Bürgerkriegs in Guatemala verstrickt.

Ex-General leugnet Genozid

Im Gegensatz zum Fazit der UN-gesponsorten Kommission für Historische Aufklärung, die die Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges untersuchte, hat Pérez Molina mehrfach den Genozid an der Maya-Bevölkerung geleugnet.

Das war auch einer der Kritikpunkte des landesweiten Dachverbandes der Maya-Jugendorganisationen RENOJ (Red Nacional de Organizaciones Jóvenes Mayas), die am 11. Juli 2011 vorgebracht wurden, als die Vereinigung Mirador Electoral ihren zweiten Bericht zur Wahlbeobachtung präsentierte.

Mirador Electoral vertritt eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie RENOJ, die indigene Organisation Naleb und die Bewegung Mehr Frauen Bessere Politik, sowie Forschungszentren wie die Lateinamerikanische Fakultät für Sozialwissenschaft FLACSO (Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales) und das Zentralamerikanische Institut für Politische Studien INCEP (Instituto Centroamericano de Estudios Politicos). Sie haben sowohl die Wahlen selbst als auch die Medienberichterstattung zum Thema beobachtet.

“Das Benutzen der Maya-Tracht ist ein Zeichen von Rassismus, Enteignung und gewaltsamer Verdrängung unserer Werte, da man uns außen vor lässt, wenn es darum geht, das Volk zu repräsentieren”, so Rigoberto Quemé, ehemaliger Bürgermeister von Quetzaltenango und Mitglied von RENOJ.

Indigene kaum repräsentiert

Irma Citalán, Mitglied von Naleb betonte, dass nur sechs Prozent der 294 Kandidat*innen für den Kongress Indigene waren und nur zwei die Listen anführten: Edgar Ajcip von der Partei LIDER und Amílcar Pop von der linken Koalition Breite Front (Frente Amplio).

Auch die Programme der politischen Parteien enthalten wenig bis gar keine Vorschläge für indigene Belange. Von den zehn Parteien, die an den Präsidentschaftswahlen teilnahmen, hat nur die linke Koalition Frente Amplio, die von Menchú geführt wird, landwirtschaftliche Fragen behandelt. Sie schlug vor, unbewirtschaftetes Land zu enteignen und das Gesetz zur Landwirtschaftlichen Ganzheitlichen Entwicklung endlich umzusetzen, dessen Beschluss im Kongress während der Regierung des scheidenden Präsidenten Àlvaro Colom immer wieder verschoben worden ist. Zudem soll eine landwirtschaftliche Justizbehörde geschaffen werden, um Agrarkonflikte zu lösen.

Im Gegensatz dazu sagt die “Agenda des Wechsels” der PP nichts über die Umsetzung des Abkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Rechte der indigenen Völker und Stämme. Molina hat wiederholt betont, dass er die Absicht hat, Bergbau, Erdölförderung und Wasserkraftwerke zu fördern, obwohl die skrupellose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den indigenen Gemeinden für Aufruhr gesorgt hat.

“Den Indigenen mangelt es an Motivation”

Eine weitere konservative Partei, VIVA (Visión con Valores) heuerte den koreanischen Ökonom Jin Park an um eine Studie durchzuführen, die später als “Nationaler Entwicklungsplan: Guatemala 2050” veröffentlicht wurde. Während der Präsentation erklärte Park, dass Guatemala Armut und Unterentwicklung nur überwinden könne, wenn die Landwirtschaft durch industriellen Fortschritt ersetzt würde. Zudem begründete er die Unterentwicklung des Landes mit der Anschuldigung, “den Guatemalteken mangelt es an Motivation, vor allem der indigenen Bevölkerung”.

Indigene Funktionäre zeigten sich empört über die rassistischen Kommentare von Park. Pascual Pérez Jiménez, Mitglied des Bündnisses für ganzheitliche ländliche Entwicklung, erklärte, der Vorschlag von VIVA zeige “ein generelles Verständnis von Entwicklung, in dem die indigene Bevölkerung keine Rolle spielt”.

Weiteres schlechtes Ergebnis für Menchú

Das politische Spektrum Guatemalas setzt sich zusammen aus einer Reihe von konservativen Parteien und einer einzigen linken – der Frente Amplio, die von der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú geführt wird. In der Frente Amplio versammeln sich die indigene Partei Winaq, die Bewegung Neue Republik des Kongressabgeordneten Aníbal García, sowie zwei ehemalige Guerilla-Organisationen, die sich zu politischen Parteien transformiert haben: Die Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas URNG (Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca) und das Bündnis Neue Nation ANN (Alianza Nueva Nación).

Menchú wurde jedoch nur sechste unter zehn Präsidentschaftkandidat*innen. Mit nur 3,3 Prozent der Stimmen ist das Resultat zwar ein wenig besser als das aus dem Jahr 2007, liegt aber unter den Erwartungen der Koalition. Nach Aussage des Abgeordneten García, der als Vizepräsident nominiert war, hatte die Frente Amplio auf mindestens zwölf Bürgermeisterposten gehofft, aber nur fünf gewonnen, sowie drei Parlamentssitze im Kongress. Er beschrieb dies als “bedauerlich, aber kein Misserfolg”.

Das nördliche Department San Marcos, das bergige Department Huehuetenango und die zentrale Provinz Guatemala sind die drei Wahlbezirke, in denen es der Frente Amplio gelungen ist, mit einer bescheidenen Kampagne und karger Finanzierung eine Mehrheit der Stimmen zu gewinnen. Im Wahlkampf hatten sich die Aktivist*innen im Haus von Menchú versammelt um handgefertigte Plakate aufzustellen.

Die größeren Parteien hingegen, die PP, die Regierungskoalition Nationale Einheit der Hoffnung UNE und LIDER überzogen das vom obersten Wahltribunal genehmigte Wahlkampfbudget und brachen das Gesetz, indem sie ihre Kampagne vor dem offiziellen Anfangsdatum im Mai starteten.

Nach Meinung des politischen Analytikers Edgar Gutiérrez war es für die vier Parteien, die unter dem Banner der Frente Amplio teilgenommen haben, ein positiver Schritt, eine linke Allianz eingegangen zu sein. Die Koalition habe zudem das Potential, sich bei den Wahlen von drei auf zwölf Prozent zu verbessern, wenn die Leute sich mit Fragen wie der Verteidigung natürlicher Ressourcen, der Agrarreform und der Steuerreform identifizieren können. Das Problem ist laut Gutiérrez, dass “es einen Bruch zwischen der politschen Linken und den Basisorganisationen gibt”.

 

 

 

 

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