Wenn Jugendliche schwanger werden…

von Isabel Soto Mayedo*

(Mexiko-Stadt, 04. Oktober 2010, cimac).- Fast 25 Prozent aller Frauen in Lateinamerika und in der Karibik werden schon als Jugendliche schwanger, sehr viele von ihnen ungewollt.

Zwei von zehn Frauen im Jugendalter schwanger

In Bolivien werden zwei von zehn Frauen im Jugendalter schwanger. Achtzehn Prozent der 15- bis 19-Jährigen sind bereits Mutter oder erwarten ihr erstes Kind. Insgesamt bereiten sich etwa 1,2 Millionen jugendliche Frauen darauf vor, die Verantwortung für ein Kind zu tragen – im Normalfall ohne Unterstützung durch den Kindsvater. Laut der statistischen Umfrage zu Jugend und Adoleszenz aus dem Jahr 2008 machen die Jugendlichen in den 17 wichtigsten Städten des Landes ein Drittel der Bevölkerung aus.

Das unzureichende Bildungsangebot stellt für männliche und weibliche Jugendliche ein Problem dar. Doch 49 Prozent der Jugendlichen hören auf, eine Schule zu besuchen, weil sie ein Kind erwarten und dadurch häusliche Pflichten erfüllen sollen.

Schulabbruch problematisch

Dadurch stellen die jungen Frauen bereits sehr früh die Weichen für ihr späteres Leben: Aufgrund der verkürzten Schulbildung haben sie schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, können nur Arbeiten annehmen, die geringe Qualifikationen erfordern und verbleiben somit ihr ganzes Leben im unteren Lohnsegment.

Von den jungen Frauen, die bereits als Minderjährige schwanger werden, ist der Anteil derer, die noch nie eine Schule besucht haben, viermal so hoch wie der von Realschulabgängerinnen und Abiturientinnen.

Abtreibungen nur bedingt möglich

Erhebungen des Ministeriums für Gesundheit und Sport zufolge, sind Schwangerschaften von Jugendlichen zu 70 Prozent ungewollt. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Jugendlichen nicht genug über Empfängnisverhütung informiert sind. Viele der jungen Frauen, die ungewollt schwanger wurden, sind jedoch auch Vergewaltigungsopfer. Die Täter sind nicht nur Unbekannte, sondern häufig nahe Verwandte oder gute Bekannte, weshalb die Mädchen aus Angst das Verbrechen nicht zur Anzeige bringen und lieber andere Wege suchen, um mit der Situation fertig zu werden und etwas aus ihrem Leben zu machen.

Die bolivianische Rechtsprechung lässt einen Schwangerschaftsabbruch nur dann zu, wenn Leben oder Gesundheit der Mutter gefährdet sind oder eine Vergewaltigung bzw. ein inzestuöser Übergriff vorliegt.

Geplante Gesetzesänderung blockiert

Am 24. Mai 2004 wurde einstimmig ein Rahmengesetz über Sexual- und Reproduktionsrechte verabschiedet. Ziel dieses Vorgehens war es, die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen zu bündeln. In Reaktion auf Proteste der katholischen und der evangelischen Kirche sowie anderer konservativer Kräfte stoppte der damalige Präsident Carlos Mesa (2003-2005) dieses Gesetzesvorhaben und ordnete eine erneute Überprüfung der Gesetzesvorlage an.

Als Evo Morales die Regierungsgeschäfte übernahm, befand sich das Gesetzesprojekt in der Revision. Der neue Präsident sprach sich für die Bildung eines laizistischen Staates aus, der die Ausübung der Religion respektiert und sich unter besonderer Berücksichtigung der weiblichen Bevölkerung für Bildung und Gesundheit einsetzt. So besagt Artikel 66 der im Jahr 2009 verabschiedeten Verfassung des bolivianischen Staates: „Allen Frauen und Männern wird die Ausübung ihrer Sexual- und Reproduktionsrechte garantiert.“ Die Praxis zeigt jedoch, dass die Rechtsprechung in diesen Bereichen einer Überarbeitung bedarf.

Jugendliche Schwangerschaften zentrales Thema der Politik

Im Ministerialerlass 0941 erklärte das Ministerium für Gesundheit und Sport den hohen Prozentsatz von Schwangerschaften unter Jugendlichen und Minderjährigen zu einem Thema, dem dauerhaft besondere Aufmerksamkeit zuteil kommen müsse. Zudem wurde beschlossen, dass jedes Jahr in der vierten Septemberwoche explizit über dieses Problem debattiert werden soll.

Nach Ansicht des Gesundheitsministers Johnny Vedia betrachtet die bolivianische Regierung es als eine ihrer vorrangigen Aufgaben, für das Wohlergehen der Jugend zu sorgen. Daher müssten unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden, um die Rechte aller jungen Leute zu garantieren.

Aufklärung und Dialog

Spezielle Informationsangebote zur Empfängnisverhütung und Gesundheitsvorsorge sollen sich gezielt an die Gruppe der 12- bis 20-Jährigen richten. Für die Entwicklung dieser Programme ist die Zusammenarbeit mit sozialen Netzwerken vorgesehen, die intersektional themenübergreifend tätig sind beziehungsweise sich für den interkulturellen und generationenübergreifenden Dialog einsetzen.

Einen weiteren Lösungsansatz für die Problematik stellt die Förderung des Nationalen Vorhabens zur Förderung der Gesundheit von Jugendlichen und Heranwachsenden (Plan Nacional de Salud Integral para la Juventud y Adolescencia) dar, das eine gezielte und differenzierte Betreuung junger Leute in allen staatlichen Gesundheitseinrichtungen vorsieht.

In der Entwicklung der zukünftigen Generationen spielt die Familie in jeder Hinsicht eine entscheidende Rolle. Das gilt auch für die Vorbeuge gegen Schwangerschaften im Jugendalter.

* Die Autorin ist Berichterstatterin der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina in Bolivien.

(Foto: Radio Nederland Wereldomroep/flickr)

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