Wahlausgang in Venezuela

von Redaktion amerika21.de

(Berlin, 24. November 2008, poonal-poonal).- Mehr als 16 Millionen Venezolaner*innen waren am 23. November dazu aufgerufen, ihre Gouverneure, Bürgermeister und Abgeordnete auf Landes und Kommunalebene neu zu wählen. Dabei hat die von Präsident Hugo Chávez initiierte Vereinte Sozialistische Partei PSUV die Hauptstadt Caracas sowie die Bundesstaaten Carabobo, Táchira und Miranda verloren. Die Opposition konnte sich in Zulia und Nueva Esparta behaupten.

Der Abstimmung war ein intensiver Wahlkampf vorausgegangen. Die rechte Opposition hatte in vielen Bundesstaaten eine kostspielige Kampagne geführt, um die Vorherrschaft der Linken zu brechen. Unterstützt wurden ihre Kandidaten außerdem von den privaten Medien, die wie üblich eindeutig Partei ergriffen. Zudem konnten sich die bisher zerstrittenen Oppositionsparteien in 17 Bundesstaaten auf gemeinsame Kandidaten einigen. Die PSUV hatte ihrerseits mit dem schlechten Image einiger ihrer Kandidaten zu kämpfen: So verlor der ehemalige Militär und Vertreter des rechten Flügels der Partei Diosdado Cabello im Bundesstaat Miranda gegen den Kandidaten der rechtsextremen Partei Primero Justicia.

In Carabobo rächte sich die Praxis, Kandidaten von außen zu ernennen: Weil bei den internen Vorwahlen in der PSUV keiner der lokalen Kandidaten gewann, ernannte die Parteiführung der populären Fernsehmoderator Mario Silva als Kandidaten. Der war allerdings nicht aus dem Bundesstaat und verlor knapp gegen den Kandidaten der Opposition. Allerdings hatte er mit weiteren Widrigkeiten zu tun: Er musste seinen Wahlkampf unter anderem gegen den Ex-Chavisten Acosta Carles führen. Dieser war bei den parteiinternen Wahlen der PSUV nicht als Kandidat gewählt worden und hatte daraufhin unabhängig kandidiert. Hugo Chávez warf ihm im Wahlkampf Korruption und Verrat vor.

Der dramatischste Verlust betrifft allerdings die Hauptstadt Caracas. Die größte Stadt des Landes ist das politische Zentrum, nicht nur des Staates, sondern auch der sozialen Bewegungen. Damit erhält die Opposition die Kontrolle über viele der sozialen und sozialistischen Projekte, die hier in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Ein Wermutstropfen für die Opposition ist jedoch, dass die Zuständigkeiten des Oberbürgermeisters (Alcalde Mayor) in den vergangenen Jahren abgebaut wurden. So ist z.B. die Policía Metropolitana vor einigen Monaten unter die Kontrolle des Innenministeriums gestellt worden. Trotzdem müssen sich die sozialen Bewegungen auf heftige Kämpfe in den nächsten Jahren einstellen.

Auch der Sieg Konservativen und Rechtsradikalen in den an Kolumbien grenzenden Staaten Zulia und Táchira wird in den nächsten Jahren Kräfte der bolivarischen Bewegung binden. Die Region ist eins der Zentren paramilitärischer Aktivitäten und Einfallstor für Menschen, Material und Drogen aus dem Nachbarstaat. Und auch Separationsbestrebungen wie in Bolivien sind ein mögliches Szenario, um den Prozess zu schwächen. Die linken Parteien, die wie die PCV und Patria Para Todos (PPT) eigene Kandidaten gegen die PSUV aufgestellt hatten, verloren sämtlich.

Die Führung der PSUV war heute bemüht, herauszustellen, dass die meisten Staaten gewonnen werden konnten. Unter den 17 Staaten, die in den nächsten vier Jahren von der sozialistischen Partei regiert werden, befinden sich mehrere Staaten, in denen vorher Sozialdemokraten regierten. Sie waren 2004 auf als Chávez-Anhänger an die Macht gekommen und später in die Opposition gegangen. Rein numerisch betrachtet kann die PSUV dies als ein Sieg verbuchen, zumal niemand damit gerechnet hatte, dass die bolivarische Bewegung ihr Ergebnis von 2004 wieder erreichen könnte. Damals lag die rechte Opposition nach ihrem gescheiterten Putschversuch und der Erdöl-Sabotage am Boden. Die PSUV hat gestern allerdings strategisch wichtige und bevölkerungsreiche Gebiete verloren, in denen sich die Reaktion nun stabilisieren kann.

Die Aktivist*innen aus den sozialen Bewegungen müssen sich nun im ganzen Land auf verschärfte Konflikte einstellen. Denn neben der politischen Schwächung wird auch die Wirtschaftskrise, die im nächsten Jahr Venezuela treffen dürfte, ihren Teil zur Verschärfung der Konflikte beitragen. Ein Vorteil der Situation ist, dass die meisten neu geschaffenen Strukturen wie Kooperativen, autonome Stadtteilräte unabhängig von den lokalen Regierungen sind. Damit haben rechte Bürgermeister und Gouverneure nur bedingte Möglichkeiten, die neuen Strukturen anzugreifen. Viele der Organisationen hatten bereits vor den Wahlen betont, dass danach der Aufbau von regionalen Selbstverwaltungsstrukturen und eines neuen kommunalen Staates begonnen werden soll, um die traditionellen Verwaltungen überflüssig zu machen.

CC BY-SA 4.0 Wahlausgang in Venezuela von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert