Von der Gefahr, Panamaer zu sein

von Marco A. Gandásegui

(Quito, 11. Februar 2010, alai).- Gegen Ende des Jahres 2009 erhob sich in Panama eine Protestwelle als Reaktion auf die Repression gegen die indigenen Gemeinden. Lautstark wurde verkündet: „Einer indigenen Gemeinschaft anzugehören wird in Panama langsam gefährlich. Einerseits verschwindet mit einem Schlag das interkulturelle, zweisprachige Erziehungsprogramm; andererseits ist es wie zu Zeiten der spanischen Kolonialisierung, als man Maya-Schriften und indigene Zeichnungen verbrannte und so Geschichte und Sprache auslöschte. Lucy Molinar, die derzeitige Bildungsministerin verbietet es den nachkommenden Generationen in ihren Sprachen Kuna, Ngobe, Emberá, Buglé, Bri Bri zu träumen, zu sprechen und zu schreiben.“

Es gibt noch andere Stimmen im Land, die protestieren, denn die traurige Realität der indigenen Völker ist dieselbe, unter der das gesamte panamaische Volk leidet. PanamaerIn zu sein wird gefährlich. Mit einem Schlag werden Schulen geschlossen, weil es an Mitteln zu ihrem Unterhalt fehlt. Geschichtliche Unterrichtsthemen, die sich nicht den neuen Herrschenden anpassen, werden gestrichen. Philosophie ist ein Luxus aus vergangenen Tagen und das Spanische wiederholt sich nur noch.

Tief aus dem Inneren der indigenen Gemeinden ist zu hören: “Es ist unmöglich, Mitglied einer indigenen Gemeinde zu sein. Es ist nicht einmal daran zu denken, an Zeremonien teilzunehmen, tradierte Tänze aufzuführen, Geschichten zu erzählen oder auch nur frisches Gebirgswasser zu trinken. Im Herzen des Gebiets Ngóbe Bugle kündigte die Regierung die Eröffnung des Bergwerks Cerro Colorado an, ohne sich um die dort ansässigen indigenen Bewohner zu scheren (das Gebiet Ngóbe Buglie ist eines der in Panama durch indigene Völker selbstverwalteten Gebiete, Anm. d. Ü.). Mitglied einer indigenen Gemeinschaft zu sein bedeutet für den Staat: Angreifer, Umherirrender oder Fremder auf dem eigenen Grund und Boden zu sein.“

Auch im Rest der Republik stößt man auf die gleichen Extreme. Es ist quasi unmöglich einen würdigen Arbeitsplatz zu ergattern. An der Tagesordnung der privaten Unternehmen ist die Flexibilisierung, „Dreiteilung“ ist der neue Trumpf auf dem öffentlichen Sektor. Selbst in den Innenstädten kann die Bevölkerung nicht mit Trinkwasserversorgung rechnen. Die Kanalisation ist vernachlässigt. Der öffentliche Nahverkehr verschlechtert sich, gesundheitliche Dienstleistungen werden zunehmend unzugänglich und in den Schulen wird randaliert. Die Gemeinden des Landes haben sich in Gefahrenzonen für ihre Bewohner*innen verwandelt. Es scheint, als handele es sich bei der Bevölkerung um eine überschüssige Menge, welche die Regierungen dem organisierten Verbrechen übergeben haben.

Die indigenen Proteste beklagen: “Dem Volk der Naso anzugehören, stellt für die Firma Ganadera Bocas S.A. eine Gefahr dar, weil es das Recht verletzt, nach dem der Privatbesitzes über dem Gemeinbesitz steht … da nützt es auch nichts, dass das Volk der Naso bereits vor der Gründung des Staates Panama dort war. Weit vor der kolonialen Invasion durch die Spanier. Weit bevor die Firma jene Ländereien kaufte. Angehöriger des Volkes der Naso zu sein bedeutet für die Regierung: einem Volk anzugehören, das sich auf dem Weg zum Aussterben befindet.“

Im Rest des Landes stehen Hamsterkäufe, Plünderungen und Überfälle auf der Tagesordnung. In außerplanmäßigen Verhandlungen, die in der letzten Woche des Jahres 2009 feierlich abgeschlossen wurden, bewilligte die Abgeordnetenversammlung ein neues Gesetzesprojekt. Dieses verwandelt, entgegen der Verfassung, alle Küsten, Inseln und Uferlandschaften in ein Revier für die Bereicherung einiger weniger Spekulanten. Präsident Ricardo Martinelli erließ das Gesetz und schickte es gleich zur Veröffentlichung an die Tageszeitung Gazeta Oficial. Die Piraten haben jetzt das Patentrecht auf eine Kreuzfahrt.

Die Proteste der indigenen Gemeinden dienen jenen Panamaer*innen als Lektion, die noch immer nicht aufwachen wollen angesichts der gewaltsamen Enteignungen, den organisierten Verbrechen und täglichen Hinrichtungen, denen sie zum Opfer fallen. Die Lebenshaltungskosten und die Kosten für den Basisbedarf steigen kontinuierlich, während die Beschäftigung abnimmt. Die Unsicherheit mit der man im Land wie auch in den indigenen Bezirken lebt, ist ein Resultat der öffentlichen Politik, welche sich im Jahr 2010 ändern muss. Wenn die aktuelle Regierung nicht ihre Verantwortung anerkennt, sollte sich die Bevölkerung im Hinblick auf 2014 organisieren und neue Entscheidungsträger*innen mit einer Vision für das Land wählen!

Ngobe, Emberá, Naso, Kuna und Panamaer zu sein, bedeutet die Erde als Lebewesen zu sehen, riechen, hören und zu spüren. Unsere Mutter Erde.

– Marco A. Gandásegui jr. ist Professor an der Universidad de Panamá und assoziierter Forschungsbeauftragter des CELA (Zentrum für Lateinamerika-Studien)

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