Vierzig Journalist*innen 2010 in Lateinamerika ermordet

von Hernán Uribe

(Quito, 07. Januar 2011, alai).- Im letzten Jahr verloren vierzig Journalist*innen und Reporter*innen aus sechs lateinamerikanischen Ländern ihr Leben. Diese Zahl nennt die Kommission zur Untersuchung von Angriffen auf Journalist*innen des Lateinamerikanischen Verbandes der Journalist*innen und Reporter*innen CIAP-FELAP (Comisión de Investigación de Atentados a Periodistas – Federación Latinoamérica de Periodistas) in ihrem kürzlich erschienenen Jahresbericht. Damit ist die Todesrate gestiegen, im Vergleich zum Vorjahr mit 32 Mordfällen an Reporter*innen aus acht lateinamerikanischen Ländern.

Zu den für Journalist*innen gefährlichen Ländern des Jahres 2010 gehören Brasilien mit zwei Fällen, Kolumbien (7), Ecuador (2), Guatemala (2), Honduras (10) und Mexiko (17). Damit steht der lateinamerikanische Kontinent im Weltvergleich an erster Stelle. Gleichzeitig fällt auf, dass in den Ländern mit der höchsten Todesrate, Mexiko und Kolumbien, die Morde von Mitgliedern bewaffneter Einheiten der Drogenkartelle begangen wurden und Straflosigkeit in allen diesen Fällen herrscht.

Bedrohliche Situation in Honduras

Ein anderes Szenario präsentiert sich in Honduras. Dort ist die hohe Zahl der Toten angesichts der niedrigen Bevölkerungszahlen besonders gravierend und die Morde haben mehrheitlich einen politischen Charakter. Ernesto Carmona, Exekutiv-Sekretär der CIAP, gab im November des vergangenen Jahres bekannt, dass die Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte in Honduras aufgefordert wurde, den Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit zwischen Juni 2009 und Januar 2010 besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Vor allem sollten die Morde aufgeklärt und Maßnahmen zum Schutz dieser Grundrechte garantiert werden. Dieser Forderungskatalog gehörte zur Stellungnahme von Menschenrechtsorganisationen wie z.B. IFEX-ALC (Intercambio Internacional por la Libertad de Expresión en América Latina y el Caribe), die an der Delegation zum Universal Periodic Review von Honduras vor den Vereinten Nationen in Genf im November 2010 teilnahmen (1).

Zur bedrohlichen Situation für Journalist*innen äußerte sich auch Thelma Mejía von der Nachrichtenagentur IPS (Inter Press Service) aus Tegucigalpa: „Hiesige und internationale Organisationen haben kritisch darüber berichtet, dass die Welle der Gewalt und Repression gegen die Widerstandsbewegung gegen den Putsch und die kritischen Medien durch die Regierung des Präsidenten Porfirio Lobo nicht beendet wurde“. Und in der Tat fanden die Morde an den Journalist*innen in der Regierungszeit von Lobo statt.

Währenddessen hält Mexiko weiterhin einen traurigen ersten Platz mit 17 Morden an Reporter*innen im vergangenen Jahr. Die Bemühungen und Anzeigen von verschiedenen Organisationen wie dem JournalistInnenverband FAPERMEX (Federación de Asociaciones de Periodistas) treffen immer wieder auf die Untätigkeit der Behörden. Von Verhaftung und Bestrafung der Täter kann nicht die Rede sein. Siehe dazu auch den Bericht von CIAP für das Jahr 2009.

Attentate

Die Anzahl der Morde werden von zahllosen Übergriffen und Attentaten auf Journalist*innen im vergangenen Jahr ergänzt. Ziel dieser Angriffe sind die Behinderung der Pressearbeit und der kritischen Berichterstattung.

In Mexiko gaben Bewaffnete insgesamt 25 Schüsse auf die Redaktionsräume der unabhängigen Tageszeitung „El Sur de Acapulco“ ab. Am 10. Januar zündeten Unbekannte ein Fahrzeug vor dem Büro der Radiostation OIR an, um die Aufmerksamkeit auf ihre Drohung zu lenken, die sie vor Ort hinterlassen hatten. Am 10.August befreite die mexikanische Bundespolizei die Kameramänner von Multimedios und Televisa, Javier Canales und Alejandro Hernández. Beide waren fünf Tage zuvor von bewaffneten Mitgliedern der Drogenkartelle entführt worden.

In Argentinien veröffentlichte die Vereinigung der Presseangestellten von Buenos Aires UTPBA (Unión de Trabajadores de la Prensa de Buenos Aires) den Überfall auf das freie Radio FM Nueva Generación in San Martín. Die Täter raubten das gesamte Equipment des Senders.

In Chile kritisierte die JournalistInnenkammer den Prozess gegen den Fotoreporter Marcelo Garay als Angriff auf die Pressefreiheit. Garay wurde der angebliche Verstoß gegen das Recht auf Schutz der Privatsphäre vor unerlaubten Fotos zu Lasten gelegt. Die Kammer forderte die Aufhebung der Anklage.

In Brasilien konnten die Behörden Ende November 2010 den Mörder des Journalisten Tim Lopes vom Sender Globo nach acht Jahren festnehmen. Der Täter, Elizeu Felicio Souza, war zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden und flüchtig.

In Guatemala legte Julio Solórzano Foppa am 10. November juristische Mittel zum Wiederauffinden und „physischen Erscheinen“ seiner Mutter Alaide Foppa ein. Die Dichterin und Journalistin gilt seit Dezember 1980 als verschwunden, nachdem sie gemeinsam mit ihrem Chauffeur von der Polizei unrechtmäßig verhaftet wurde. Sie war in jenem Jahr nach Guatemala zurückgekehrt, um den Morden an ihren Söhnen Juan Pablo und Mario Solórzano Foppa, ebenfalls im Jahr 1980, nachzugehen.

In Havanna und Buenos Aires haben zudem der JournalistInnenverband von Kuba, UPEC (Unión de Periodistas de Cuba) und die FELAP am 20. Oktober 2010 eine gemeinsame Erklärung abgegeben, welche die Blockade Kubas durch die USA als kriminellen Angriff verurteilt. „Die kubanische Nation leidet unter der längsten und brutalsten Blockade, die es je gegeben hat. Zehn US-amerikanische Regierungen haben Kuba das Recht auf Selbstbestimmung verweigert und den Aufbau einer gerechten und würdevollen Gesellschaft behindert.(…) Die gerechte Sache muss weiter existieren. Die Sache der Kubaner*innen und ihrer Journalist*innen wird früher oder später siegen.“

Hernán Uribe ist Präsident der CIAP-FELAP

(1 – IFEX-ALC ist eine Vereinigung von siebzehn Organisationen des Netzwerks Internationaler Austausch für die Meinungsfreiheit IFEX (Intercambio Internacional por la Libertad de Expresión) in Lateinamerika und der Karibik. Zur Delegation in Genf gehörten auch Article XIX und Amarc-ALC – Anm. der Übersetzerin)

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