Verschwundene: Amnesty kritisiert mexikanische Regierung

von Wolf-Dieter Vogel

(Berlin, 07. Juni 2013, poonal).- Mexikos Behörden tolerieren das Verschwindenlassen von Menschen und gehen nicht entschieden genug gegen diese Verbrechen vor. Das erklärte der AI-Sprecher Rupert Knox im Vorfeld einer Menschenrechtskonferenz, die vom 5. bis 7. Juni im nordmexikanischen Saltillo stattfand.

Seit Beginn des Krieges gegen die Mafia im Jahr 2006 seien 26.131 Menschen verschwunden. „Diese schockierende Wirklichkeit kann nicht länger ignoriert werden“, kritisierte der für das Land zuständige Amnesty-Vertreter und forderte die Regierung auf, „die Opfer ausfindig zu machen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – unabhängig davon, ob es sich um Kriminelle oder Beamte handelt“.

An der Konferenz nahmen sowohl Vertreter*innen von Menschenrechtsorganisationen und internationale Aktivist*innen als auch der Bundesinnenminister Miguel Àngel Osorio Chong sowie weitere Politiker*innen teil. Die Veranstaltung beschäftigte sich mit verschiedenen Aspekten des Verschwindenlassens. Auf der Agenda standen zum Beispiel die Frage der Suche nach den Opfern und die Erfahrung anderer Länder mit diesem Phänomen.

Polizei und Armee in Verbrechen verstrickt

Mexikanische Menschenrechtsverteidiger*innen haben seit Langem darauf aufmerksam gemacht, dass immer mehr Personen verschwinden und in vielen Fällen Polizist*innen oder Soldat*innen in die Verbrechen involviert sind. Der ehemalige Präsidenten Felipe Calderón hat das Problem dennoch weitgehend ignoriert und die Opfer pauschal dem kriminellen Milieu zugeordnet. „Sie werden stigmatisiert, sie werden geringschätzig behandelt“, bestätigt Knox. Häufig versuchen die Angehörigen unter hohem Risiko, selbst für Aufklärung zu sorgen. Mehrere wurden auf der Suche nach ihren Verwandten ermordet, so zum Beispiel einige Aktivist*innen der Friedensbewegung um den Dichter Javier Sicilia.

Amnesty macht auch die hohe Straflosigkeit dafür verantwortlich, dass immer mehr Menschen verschwinden. In 40 Prozent aller Fälle sei nicht einmal ermittelt worden. Dass die Regierung des neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto die Daten der Verschwundenen veröffentlichen und eine Spezialeinheit zur Auffindung der Opfer schaffen wolle, sei „zu begrüßen, aber nicht genug“, sagte Knox. Die Maßnahmen könnten das systematische Versagen der Behörden und die Beteiligung von Beamten nicht aufklären.

Drei Aktivisten in Guerrero ermordet

Am Donnerstag, 30. Mai verschwanden in Guerrero acht Mitglieder der linken Bewegung Frente Unidad Popular (FUP). Die Männer hatten gemeinsam mit anderen zuvor in der von der Mafia kontrollierten Stadt Iguala vom Bürgermeister José Luis Abarca Velásquez mit einer Protestaktion die Vergabe von Düngemittel und weitere soziale Maßnahmen gefordert. Drei von ihnen wurden am 3. Juni ermordet aufgefunden. Vier weitere konnten aus der Gefangenschaft ihrer Entführer fliehen, von dem Achten fehlt jede Spur. Die FUP macht Abarca Velásquez für die Verbrechen verantwortlich. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass er enge Verbindungen zur Drogenmafia hat“, erklärt Menschenrechtsverteidiger Bertoldo Martínez.

Schon seit langem leiden die Menschen in Guerrero besonders unter dem Terror krimineller Banden und korrupter Politiker*innen. Zudem berichten Menschenrechtsorganisationen von zahlreichen Übergriffen des Militärs auf die Zivilbevölkerung. Seit Anfang des Jahres haben sich Einwohner*innen in vielen Gemeinden in bewaffneten Bürgerwehren organisiert, um sich gegen die Mafia zu wehren. Auch Martínez setzt nach dem Tod seiner Mitstreiter nicht auf die Regierung: „Wir können nicht erkennen, dass der Staat irgendetwas dafür tut, dass wir Frieden und Gerechtigkeit bekommen.“

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