Venezuela am Wahltag: Auf den Abstand kommt es an

von Rafael Uzcategui

(Caracas, 11. April 2013, periódico el libertario).- Persönlich erwarte ich keine Überraschungen bei der Wahl am kommenden 14. April, bei der die Führungsriege um Maduro an den Urnen für eine erneute 6-jährige Regierungszeit legitimiert werden wird. Nach meinem bescheidenen Dafürhalten wird der interessantere Aspekt der Abstand sein, mit dem der Gewinner vor dem Gegenkandidaten Henrique Capriles liegen wird.

Führungsrolle und Stimmenzahl

Obgleich Maduro, als übergangsweiser Erbe des politischen Kapitals, das sich Hugo Chávez in mehr als einem Jahrzehnt erarbeitet hat, die klare Siegoption hat, wird es für ihn schwierig werden, mehr als die 8 Millionen Stimmen zu erreichen, die Chávez am vergangenen 7. Oktober erhielt. Das Versprechen, mehr als 10 Millionen Stimmen zu holen, wie das Mantra seiner Wahlkampagne lautet, ist nicht mehr als ein bloßer Wahlslogan. Und das ist ihnen auch bewusst.

Das Wahlverhalten des so genannten „volksnahen Chavismus“ bzw. der Leute an der Basis wird die interessanteste Variable bei den Wahlen am kommenden Sonntag sein. Sicherlich wird diese Schicht angesichts des Todes ihres Anführers besonders motiviert sein und wird den Wahlakt in einen religiösen Akt der Kommunion mit seinem Andenken verwandeln, so dass die massenhafte und starke Wahlbeteiligung dazu führen könnte, dass die Stimmenzahl für die Regierungspartei tatsächlich um die 8 Millionen herum liegen könnte.

Allerdings wäre dies das erste Mal, dass sie für einen anderen Kandidaten als Chávez die Stimme abgeben würden. Inmitten der Trauer könnten der Stil und die Inhalte der Kampagne von Maduro einen gewissen Prozentsatz der roten Wählerschicht davon abbringen, für ihn zu stimmen. Subjektivität und Emotionalität sind in der Politik höchst flüchtige und delikate Werte.

Das ideale Ergebnis für Maduro und seine Stellung als Sprecher der bolivarianischen Bewegung wäre, wenn er trotz eines möglichen Verlustes an Stimmen den Abstand zu seinem Kontrahenten bei 1,5 Millionen Stimmen halten könnte. Es ist wichtig, die Vergänglichkeit zu betonen, die mit der Übergabe von Chávez an Maduro im so genannten „Prozess“ einherging. Der in Sabaneta geborene Linkshänder bat darum, dass Maduro zum Präsidenten gewählt würde bei den Wahlen, die aufgrund der „plötzlichen Situation“ nötig würde, nämlich seiner Krankheit und seinem Ableben.

Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob er dadurch, in der Folgezeit und auf Dauer, auch zu seinem Ersatz werden sollte bei der Führung der so genannten „bolivarianischen Revolution“. Aus diesem Grund wird die innerbolivarianische Führungsfrage mit Sicherheit zu einer Quelle von Konflikten und Zerwürfnissen. Sollte Maduro den Abstand von 1,5 Millionen Stimmen halten können, würde das, jedenfalls mittelfristig, die voraussehbare Infragestellung seiner Führungsrolle eindämmen helfen.

Herausforderungen für die kommende Regierung

Wenn der Abstand zwischen Maduro und Capriles jedoch bei etwa 500.000 Stimmen liegen sollte, würde dies die Führungskrise im bolivarianischen Lager nur noch weiter verschärfen und würde aus dem 15. April, 24 Stunden nach den Wahlen, den Anfang einer Kampagne zu seiner Absetzung machen, die mit der geltenden Rechtsgrundlage im Jahr 2016 erfolgen könnte. Im Fall eines Fotofinish’ mit einem extrem knappen Ergebnis von lediglich 200.000 Stimmen Vorsprung, wäre das Ganze eine extrem explosive Situation, nicht nur für die Autorität von Maduro innerhalb des Bolivarianismus, sondern für die politische Hegemonie des Chavismus an sich.

Neben einer möglichen Zersplitterung der bolivarianischen Bewegung wird sich die Regierung von Maduro auch mit der Wirtschaftskrise und dem institutionellen Ausufern der der Basismobilisierung, die ihre Rechte einfordert, beschäftigen müssen. Diese drei Vektoren, die auf vielfältige Weise miteinander verknüpft sind, lassen erahnen, dass die nächsten Jahre sehr schwierig für die Regierung werden und dass sie Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen wird treffen müssen.

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