Umstrittene Generalversammlung der Interamerikanischen Pressegesellschaft

von Nils Brock

(Rio de Janeiro, 20. Oktober 2012, npl).- Mitte Oktober kam im brasilianischen São Paulo die Interamerikanische Pressegesellschaft (SIP) zu ihrer 68. Generalversammlung zusammen. Mit über 1300 Mitgliedern gilt die SIP als einflussreichste Organisation lateinamerikanischer Presse- und Medienunternehmen. Tonangebend war auf dem diesjährigen Treffen die Debatte um Pressefreiheit und die staatliche Regulierung des Mediensektors. Überall seien Tendenzen eines neuen „kontinentalen Autoritarismus“ erkennbar, resümierte beispielsweise die einflussreiche brasilianische Tageszeitung O Globo.

Neben einzelnen Fällen, in denen Journalist*innen und Medien von staatlicher Seite bedroht oder sanktioniert wurden, bereitet den SIP-Mitgliedern vor allem die Novellierung bestehender Mediengesetze große Sorge. In Argentinien beispielsweise wird bereits am siebten Dezember ein neues Gesetz in Kraft treten.

Das sogenannte „D7“ könnte tatsächlich zum medienpolitischen D-Day werden, denn einflussreichen Medienunternehmen, allen voran die Gruppe Clarín, droht der Verlust zahlreicher Konzessionen im Radio- und TV-Sektor. Doch während Clarín auf der SIP-Konferenz diese Entwicklung als Angriff auf die Pressefreiheit darstellte, demonstrierten vor dem Tagungsort Hunderte gegen eine solche „einseitige Vereinnahmung demokratischer Prinzipien“. João Brant vom Nationalen Forum für die Demokratisierung der Kommunikation (FDNC) machte deutlich: “Die Freiheit für die wir kämpfen, ist die Freiheit aller und nicht etwas, dessen Grenzen von den Medienmonopolen gezogen wird.“ Der SIP werfen sie vor, die gesellschaftlichen Garantien freier Presse und Meinungsäußerung für ihre kommerziellen Interessen zu instrumentalisieren.

Kritiker*innen werfen SIP Instrumentalisierung vor

Bis zuletzt hatte Clarín gegen Artikel 161 des kommenden argentinischen Mediengesetzes geklagt, dass eine Auflösung monopolistischer Strukturen im Sektor vorsieht. Dass die freiwerdenden Frequenzen Community Radios und anderen nicht-kommerziellen Medien zu Gute kommen werden, wird bei der öffentlichen Kritik an „staatlichen Eingriffen“ jedoch konsequent unterschlagen. So wurden auch die geplanten Novellierungen des ecuadorianischen und brasilianischen Mediengesetzes auf dem SIP-Treffen nie ausführlich diskutiert.

Die Demonstrierenden auf der Straße dagegen begrüßten die staatlichen Vorhaben und versuchten mit einer Gegenkampagne im Internet besser über die aktuellen medienpolitischen Prozesse zu informieren. An der Online-Konferenz „Um die Freiheit auszudrücken“ (Para Expressar a Liberdade) beteiligten sich neben Akademiker*innen und Gewerkschaften auch der Online-TV-Kanal posTV und die Zeitungen Carta Maior und Brasil de Fato. Anstatt bei der Neugestaltung der Rundfunkregulierung jedoch ausschließlich auf die Parlamentarier*innen zu vertrauen, forderten sie dabei auch ein größeres Mitspracherecht der Zivilgesellschaft. In Brasilien hat ein breites Bündnis bereits “20 Punkte für eine Demokratisierung der Kommunikation” formuliert. Die SIP-Mitglieder stimmten derweil für die Entsendung einer “Mission” nach Argentinien, um die Clarín-Gruppe gegen den kommenden “D7” zu unterstützen.

Für weitere Informationen siehe auch:

Artikel „Manifestantes protestam contra conglomerados da mídia em São Paulo” 

Artikel “Pesquisadores e ativistas debatem liberdade de expressão na América Latina, nesta segunda, em contraponto à SIP“

Artikel „Kongress über Medienfreiheit in Lateinamerika“ (auf Deutsch)

20 Punkte für eine Demokratisierung der Kommunikation in Brasilien“ (auf Portugiesisch) 

 

 

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