Freispruch für Ex-Präsident: Straflosigkeit im Aufwind

(Guatemala-Stadt, 25. Mai 2011, cerigua/poonal).- Für Protest sorgte ein Gerichtsurteil vom 9. Mai dieses Jahres in Guatemala-Stadt, mit dem Ex-Präsident Alfonso Portillo und zwei seiner ehemaligen Minister, Eduardo Arévalo (Verteidigung) und Manuel Maza (Finanzen) vom Vorwurf der Korruption freigesprochen wurde. Vertreter*innen mehrerer sozialer Organisationen erklärten, das Urteil fördere die Straflosigkeit und schwäche die Glaubwürdigkeit der juristischen Institutionen in Guatemala.

Nach Ansicht der Sprecherin der Bewegung für Gerechtigkeit (Movimiento pro Justicia), Carmen Aída Ibarra, zeige das Urteil, dass man jederzeit Pläne zur Veruntreuung von Staatsgeldern schmieden und Straftaten begehen könne, ohne dafür strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Auch Ramón Cadena, Direktor der Internationalen Vereinigung der Juristen sagte, der Fall scheine die Straflosigkeit im Land zu begünstigen und zeige, dass es sich mehr um eine politische, als um eine juristisch Entscheidung handele. Solche Urteile erzeugten Unzufriedenheit in der Bevölkerung; die Gerichte würden an Glaubwürdigkeit verlieren, was wiederum die Straflosigkeit stärken würde.

Hintergrund der Anklage

Nach zwei vergeblichen Versuchen hatte in Guatemala Ende Januar dieses Jahres vor dem elften Strafgericht der Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Portillo und die beiden ehemaligen Minister begonnen. Der 59-Jährige Portillo, der das mittelamerikanische Land von 2000 bis 2004 regierte, war angeklagt, 120 Millionen Quetzales (umgerechnet knapp elf Millionen Euro) im Jahr 2001 aus dem Fonds des Verteidigungsministeriums unterschlagen zu haben. Nach Sicht der Anklage wurde der Betrug mit einem Regierungserlass eingeleitet, welcher die Überweisung der 120 Millionen Quetzales an das Verteidigungsministerium anordnete. Das Geld war auf ein Konto der Bank von Guatemala eingezahlt und später in bar abgehoben worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte für die drei Männer jeweils drei Jahre Haft und einen lebenslangen Ausschluss von politischen Ämtern gefordert. Das Gericht sprach jedoch Portillo und die beiden ehemaligen Minister nach vier Monaten in der Angelegenheit frei. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass keine Straftat von Seiten der drei Angeklagten begangen wurde, indem sie die Überweisung veranlassten, da dies zu ihren Aufgaben gehörte.

Vorsitzende Richterin gegen den Freispruch

Allerdings war der Urteilsspruch nicht einstimmig: Zwei der Richterinnen stimmten für den Freispruch, die Vorsitzende Richterin Morelia Ríos sprach sich dagegen aus. Die beiden Richterinnen Patricia Veras Castillo und Coralia Contreras sagten, die vorgebrachten Beweise seitens der Staatsanwaltschaft und der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala CICIG (Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala) seien nicht überzeugend gewesen. Eine Beteiligung der drei Beklagten an der Unterschlagung des Geldes sei nicht erwiesen, auch nicht, dass sie das Geld erhalten hätten.

Zweifel an der Unparteilichkeit

Die CICIG hingegen bezweifelt die Unparteilichkeit zumindest der Richterin Veras Castillo. Lokale Medien hatten ein Video veröffentlicht, das zeigte, wie ihr Mann sich in einem Aufzug lebhaft mit dem Verteidiger Portillos, Telésforo Guerra, unterhielt. Angeblich soll dieser mit dem Mann von Veras Castillo befreundet sein. Strafverteidiger Guerra hatte zuvor abgestritten, in Verbindung zum Ehepartner der Richterin zu stehen.

Die Generalstaatsanwältin Claudia Paz y Paz sagte, wenn es eine Verbindung zwischen beiden gegeben habe, hätte sich die Richterin aus dem Prozess heraushalten sollen. Veras Castillo sagte zu ihrer Verteidigung, dass es sich um eine rein berufliche Verbindung handele und das Video in einem öffentlichen Raum aufgenommen wurde. Der Verfassungsrechtler Carlos Molina Menco räumte ein, dass er der Richterin geraten hätte, nicht an dem Prozess teilzunehmen, um dieser Art der Kritik aus dem Weg zu gehen.

Der Sprecher der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala, Diego Álvarez, sagte, man respektiere das Urteil des Gerichts im Fall Portillo, aber man teile es nicht. Die guatemaltekische Bevölkerung rief er auf, Richter zu verlangen, die geeignet, integer und transparent seien und eine Justizverwaltung garantieren, die der Gerechtigkeit diene. Er kündigte an, dass die CICIG weiterhin mit allen Mitteln gegen die Straflosigkeit kämpfen werde. Auch Organisationen wie die Gruppe Gegenseitiger Hilfe GAM (Grupo de Apoyo Mutuo) und Jugend für Guatemala lehnten den Freispruch ab.

Auslieferung in die USA

Portillo hingegen bleibt in Haft; er ist auch in den USA wegen Geldwäsche und Untreue angeklagt. Er soll während seiner Amtszeit 70 Millionen Dollar Staatsgeld beiseite geschafft und bei mehreren Banken in den USA und in Europa gewaschen haben. Der Auslieferung des ehemaligen Staatschefs an die USA nach Abschluss seines Verfahrens in Guatemala hat die guatemaltekische Justiz bereits zugestimmt. Nach einer Meldung von Prensa Libre vom 25. Mai versucht die Verteidigung Portillos das Verfahren gegen ihn in New York zu stoppen. Es läge kein ausreichender Rechtsanspruch für eine Auslieferung und Anklage vor, so die Verteidung.

Eunice Mendizabal, staatsanwaltschaftlicher Sonderermittler für die Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala, widersprach hingegen, die Auslieferung des ehemaligen Präsidenten sei berechtigt. Es gäbe ein Abkommen zwischen Guatemala und den USA zur Bekämpfung von Geldwäsche aus Erlösen von Straftaten. Zudem hätte die Verteidigung des ehemaligen Präsidenten keine ausreichenden Gründe vorgebracht, um die Unschuld Portillos zu beweisen.

Umstrittene Persönlichkeit

Die Amtszeit Portillos zeichnete sich durch Konfrontationen mit den traditionell Mächtigen im Land aus, weshalb er bei der Bevölkerung als sehr beliebt galt. Doch nach seiner Präsidentschaft und dem Ablauf seiner politischen Immunität gab es zahlreiche Korruptionsvorwürfe gegen ihn. Im Februar 2008 floh er daraufhin nach Mexiko, wurde dort gefasst und nach Guatemala ausgeliefert, wo er gegen Kaution zunächst auf freiem Fuß blieb. Im Januar 2010 wurde er dann im Norden Guatemalas festgenommen, als er sich ins Nachbarland Belize absetzen wollte.

Sein Leben ist durch weitere mysteriöse Kapitel gekennzeichnet. Besonderes Aufsehen erregte der Fall von zwei erschossenen Studenten aus dem mexikanischen Chilpancingo. Eine von zahlreichen Versionen des Vorfalls besagt, dass die beiden Studenten in einer Nacht nach einem Besäufnis auf Portillo stießen und es zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden und Portillo kam. Letzterer sei wutentbrannt zu seinem Haus geeilt, um einen Revolver zu holen und zurückgekehrt, um sie zu töten. Um eine Gefängnisstrafe zu vermeiden, sei er danach nach Mexiko geflohen. Portillo nahm dazu später öffentlich Stellung und sagte, er habe in Selbstverteidigung gehandelt.

 

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