Stichwahl in Brasilien im Zeichen der Konfrontation

von Andreas Behn

(Berlin, 25. Oktober 2014, npl).- Viele Aktivist*innen und Vertreter*innen sozialer Bewegungen stellen derzeit ihre Kritik an der PT-Regierung hinten an, um zu verhindern, dass sie nach zwölf Jahren recht erfolgreicher Regierungsarbeit wieder abgewählt wird. Die Angst erklärt sich nicht nur aus den Umfragen, in denen Rousseff und ihr Herausforderer Aécio Neves von der PSDB fast gleichauf liegen. Erst zu Beginn dieser Woche konnte sich Rousseff einen kleinen Vorsprung arbeiten, vielleicht just wegen der zehntausenden Aktivist*innen, die plötzlich wieder für die PT auf die Straße gehen.

Neves und seiner konservativen Parteienkoalition ist es gelungen, eine Art Wendeklima in Brasilien zu etablieren. Wichtigster Partner dabei sie die durchweg rechten privaten Massenmedien, die seit Monaten eine dramatische Wirtschaftskrise herbeischreiben. Zudem wird die PT als inkompetent, korrupt und selbstverliebt dargestellt, als eine Partei, die das Wohlergehen des Landes gefährdet. Hinzu kam der Medienhype um die ehemalige Umweltministerin Marina Silva, die dem tödlich verunglückten Eduardo Campos als Präsidentschaftskandidatin der PSB folgte.

Wendestimmung im Land

Zeitweise lag Silva in Umfragen sogar vor der Amtsinhaberin. Doch im ersten Wahlgang Anfang Oktober reichte es nur für einen guten dritten Platz mit 21 Prozent Stimmenanteil. Rousseff erreichte 41,5 und acht Prozent mehr als Neves, der damit in die Stichwahl am kommenden Sonntag einzog.

Silva, die sich stets als Option eines dritten Weges präsentierte, wendete sich vergangene Woche endgültig nach rechts. Nach kaum glaubhaften Versprechungen von Neves, er werde eine Agrarreform vorantreiben, den Umweltschutz fördern und sogar die Indígenas vor den Landbaronen schützen, sagte sie ihm und seiner Partei ihre volle Unterstützung zu. Für viele, die in ihr trotz des neoliberalen Wirtschaftsprogramms eine halbwegs linke Option gesehen haben, war diese deutliche Parteinahme nicht nachzuvollziehen.

Für Luiz Inácio Lula da Silva hat es diesen Dritten Weg nie gegeben. „Zur Wahl stehen zwei entgegengesetzte Modelle: Der Sozialstaat Brasilien oder das Zurück zu einem neoliberalen Brasilien“, so der immer noch sehr populäre Ex-Präsident. Dementsprechend verteidigt Rousseff im Wahlkampf die Sozialleistungen sowie den starken Staat, der regulierend in die Wirtschaft eingreift. Neves beteuert, die Sozialprogramme nicht anzutasten. Plädiert aber für eine liberale Ökonomie mit weniger Staat und mehr Unternehmerverantwortung.

Wahlkampf unter der Gürtellinie

Die zunehmend heftige Konfrontation der beiden Widersacher*innen hat aber dazu geführt, dass die Wahlkampagnen inhaltlich immer mehr verflachen. Die Fernsehdebatten sind von persönlichen Angriffen geprägt, oft unter der Gürtellinie. Zudem versucht Neves den jüngsten Korruptionsskandal beim staatlichen Ölriesen Petrobras zu nutzen und Rousseff in die Schuhe zu schieben. Rousseff kontert mit versteckten Hinweisen darauf, dass Neves – der gerne von Null-Toleranz und Ordnung spricht – Drogenprobleme habe.

Selten war eine Wahl in Brasilien so spannend, selten so konfrontativ. Wer auch gewinnen mag, es wird für den Sieger nicht einfach sein zu regieren. Die Spaltung in das schon immer bessergestellte und das jetzt nachholende Brasilien ist deutlicher als zuvor und die gegenseitigen Vorbehalte größer geworden.

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