Selbstversorgung mit Genmais?

Stellungnahme öffentlicher Institutionen gefordert

Ebenso wurden die entsprechenden öffentlichen Fachinstitutionen aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben: das Gesundheitsministerium, das Finanzministerium, der Nationalrat für Wissenschaft und Technik (Conacyt), die Bundeskommission für den Schutz gegen gesundheitliche Risiken Cofepris (Comisión Federal para la Protección contra Riesgos Sanitarios), die Bundesstaatsanwaltschaft für Umweltschutz Profepa (Procuraduria Federal de Proteccion al Ambiente), die Kommission für die Biosicherheit genetisch modifizierter Organismen Cibiogem (Comisión Intersecretarial de Bioseguridad de los Organismos Genéticamente Modificados) und die Bundeskommission zur Wettbewerbssicherung Cofeco (Comisión Federal de Competencia). An die Kläger*innen erging die Anweisung, ihre Argumente ebenfalls schriftlich vorzubringen.

Die Antwort der verklagten multinationalen Konzerne konzentriert sich bei ihrer Strategie auf fünf bereits bekannte Behauptungen, die höchst strittig sind: a) Genmais wirft höhere Erträge als normaler Mais ab und sein kommerzieller Anbau würde die nationale Selbstversorgung mit Mais bedeuten; b) das Verbot des kommerziellen Anbaus von Genmais verursacht dem Land großen Schaden, denn es hält die Nahrungsmittelabhängigkeit aufrecht; c) wissentlich oder unwissentlich haben wir Mexikaner*innen bereits über Jahre Genmais konsumiert; d) der Genmais ist ein unbedenkliches Nahrungsmittel, es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis für das Gegenteil und keine nachweisbaren Gesundheitsschäden bei Mexikaner*innen; und e) die traditionellen einheimischen Sorten können mit dem Genmais koexistieren und so oder so käme die Verunreinigung der erstgenannten Sorten diesen aufgrund größerer biologischer Vielfalt zugute.

Studien widerlegen Mär von Ertragssteigerung bei Genmais

Aus Platzgründen werden wir in diesem Text nur auf die ersten beiden Behauptungen eingehen und die übrigen bei anderer Gelegenheit behandeln. Der Ertrag einer Pflanzung resultiert ist eine Eigenschaft, die aus der Interaktion Tausender Gene untereinander und mit der Umwelt resultiert. Die heutige kommerzielle Rekombinationstechnologie beschränkt sich auf die gleichzeitige Manipulation nur einer Handvoll Gene. Die Ertragseigenschaft zu manipulieren, liegt daher außerhalb ihrer Möglichkeiten.

Die durchschnittliche Ertragsentwicklung beim Mais in den USA und Westeuropa für die Zeiträume kurz vor dem Auftreten von Genmais und für jene Jahre, in denen er eingesetzt wurde, verglichen Heinemann und seine Mitarbeiter*innen. Beide Regionen verfügen über ein ähnliches wissenschaftliches und technologisches Niveau in der Landwirtschaft.

Von Mitte der 1980er Jahre bis 2013 stieg demnach der Anteil des mit Gentechnologie ausgesäten Maises in den USA von Null auf 94 Prozent an. In Westeuropa gab es keinen Genmaisvormarsch. Derzeit ist in Europa die Entwicklung bezüglich der Transgenisierung gegenläufig zur Tendenz in den USA [1]. Doch anders als es die Argumentationsführung pro Genmais darstellt, hat in den Vereinigten Staaten die schrittweise Transgenisierung des Maisanbaus den durchschnittlichen Ertragsvorsprung gegenüber Westeuropa eingebüßt. Von einem Ertragsvorteil von etwa 800 Kilogramm pro Hektar zu Zeiten vor der Genmaiseinführung [in den USA, Anm. d. Red.] ist heute nichts mehr geblieben.

Die Europäer*innen haben Fortschritte in der klassischen Agronomie und der Züchtung nach den mendelschen Regeln gemacht – und dies ohne magische Lösungen, die sich jenseits des Wissens über die biologische Interaktion zwischen Schädling und Wirtspflanze, die genetische Biodiversität und natürlichen Ressourcen befinden. Mit anderen Worten: der in lebendige Agrochemie transformierte Mais ist nur eine weitere Form, die natürlichen Feinde des Mais zu bekämpfen und ebenso anfällig für das Auftreten von Super-Schädlingen.

Selbstversorgung mit Mais geht auch ohne Transgenisierung

Das Nationalinstitut für Forst-, Agrar- und Viehwirtschaftliche Forschung Inifap (Instituto Nacional de Investigaciones Forestales Agrícolas y Pecuarias) und das Postgraduiertenkolleg haben seit den 1960er Jahren das Ertragspotential von Mais und Bohnen in der mexikanischen Landwirtschaft untersucht. Die Studien sind in nationalen und internationalen Wissenschaftszeitschriften veröffentlicht worden. Von 1950 bis heute sind Feldversuche auf den Äckern von 4.500 kooperierenden Landwirt*innen durchgeführt worden. Das Ertragspotential beim Mais hatte öffentlich zugängliche Technologie mit nicht-transgenen Züchtungen zur Grundlage und stützte sich zudem auf das Wissen und die einheimischen Sorten der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen.

Bis zum Jahr 2000 beschränkten sich die Feldstudien auf die traditionell mit Mais bepflanzte Ackerfläche in Mexiko. Später wurde auch ein Viertel der Landreserven mit potentieller landwirtschaftlicher Nutzung (Verfügbarkeit von Süßwasser, günstiges Klima) berücksichtigt. Es handelt sich um Land, auf dem im Herbst-Winter-Zyklus im Südosten Mexikos angebaut werden könnte. Das Ertragspotential wurde vom Inifap untersucht.

Die erste, von Reggie J. Laird koordinierte Untersuchung, kam zu dem Schluss, dass das Ertragspotential für Mais im Regenfeldbau bei jährlich 22 Millionen Tonnen liegt. In der letzten veröffentlichten Studie, die einen Teil der erwähnten landwirtschaftlichen Reserveflächen einbezieht, wird das Ertragspotential bei 57 Millionen Tonnen angesiedelt. Der ersichtliche heutige Maiskonsum in Mexiko liegt bei jährlich 33 Millionen Tonnen [2].

Dies ist der Nachweis für die Argumentation, dass Mexiko über die notwendigen Ressourcen verfügt, seine Selbstversorgung beim Mais zurückzugewinnen. Welche Nachweise können Monsanto und die Handvoll mexikanischer Wissenschaftler*innen vorbringen, die behaupten, mit der Transgenisierung des Maisanbaus werde die nationale Selbstversorgung wiederlangt? Warum hat die mexikanische Regierung ihnen mehr geglaubt als ihrer eigenen, unabhängigen wissenschaftlichen Gemeinschaft?

*Emeritierter mexikanischer Forscher, Mitglieder der Vereinigung Gesellschaftlich Engagierter Wissenschaftler*innen UCCS ((Unión de Científicos Comprometidos con la Sociedad)

Literaturverweise:

[1] (International Journal of Sustainability (2013): Sustainability and innovation in staple crop production in the US Midwest, International J. of Agric. Sustainability, DOI: 10.1080.14735903.2013.806408.).

[2] (Turrent F., T. A. Wise y E. Garvey. 2012. Factibilidad de alcanzar el potencial productivo de maíz de México, Tufts University. Working Paper No. 12-03. Pp 36 pag. www.ase.tufts.edu/gdae/Pubs/Wp/12-03TurrentMexMaize.pdf).

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