Schlussanhörung des Permanenten Völkertribunals, Kapitel Mexiko

von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt

(Berlin, 13. November 2014, npl).- Es war eine dreijährige Reise durch die dunkle Menschenrechtsgegenwart Mexikos. Stationen des Horrors, aber auch Stationen des Aufbruchs. Nach hunderten von Anhörungen, Foren, Seminaren, Workshops und anderen Veranstaltungen begann am Mittwoch (12. November), die Schlussaudienz des Permanenten Völkertribunals (TPP), Kapitel Mexiko. Mehr als 500 Fälle von Menschenrechtsverletzungen aufgeteilt nach sieben Themenbereichen sind seit Ende 2011 im Rahmen des TPP ausführlich dokumentiert worden.

Anfangs gab es unter den Mitgliedern des internationalen Ethik-Tribunals mit Sitz in Rom noch Zweifel, ob die Menschenrechtslage in Mexiko ihre Aufmerksamkeit verdiene. Diese Zweifel sind durch die Zeugnisse von Einzelpersonen, Initiativen, Organisationen und sozialen Bewegungen in den zurückliegenden Jahren wohl gründlich ausgeräumt worden. Es passt ins Bild, dass die viertägige Schlussaudienz mit den immer heftigeren Protesten gegen das Verschleppen und die wahrscheinliche Ermordung der 43 Studenten von Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero zusammenfällt.

Der Mittwoch diente dazu, die verschiedenen vom TPP behandelten Themen und die festgestellten Menschenrechtsverletzungen noch einmal im ausführlichen Überblick darzustellen: die soziale Unterdrückung und der schmutzige Krieg gegen die Mitglieder sozialer Bewegungen, die Gendergewalt, die Migration und die Angriffe auf die Arbeitsrechte, die Zerstörung der Umwelt und der ländlichen Gesellschaft mit ihrer Jahrtausende alten Maiskultur und schließlich die Gewalt gegen Medienschaffende.

Am Donnerstag (1. November) wird über die Rolle gesprochen, die der Missbrauch der drei staatlichen Gewalten sowie der Einfluss der ökonomischen Macht sowie der Medienkonzerne dabei einnehmen. Eine spannende Frage ist, ob die mexikanische Regierung die ihr gegebene Gelegenheit nutzt, sich vor dem Tribunal gegen die Anklage des Machtmissbrauches zu verteidigen. Zu Beginn der Schlussanhörung überwog die Einschätzung, dass die für die Regierung vorgesehenen Stühle leer bleiben werden. Die international zusammengesetzte Jury, darunter mehrere anerkannte Juristen, wird am Freitag ein Urteil ausarbeiten und es am Samstag in einer öffentlichen Sitzung verkünden.

Zu den aus dem Ausland anwesenden Zeug*innen der Jury-Entscheidung wird voraussichtlich auch die deutsche Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel (Die Linke) gehören. Das Urteil des TPP hat keine bindende Wirkung. Das Permanente Völkertribunal setzt vielmehr auf seine moralische Kraft. Es steht in der ausdrücklichen Nachfolge der Russell-Tribunale. Letztere arbeiteten von 1966 bis 1967 die US-Verbrechen im Vietnamkrieg auf und hielten von 1974 bis 1976 über die lateinamerikanischen Diktaturen Gericht.

Das Permanente Völkertribunal (TPP) hat seit 1979 in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Themen fast 40 Sitzungen durchgeführt. Ihm gehören 130 angesehene und oft hochrangige Persönlichkeiten aus aller Welt an. Sein Urteilsspruch zu Mexiko wird angesichts der aktuellen Situation im Land wohl wesentlich mehr Aufmerksamkeit finden als noch vor Monaten gedacht.

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