Rio de Janeiro: Besetzte Favelas werden mit Befriedungspolizei ausgestattet

von Andreas Behn, Rio de Janeiro

(Berlin, 16. Oktober 2012, npl).- Vier Favelas in Rio de Janeiro sind am Morgen des 14. Oktober von Polizei und Militär besetzt worden. Laut Presseberichten gab es kaum Zusammenstöße zwischen den über 1.500 Uniformierten und den Drogenbanden, welche die Armenviertel bis dahin kontrollierten. Die Aktion ist Teil der Befriedungsstrategie der Regierung, mit der Rio de Janeiro für die Fußball WM 2014 und die Olympiade 2016 sicherer gemacht werden soll.

Aktion wurde vorher angekündigt

Während der Besetzung am vergangenen Sonntag kamen mehrere Panzer und Hubschrauber zum Einsatz. Da die Aktion wie üblich im Voraus angekündigt worden war, konnten die meisten Anführer*innen der Drogenhändler*innen das Gelände rechtzeitig verlassen.

„Festnahmen sind wichtig, aber noch wichtiger ist es, das Gebiet aus der Gewalt der Drogenhändler zu befreien,“ rechtfertigte der Staatssekretär für Öffentliche Sicherheit, José Mariano Beltrame, das Vorgehen auf einer Pressekonferenz. Beltrame wies erneut darauf hin, dass solche Besetzungen nicht in erster Linie der Bekämpfung des Drogenhandels, sondern der Rückgewinnung der Kontrolle über Stadtviertel dienten.

Dauerhafte Besetzung als „Befriedungsstrategie“

Am Vortag hatte die Polizei bei Hausdurchsuchungen in der Region fünf mutmaßliche Drogenhändler erschossen. Laut Polizeichefin Martha Rocha wurden im Verlauf des Wochenendes 51 Verdächtige festgenommen und Waffen sowie Drogen sichergestellt.

Die vier Favelas Manguinhos, Jacarezinho, Mandela und Varginha liegen in einem Industriegebiet im Norden der Stadt nahe der wichtigsten Ausfallstraßen. Aufgrund ständiger Auseinandersetzungen mit vielen Toten zwischen verfeindeten Banden und der Polizei wurde die Gegend von Bewohner*innen „Gazastreifen“ genannt.

Bestandteil der Befriedungsstrategie ist die dauerhafte Besetzung der Favelas. Dazu werden nach der Erstürmung Einheiten der neugeschaffenen Befriedungspolizei UPP (Unidade de Polícia Pacificadora) in den Armenvierteln stationiert. „Spätestens Anfang kommenden Jahres werden in den vier heute besetzen Favelas UPPs eingerichtet sein,“ versprach Staatssekretär Beltrame nach dem erfolgreichen Polizeieinsatz.

Kaum Mitsprache- und Gestaltungsrecht der BewohnerInnen

Bislang wurden 28 UPPs in Rio de Janeiro eingerichtet, die meisten davon in der wohlhabenden Südzone der Stadt nahe den Stränden von Ipanema und Copacabana. Mit der Befriedungsstrategie, die Ende 2010 mit der ersten dauerhaften Besetzung der Favela Santa Marta begann, sollen bis Mitte 2014 insgesamt 40 UPPs im ganzen Stadtgebiet stationiert werden.

Die UPPs gelten Vielen als wichtiger Fortschritt in der Sicherheitspolitik. Menschenrechtler*innen kritisieren allerdings, das es immer wieder zu willkürlichen Übergriffen seitens der Befriedungspolizei gegenüber Favela-Bewohner*innen kommt. Zudem wird bemängelt, dass nach der bewaffneten Übernahme keine Sozialmaßnahmen folgen, und dass die Bewohner*innen kein Mitspracherecht bei den städtebaulichen Veränderungen haben.

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Rio de Janeiro: Favela-Besetzungen für Olympia und Fußball-WM | von Andreas Behn | in poonal 972 | November 2011

 

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