Ressource Spanisch – Sprachschulen in Xela, Guatemala

von Markus Plate, Mexiko-Stadt

(Berlin, 16. September 2009, npl).- Für 500 Millionen Menschen auf der Welt ist Spanisch die Muttersprache. Mit der Globalisierung und dem Zusammenwachsen der Europäischen Union hat das Spanische auch als Fremdsprache einen Boom erfahren. Für Geschäfte, als Karrierekriterium, als eine der Weltsprachen der sozialen Bewegungen oder schlicht, um einen halben Kontinent bereisen und sich dort verständigen zu können. Spanisch ist Ressource, die internationalen Sprachschulen Profite beschert. Doch auch kleine Initiativen und LehrerInnenkooperativen profitieren vom Interesse am Spanischen, vor allem in Guatemala.

Quetzaltenango, auf 2.300 Metern am Fuße des Vulkan Santa Maria gelegen, ist die zweitgrößte Stadt Guatemalas. Ein historischer Kern aus dem 18. und 19. Jahrhundert, reparaturbedürftige Kopfsteinpflasterstraßen, bunte Trachten, Häuser und Märkte – Guatemala pur. Der Kosename Xela ist allerdings weitaus gebräuchlicher für diese Stadt. Die aus der Mayasprache stammende Bezeichnung Quetzaltenango ist einfach zu sperrig. Xelas größte Spanischschule heißt CELAS Maya. Im großen Hof eines wunderschön restaurierten kolonialen Hauses lernt Imke zusammen mit 25 weiteren Schüler*innen aus aller Welt zwischen Blumenbeeten und Obstbäumen.

„Ich bin Imke, ich habe vor einem halben Jahr mein Studium abgeschlossen und komme – zurzeit aus Osnabrück – und lerne gerade Spanisch. Letzte Woche habe ich einen großen Schwerpunkt auf die Grammatik gelegt. Wir sind viele Zeiten durchgegangen, Präpositionen und das alles. Inklusive einer Menge Hausaufgaben, muss man dazu sagen.“ Im Sprechen sei sie schon viel besser geworden, und das innerhalb einer Woche, darüber sei sie selbst erstaunt, sagt Imke. 25 Stunden Einzelunterricht pro Woche, das schlauche sie ganz schön, schließlich konzentriere sich alles nur auf sie und sie könne nicht einfach mal an Klassenmitglieder abgeben. Aber das mache die Sache eben auch sehr effektiv.

Spanisch reden muss Imke auch zu Hause, in ihrer Gastfamilie. Esmeralda beherbergt bereits seit 15 Jahren Sprachschüler*innen aus aller Welt und wohnt praktischerweise direkt gegenüber der Sprachschule. Ihre Erfahrungen sind fast ausschließlich positiv, ihre Kinder lernten schon frühzeitig andere Sprachen, Kulturen und Denkweisen kennen. Und natürlich verfügt die Familie über einen hübschen Zusatzverdienst.

Spanisch lernen in Guatemala, das heißt 25 Stunden Einzelunterricht pro Woche, Familienunterkunft, Ausflüge zu Lagunen und heißen Quellen, Naturheiler*innen, Glasbläsereien und Kaffeekooperativen, Filme und Gesprächsrunden über guatemaltekische Alltagskultur, über Geschichte und natürlich: Salsa-Tanzkurse. Das alles ist für rund 150 Euro pro Woche zu haben. Konkurrenzlos günstig und sehr intensiv. Wie schnell denn ihre Student*innen im Schnitt Spanisch sprechen lernen, frage ich meine ehemalige Lehrerin, Alejandra:

„Also, wenn wir etwas verallgemeinern, dann würde ich sagen, dass die Studentinnen nach drei Wochen genug Spanisch können, um hier in Lateinamerika zu reisen. Wenn jemand in Guatemala leben will, mehr mit den Menschen hier diskutieren will, dann reden wir von vielleicht zehn Wochen hier in der Schule.“

Alejandra ist allein erziehende Mutter, und gerade für Frauen im machistischen Guatemala ist der Sprachtourismus eine Möglichkeit, ein bisschen Geld zu verdienen. Alejandras Halbtagsjob an der Sprachschule gibt der alleinerziehenden Mutter die Möglichkeit, einen Lebensunterhalt zu verdienen und trotzdem Zeit für ihren Sohn zu haben. Auch wenn mehr als 180 Euro für den Halbtagsjob dabei nicht rausspringen. Monatlich, wohlgemerkt, aber das ist immer noch mehr als der gesetzliche Vollzeit-Mindestlohn in Guatemala. Und so seien die vielen Sprachstudent*innen in der Stadt für viele Frauen eine Tür, unabhängiger zu werden: vom Elternhaus, von Männern, von gesellschaftlichen Erwartungen.

Während Alejandras Arbeitgeber, CELAS Maya, schon auf Grund seiner Größe den Eindruck vermittelt, dass Spanisch eine Ressource ist, aus der Kapital geschlagen werden kann – das soziale Engagement scheint hier eine untergeordnete Rolle zu spielen, Sprachstudent*innen fühlen sich bisweilen ein wenig wie durchgeschleust – sind andere Sprachschulen in Xela ihrer Gründungsidee treu geblieben: Sie bedienen sich der Ressource Spanisch, um jungen Guatemaltek*innen Arbeit zu geben, soziale Projekte zu unterstützen und die Schülerinnen und Schüler aus aller Welt für die Kulturen und Probleme Guatemalas zu sensibilisieren.

CBA ist so eine Schule, ihr Gründer und Leiter heißt Hugo. „Wir haben diese Schule gegründet, um Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, vor allem für junge Menschen die studieren wollen.“ Viele ehemalige Lehrer*innen seien heute Anwält*innen, Ärzt*innen oder Ingenieur*innen, hätten also sehr qualifizierte Berufe. Das sei aber nur möglich gewesen, weil sie hier in der Schule arbeiten konnten. „Das ist bis heute unser Prinzip“, darauf ist Hugo stolz und: „Wir glauben, dass dies die einzige Möglichkeit ist, unser Land zu entwickeln.“

Diesem Prinzip folgt Jeff Lanusa: Er ist 23 Jahre, Halbtags-Spanischlehrer an Hugos Schule CBA. Daneben studiert Jeff Jura und ist außerdem Yogalehrer. Der Lehrerjob finanziert also Jeffs Studium, bietet aber noch sehr viel mehr: „Wow, ich glaube Spanisch-Lehrer zu sein hat mein Weltbild komplett geändert! Guatemala ist ein Land mit vielen Tabus. Alles ist hier ein Tabu. Sex, Religion, Politik. Das sind Themen, über die du hier oft einfach nicht reden kannst. Wenn du dich aber so viele Stunden mit Studenten aus so vielen Ländern unterhältst, lernst du viel offenere Kulturen kennen. Dein Geist erweitert sich. Ein Thema sind zum Beispiel Homosexuelle. Hier in Guatemala sind sie ein Tabu und diese Homophobie ist absolut irrational. Aber wenn Du mit Leuten aus Europa sprichst, dann ist entpuppt sich dieses Thema auf einmal als ziemlich normal. Das ist nur ein Beispiel, wie Dir der Kontakt mit anderen Kulturen die Augen öffnet.“

Einnahmequelle für Frauen, Teilzeitjob für Student*innen, Ort des kulturellen Austauschs und mehr noch: CBA ist seit der Gründung vor zwanzig Jahren eine der sozial engagiertesten Schulen der Stadt. Sie hat zum Beispiel Lebensmittelkonvois für notleidende Gemeinden organisiert, außerdem fließen zehn Prozent der Einnahmen in soziale Projekte, an ein Waisenhaus, ein Altenheim, eine kleine Landklinik, ein Aufforstungsprojekt. Daneben vermittelt CBA Kontakte für Freiwilligenarbeit. Denn viele Sprachstudent*innen wollen sich neben dem Spanischunterricht sozial und für die Entwicklung des Landes engagieren und für viele ist gerade die Möglichkeit des sozialen Engagements ein wichtiger Punkt für die Auswahl einer Schule.

Die meisten Student*innen wollten auch im Unterricht nicht nur Spanisch lernen, sondern dabei auch möglichst viel über Guatemala und Lateinamerika erfahren, weiß Hugo. Auch dem trage CBA Rechnung, die Lehrerinnen und Lehrer seien dafür ausgebildet: „Wenn sich die Schüler für Archäologie interessieren, dann bringen wir sie zu den Maya-Ruinen und erklären ihnen alles. Wir haben Lehrer, die auf Literatur spezialisiert sind und die den Schülern die reiche Literatur Lateinamerikas beibringen. Viele Studenten wissen, dass es hier eine 35jährige Militärdiktatur und einen bewaffneten Konflikt gegeben hat. Wir erklären ihnen dann die Hintergründe, die traditionelle Ungerechtigkeit in Guatemala, warum es eine Guerilla gab.“

In den meisten Sprachschulen Quetzaltenangos gehören soziales Engagement und kultur-politische Angebote zum guten – und durchaus werbewirksamen – Ton, Schulen wie CBA oder auch das „Proyecto Lingüístico“ sind von ehemaligen Guerilleros gegründet worden und äußern bis heute Kritik an den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen und Machtstrukturen.

Die Menschen in Quetzaltenango profitieren von der Ressource Spanisch, die einen mehr, die anderen weniger. Die Sprachstudent*innen bringen Geld in die Stadt. Und das lassen sie nicht nur bei Hugo oder bei Federico Velázquez Pacheco, dem Leiter der Sprachschule CELAS Maya, sondern auch in Bars, Souvenirshops oder Tourismusagenturen: „Ich glaube, der wirtschaftliche Impuls ist nennenswert. Denn der Tourismus in Xela geht in großem Umfang von den Sprachschulen aus. Es gibt zwar keine Statistiken, aber wir alleine haben im Durchschnitt immer 25 Studenten. Alle Schulen zusammengerechnet bedeutet das natürlich eine wirtschaftliche, aber auch kulturelle Bereicherung.“

Xela hat dabei weitgehend seine Ursprünglichkeit erhalten können – auch wenn in den letzten 20 Jahren ein üppiges Angebot an Cafés, Clubs, Restaurants und kleinen Kinos entstanden ist. Vielleicht 200 Sprachstudent*innen in der Stadt bei einer Bevölkerung von 250.000: Eine kulturelle Entfremdung wie in den Tourismus-Städtchen Panachajel am Lago Atitlán und in Antigua (Guatemala) hat hier nicht stattgefunden. Student Jonathan aus Seattle ist begeistert. „Das ist der beste Ort auf der Welt, ehrlich! Ich war in anderen Ländern Lateinamerikas und ich liebe zum Beispiel Mexiko, aber diese Stadt hat etwas sehr spezielles an sich.“

• Spanischschulen in Xela: www.xelapages.com/schools.htm

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