„Wir werden das Ergebnis delegitimieren!“ – Interview mit Dunia Montoya*

von Torge Löding, Antigua (Guatemala)

(San José, 23. November 2009, voces nuestras).- Dunia Montoya arbeitet als Journalistin für das alternative Kommunikationszentrum COMUN in El Progreso (Honduras) und ist Korrespondentin des mittelamerikanischen Radiomagazins Voces Nuestras

F.: Warum verweigern die Putschgegner*innen die Teilnahme an den Wahlen in Honduras am kommenden Sonntag?

A.: Seit dem Putsch am 28. Juni 2009 ist das bisschen, was an demokratischen Institutionen aufgebaut werden konnte gleichgeschaltet und von den Militärs und ihren zivilen Steigbügelhalter*innen unter totale Kontrolle gebracht worden. Das gilt auch für das oberste Wahlgericht. Es kann keine demokratische Wahl geben ohne Transparenz und ohne ein unabhängiges Wahlgericht. Die Nationale Front gegen den Putsch bezeichnet alle Kandidat*innen, die dennoch an den Wahlen teilnehmen als Putschist*innen und Präsident Manuel Zelaya unterstützt diese Auffassung.

F.: Haben denn alle Linken ihre Kandidatur zurück gezogen?

A.: Der wichtigste Volkskandidat Carlos H. Reyes tat dies als erstes. Die soziale Bewegung in Honduras hat Anfang des Jahres monatelang dafür gestritten, dass dieser Veteran der Gewerkschaftsbewegung, der in den sozialen Organisationen und Graswurzelinitiativen von Honduras höchsten Respekt genießt, als unabhängiger Präsidentschaftskandidat erstmals überhaupt antreten durfte. Dafür sammelten wir über 60.000 Unterschriften von Wahlberechtigten.

Gemeinsam mit Reyes haben alle unabhängigen Kandidat*innen für Abgeordnete und Bürgermeisterämter bereits in der vergangenen Woche ihren Rücktritt von der Wahlteilnahme erklärt. Auch einige Bürgermeisterkandidat*innen und Anwärter*innen auf ein Abgeordnetenmandat der Liberalen Partei PLH (Partido Liberal de Honduras), die den Putsch mehrheitlich unterstützt, haben ihre Kandidatur niedergelegt. Im Moment ist die Linkspartei Demokratische Vereinigung UD (Unión Democrática) leider noch gespalten. Große Teile der Kandidat*innen haben ihren Verzicht dem Wahlgericht gegenüber bereits erklärt. Zum Beispiel sind alle weiblichen Kandidatinnen, die der Frauenorganisation der UD angehören, gemeinsam zum Wahlgericht gegangen, um ihre Namen von den KandidatInnenlisten streichen zu lassen. Aber leider trifft das nicht auf alle zu. Zum Beispiel hat sich UD–Präsidentschaftskandidat Cesar Ham immer noch nicht zu diesem Schritt entschlossen. Die Begründung ist, dass seine Partei ihre Zulassung verlieren würde, wenn sie nicht antritt. Sollte sie indes antreten, wird sie jede Glaubwürdigkeit verlieren und nichts weiter als ein Spielzeug der Putschisten sein.

F.: Wie sehen Sie dabei die Rolle der Medien?

A.: Die anderen Vertreter*innen alternativer Medien und ich stehen der geballten Medienmacht der Oligarchie gegenüber, die fast 98 Prozent der Fernsehsender, Radiostationen und Printmedien kontrolliert. Diese Oligarchie hat den politisch–militärischen Putsch inszeniert, versucht ihn mit Medienpropaganda und Waffengewalt durchzuhalten und ihn mit den inszenierten Pseudowahlen am kommenden Sonntag international zu legitimieren.

F.: Die nationale Koordinierung der Putschgegner ruft zum Wahlboykott auf. Ist der durchsetzbar?

A.: Ich denke Nein. Die Putschisten setzen alles daran, ihre Wahlfarce durchzuführen. Im ganzen Land haben sie massiv Militär mobilisiert, um jeden Widerstand brutal zu unterdrücken. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie der Androhung von Gewalt auch Taten folgen lassen. Natürlich wird es trotzdem Proteste geben, denn das Volk hat seine Angst verloren. Das wird aber nicht ausreichen, um den erzwungen Urnengang zu verhindern.

F.: Wie ist die Lage dieser Tage in ihrer Heimatstadt El Progreso?

A.: Die Militärpräsenz ist beängstigend. El Progreso ist eine Hochburg der Widerstandsbewegung. Von hier sendet einer der wenigen oppositionellen Radiosender, Radio Progreso, der in den vergangenen Monaten immer wieder vom Militär zeitweilig geschlossen wurde. Historisch ist diese Stadt eine Hochburg des antikapitalistischen Widerstandes, zum Beispiel gab es in den 50er Jahren eine machtvolle Streikbewegung, die hier ihren Anfang nahm. Wenig stolz sind wir indes darauf, dass der machtversessene Putschpräsident Roberto Micheletti ebenfalls aus dieser Stadt stammt. Sein Geburtshaus befindet sich in der Nachbarschaft unseres Kommunikationszentrums. Seit langem ist uns Micheletti als besonders skrupelloser und autoritärer Mann bekannt.

In El Progreso ist der Widerstand täglich präsent. Zum Beispiel durch zahlreiche Graffitis, welche jugendliche Putschgegner immer wieder erneuern. Der Widerstand ist zur Volkstradition geworden, hat eigene Lieder und andere kreative Ausdrucksformen hervorgebracht. Unsere große Aufgabe wird es ab kommenden Montag sein, das Ergebnis der Pseudowahl national und international zu delegitimieren. Am Ende werden wir die Putschisten mit friedlichen Mitteln zu Fall bringen. Die soziale Bewegung ist seit dem Putsch erstarkt wie nie zuvor in Honduras. Gemeinsam werden wir den sozialen Wandel herbeiführen.

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